AgrarOLkG
DE - Deutsches Bundesrecht

Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz - AgrarOLkG)

AgrarOLkG
Ausfertigungsdatum: 20.04.2013
Vollzitat:
"Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. August 2021 (BGBl. I S. 4036), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 21 des Gesetzes vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2752) geändert worden ist"
Stand:
Neugefasst durch Bek. v. 24.8.2021 I 4036;
zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 21 G v. 20.12.2022 I 2752
Fußnote
(+++ Textnachweis ab: 25.4.2013 +++)
(+++ Amtlicher Hinweis des Normgebers auf EG-Recht:
Umsetzung der
EURL 2019/633 (CELEX Nr: 32019L0633) vgl. G v. 2.6.2021 I 1278 +++)
Überschrift: IdF d. Art. 1 Nr. 1 u. 2 G v. 2.6.2021 I 1278 mWv 9.6.2021
Das G wurde als Artikel 1 des G v. 20.4.2013 I 917 vom Bundestag beschlossen. Es ist gem. Artikel 5 Satz 1 dieses G am 25.4.2013 in Kraft getreten.

Inhaltsübersicht

Teil 1
Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
§  1Anwendungsbereich
§  2Begriffsbestimmungen; Verordnungsermächtigung
§  3Zuständigkeit; Verordnungsermächtigung
Teil 2
Agrarorganisationen
§  4Voraussetzungen und Verfahren der Anerkennung; Verordnungsermächtigungen
§  5Allgemeinverbindlichkeit; Verordnungsermächtigungen
§  6Kartellbestimmungen; Verordnungsermächtigung
§  7Vereinbarungen und Beschlüsse während schwerer Ungleichgewichte auf den Märkten; Verordnungsermächtigung
§  8Agrarorganisationenregister; Verordnungsermächtigungen
§  9Mitteilungen und Veröffentlichung von Daten
Teil 3
Geschäftsbeziehungen in der Lebensmittellieferkette
Kapitel 1
Unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette
Abschnitt 1
Unlautere Handelspraktiken
§ 10Anwendungsbereich
§ 11Zahlungsfristen
§ 12Vereinbarung über das Zurückschicken nicht verkaufter Erzeugnisse
§ 13Vereinbarung einer kurzfristigen Beendigung des Vertrages über den Kauf von verderblichen Erzeugnissen
§ 14Vereinbarung von Zahlungen oder Preisnachlässen für die Lagerung von Erzeugnissen
§ 15Vereinbarung über einseitige Vertragsänderung
§ 16Vereinbarung über die Kostenübernahme durch den Lieferanten
§ 17Vereinbarung über Zahlungen oder Preisnachlässe für die Listung von Erzeugnissen
§ 18Androhung von Vergeltungsmaßnahmen
§ 19Bestätigung des Vertragsinhalts
§ 20Mangels Vereinbarung unlautere Handelspraktiken
§ 21Vorlage einer Zahlungen- und Kostenschätzung
§ 22Wirksamkeit des Vertrages
§ 23Verbot der unlauteren Handelspraktiken
§ 24Anwendbarkeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Abschnitt 2
Beschwerderecht des Lieferanten; alternative Streitbeilegung
§ 25Beschwerde; Verordnungsermächtigung
§ 26Vertrauliche Behandlung von Informationen
§ 27Vereinbarung über alternative Streitbeilegung
Abschnitt 3
Befugnisse und Aufgaben der Durchsetzungsbehörde
§ 28Befugnisse der Durchsetzungsbehörde; Verordnungsermächtigung
§ 29Tätigkeitsbericht der Durchsetzungsbehörde
§ 30Gegenseitige Amtshilfe der Durchsetzungsbehörden
§ 31Austausch mit anderen Durchsetzungsbehörden
Abschnitt 4
Gerichtsverfahren
Unterabschnitt 1
Gerichtsverfahren in Verwaltungssachen
§ 32Zuständigkeit, Zulässigkeit
§ 33Aufschiebende Wirkung
§ 34Frist und Form
§ 35Beteiligtenfähigkeit
§ 36Verfahrensbeteiligte
§ 37Anwaltszwang
§ 38Mündliche Verhandlung
§ 39Untersuchungsgrundsatz
§ 40Gerichtsentscheidung
§ 41Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
§ 42Akteneinsicht
§ 43Geltung von Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung
§ 44Zulassung der Revision, absolute Revisionsgründe
§ 45Nichtzulassungsbeschwerde
§ 46Revisionsberechtigte, Form und Frist
§ 47Kostentragung und Kostenfestsetzung
Unterabschnitt 2
Gerichtsverfahren in Bußgeldsachen
§ 48Befugnisse und Zuständigkeiten im gerichtlichen Bußgeldverfahren
§ 49Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im gerichtlichen Verfahren
§ 50Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof
§ 51Wiederaufnahmeverfahren gegen den Bußgeldbescheid
§ 52Gerichtliche Entscheidungen bei der Vollstreckung
Unterabschnitt 3
Gemeinsame Bestimmungen für das gerichtliche Verfahren
§ 52aZuständiger Senat bei dem Oberlandesgericht
§ 52bZuständiger Senat beim Bundesgerichtshof
Kapitel 2
Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Verarbeitern von Agrarerzeugnissen
§ 53Gestaltung von Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Verarbeitern von Agrarerzeugnissen; Verordnungsermächtigung
Teil 4
Überwachung, Sanktionen, Verordnungsermächtigungen, Übergangsvorschriften, Evaluierung
§ 54Überwachung; Mitteilungen; Verordnungsermächtigung
§ 55Bußgeldvorschriften
§ 56Rechtsverordnungen in besonderen Fällen
§ 57(weggefallen)
§ 58Übergangsbestimmungen
§ 59Evaluierung der Regelungen über unlautere Handelspraktiken

