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Gesetz über die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA-Gesetz) Vom 16. November 2010

Gesetz über die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA-Gesetz) Vom 16. November 2010
Zum 14.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juni 2022 (HmbGVBl. S. 375)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz über die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA-Gesetz) vom 16. November 201001.01.2011
Eingangsformel01.01.2011
§ 1 - Aufgaben01.09.2022
§ 2 - Leitung01.05.2011
§ 3 - Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter01.09.2022
§ 4 - Anspruch auf Rechtsberatung01.09.2022
§ 5 - Rechtsberatung bei Streitigkeiten im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr01.01.2011
§ 6 - Zuständigkeit für außergerichtliche Streitbeilegung und Schlichtungsverfahren01.09.2022
§ 7 - Allgemeine Verfahrensgrundsätze01.09.2022
§ 8 - Verschwiegenheitspflicht01.01.2011
§ 9 - Akteneinsicht01.01.2011
§ 10 - Verordnungsermächtigung01.09.2022
§ 11 - Schlussbestimmungen01.01.2011
Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz:

§ 1 Aufgaben

(1) Aufgabe der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA) ist es, im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg die folgenden Dienstleistungen zu erbringen:
1.
Rechtsberatung in allen Rechtsgebieten als öffentliche Rechtsberatung gemäß § 12 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes (BerHG) vom 18. Juni 1980 (BGBl. I S. 689), zuletzt geändert am 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2700), in der jeweils geltenden Fassung und, soweit erforderlich, Vertretung außerhalb gerichtlicher Verfahren,
2.
außergerichtliche Streitbeilegung als
a)
Vergleichsbehörde im strafrechtlichen Sühneverfahren gemäß § 380 der Strafprozessordnung (StPO),
b)
anerkannte Gütestelle in zivilrechtlichen Angelegenheiten gemäß § 794 Absatz 1 Nummer 1 der Zivilprozessordnung (ZPO),
3.
Schlichtungsverfahren gemäß § 13a des Hamburgischen Behindertengleichstellungsgesetzes (HmbBGG) vom 19. Dezember 2019 (HmbGVBl. 2020 S. 13) in der jeweils geltenden Fassung.
(2) Daneben kann die ÖRA die Durchführung von Mediationsverfahren zur Unterstützung von Konfliktparteien bei dem Bemühen um eine den Konflikt beendende einvernehmliche Vereinbarung anbieten.

§ 2 Leitung

Der ÖRA steht eine hauptamtliche Leiterin bzw. ein hauptamtlicher Leiter vor. Sie bzw. er wird von der für Soziales zuständigen Behörde im Benehmen mit dem Präses der für Justiz zuständigen Behörde auf unbestimmte Zeit bestellt und abberufen.

§ 3 Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

(1) Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten Rechtsberatung, außergerichtliche Streitbeilegung gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 2, Schlichtung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und die Verwaltungstätigkeiten in den Bezirksstellen der ÖRA. Die Leitung der ÖRA entscheidet über Beginn, Ende und Einsatzort der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
(2) Die Beraterinnen bzw. Berater und Vorsitzenden in Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung nehmen ihre Aufgaben als Amtspflicht wahr. Sie sind unabhängig in der Anwendung des Rechts. Dies gilt ebenso für die schlichtenden Personen bei der Durchführung von Verfahren nach § 1 Absatz 1 Nummer 3.
(3) Die Beraterinnen bzw. Berater, Vorsitzenden in Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung und schlichtende Personen werden auf Vorschlag der Leitung der ÖRA von dem Präses der für Justiz zuständigen Behörde für jeweils ein Jahr bestellt. Die Beraterinnen bzw. Berater, die Vorsitzenden und die schlichtenden Personen müssen über die Befähigung zum Richteramt verfügen. Sie sollen für den vorgesehenen Tätigkeitsbereich in der Regel auf Grund entsprechender beruflicher Praxis besonders qualifiziert sein. Die Bestellung kann aus wichtigem Grund im Sinne von § 86 Satz 2 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HmbVwVfG) vom 9. November 1977 (HmbGVBl. S. 333, 402), zuletzt geändert am 15. Dezember 2009 (HmbGVBl. S. 444, 449), in der jeweils geltenden Fassung durch den Präses der für Justiz zuständigen Behörde widerrufen werden.
(4) Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bei der Übernahme ihrer Aufgaben durch die Leitung der ÖRA auf die gewissenhafte und unparteiische Wahrnehmung ihrer Tätigkeit besonders zu verpflichten.
(5) Die ehrenamtlichen Verwaltungskräfte werden von der Leitung der ÖRA ausgewählt. Die Leitung der ÖRA kann eine ehrenamtliche Verwaltungskraft aus wichtigem Grund im Sinne von § 86 Satz 2 HmbVwVfG abberufen.
(6) Die Leitung der ÖRA ist berechtigt, aus wichtigem Grund im Sinne von § 86 Satz 2 HmbVwVfG die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorläufig bis zu einer Dauer von drei Monaten von der Amtsausübung zu entbinden. Den Betroffenen ist vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

