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DE - Landesrecht Hamburg

Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit (Tilgungsverordnung) Vom 11. Dezember 2012

Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit (Tilgungsverordnung) Vom 11. Dezember 2012
Zum 14.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: Berichtigung vom 11. Dezember 2012 (HmbGVBl. 2013 S. 8)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit (Tilgungsverordnung) vom 11. Dezember 201222.12.2012
Eingangsformel22.12.2012
§ 1 - Antrag und Gestattung22.12.2012
§ 2 - Verfahren nach Beginn der Vollstreckung22.12.2012
§ 3 - Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe22.12.2012
§ 4 - Arbeitsleistung22.12.2012
§ 5 - Beteiligung der Straffälligen- und Gerichtshilfe22.12.2012
§ 6 - Widerruf der Gestattung22.12.2012
§ 7 - Außerkrafttreten22.12.2012
Auf Grund von Artikel 293 Absatz 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. 1974 I S. 469, 1975 I S. 1916, 1976 I S. 507), zuletzt geändert am 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2304), und Nummer 2 der Weiterübertragungsverordnung-Strafrecht vom 20. August 2002 (HmbGVBl. S. 233), geändert am 20. September 2011 (HmbGVBl. S. 413, 417), wird verordnet:

§ 1 Antrag und Gestattung

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann einer verurteilten Person auf Antrag gestatten, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit abzuwenden.
(2) Gemeinnützige Arbeit im Sinne dieser Verordnung ist jede freiwillige und unentgeltliche Tätigkeit, die dem allgemeinen Nutzen dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt und sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet würde.
(3) Die Vollstreckungsbehörde weist eine verurteilte Person unverzüglich nach Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auf ihr Antragsrecht nach Absatz 1 hin.
(4) Ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts oder ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung oder des Steuerrechts wird durch die Leistung gemeinnütziger Arbeit nicht begründet. Die Vorschriften über den Arbeitsschutz finden sinngemäße Anwendung.

§ 2 Verfahren nach Beginn der Vollstreckung

Die Vollstreckungsbehörde kann die Gestattung nach § 1 Absatz 1 auch nach Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe aussprechen. Die Gestattung erfolgt in diesem Fall von Amts wegen. Sie ergeht unter dem Vorbehalt, dass eine geeignete Beschäftigungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Beschäftigungsstelle kann die Justizvollzugsanstalt oder eine andere Stelle sein, sofern die Voraussetzungen für einen offenen Vollzug oder Vollzugslockerungen vorliegen. Die verurteilte Person ist von der Justizvollzugsanstalt nach der Aufnahme unverzüglich darauf hinzuweisen, dass es ihr gestattet ist, die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit abzuwenden. Die geleistete gemeinnützige Arbeit wird nach Maßgabe von § 3 auf die zu vollstreckende Ersatzfreiheitsstrafe angerechnet.

§ 3 Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe

(1) Eine Vergütung wird für die geleistete Arbeit nicht gezahlt. Durch Ableistung von fünf Stunden gemeinnütziger Arbeit wird die Vollstreckung eines Tages der Ersatzfreiheitsstrafe abgewendet.
(2) In Härtefällen wird die Vollstreckung eines Tages der Ersatzfreiheitsstrafe durch Ableistung von drei Stunden gemeinnütziger Arbeit abgewendet. Ein Härtefall liegt in der Regel vor, wenn die verurteilte Person nachweislich
a)
als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist,
b)
nach begründetem ärztlichem Attest und gegebenenfalls ergänzenden Unterlagen durch Krankheit - einschließlich des Missbrauchs von Alkohol oder Drogen - auf nicht absehbare Zeit nicht mehr als drei Stunden täglich arbeitsfähig ist,
c)
die Arbeitsleistung zur Nachtzeit im Sinne des § 104 Absatz 3 der Strafprozessordnung erbringt,
d)
mindestens im Umfang von 30 Wochenstunden erwerbstätig ist oder sich in einer Bildungs- oder Eingliederungsmaßnahme im Umfang von mindestens 30 Wochenstunden befindet und dabei - ohne Berücksichtigung von Freibeträgen bei Erwerbstätigkeit - keine höheren Einnahmen erreicht, als sie der Regelleistung und gegebenenfalls einem Mehrbedarf nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches entsprechen,
e)
ausweislich der Bescheinigung des zuständigen Sozialleistungsträgers oder einer anderen Behörde mindestens ein Kind allein erzieht, das das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Über das Vorliegen eines Härtefalls entscheidet die Vollstreckungsbehörde auf Antrag der verurteilten Person.
(3) Bleibt die verurteilte Person der Arbeit fern, so wird die versäumte Arbeitszeit auch dann nicht auf die Gesamtarbeitszeit (§ 4 Absatz 1 Satz 2) angerechnet, wenn das Fernbleiben entschuldigt ist.
(4) Die verurteilte Person kann jederzeit die noch nicht getilgte Geldstrafe bezahlen.
(5) Ein verbleibender Teilbetrag der Strafe, der weniger als einem vollen Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht, wird nicht vollstreckt.