Teil 1

Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt in Umsetzung und Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union (Unionsrecht)
1. die staatliche Anerkennung von
a) Erzeugerorganisationen und Vereinigungen von Erzeugerorganisationen (Vereinigungen) und
b) Branchenverbänden,
soweit sich deren Tätigkeit auf Agrarerzeugnisse bezieht (Agrarorganisationen),
2. die Freistellung vom Kartellverbot von Agrarorganisationen einschließlich im Unionsrecht geregelter Organisationen und Verbände, die mit Agrarorganisationen vergleichbar sind,
3. das Verbot bestimmter unlauterer Handelspraktiken in Geschäftsbeziehungen zwischen Käufern und Lieferanten in der Lebensmittellieferkette sowie
4. die Gestaltung von Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Verarbeitern von Agrarerzeugnissen.
(2) Soweit es das Unionsrecht den Mitgliedstaaten überlässt, Agrarorganisationen anzuerkennen oder Unionsrecht über die Anerkennung von Agrarorganisationen anzuwenden, kann in Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz die Anerkennung oder Anwendung ganz oder teilweise nach Maßgabe des Satzes 2 angeordnet werden. Eine Anordnung darf nur erfolgen, soweit dies
1. aus Gründen des Verwaltungsverfahrens erforderlich ist oder
2. im Interesse der betroffenen Agrarorganisationen liegt.
(3) Absatz 1 Nummer 2 ist auch anzuwenden auf Freistellungen
1. landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe und
2. nicht anerkannter Vereinigungen landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe und nicht anerkannter Vereinigungen solcher Vereinigungen (sonstiger Vereinigungen),
soweit eine Erstreckung von Vorschriften dieses Gesetzes sachlich gerechtfertigt oder unionsrechtlich zwingend ist.

§ 2 Begriffsbestimmungen; Verordnungsermächtigung

(1) Für dieses Gesetz gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:
1. Agrarerzeugnis ist
a) ein im Wege der Urerzeugung gewonnenes Erzeugnis der Landwirtschaft (Agrarurerzeugnis) oder
b) ein Erzeugnis, das aus einem Agrarurerzeugnis durch Bearbeitung oder Verarbeitung gewonnen wird (Agrarverarbeitungserzeugnis),
soweit das jeweilige Erzeugnis in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführt ist;
2. Fischereierzeugnis ist
a) ein durch Fischerei oder Aquakultur gewonnenes Erzeugnis der Fischerei (Fischereiurerzeugnis) oder
b) ein Erzeugnis, das aus einem Fischereiurerzeugnis durch Bearbeitung oder Verarbeitung gewonnen wird (Fischereiverarbeitungserzeugnis),
soweit das jeweilige Erzeugnis in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführt ist;
3. Lebensmittelerzeugnis ist ein Lebensmittel, das aus mindestens einem Agrar- oder Fischereierzeugnis hergestellt worden ist, einschließlich Getränken auf Wasserbasis, bei deren Herstellung mindestens ein Agrar- oder Fischereierzeugnis verwendet worden ist;
4. verderbliche Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse sind solche Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse, bei denen auf Grund ihrer Beschaffenheit oder auf Grund ihrer Verarbeitungsstufe davon auszugehen ist, dass sie innerhalb von 30 Tagen nach der Ernte oder der Erzeugung, jeweils ohne Berücksichtigung etwaiger Schutzmaßnahmen, oder innerhalb von 30 Tagen nach der Verarbeitung nicht mehr zum Verkauf geeignet sind;
5. Käufer ist
a) jede natürliche oder juristische Person, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, einschließlich Gruppen natürlicher oder juristischer Personen wie Zusammenschlüsse von Erzeugern und Vereinigungen solcher Zusammenschlüsse,
b) jede Behörde in der Europäischen Union,
die Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse gegen Entgelt erwirbt, unabhängig davon, ob dem Erwerbsvorgang ein Kaufvertrag zugrunde liegt;
6. Behörden sind
a) Einrichtungen des öffentlichen Rechts,
b) Zusammenschlüsse aus mindestens zwei Einrichtungen des öffentlichen Rechts;
7. Lieferant ist
a) jeder Erzeuger eines Agrar- oder Fischereierzeugnisses,
b) jede sonstige natürliche oder juristische Person,
c) jede Mehrheit von Personen gemäß Buchstabe a oder Buchstabe b, insbesondere jeder Zusammenschluss von Erzeugern und jede Vereinigung solcher Zusammenschlüsse,
der oder die Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse gegen Entgelt veräußert, unabhängig davon, ob dem Veräußerungsvorgang ein Kaufvertrag zugrunde liegt.
(2) Abweichend von Absatz 1 Nummer 1 ist ein nicht in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführtes Agrarerzeugnis ein Agrarerzeugnis im Sinne des Teils 2 dieses Gesetzes, soweit
1. das Unionsrecht Bestimmungen über die Anerkennung einer Agrarorganisation für dieses Erzeugnis enthält oder
2. eine Rechtsverordnung nach Absatz 3 für das betroffene Erzeugnis Teil 2 dieses Gesetzes für anwendbar erklärt.
(3) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Bundesministerium) wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Teil 2 dieses Gesetzes auf nicht in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführte Agrarerzeugnisse für anwendbar zu erklären, soweit im Hinblick auf die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung ein Bedürfnis für die Anerkennung von Agrarorganisationen für derartige Erzeugnisse besteht.

§ 3 Zuständigkeit; Verordnungsermächtigung

(1) Zuständig für die Durchführung dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und des in § 1 Absatz 1, auch in Verbindung mit den Absätzen 2 oder 3, genannten Unionsrechts ist die nach Landesrecht zuständige Stelle (zuständige Stelle), soweit nicht in diesem Gesetz oder in auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen etwas anderes bestimmt ist.
(2) Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Hauptsitz der Agrarorganisation.
(3) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Bundesanstalt) als zuständige Stelle zu bestimmen.
(4) Die Bundesanstalt ist zuständig für die Durchsetzung der Vorschriften des Teils 3 Kapitel 1 Abschnitt 1, sofern der Lieferant oder der Käufer oder beide in Deutschland niedergelassen ist oder sind (Durchsetzungsbehörde).

