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Gesetz zur Regelung von klinischen, rechtsmedizinischen und anatomischen Sektionen (Sektionsgesetz) Vom 9. Februar 2000

Gesetz zur Regelung von klinischen, rechtsmedizinischen und anatomischen Sektionen (Sektionsgesetz) Vom 9. Februar 2000
Zum 14.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz zur Regelung von klinischen, rechtsmedizinischen und anatomischen Sektionen (Sektionsgesetz) vom 9. Februar 200001.01.2004
Eingangsformel01.01.2004
Erster Abschnitt - Klinische Sektion01.01.2004
§ 1 - Begriff01.01.2004
§ 2 - Zulässigkeit01.01.2004
§ 3 - Leichenschau01.01.2004
§ 4 - Einwilligung, Anordnung01.01.2004
§ 5 - Antrag01.01.2004
§ 6 - Durchführung der klinischen Sektion01.01.2004
Zweiter Abschnitt - Rechtsmedizinische Sektion01.01.2004
§ 7 - Begriff01.01.2004
§ 8 - Zulässigkeit01.01.2004
§ 9 - Einwilligung, Anordnung01.01.2004
§ 10 - Antrag01.01.2004
§ 11 - Durchführung der rechtsmedizinischen Sektion01.01.2004
Dritter Abschnitt - Anatomische Sektion01.01.2004
§ 12 - Begriff01.01.2004
§ 13 - Zulässigkeit01.01.2004
§ 14 - Verfahren01.01.2004
Vierter Abschnitt - Schlussvorschrift01.01.2004
§ 15 - Ordnungswidrigkeiten01.01.2004
Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz:

Erster Abschnitt Klinische Sektion

§ 1 Begriff

(1)
1
Die klinische Sektion ist die letzte ärztliche Handlung im Rahmen der medizinischen Behandlung der Patientinnen und Patienten.
2
Klinische Sektion (innere Leichenschau) ist die ärztliche, fachgerechte Öffnung einer Leiche, die Entnahme und Untersuchung von Teilen sowie die äußere Wiederherstellung des Leichnams.
(2) Sie dient der Qualitätssicherung und Überprüfung ärztlichen Handelns im Hinblick auf Diagnose, Therapie und Todesursache, der Lehre und Ausbildung, der Epidemiologie, der medizinischen Forschung sowie der Begutachtung.

§ 2 Zulässigkeit

Die klinische Sektion ist zulässig, wenn
1.
die Leichenschau gemäß § 3 stattgefunden hat,
2.
eine Einwilligung oder Anordnung gemäß § 4 vorliegt und
3.
ein Antrag gemäß § 5 gestellt wurde.

§ 3 Leichenschau

¹Der klinischen Sektion hat die Leichenschau nach §§ 1 und 2 des Hamburgischen Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (Bestattungsgesetz) vom 14. September 1988 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 167), zuletzt geändert am 8. November 1995 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 290), in der jeweils geltenden Fassung vorauszugehen.
2
Bei Anhaltspunkten für einen nicht natürlichen Tod (§ 2 des Bestattungsgesetzes) darf eine klinische Sektion erst nach Freigabe des Leichnams durch die Staatsanwaltschaft erfolgen.

§ 4 Einwilligung, Anordnung

(1)
1
Eine klinische Sektion ist zulässig, wenn die oder der Verstorbene oder die oder der nächste Angehörige oder eine von der oder dem Verstorbenen bevollmächtigte Person schriftlich in die Sektion eingewilligt hat.
2
Eine telefonische Einwilligung der oder des nächsten Angehörigen oder der bevollmächtigten Person ist dann ausreichend, wenn sie von der zuständigen Ärztin oder dem zuständigen Arzt dokumentiert wird.
(2) Die Leiterin oder der Leiter der Pathologie kann im Einvernehmen mit der Ärztlichen Direktorin oder dem Ärztlichen Direktor anordnen, eine klinische Sektion auch ohne Vorliegen einer Einwilligung durchzuführen, wenn
1.
die Patientin oder der Patient eine schriftliche Erklärung zur Sektion krankheitsbedingt nicht geben konnte und
2.
eine Einwilligung anderer Personen nicht vorliegt, insbesondere Angehörige oder eine bevollmächtigte Person binnen 24 Stunden nach dem Tode der Patientin oder des Patienten nicht erreicht und befragt werden konnten, und
3.
die Sektion aus ärztlicher Sicht als so dringend zur Fürsorge für die Hinterbliebenen oder zur Qualitätssicherung anzusehen ist, dass bei Abwägung das Interesse an ihrer Durchführung die fehlende Einwilligung der Betroffenen überwiegt.
(3) Die klinische Sektion ist nicht zulässig, wenn
1.
sie erkennbar dem letzten Willen der oder des Verstorbenen widerspricht oder
2.
die nächsten Angehörigen oder eine bevollmächtigte Person ihr innerhalb acht Tagesstunden (7 bis 22 Uhr) nach dokumentierter Information über das Ableben der Patientin bzw. des Patienten und die beabsichtigte Sektion widersprochen haben.
(4)
1
Bei Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung einer Sektion zwischen Angehörigen und bevollmächtigten Personen ist die Entscheidung der bevollmächtigten Person maßgebend.
2
Bei Meinungsverschiedenheiten unter den Angehörigen gleichen Grades ist die klinische Sektion unzulässig.

