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DE - Landesrecht Hamburg

Gesetz zum Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg Vom 27. November 2007

Gesetz zum Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg Vom 27. November 2007
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Zum 14.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Fußnoten
*)
Verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zum Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg und zur Änderung des Gesetzes über die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen vom 27. November 2007 (HmbGVBl. S. 407)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz zum Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vom 27. November 200705.12.2007
Eingangsformel05.12.2007
§ 105.12.2007
§ 205.12.2007
Anlage - Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg05.12.2007
Artikel 1 - Glaubensfreiheit und Rechtsstellung05.12.2007
Artikel 2 - Jüdische Feiertage05.12.2007
Artikel 3 - Jüdischer Religionsunterricht05.12.2007
Artikel 4 - Kinderbetreuung, Schulen und Weiterbildung05.12.2007
Artikel 5 - Seelsorge05.12.2007
Artikel 6 - Friedhöfe05.12.2007
Artikel 7 - Landesleistung05.12.2007
Artikel 8 - Sonstige Leistungen05.12.2007
Artikel 9 - Abgabenbefreiungen05.12.2007
Artikel 10 - Kultussteuerrecht05.12.2007
Artikel 11 - Meldewesen und Datenschutz05.12.2007
Artikel 12 - Sammlungswesen05.12.2007
Artikel 13 - Zusammenwirken05.12.2007
Artikel 14 - Freundschaftsklausel05.12.2007
Artikel 15 - Inkrafttreten und Laufzeit05.12.2007
Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz:

§ 1

Dem am 20. Juni 2007 unterzeichneten Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg wird zugestimmt.

§ 2

Der Vertrag wird nachstehend mit Gesetzeskraft veröffentlicht.

Anlage

Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg
In dem Bewusstsein der geschichtlichen Verantwortung vor den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern und geleitet von dem Wunsch, das Verhältnis zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der jüdischen Glaubensgemeinschaft zu fördern und zu festigen und die jüdische Glaubensgemeinschaft in der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, schließen die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Senat, und die Jüdische Gemeinde in Hamburg, Körperschaft des öffentlichen Rechts, vertreten durch ihre satzungsgemäßen Vertreter, den folgenden Vertrag:

Artikel 1 Glaubensfreiheit und Rechtsstellung

(1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährt der Freiheit, den jüdischen Glauben zu bekennen und auszuüben, sowie dem karitativen Wirken der Jüdischen Gemeinde in Hamburg den Schutz durch Verfassung und Gesetz.
(2) Die Jüdische Gemeinde in Hamburg ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie ist frei bei der Besetzung ihrer Ämter.

Artikel 2 Jüdische Feiertage

Folgende jüdische Feiertage werden als kirchliche Feiertage im Sinne des Feiertagsgesetzes vom 16. Oktober 1953 (HmbBl. I 113-a), zuletzt geändert am 6. Dezember 2000 (HmbGVBl. S. 358), geschützt:
1.
Pessach,
2.
Schawuoth,
3.
Rosch Haschana,
4.
Jom Kippur,
5.
Sukkoth,
6.
Schemini Azareth,
7.
Simchat Thora.

Artikel 3 Jüdischer Religionsunterricht

(1) Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hat das Recht, Religionsunterricht in den Institutionen der Gemeinde und in den von ihr unterhaltenen jüdischen Schulen durchzuführen.
(2) Die Durchführung des Religionsunterrichts in den staatlichen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg wird durch besondere Vereinbarungen auf der Grundlage des Hamburgischen Schulgesetzes geregelt.

Artikel 4 Kinderbetreuung, Schulen und Weiterbildung

(1) Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hat nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen das Recht, Schulen sowie Einrichtungen der Kinderbetreuung und der Weiterbildung zu errichten und zu betreiben. Die Genehmigung und Anerkennung sowie die Förderung aus öffentlichen Mitteln bestimmen sich nach den jeweils geltenden Vorschriften.
(2) Sofern Bildungsgänge solchen im staatlichen Bereich gleichwertig sind, sind Abschlüsse im Rahmen des Landesrechts staatlich anzuerkennen.