Teil 2

Agrarorganisationen

§ 4 Voraussetzungen und Verfahren der Anerkennung; Verordnungsermächtigungen

(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf,
1. die Agrarerzeugnisse, für die jeweils Agrarorganisationen anerkannt werden, zu bestimmen,
2. die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine Agrarorganisation anerkannt wird, festzulegen, insbesondere
a) die von den Agrarorganisationen zu verfolgenden Ziele,
b) Erforderlichkeit und Inhalt einer Satzung oder eines vergleichbaren Rechtsaktes, in dem insbesondere die Ziele der Agrarorganisation sowie die Rechte und Pflichten der Mitglieder beschrieben sind (Satzung),
c) im Falle einer Erzeugerorganisation oder Vereinigung bezüglich der von der jeweiligen Agrarorganisation erfassten Agrarerzeugnisse
aa) Mindestmengen,
bb) Mindestmarktwerte,
cc) Mindestanbauflächen,
d) Anforderungen an die Mitgliedschaft, insbesondere
aa) eine Mindestmitgliederzahl,
bb) die Mitgliedschaft in mehr als einer Agrarorganisation,
cc) im Falle einer Erzeugerorganisation oder Vereinigung die Pflicht zur Andienung der Erzeugnisse der Mitglieder,
3. Einzelheiten über die Bestimmung des Hauptsitzes zu treffen,
4. das Verfahren der Anerkennung, insbesondere hinsichtlich
a) des Ruhens der Anerkennung,
b) der Anerkennung von Agrarorganisationen, die Länder oder Mitgliedstaaten übergreifend tätig sind, und
c) der Beteiligung der zuständigen Kartellbehörden,
zu regeln und
5. die Anerkennung vor einer missbräuchlichen Nutzung zu schützen.
(2) Um besonderen regionalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, kann
1. in Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Nummer 1 die Ermächtigung im Hinblick auf Branchenverbände, die Erzeugnisse aus dem Weinbereich betreffen, die in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführt sind, auf die Landesregierungen übertragen werden und
2. in Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c und d Doppelbuchstabe aa die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden.
Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen.
(3) Eine Agrarorganisation darf zu keinem Zeitpunkt in dem von der Anerkennung umfassten Bereich den Wettbewerb ausschließen.
(4) Eine Agrarorganisation, die nicht anerkannt ist, darf sich nicht als anerkannte Agrarorganisation bezeichnen. Auf nicht anerkannte Agrarorganisationen ist das allgemeine Recht anzuwenden.

§ 5 Allgemeinverbindlichkeit; Verordnungsermächtigungen

(1) Soweit das Unionsrecht den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, dass Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen einer anerkannten Agrarorganisation (Vorschriften) für dieser Agrarorganisation nicht angehörende Einzelunternehmen oder Gruppierungen (Nichtmitglieder) für verbindlich erklärt werden können (Allgemeinverbindlichkeit), wird das Bundesministerium ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 und einer Rechtsverordnung auf Grund des Absatzes 4 die Allgemeinverbindlichkeit ganz oder teilweise anzuordnen.
(2) Eine Rechtsverordnung darf nur ergehen, um negativen Folgen für den betreffenden Erzeugnisbereich zu begegnen,
1. die Nichtmitglieder verursachen und
2. die durch deren Erfassung vermindert werden können.
(3) Die Rechtsverordnung
1. ist nur auf Grund eines schriftlichen oder elektronischen Antrages der Agrarorganisation beim Bundesministerium und nach Anhörung der betroffenen Nichtmitglieder zulässig,
2. ist auf höchstens zehn Jahre zu befristen,
3. hat die Agrarorganisation einschließlich des von der Allgemeinverbindlichkeit erfassten räumlichen Bereichs anzuführen und die jeweilige Vorschrift im Wortlaut zu enthalten.
Der Antrag kann wiederholt gestellt werden.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die mit Ausnahme der Regelung zu Nummer 1 der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln
1. nach Maßgabe des Satzes 2 die Erzeugnisbereiche, für die eine Rechtsverordnung nach Absatz 1 erlassen werden kann,
2. das Antrags- und Anhörungsverfahren,
3. die Voraussetzungen und das Verfahren für die vorzeitige Aufhebung einer Rechtsverordnung nach Absatz 1, einschließlich von Mitteilungspflichten,
4. die Voraussetzungen für die Bestimmung des Repräsentativitätsgrads eines Branchenverbands nach Maßgabe des Unionsrechts, soweit das Unionsrecht den Repräsentativitätsgrad nicht abschließend regelt.
Die Einbeziehung eines Erzeugnisbereichs nach Satz 1 Nummer 1 darf nur erfolgen, soweit dies zur Verhinderung oder Beseitigung von Nachteilen für die Entwicklung des jeweils betroffenen Erzeugnisbereichs zweckmäßig ist.
(5) Für die vorzeitige Aufhebung einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 sind das Einvernehmen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich.
(6) Bezieht sich eine nach dem Unionsrecht ermöglichte Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit auf einen räumlichen Bereich in dem Gebiet nur eines Landes, ist anstelle des Bundesministeriums die Landesregierung zuständig, eine Rechtsverordnung nach Absatz 1 zu erlassen, wobei in Absatz 3 Nummer 1 anstelle des Bundesministeriums die nach Landesrecht zuständige Stelle tritt. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen.

§ 6 Kartellbestimmungen; Verordnungsermächtigung

(1) Für Tätigkeiten, die eine Agrarorganisation in dem von ihrer Anerkennung umfassten Bereich vornimmt und die dem in § 1 Absatz 1 Nummer 1, auch in Verbindung mit den Absätzen 2 oder 3, genannten Unionsrecht, dem Teil 2 dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes in Bezug auf Agrarorganisationen erlassenen Rechtsverordnungen (Agrarorganisationenrecht) entsprechen, gilt § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht. Im Übrigen bleiben die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unberührt.
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf,
1. den Austausch von Erkenntnissen über Tatsachen hinsichtlich der anerkannten Agrarorganisationen zwischen den für die Anerkennung zuständigen Stellen und den Kartellbehörden zu regeln, soweit der Austausch für das Tätigwerden der jeweils anderen Behörde erforderlich ist,
2. soweit eine Agrarorganisation gegen eine anwendbare Bestimmung des Kartellrechts verstößt, das Ruhen oder den Widerruf der Anerkennung einschließlich des Verfahrens zu regeln, und,
3. soweit das Unionsrecht für bestimmte Agrarorganisationen besondere Kartellbestimmungen vorsieht, die zur Durchführung dieser Bestimmungen erforderlichen Anforderungen sowie das Verfahren zu regeln.