§ 5 Antrag

(1) Die klinische Sektion wird von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt beim Institut für Pathologie beantragt.
(2) Die klinische Sektion wird auch auf Antrag der nächsten Angehörigen oder einer hierzu bevollmächtigten Person durchgeführt, sofern Persönlichkeitsrechte der oder des Verstorbenen dabei nicht verletzt werden.
(3) Dem Antrag ist der Nachweis über das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 3 und § 4 beizufügen.
(4)
1
Der Antrag ist zu begründen.
2
In ihm soll ausgeführt werden, ob
1.
die klinische Sektion der Klärung der Todesursache oder der Überprüfung der Diagnose- und Therapieverfahren (Qualitätskontrolle) dient oder
2.
ein besonderes, dem Fortschritt der Medizin dienendes wissenschaftliches Interesse in Lehre, Forschung und Epidemiologie besteht oder
3.
die Fürsorge für die Hinterbliebenen die klinische Sektion erfordert, namentlich im Gutachterwesen, im Versicherungsrecht und bei Erb- und Infektionskrankheiten.

§ 6 Durchführung der klinischen Sektion

(1)
1
Sektionen dürfen von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden, die dazu von der Ärztekammer ermächtigt wurden.
2
Der zuständigen Behörde ist diese Vollmacht bekannt zu geben.
(2) Die für die Untersuchung erforderlichen Organe und Gewebe dürfen entnommen werden.
(3) Ergeben sich bei der klinischen Sektion erstmals Anhaltspunkte dafür, dass der Verstorbene eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, so ist die Sektion sofort zu beenden und unverzüglich die Staatsanwaltschaft zu benachrichtigen.
(4) Nach der klinischen Sektion ist das äußere Erscheinungsbild des Leichnams in Achtung vor der oder dem Verstorbenen in einer ärztlichen Sorgfaltspflichten entsprechenden Weise wiederherzustellen.
(5) Das Ergebnis der klinischen Sektion ist auf dem Obduktionsschein (nach vorgegebenem Muster) zu dokumentieren und der zuständigen Behörde zu übersenden.

Zweiter Abschnitt Rechtsmedizinische Sektion

§ 7 Begriff

(1)
1
Die rechtsmedizinische Sektion ist die letzte ärztliche Handlung im Rahmen der postmortalen Untersuchung von Todesfällen, die sich plötzlich und unerwartet oder unter unklaren Bedingungen ereignet haben.
2
Rechtsmedizinische Sektion (innere Leichenschau) ist die ärztliche, fachgerechte Öffnung einer Leiche, die Entnahme und Untersuchung von Teilen sowie die äußere Wiederherstellung des Leichnams.
(2) Sie dient der Beweissicherung und Rekonstruktion, der Qualitätssicherung und Überprüfung ärztlichen Handelns im Hinblick auf Diagnose, Therapie, klinisch zuvor nicht bekannte Vorerkrankungen und äußere Schadensursachen sowie dadurch begründete Todesursachen, der Lehre sowie Aus- und Weiterbildung, der Epidemiologie, der medizinischen Forschung sowie der Begutachtung, insbesondere auch im Rahmen traumatologischer Fragestellungen, versicherungsmedizinischer Aspekte und toxikologischer Abläufe.

§ 8 Zulässigkeit

(1) Die rechtsmedizinische Sektion ist zulässig, wenn
1.
die Leichenschau gemäß § 3 Satz 1 stattgefunden hat und der Leichnam von der Staatsanwaltschaft freigegeben wurde,
2.
eine Einwilligung oder Anordnung gemäß § 9 vorliegt und
3.
ein Antrag gemäß § 10 gestellt wurde.
(2)
1
Soweit nichts anderes bestimmt ist, entscheidet die leitende Ärztin oder der leitende Arzt des Institutes für Rechtsmedizin über die Durchführung der rechtsmedizinischen Sektion.
2
Die Entscheidungsbefugnis kann auf andere Ärztinnen und Ärzte mit abgeschlossener Weiterbildung im Fach Rechtsmedizin übertragen werden.

§ 9 Einwilligung, Anordnung

(1) Eine rechtsmedizinische Sektion ist zulässig, wenn die oder der nächste Angehörige oder eine durch die Verstorbene oder den Verstorbenen bevollmächtigte Person nach Aufklärung und Information über die Sektion in die Sektion eingewilligt hat.
(2) Die Leiterin oder der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin kann anordnen, eine Sektion auch ohne Vorliegen einer Einwilligung durchzuführen, wenn
1.
Angehörige oder eine bevollmächtigte Person binnen 24 Stunden nach dem Tode der Patientin oder des Patienten nicht erreicht und befragt werden konnten und
2.
die Sektion aus rechtsmedizinischer Sicht wegen völliger Unklarkeit der Todesursache, zur Fürsorge für die Hinterbliebenen, zur Beweissicherung oder zur Qualitätssicherung als so dringend anzusehen ist, dass bei Abwägung das Interesse an ihrer Durchführung die fehlende Einwilligung überwiegt.
(3) Im Übrigen gilt § 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass eine Einwilligung der oder des Verstorbenen nicht erforderlich, eine Ablehnung der Sektion durch die oder den Verstorbenen nicht erheblich ist.