§ 4 Anspruch auf Rechtsberatung

(1) Rechtsberatung gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 1 können ratsuchende Bürgerinnen und Bürger in Anspruch nehmen, wenn
1.
sie in der Freien und Hansestadt Hamburg ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, der Gegenstand der Rechtsberatung in Zusammenhang mit einem Aufenthalt in Hamburg steht oder die Ratsuchenden, sofern der Gegenstand der Beratung das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis betrifft, in Hamburg arbeiten oder ausgebildet werden,
2.
sie nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen die erforderlichen Mittel für eine Beratung durch eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt nicht aufbringen können,
3.
ihnen keine anderweitige Rechtsberatung zur Verfügung steht, deren Inanspruchnahme den Ratsuchenden zumutbar ist und
4.
die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist.
Die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 erfüllen Personen, deren monatliches Einkommen den dreifachen Regelsatz eines Haushaltsvorstands gemäß § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022, 3023), zuletzt geändert am 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2495), in Verbindung mit der Regelsatzverordnung in den jeweils geltenden Fassungen nicht übersteigt und denen ein einzusetzendes Vermögen nicht zur Verfügung steht. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse werden entsprechend §§ 82 und 90 SGB XII und den nach § 96 SGB XII erlassenen Rechtsverordnungen in den jeweils geltenden Fassungen berechnet.
(2) Eine rechtliche Vertretung durch die ÖRA findet nur statt, soweit diese im Einzelfall erforderlich ist, insbesondere, wenn der oder die Ratsuchende nicht in der Lage ist, die Sach- und Rechtslage mündlich und schriftlich in deutscher Sprache ausreichend und verständlich wiederzugeben, und eine rechtliche Vertretung anderweitig von den Anspruchsberechtigten nicht rechtzeitig oder in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. In Angelegenheiten des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts findet keine Vertretung statt.

§ 5 Rechtsberatung bei Streitigkeiten im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr

(1) Bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug nach der Richtlinie 2002/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl. EG Nr. L 26 S. 41, ABl. EU Nr. L 32 S. 15) wird Rechtsberatung gewährt
1.
für die vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf außergerichtliche Streitbeilegung,
2.
für die Unterstützung bei einem Antrag nach § 1077 ZPO, bis das Ersuchen im Mitgliedstaat des Gerichtsstands eingegangen ist.
(2) Für die Übermittlung von Anträgen auf grenzüberschreitende Beratungshilfe ist die ÖRA in entsprechender Anwendung von § 1077 ZPO zuständig.
(3) Für bei ihr eingehende Ersuchen um grenzüberschreitende Beratungshilfe ist die ÖRA zuständig, soweit der oder die Ratsuchende im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat und in Hamburg das Bedürfnis für Beratungshilfe auftritt.

§ 6 Zuständigkeit für außergerichtliche Streitbeilegung und Schlichtungsverfahren

(1) Außergerichtliche Streitbeilegung durch die ÖRA findet auf Antrag statt, wenn die Angelegenheit Bezug zum deutschen Rechtsraum hat.
(2) Für das Sühneverfahren nach § 380 StPO ist die ÖRA lediglich zuständig, wenn die Antragsgegnerin oder der Antragsgegner ihren oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Freien und Hansestadt Hamburg hat.
(3) Das Schlichtungsverfahren nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 findet statt, wenn Träger der öffentlichen Gewalt im Sinne von § 2 Absatz 1 Nummer 1 HmbBGG sowie juristische Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 HmbBGG verfahrensbeteiligt sind.

§ 7 Allgemeine Verfahrensgrundsätze

(1) Die ÖRA beachtet bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß § 1 die folgenden Grundsätze:
1.
das Recht auf ein faires Verfahren und den Anspruch auf rechtliches Gehör,
2.
die Neutralität und Unabhängigkeit gegenüber anderen öffentlichen, kirchlichen und privaten Stellen, Interessenverbänden und Wirtschaftsunternehmen,
3.
den Vorrang der vermittelnden Konfliktlösung gegenüber dem streitigen Verfahren,
4.
die Unparteilichkeit der Beraterinnen und Berater sowie der Vorsitzenden in Güte-, Sühne- und Mediationsverfahren und der schlichtenden Personen in Schlichtungsverfahren.
(2) Umstände, die Zweifel an der Unparteilichkeit von Beraterinnen und Beratern sowie der Vorsitzenden und der schlichtenden Personen nach Absatz 1 Nummer 4 begründen können, haben diese gegenüber den Ratsuchenden oder den Konfliktparteien offen zu legen. Die bei der ÖRA tätigen ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen in Angelegenheiten, in denen sie für die ÖRA tätig waren oder sind, kein Mandat übernehmen oder für eine der Parteien tätig sein. In begründeten Einzelfällen kann eine Ausnahmegenehmigung durch die Leitung der ÖRA erteilt werden.