§ 7 Vereinbarungen und Beschlüsse während schwerer Ungleichgewichte auf den Märkten; Verordnungsermächtigung

(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, soweit dies während schwerer Ungleichgewichte auf den Märkten zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union über die Nichtanwendung des Artikels 101 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen und Beschlüsse von landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben, anerkannten Agrarorganisationen oder sonstigen Vereinigungen erforderlich ist, Vorschriften über das Verfahren sowie den Inhalt, Gegenstand und geografischen Anwendungsbereich der Vereinbarungen und Beschlüsse zu erlassen, soweit die genannten Rechtsakte bestimmt, bestimmbar oder begrenzt sind. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Bundesanstalt) ist für die Durchführung zuständig. In Rechtsverordnungen nach Satz 1 kann vorgesehen werden, dass Anordnungen und Maßnahmen der Bundesanstalt des Benehmens oder des Einvernehmens des Bundeskartellamts bedürfen.
(2) Soweit es der Rechtsakt der Europäischen Union den Mitgliedstaaten überlässt, die Maßnahme ganz oder teilweise anzuwenden oder Optionen zu deren Ausübung vorsieht, kann in Rechtsverordnungen nach Absatz 1
1. die ganze oder teilweise Anwendung angeordnet oder
2. die Ausübung von Optionen vorgenommen
werden, soweit es zur Beseitigung des schweren Ungleichgewichts auf den Märkten sachlich gerechtfertigt ist.
(3) Soweit ein Rechtsakt der Europäischen Union die Nichtanwendung von Artikel 101 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen und Beschlüsse im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 anordnet, gilt das Verbot des § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für solche Vereinbarungen und Beschlüsse nicht. Rechtsverordnungen nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, können auch für die Durchführung des Satzes 1 erlassen werden. In Rechtsverordnungen nach Satz 2 können auch Pflichten zur Mitteilung der Vereinbarungen und Beschlüsse an die zuständige Behörde vorgesehen werden.

§ 8 Agrarorganisationenregister; Verordnungsermächtigungen

(1) Jede zuständige Stelle führt für die Agrarorganisationen, für deren Anerkennung sie zuständig ist, ein Register zum Zweck der Information der Öffentlichkeit (Agrarorganisationenregister), das für die jeweilige Agrarorganisation
1. Namen und Anschrift,
2. Datum der Anerkennung,
3. Angabe des Erzeugnisbereichs, auf den sich die Anerkennung bezieht,
4. die Angaben nach Absatz 3 und
5. die Angaben nach einer Rechtsverordnung auf Grund des Absatzes 4
enthält.
(2) Auskünfte aus dem Register können im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt werden. Beim automatisierten Abruf über das Internet sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit zu treffen.
(3) Ist die Anerkennung einer Agrarorganisation aufgehoben, fällt die Anerkennung aus sonstigen Gründen weg oder ruht die Anerkennung, ist das Datum der Aufhebung, des Wegfalls oder des Ruhens in das Agrarorganisationenregister einzutragen. Zum Ablauf des fünften auf das Jahr der Aufhebung oder des Wegfalls der Anerkennung folgenden Kalenderjahres sind alle Daten der betreffenden Agrarorganisation aus dem Agrarorganisationenregister zu löschen.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Aufnahme weiterer Daten in das Agrarorganisationenregister zu regeln, soweit
1. die Daten den in Absatz 1 genannten Stellen vorliegen,
2. die Daten nicht personenbezogen sind und
3. an der Veröffentlichung der Daten ein öffentliches Interesse besteht.
(5) Das Bundesministerium wird ferner ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Bundesanstalt als zuständige Stelle zur Führung des Agrarorganisationenregisters zu bestimmen. Macht das Bundesministerium von der Ermächtigung nach Satz 1 Gebrauch, sind der Bundesanstalt die erforderlichen Registerdaten von der in Absatz 1 genannten Stelle zu übermitteln. In Rechtsverordnungen nach Satz 1 kann das Verfahren zur Übermittlung der Registerdaten näher geregelt werden.

§ 9 Mitteilungen und Veröffentlichung von Daten

(1) Die zuständigen Stellen können Daten, die sie im Rahmen der Anerkennung oder Überwachung gewonnen haben, den folgenden Stellen mitteilen, soweit dies zur Einhaltung der Anforderungen des Agrarorganisationenrechts erforderlich ist:
1. anderen zuständigen Stellen desselben Landes,
2. den zuständigen Stellen anderer Länder,
3. den zuständigen Stellen des Bundes,
4. den zuständigen Stellen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und
5. den Organen der Europäischen Union.
(2) Ist die zuständige Stelle eine Stelle des Bundes, so kann diese Stelle nichtpersonenbezogene Daten zu statistischen oder wissenschaftlichen Zwecken unter Einhaltung der Anforderungen des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und eines funktionierenden Wettbewerbs veröffentlichen.