§ 10 Antrag

(1) Die rechtsmedizinische Sektion wird beantragt von
1.
der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt im Institut für Rechtsmedizin,
2.
Ärztinnen oder Ärzten, die die verstorbene Person in der Vergangenheit, namentlich in der Praxis, im Notdienst oder im Krankenhaus, behandelt hatten,
3.
Ärztinnen oder Ärzten, die die Leichenschau durchgeführt haben, oder
4.
ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Institutes für Rechtsmedizin, die mit der Sektion neben der Feststellung der Todesursache auch Zwecke von Lehre und Forschung verfolgen.
(2)
1
Die rechtsmedizinische Sektion soll auch auf Antrag der nächsten Angehörigen oder der insoweit bevollmächtigten Person durchgeführt werden, sofern Persönlichkeitsrechte der oder des Verstorbenen dabei nicht verletzt werden.
2
Auf Wunsch der Angehörigen soll über die Ergebnisse der Sektion Bericht erstattet werden.
(3)
1
In den Fällen des Absatzes 1 ist der Sektionsantrag zu begründen.
2
In ihm soll ausgeführt werden, welche Fragestellung mit der rechtsmedizinischen Sektion verknüpft ist, etwa die Beweissicherung, die Klärung der Todesursache oder die Überprüfung der Diagnose- und Therapieverfahren im Sinne der Qualitätssicherung; § 5 Absatz 4 Nummer 2 oder 3 gilt entsprechend.

§ 11 Durchführung der rechtsmedizinischen Sektion

(1) Rechtsmedizinische Sektionen dürfen nur von Ärztinnen und Ärzten, die gemäß § 6 ermächtigt sind, durchgeführt werden.
(2) Für die Durchführung der rechtsmedizinischen Sektion gilt § 6 Absätze 2 bis 5 entsprechend.

Dritter Abschnitt Anatomische Sektion

§ 12 Begriff

Die anatomische Sektion ist die Zergliederung von Leichen oder Leichenteilen in anatomischen Instituten zum Zwecke der Lehre und Forschung über den Aufbau des menschlichen Körpers.

§ 13 Zulässigkeit

Die anatomische Sektion darf unter ärztlicher Aufsicht oder Leitung oder unter Aufsicht oder Leitung von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern der Anatomie vorgenommen werden, wenn
1.
die anatomische Sektion der Ausbildung des Nachwuchses in medizinischen und naturwissenschaftlichen Berufen gemäß Approbations- oder Ausbildungsordnung dient,
2.
die oder der Verstorbene der Sektion zugestimmt hat und
3.
die Leichenschau gemäß § 3 Satz 1 stattgefunden hat und ein natürlicher Tod vorliegt oder wenn eine Freigabe des Leichnams durch die Staatsanwaltschaft vorliegt.

§ 14 Verfahren

(1) § 6 Absätze 3 und 5 gilt entsprechend.
(2) Nach Beendigung der anatomischen Sektion hat die verantwortliche Ärztin oder der verantwortliche Arzt bzw. die Hochschullehrerin oder der Hochschullehrer der Anatomie für die Bestattung zu sorgen und darüber eine Niederschrift anzufertigen.
(3) Soweit es im Hinblick auf den Zweck der anatomischen Sektion erforderlich ist, dürfen Leichenteile zurückbehalten werden.

Vierter Abschnitt Schlussvorschrift

§ 15 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1.
entgegen § 3 Absatz 1, § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 Nummer 3 eine Sektion durchführt, der keine Leichenschau vorausgegangen ist,
2.
entgegen § 2 oder § 8 eine klinische oder rechtsmedizinische Sektion durchführt, ohne dass eine Einwilligung oder Anordnung gemäß § 4 oder § 9 oder ein Antrag gemäß § 5 oder § 10 vorliegt,
3.
entgegen § 6 Absatz 1 Satz 1 oder § 11 eine Sektion durchführt, ohne hierzu von der Ärztekammer ermächtigt worden zu sein,
4.
entgegen § 6 Absatz 2, § 11 oder § 14 Absatz 3 Organe oder Gewebe entnimmt oder Leichenteile zurückbehält, ohne dass die Voraussetzungen einer Sektion gemäß §§ 2, 8 oder 13 vorliegen,
5.
unter Verstoß gegen die Vorschriften des § 13 oder § 14 eine anatomische Sektion durchführt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 20000 Euro geahndet werden.
Ausgefertigt Hamburg, den 9. Februar 2000.
Der Senat
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