§ 8 Verschwiegenheitspflicht

(1) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖRA haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit über die ihnen bei ihrer Tätigkeit für die ÖRA bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu wahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen im innerdienstlichen Verkehr, soweit diese zur Erfüllung der Aufgaben der ÖRA oder zur Wahrnehmung der Dienstaufsicht über die ÖRA durch die für Soziales zuständige Behörde notwendig sind, oder für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Beraterinnen und Berater im Sinne des § 12 Absatz 3 BerHG sind in gleicher Weise wie eine beauftragte Rechtsanwältin oder ein beauftragter Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit verpflichtet.
(2) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖRA dürfen ohne Genehmigung über Angelegenheiten, über die sie Verschwiegenheit zu wahren haben, weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben.
(3) Die Genehmigung, als Zeugin bzw. Zeuge auszusagen, darf nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung der Aufgaben der ÖRA ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.
(4) Ist eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der ÖRA Beteiligte oder Beteiligter in einem gerichtlichen Verfahren oder soll ihr oder sein Vorbringen der Wahrnehmung ihrer oder seiner berechtigten Interessen dienen, so darf die Genehmigung auch dann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 3 erfüllt sind, nur versagt werden, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse dies erfordert. Wird sie versagt, so ist der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter der Schutz zu gewähren, den die öffentlichen Interessen zulassen.
(5) Die Genehmigung nach den Absätzen 2 bis 4 erteilt die für Soziales zuständige Behörde. Die Befugnis zur Erteilung der Genehmigung kann der Leitung der ÖRA übertragen werden.

§ 9 Akteneinsicht

(1) Akteneinsicht oder Auskunft in Bezug auf die bei der ÖRA geführten Akten wird gewährt, wenn in Fällen der Rechtsberatung die bzw. der Ratsuchende oder in Fällen der außergerichtlichen Streitbeilegung die beteiligten Parteien schriftlich zustimmen und dadurch die Erfüllung der Aufgaben der ÖRA weder ernstlich gefährdet noch erheblich erschwert wird. Soweit die ÖRA als Güte-, Sühne- oder Mediationsstelle tätig wird, wird Akteneinsicht in die in diesem Zusammenhang geführten Akten ohne Zustimmung der Parteien nur gewährt, soweit die ÖRA auf Grund der geltenden rechtlichen Bestimmungen hierzu verpflichtet ist. Die Auskunft, ob und in welchem Zeitraum ein Güte-, Sühne- oder Mediationsverfahren stattgefunden hat, kann auch ohne Zustimmung sämtlicher beteiligter Parteien gegeben werden, soweit dies erforderlich ist, um gemäß § 278 Absatz 2 ZPO einen bereits stattgefundenen Einigungsversuch zu belegen oder einer Partei den Nachweis der die Verjährung hemmenden Wirkung gemäß § 204 Absatz 1 Nummer 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu ermöglichen.
(2) Die Entscheidung über die Erteilung von Auskünften und Gewährung von Akteneinsicht trifft die Leitung der ÖRA.

§ 10 Verordnungsermächtigung

Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen weiteren Bestimmungen über den Aufbau der ÖRA, die Aufgaben und Entschädigung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zur Aktenführung sowie die Durchführung und Ausgestaltung der Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung und in Mediationsangelegenheiten zu treffen. Die Ermächtigung nach § 13a Absatz 8 HmbBGG, das Nähere über Schlichtungsverfahren nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 durch Rechtsverordnung zu bestimmen, bleibt unberührt.

§ 11 Schlussbestimmungen

(1) § 10 tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
(2) Im Übrigen tritt dieses Gesetz am ersten Tage des zweiten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft. Zum selben Zeitpunkt treten die Verordnung über die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle vom 4. Februar 1946 (Sammlung des bereinigten hamburgischen Landesrechts I 333-a) und die Geschäftsordnung für die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle vom 15. November 1946 (Sammlung des bereinigten hamburgischen Landesrechts I 333-a-1) in ihren geltenden Fassungen außer Kraft.
Ausgefertigt Hamburg, den 16. November 2010.
Der Senat
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