Artikel 5 Seelsorge

(1) Die seelsorgerische Betreuung von Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft in öffentlichen Einrichtungen nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 141 der Weimarer Reichsverfassung wird gewährleistet.
(2) Die Freie und Hansestadt Hamburg respektiert das Seelsorgegeheimnis. Die seelsorgerisch tätigen Personen sind in Verfahren, die dem Landesrecht unterliegen, berechtigt, ihr Zeugnis über dasjenige zu verweigern, was ihnen in ihrer seelsorgerischen Tätigkeit anvertraut worden oder bekannt geworden ist.
(3) In öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Heimen, aber auch Justizvollzugsanstalten oder Polizeiausbildungsstätten gewährleistet die Freie und Hansestadt Hamburg der Jüdischen Gemeinde in Hamburg das Recht, seelsorgerisch tätig zu sein und wird dies fördern. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg ist auch zu Gottesdiensten und religiösen Veranstaltungen berechtigt. Die Freie und Hansestadt Hamburg wird darauf hinwirken, dass in den öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten auf Wunsch eine den religiösen Speisevorschriften entsprechende Ernährung angeboten wird.
(4) Um die seelsorgerische Betreuung zu ermöglichen, teilt der Träger der Einrichtung der Jüdischen Gemeinde in Hamburg die Namen der Personen mit, die sich zum jüdischen Glauben bekennen, soweit die Mitteilung deren Willen nicht widerspricht. Die Betroffenen sind, soweit dies den Umständen nach nicht unmöglich ist, über die beabsichtigte Mitteilung in geeigneter Weise zu unterrichten und nach ihrem Willen zu befragen.
(5) Der Zutritt zu einer Justiz- oder Polizeieinrichtung setzt das Einverständnis der zuständigen Behörde zur Person des Seelsorgers voraus; das Einverständnis kann nur aus wichtigem Grund versagt oder widerrufen werden. Der Zutritt zu sonstigen öffentlichen Einrichtungen erfolgt im Benehmen mit dem Träger. Näheres wird durch Vereinbarung mit den öffentlichen, freien oder privaten Trägern dieser Einrichtungen geregelt.
Protokollerklärung zu Artikel 5 Absatz 2
Seelsorgerisch tätige Personen sind
1.
der Landesrabbiner von Hamburg,
2.
die vom Landesrabbiner vorab benannten weiteren Rabbiner und Rabbinatsgehilfen, deren Zahl insgesamt zehn Personen nicht überschreiten darf,
3.
gegebenenfalls eine weitere für die Jüdische Gemeinde in Hamburg seelsorgerisch tätige Person, die vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vorab benannt wird.
Die Jüdische Gemeinde in Hamburg, vertreten durch ihre satzungsmäßigen Vertreter, benennt der Freien und Hansestadt Hamburg zu Händen der für Religionsangelegenheiten zuständigen Behörde die Personen, die danach jeweils seelsorgerisch tätig sind. Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Liste der jeweils benannten Personen für die Anwendung des Artikels 5 abschließend ist. Sie gilt in der jeweils übermittelten Fassung so lange, bis die Jüdische Gemeinde in Hamburg eine Änderung mitteilt.

Artikel 6 Friedhöfe

Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hat das Recht, im Rahmen der geltenden Gesetze Friedhöfe als öffentliche Bestattungsplätze zu unterhalten, neue Friedhöfe anzulegen sowie bestehende zu verändern oder zu schließen. Die Friedhöfe genießen den gleichen Schutz wie staatliche Friedhöfe. Staatliche Maßnahmen, die Friedhöfe der Jüdischen Gemeinde in Hamburg betreffen, werden mit ihr abgestimmt. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hat das Recht, auf staatlichen Friedhöfen Gottesdienste und Andachten abzuhalten.