§ 4 Arbeitsleistung

(1) Die Vollstreckungsbehörde bestimmt im Einvernehmen mit der Beschäftigungsstelle den Arbeitsplatz, den Zeitpunkt des Arbeitsbeginns, die Tage der Arbeitsleistung und die tägliche Arbeitszeit. Ferner setzt sie die zur Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe erforderliche Gesamtarbeitszeit fest.
(2) Die Vollstreckungsbehörde teilt der verurteilten Person vor der Aufnahme der Arbeit die erforderliche Gesamtarbeitszeit und die Arbeitsbedingungen nach Absatz 1 mit. Zugleich weist sie sie auf ihre sich aus den Absätzen 3 bis 4 ergebenden Pflichten und auf die Rechtsfolgen nach § 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 hin.
(3) Die verurteilte Person soll bei der Arbeit von der Beschäftigungsstelle beaufsichtigt werden. Sie hat den Weisungen des Aufsichtspersonals nachzukommen. Die Beschäftigungsstelle zeigt der Vollstreckungsbehörde die Ableistung der Arbeit sowie Gründe an, die zu einem Widerruf der Gestattung führen können.
(4) Die erforderliche Arbeitskleidung hat die verurteilte Person selbst zu stellen, soweit dies bei der ausgewählten Arbeit üblich ist.

§ 5 Beteiligung der Straffälligen- und Gerichtshilfe

Die Vollstreckungsbehörde kann sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 4 Absätze 1 und 2 sowie zur Prüfung des Vorliegens eines Härtefalles der Straffälligen- und Gerichtshilfe bedienen. Die Straffälligen- und Gerichtshilfe zieht mit schriftlicher Einwilligung der verurteilten Person die zur Beurteilung des Vorliegens eines Härtefalls gegebenenfalls erforderlichen Belege Dritter (insbesondere ärztliche Bescheinigungen, Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen, Nachweise tatsächlicher Gehaltszahlungen) bei und nimmt gegenüber der Vollstreckungsbehörde Stellung.

§ 6 Widerruf der Gestattung

(1) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Gestattung nach § 1 Absatz 1 und ordnet die Vollstreckung der noch zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafe an, wenn die verurteilte Person
a)
ohne genügende Entschuldigung nicht zur Arbeit erscheint oder die Arbeit abbricht,
b)
trotz Abmahnung der Beschäftigungsstelle schlechte Arbeit leistet oder mit ihrer Arbeitsleistung hinter den Anforderungen zurückbleibt, die billigerweise an sie gestellt werden können,
c)
gröblich gegen ihr erteilte Weisungen verstößt,
d)
beharrlich die Erfüllung der Pflicht nach § 4 Absatz 4 verweigert oder
e)
durch sonstiges schuldhaftes Verhalten ihre Weiterbeschäftigung für die Beschäftigungsstelle unzumutbar macht.
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann die Beschäftigungsstelle die Weiterbeschäftigung der verurteilten Person ablehnen, wenn dafür ein sonstiger wichtiger Grund vorliegt. In diesem Falle ist der verurteilten Person, sofern nicht die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Absatz 1 vorliegen, nach Möglichkeit ein anderer Arbeitsplatz zuzuweisen.

§ 7 Außerkrafttreten

Die Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit vom 18. Dezember 1984 (HmbGVBl. S. 263) in der geltenden Fassung wird aufgehoben.
Hamburg, den 11. Dezember 2012.
Die Behörde für Justiz und Gleichstellung
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