Teil 3

Geschäftsbeziehungen in der Lebensmittellieferkette

Kapitel 1

Unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette

Abschnitt 1

Unlautere Handelspraktiken

§ 10 Anwendungsbereich

(1) Dieser Abschnitt gilt für den Verkauf von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen durch Lieferanten, die einen Jahresumsatz von höchstens 350 000 000 Euro haben, an
1. Käufer, die einen Jahresumsatz von mehr als 2 000 000 Euro haben, sofern ihr Jahresumsatz höher ist als der des Lieferanten, wobei folgende Pauschalierungen gelten:
StufeJahresumsatz
des Lieferanten
Jahresumsatz
des Käufers
1bis 2 000 000 Euroüber
2 000 000 Euro
2über 2 000 000 Euro
bis 10 000 000 Euro
über
10 000 000 Euro
3über 10 000 000 Euro
bis 50 000 000 Euro
über
50 000 000 Euro
4über 50 000 000 Euro
bis 150 000 000 Euro
über
150 000 000 Euro
5über
150 000 000 Euro
bis 350 000 000 Euro
über
350 000 000 Euro
oder
2. Käufer, bei denen es sich um Behörden handelt,
sofern mindestens eine der beiden Vertragsparteien ihren Sitz in der Europäischen Union hat. Dieser Abschnitt gilt darüber hinaus bis zum 1. Mai 2025 auch für den Verkauf von Milch- und Fleischprodukten sowie von Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten einschließlich Kartoffeln durch Lieferanten, die einen Jahresumsatz im jeweiligen Verkaufssegment in Deutschland von höchstens 4 000 000 000 Euro haben, an Käufer, wenn der gesamte Jahresumsatz des Lieferanten nicht mehr als 20 Prozent des gesamten Jahresumsatzes des Käufers beträgt. Eine Verlängerung dieser Frist durch den Deutschen Bundestag bleibt dem Ergebnis der Evaluierung nach § 59 vorbehalten.
(2) Der Jahresumsatz und die Stufe gemäß der Tabelle in Absatz 1 Nummer 1 sind zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen Lieferant und Käufer nach den Artikeln 3, 4 und 6 des Anhangs zu der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG) (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) in der jeweils geltenden Fassung zu bestimmen. Der Jahresumsatz ist im Einklang mit Artikel 4 Absatz 1 Satz 1 des Anhangs zu der Empfehlung 2003/361/EG auf Jahresbasis zu berechnen; hierzu ist der letzte Rechnungsabschluss heranzuziehen.
(3) Lieferant und Käufer sind in den Vertragsverhandlungen einander zur Auskunft darüber verpflichtet, welcher Stufe gemäß der Tabelle in Absatz 1 Nummer 1 ihr jeweiliger Jahresumsatz zuzuordnen ist, oder, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz erfüllt sind, wie hoch ihr jeweiliger Jahresumsatz ist.

§ 11 Zahlungsfristen

(1) Für Entgeltforderungen aus Verträgen gemäß § 10 Absatz 1 gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.
(2) Der Käufer hat die Zahlung des vereinbarten Preises an den Lieferanten spätestens innerhalb der folgenden Fristen zu leisten:
1. für verderbliche Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse innerhalb von 30 Tagen nach der Lieferung,
2. für andere Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse innerhalb von 60 Tagen nach der Lieferung.
Wurde eine regelmäßige Lieferung vereinbart, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums, spätestens jedoch einen Monat nach der ersten Lieferung. Käufer und Lieferant können vereinbaren, dass abweichend von Satz 1 der Zeitpunkt des Zugangs einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung an die Stelle des Zeitpunkts der Lieferung oder des Ablaufs des Lieferzeitraums tritt.
(3) Absatz 2 gilt nicht für
1. Preiselemente, die Gegenstand von Wertaufteilungsklauseln sind, und
2. Zahlungen im Rahmen des Schulprogramms gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013.
(4) Längere als die in Absatz 2 genannten Zahlungsfristen können nicht vereinbart werden. Unberührt bleiben gesetzliche Vorschriften, nach denen nur die Vereinbarung kürzerer als der in Absatz 2 genannten Zahlungsfristen zulässig ist.
(5) § 271a Absatz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt auch, wenn der Schuldner eine Behörde ist.
(6) Abweichend von § 286 Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt der Schuldner spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach dem sich aus Absatz 2 ergebenden Fristbeginn leistet.

§ 12 Vereinbarung über das Zurückschicken nicht verkaufter Erzeugnisse

Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass er nicht verkaufte Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse an den Lieferanten zurückschicken kann, ohne dass er dem Lieferanten Folgendes bezahlt:
1. den geschuldeten Kaufpreis für die Erzeugnisse und
2. die Kosten für die Beseitigung der Erzeugnisse, soweit die Erzeugnisse nicht mehr verwendbar sind.

§ 13 Vereinbarung einer kurzfristigen Beendigung des Vertrages über den Kauf von verderblichen Erzeugnissen

Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass er den Vertrag über den Kauf von verderblichen Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnissen so kurzfristig beenden oder einzelne Lieferungen so kurzfristig abbestellen kann, dass der Lieferant nach vernünftigem Ermessen keine alternative Vermarktungs- oder Verwendungsmöglichkeit für diese Erzeugnisse mehr haben wird. Eine Beendigung des Vertrages oder die Abbestellung einer Lieferung, die weniger als 30 Tage vor dem vereinbarten Liefertermin erfolgt, ist immer als kurzfristig im Sinne des Satzes 1 anzusehen.

§ 14 Vereinbarung von Zahlungen oder Preisnachlässen für die Lagerung von Erzeugnissen

Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass sich der Lieferant an den Kosten der Lagerung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse beim Käufer durch Zahlungen oder Preisnachlässe beteiligt.

§ 15 Vereinbarung über einseitige Vertragsänderung

Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass der Käufer den Vertrag über die Lieferung von Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnissen einseitig ändern kann in Bezug auf
1. die Häufigkeit, die Art und Weise, den Ort, den Zeitpunkt oder den Umfang der Lieferung,
2. die Qualitätsstandards der Erzeugnisse,
3. die Zahlungsbedingungen,
4. die Preise,
5. die Lagerung der Erzeugnisse,
6. die Listung der Erzeugnisse,
7. die Vermarktung der Erzeugnisse, einschließlich Verkaufsangeboten, der Werbung, Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen sowie der Bereitstellung auf dem Markt, oder
8. die Kostenregelung für das Einrichten der Räumlichkeiten des Käufers, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden.