Artikel 7 Landesleistung

(1) Auf Grund des geschichtlich begründeten besonderen Verhältnisses der Freien und Hansestadt Hamburg zu ihren jüdischen Bürgerinnen und Bürgern und angesichts ihrer besonderen Verantwortung bei der Erhaltung und Pflege des gemeinsamen Kulturlebens beteiligt sich die Freie und Hansestadt Hamburg an den Ausgaben der jüdischen Gemeinschaft für deren gemeindliche und kulturelle Bedürfnisse (Landesleistung).
(2) Die Landesleistung ist keine Zuwendung im Sinne der §§ 23, 44 der Landeshaushaltsordnung.
(3) Die Landesleistung wird an die Jüdische Gemeinde in Hamburg als Leistung zur Förderung der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Hamburg gezahlt. Im Rahmen der Zweckbestimmung der Landesleistung sind unmittelbare Zahlungen an weitere Glieder der jüdischen Gemeinschaft in Hamburg ausgeschlossen. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg wird die Freie und Hansestadt Hamburg von etwaigen diesbezüglichen Forderungen freistellen.
(4) Die Höhe der Landesleistung, die Dauer ihrer Gewährung und die Modalitäten ihrer Zahlung sowie Einzelheiten ihrer anteiligen Weiterleitung an weitere Glieder der jüdischen Gemeinschaft beziehungsweise der Freistellung der Freien und Hansestadt Hamburg von deren Forderungen werden gesondert vereinbart.
(5) Die Jüdische Gemeinde in Hamburg legt jährlich, spätestens sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres ihre Haushaltsrechnung für das Geschäftsjahr vor, aus der sich die Verwendung der Landesleistung ergibt. Entsprechende Nachweise über die Verwendung der Landesleistung sind von den weiteren Gliedern der jüdischen Gemeinschaft zu erbringen, an die die Landesleistung anteilig weitergeleitet wird.
(6) Dem Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg wird ein Prüfungsrecht über die Verwendung der Landesleistung eingeräumt.
Protokollerklärung zu Artikel 7 Absatz 1
Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Ausgaben der jüdischen Gemeinschaft für deren gemeindliche und kulturelle Bedürfnisse im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 neben allen Aufwendungen im Rahmen der unmittelbaren Religionsausübung sowie der Vermittlung der Religionsinhalte insbesondere die Ausgaben für folgende Bereiche umfassen:
1.
Unterhaltung von Verwaltungsgebäuden, Synagogen und jüdischen Friedhöfen,
2.
Veranstaltungen kultureller Natur, Veranstaltungen zur Integration, Veranstaltungen sozialer Natur und Erinnerungsveranstaltungen sowie Veranstaltungen zum deutsch-israelischen und christlich-jüdischen Verhältnis,
3.
Kinder- und Jugendarbeit, Unterhalt eines Jugendzentrums,
4.
Betrieb eines Kindergartens,
5.
Betrieb schulischer Einrichtungen für Erwachsene und Kinder,
6.
Integrationsmaßnahmen, Sprachunterricht, Hilfestellung zum Aufbau einer Existenz in Deutschland,
7.
Soziale Maßnahmen, insbesondere die Unterstützung Bedürftiger,
8.
Altenbetreuung, insbesondere Betrieb eines Altenheimes,
9.
Koschere Versorgung von Gemeindemitgliedern und Gästen,
10.
Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit den vorstehenden Aufgaben einschließlich der Tragung von Verbindlichkeiten auch aus der Zeit vor Geltung dieses Vertrages.

Artikel 8 Sonstige Leistungen

(1) Die auf Grund besonderer gesetzlicher Grundlagen zu gewährenden Leistungen bleiben durch diesen Vertrag unberührt. Ebenso schließt die Gewährung der Landesleistung die Inanspruchnahme sonstiger Fördermöglichkeiten, deren Voraussetzungen die Jüdische Gemeinde in Hamburg erfüllt, nicht aus.
(2) Die Freie und Hansestadt Hamburg trägt weiterhin die im Rahmen des Abkommens zwischen dem Bund und den Ländern vom 21. Juni 1957 vereinbarten anteiligen Kosten für die Pflege und Erhaltung der geschlossenen jüdischen Friedhöfe.