§ 16 Vereinbarung über die Kostenübernahme durch den Lieferanten

(1) Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass der Lieferant Kosten zu tragen hat, die dem Käufer ohne ein Verschulden des Lieferanten entstehen durch
1. eine Qualitätsminderung oder vollständige Qualitätseinbuße der Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse, die eingetreten ist, nachdem die Lieferung dem Käufer übergeben worden ist, oder
2. die Bearbeitung von Kundenbeschwerden beim Käufer, die Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse des Lieferanten betreffen.
(2) Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass der Lieferant Kosten zu tragen hat, die in keinem spezifischen Zusammenhang mit dem Verkauf der Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse des Lieferanten stehen. Dazu gehören beispielsweise Kosten für unternehmerische Entscheidungen des Käufers, die dieser typischerweise unabhängig von seinen Lieferanten trifft, und Kosten, die durch ein Fehlverhalten des Personals des Käufers verursacht werden.

§ 17 Vereinbarung über Zahlungen oder Preisnachlässe für die Listung von Erzeugnissen

Der Käufer kann mit dem Lieferanten nicht wirksam vereinbaren, dass sich der Lieferant an den Kosten für die Listung der zu liefernden Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse durch Zahlungen oder Preisnachlässe beteiligt. Satz 1 gilt nicht für die Kosten, die für die Listung bei der Markteinführung von Erzeugnissen entstehen.

§ 18 Androhung von Vergeltungsmaßnahmen

Der Käufer darf dem Lieferanten keine Vergeltungsmaßnahmen geschäftlicher Art androhen oder derartige Maßnahmen gegen den Lieferanten ergreifen, wenn der Lieferant
1. seine vertraglichen oder gesetzlichen Rechte geltend macht, einschließlich der Ausübung seines Beschwerderechts nach § 25, oder
2. seine gesetzlichen Pflichten erfüllt, einschließlich seiner Pflicht zu einer Zusammenarbeit mit der Durchsetzungsbehörde im Rahmen einer Untersuchung von Amts wegen.

§ 19 Bestätigung des Vertragsinhalts

Der Käufer hat dem Lieferanten auf Verlangen den Inhalt eines mündlich geschlossenen Liefervertrages oder einer diesem zugrunde liegenden mündlich geschlossenen Rahmenvereinbarung in Textform zu bestätigen. Satz 1 gilt auch für mündlich geschlossene Nebenabreden zu einem Vertrag. Der Inhalt einer dem Liefervertrag zugrunde liegenden Rahmenvereinbarung muss nicht nach Satz 1 bestätigt werden, wenn
1. der Käufer ein Erzeugerzusammenschluss ist, dem der Lieferant angehört, und
2. dem Liefervertrag die für die Mitglieder des Erzeugerzusammenschlusses geltenden Bestimmungen zugrunde liegen.

§ 20 Mangels Vereinbarung unlautere Handelspraktiken

(1) Das Verlangen des Käufers nach Zahlungen oder Preisnachlässen vom Lieferanten für
1. die Listung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse bei deren Markteinführung,
2. die Vermarktung der gelieferten Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse, einschließlich Verkaufsangeboten, der Werbung, Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen sowie der Bereitstellung auf dem Markt, oder
3. das Einrichten der Räumlichkeiten, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden,
ist unlauter, es sei denn, diese Handelspraktik wurde zuvor klar und eindeutig, insbesondere auch unter Beachtung des § 16, zwischen Käufer und Lieferant vereinbart.
(2) Eine Vereinbarung zu Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 ist nur wirksam, wenn sich der Käufer auch verpflichtet, dem Lieferanten rechtzeitig vor Beginn der Verkaufsaktion in Textform den Aktionszeitraum und eine Schätzung der Menge der Erzeugnisse mitzuteilen, die zu dem niedrigeren Preis bestellt werden soll. Erfüllt der Käufer seine vertragliche Pflicht zur Unterrichtung des Lieferanten nicht, kann er den vereinbarten Preisnachlass nicht verlangen.

§ 21 Vorlage einer Zahlungen- und Kostenschätzung

Wurden Zahlungen oder Preisnachlässe nach § 20 Absatz 1 zwischen Käufer und Lieferant vereinbart, kann der Lieferant verlangen, dass ihm der Käufer folgende Informationen in Textform übermittelt:
1. eine Schätzung
a) der Höhe der vereinbarten Zahlungen und Preisnachlässe je Einheit und der Anzahl der Einheiten oder,
b) sofern eine Schätzung nach Buchstabe a nicht möglich ist, der Höhe der Zahlungen und Preisnachlässe insgesamt sowie
2. eine begründete Kostenschätzung.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Vereinbarungen zu Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen.

§ 22 Wirksamkeit des Vertrages

(1) Die allgemeinen Vorschriften über die Wirksamkeit von Verträgen und Vertragsbestimmungen, insbesondere die §§ 134, 138 und 305 bis 310 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bleiben durch die §§ 11 bis 17 und 20 unberührt.
(2) Sind Vertragsbestimmungen auf Grund der §§ 11 bis 17 oder 20 ganz oder teilweise unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Soweit die Vertragsbestimmungen auf Grund der §§ 11 bis 17 oder 20 unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften.

§ 23 Verbot der unlauteren Handelspraktiken

Die Ausnutzung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen dem Käufer und dem Lieferanten durch unlautere Handelspraktiken des Käufers ist verboten. Eine Ausnutzung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts nach Satz 1 liegt ausschließlich vor, wenn der Käufer
1. Vertragsbedingungen verwendet, die
a) längere als die in § 11 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 genannten Zahlungsfristen vorsehen,
b) das Zurückschicken nicht verkaufter Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse ohne Zahlung des geschuldeten Kaufpreises oder, soweit die Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse nicht mehr verwendbar sind, ohne die Zahlung der Kosten der Beseitigung vorsehen, das nach § 12 nicht wirksam vereinbart werden kann,
c) Fristen für die Beendigung des Vertrages oder die Abbestellung von Lieferungen vorsehen, die nach § 13 nicht wirksam vereinbart werden können,
d) eine Beteiligung an den Lagerkosten vorsehen, die nach § 14 nicht wirksam vereinbart werden kann,
e) Rechte zur Änderung des Vertrages durch den Käufer vorsehen, die nach § 15 nicht wirksam vereinbart werden können,
f) eine Pflicht zur Kostenübernahme durch den Lieferanten vorsehen, die nach § 16 nicht wirksam vereinbart werden kann oder
g) eine Beteiligung an den Listungskosten vorsehen, die nach § 17 Satz 1 nicht wirksam vereinbart werden kann,
2. seine vertraglichen Zahlungspflichten nicht oder nicht innerhalb der in § 11 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorgesehenen Frist erfüllt, es sei denn, der Käufer hat ein Recht, die Leistung zu verweigern,
3. bei Zurückschicken der nicht verkauften Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse den geschuldeten Kaufpreis oder die Beseitigungskosten entgegen § 12 nicht bezahlt,
4. einzelne Leistungen aus einem Vertrag über den Kauf von verderblichen Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnissen entgegen § 13 kurzfristig abbestellt,
5. von dem Lieferanten Leistungen verlangt, auf die er keinen Anspruch hat, weil sie nach § 14, § 15, § 16 oder § 17 Satz 1 nicht wirksam vereinbart werden können oder weil es an einer klaren, eindeutigen und wirksamen Vereinbarung nach § 20 fehlt,
6. entgegen § 18 dem Lieferanten Vergeltungsmaßnahmen geschäftlicher Art androht oder derartige Maßnahmen gegen den Lieferanten ergreift,
7. eine Bestätigung nach § 19 Satz 1 oder Satz 2 nicht erteilt,
8. eine Schätzung der Zahlungen oder Preisnachlässe oder eine Kostenschätzung nach § 21 nicht zur Verfügung stellt oder
9. Geschäftsgeheimnisse des Lieferanten entgegen § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen erlangt, nutzt oder offenlegt.

§ 24 Anwendbarkeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere die §§ 19 und 20 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, sowie die Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten des Bundeskartellamts bleiben unberührt.

Abschnitt 2

Beschwerderecht des Lieferanten; alternative Streitbeilegung

§ 25 Beschwerde; Verordnungsermächtigung

(1) Eine Beschwerde bei der Durchsetzungsbehörde können unbeschadet anderweitiger Rechtsbehelfe einlegen:
1. der Lieferant;
2. folgende wirtschaftliche Vereinigungen oder Zusammenschlüsse:
a) eine wirtschaftliche Vereinigung von Lieferanten, deren Mitglied der Lieferant ist, oder
b) ein Zusammenschluss von wirtschaftlichen Lieferantenvereinigungen,
aa) dessen Mitglied der Lieferant ist oder
bb) dessen Mitglied eine Lieferantenvereinigung ist, in der der Lieferant Mitglied ist,
wenn der Lieferant diese Vereinigung oder den Zusammenschluss mit der Einlegung der Beschwerde beauftragt hat;
3. andere unabhängige juristische Personen, die mit ihrer Tätigkeit keinen Erwerbszweck verfolgen und die ein berechtigtes Interesse daran haben, Lieferanten zu vertreten, wenn sie der Lieferant mit der Einlegung der Beschwerde beauftragt hat.
In der Beschwerde ist darzulegen, gegen welche der nach § 23 Satz 2 in Verbindung mit den §§ 11 bis 21 und in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen verbotenen Handelspraktiken der Käufer gegenüber dem Lieferanten verstoßen haben soll.
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, das Beschwerdeverfahren näher zu regeln.

§ 26 Vertrauliche Behandlung von Informationen

(1) Auf Antrag des Beschwerdeführers trifft die Durchsetzungsbehörde die erforderlichen Maßnahmen, um
1. die Identität des von der unlauteren Handelspraktik Betroffenen zu schützen sowie
2. alle sonstigen Informationen, deren Offenlegung nach Ansicht des von der unlauteren Handelspraktik Betroffenen seinen Interessen schaden würde, zu schützen.
In dem Antrag ist anzugeben, welche Informationen aus der Beschwerde vertraulich zu behandeln sind.
(2) Kann die Durchsetzungsbehörde die Untersuchung der Beschwerde nicht abschließen, ohne vertrauliche Informationen im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 offenzulegen, so teilt sie dem Beschwerdeführer mit, dass sie das Verfahren einstellt, sofern der Beschwerdeführer nicht innerhalb einer angemessenen Frist der erforderlichen Offenlegung der Informationen zustimmt. Ist der Beschwerdeführer nicht der Betroffene, so kann der Beschwerdeführer nur nach Einwilligung des Betroffenen der Offenlegung zustimmen; die Einwilligung bedarf der Textform. Der Beschwerdeführer hat die Einwilligung zusammen mit der Zustimmungserklärung der Durchsetzungsbehörde vorzulegen.

§ 27 Vereinbarung über alternative Streitbeilegung

Unbeschadet des Rechts des Lieferanten, nach § 25 eine Beschwerde einzulegen, und der Befugnisse der Durchsetzungsbehörde nach § 28 können der Lieferant und der Käufer vereinbaren, alternative Streitbeilegungsverfahren einschließlich der Anrufung einer Ombudsstelle zu nutzen, wenn sich der Lieferant durch den Käufer einer Handelspraktik ausgesetzt sieht, die nach § 23 Satz 2 in Verbindung mit den §§ 11 bis 21 oder in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen verboten ist.