Artikel 9 Abgabenbefreiungen

(1) Auf Landesrecht beruhende Befreiungen und Ermäßigungen von Steuern, Gebühren und Beiträgen für die Freie und Hansestadt Hamburg gelten auch für die Jüdische Gemeinde in Hamburg.
(2) Gebührenbefreiungen gelten auch für solche Gebühren, die die ordentlichen Gerichte in Angelegenheiten der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit, die Gerichtsvollzieher und die Justizverwaltungsbehörden erheben.

Artikel 10 Kultussteuerrecht

Die Jüdische Gemeinde in Hamburg ist berechtigt, nach Maßgabe der Gesetze von ihren Mitgliedern Kultussteuer und Gemeindegeld zu erheben und dafür eigene Vorschriften zu erlassen. Diese bedürfen der Genehmigung durch die Freie und Hansestadt Hamburg. Sie kann nur bei einem Verstoß gegen die staatlichen Bestimmungen versagt werden.

Artikel 11 Meldewesen und Datenschutz

(1) Die Freie und Hansestadt Hamburg unterstützt die Jüdische Gemeinde in Hamburg auf der Grundlage des Hamburgischen Meldegesetzes in der jeweils geltenden Fassung bei der Durchführung des jüdischen Meldewesens.
(2) Im Rahmen der geltenden Gesetze übermitteln die Meldebehörden der Jüdischen Gemeinde in Hamburg die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Daten. Die Übermittlung der Daten setzt voraus, dass bei der Jüdischen Gemeinde in Hamburg ausreichende Datenschutzmaßnahmen getroffen sind. Die Datenübermittlung erfolgt kostenfrei.
(3) Die Jüdische Gemeinde in Hamburg übermittelt ihrerseits den Meldebehörden Daten über mitgliedschaftsbegründende Ereignisse.

Artikel 12 Sammlungswesen

Die Jüdische Gemeinde in Hamburg ist berechtigt, Spenden und andere freiwillige Leistungen für ihre eigenen Zwecke sowie die Zwecke der ihr zugeordneten Stiftungen zu erbitten.

Artikel 13 Zusammenwirken

Die Vertragschließenden werden regelmäßige Gespräche zur Intensivierung ihrer guten Beziehungen führen. Sie werden sich außerdem vor der Regelung von Angelegenheiten, die die beiderseitigen Interessen berühren, miteinander ins Benehmen setzen und zur Besprechung solcher Angelegenheiten zur Verfügung stehen.

Artikel 14 Freundschaftsklausel

Die Vertragsparteien werden etwaige Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder Anwendung von Bestimmungen dieses Vertrages soweit möglich einvernehmlich klären.

Artikel 15 Inkrafttreten und Laufzeit

(1) Dieser Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Bürgerschaft geschlossen. Er tritt mit dem Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes in Kraft.
1)
(2) Die Artikel 7 und 8 des Vertrages können mit einer Frist von einem Jahr zum Ablauf des Kalenderjahres gekündigt werden, erstmalig zum 31. Dezember 2012. Ihre Geltung verlängert sich um jeweils fünf Jahre, wenn sie nicht fristgerecht gekündigt werden.
Hamburg, den 20. Juni 2007
Für den Senat Für den Vorstand
gez. Ole von Beust der Jüdischen Gemeinde in Hamburg
Erster Bürgermeister gez. Andreas C. Wankum
Vorsitzender
gez. M. Warman
Zweiter Vorsitzender
Fußnoten
1)
Das Zustimmungsgesetz ist am 5. Dezember 2007 in Kraft getreten.
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