Abschnitt 3

Befugnisse und Aufgaben der Durchsetzungsbehörde

§ 28 Befugnisse der Durchsetzungsbehörde; Verordnungsermächtigung

(1) Die Durchsetzungsbehörde hat die Befugnis,
1. Untersuchungen auf Grund einer Beschwerde oder, auch aus Gründen der Vertraulichkeit, von Amts wegen einzuleiten und durchzuführen, wobei der Behörde die Rechte auf Grund des § 54 zustehen,
2. nach Anhörung des Käufers einen Verstoß gegen eines der in § 23 Satz 2 in Verbindung mit den §§ 11 bis 21 und in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen normierten Verbote festzustellen und die Anordnungen zu treffen, die zur Beseitigung des Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendig sind,
3. ihre nach Nummer 2 sowie nach § 55 Absatz 1 Nummer 1a und 1b gegenüber Käufern getroffenen Entscheidungen nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 zu veröffentlichen und
4. Leitlinien zur Einstufung von Erzeugnissen als verderblich im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 4 zu veröffentlichen.
(2) Entscheidungen nach Absatz 1 Nummer 2 trifft die Durchsetzungsbehörde im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt. Entscheidungen im Verfahren nach § 55 Absatz 1 Nummer 1b hinsichtlich des Vorliegens eines Verstoßes gegen eines der in den § 23 Satz 2 in Verbindung mit den §§ 11 bis 21 und in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen normierten Verbote trifft die Durchsetzungsbehörde im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt. Vor Entscheidungen hinsichtlich der Höhe des festzusetzenden Bußgelds nach § 55 Absatz 1 Nummer 1b und vor Veröffentlichung von Leitlinien nach Absatz 1 Nummer 4 gibt die Durchsetzungsbehörde dem Bundeskartellamt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Durchsetzungsbehörde kann dem Bundeskartellamt für die Zwecke der Sätze 1 bis 3 die entscheidungserheblichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse übermitteln. Liegen dem Bundeskartellamt Informationen einschließlich personenbezogener Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vor, die von den nach Satz 4 übermittelten Informationen abweichen, kann das Bundeskartellamt diese Informationen der Durchsetzungsbehörde übermitteln.
(3) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, das Verfahren zur Beteiligung des Bundeskartellamts näher zu regeln.
(4) Die Durchsetzungsbehörde kann Anordnungen nach Absatz 1 Nummer 2 mit Zwangsmitteln nach den Bestimmungen des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes durchsetzen. Dabei kann sie die Zwangsmittel für jeden Fall der Nichtbefolgung androhen. Sie kann auch Zwangsmittel gegen Behörden anwenden. Die Höhe des Zwangsgelds kann bis zu 300 000 Euro betragen.
(5) Die Durchsetzungsbehörde veröffentlicht Entscheidungen nach Absatz 1 Nummer 3 nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens unter Nennung des Namens des Käufers auf ihrer Internetseite, soweit die Entscheidung nicht einen geringfügigen Verstoß betrifft. Ist die Entscheidung bei Veröffentlichung noch nicht bestandskräftig, weist die Durchsetzungsbehörde auf die fehlende Bestandskraft hin.
(6) Wird ein Verstoß behoben, der Gegenstand einer veröffentlichten Entscheidung ist, macht die Durchsetzungsbehörde dies unverzüglich auf ihrer Internetseite bekannt. Ergeht zu der Entscheidung der Durchsetzungsbehörde eine Gerichtsentscheidung, macht die Durchsetzungsbehörde auf Antrag des betroffenen Käufers den Tenor der Gerichtsentscheidung unverzüglich auf ihrer Internetseite bekannt.
(7) Die Durchsetzungsbehörde entfernt die Informationen nach den Absätzen 5 und 6 spätestens drei Monate nach der Veröffentlichung der Entscheidung der Durchsetzungsbehörde oder des Tenors der Gerichtsentscheidung von der Internetseite. Wird ein Verstoß behoben, nachdem die Durchsetzungsbehörde die Informationen von der Internetseite nach Satz 1 entfernt hat, macht die Durchsetzungsbehörde die Behebung des Verstoßes auf Antrag des Käufers für die Dauer von höchstens drei Monaten auf ihrer Internetseite bekannt.

§ 29 Tätigkeitsbericht der Durchsetzungsbehörde

Die Durchsetzungsbehörde veröffentlicht jährlich einen Bericht über ihre Tätigkeit. Der Bericht hat für das jeweilige Vorjahr Folgendes zu umfassen:
1. die Zahl der eingegangenen Beschwerden sowie die Zahl der eingeleiteten und der abgeschlossenen Untersuchungen und
2. soweit mit einem Antrag nach § 26 Absatz 1 vereinbar, für jede abgeschlossene Untersuchung eine zusammenfassende Beschreibung des Sachverhalts, das Ergebnis der Untersuchung und gegebenenfalls die getroffene Entscheidung.

§ 30 Gegenseitige Amtshilfe der Durchsetzungsbehörden

(1) Die Durchsetzungsbehörde hat den Durchsetzungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie der Europäischen Kommission Informationen zu übermitteln und Amtshilfe zu leisten, soweit dies für eine einheitliche Umsetzung und Anwendung der Richtlinie (EU) 2019/633 erforderlich ist. Die Amtshilfe betrifft insbesondere Auskunftsersuchen sowie Untersuchungen bei Käufern, die in Deutschland niedergelassen sind.
(2) Die Durchsetzungsbehörde hat alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Amtshilfeersuchen unverzüglich und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach deren Eingang nachzukommen. Hat die ersuchende Durchsetzungsbehörde des anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union darauf hingewiesen, dass ein Antrag auf Vertraulichkeit vorliegt, so ist § 26 entsprechend anzuwenden.
(3) Die Durchsetzungsbehörde darf Amtshilfeersuchen nur ablehnen, wenn
1. sie für den Gegenstand des Ersuchens oder für die Maßnahmen, die sie durchführen soll, nicht zuständig ist oder
2. ein Eingehen auf das Ersuchen gegen Rechtsvorschriften verstoßen würde.
(4) Die Durchsetzungsbehörde hat die ersuchende Durchsetzungsbehörde des anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union über die Ergebnisse oder gegebenenfalls über den Fortgang der Maßnahmen zu informieren, die getroffen wurden, um dem Amtshilfeersuchen nachzukommen. Sie hat im Fall des Absatzes 3 die Gründe für die Ablehnung des Ersuchens zu erläutern.
(5) Ein Amtshilfeersuchen der Durchsetzungsbehörde hat alle erforderlichen Informationen zu enthalten; hierzu gehören insbesondere der Zweck und die Begründung des Ersuchens sowie gegebenenfalls ein Antrag auf Vertraulichkeit nach § 26 Absatz 1. Die auf das Ersuchen hin übermittelten Informationen dürfen ausschließlich zu dem Zweck verwendet werden, zu dem sie angefordert wurden.

§ 31 Austausch mit anderen Durchsetzungsbehörden

Die Durchsetzungsbehörde nimmt an den regelmäßigen Treffen der Durchsetzungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2019/633 teil.

Abschnitt 4

Gerichtsverfahren

Unterabschnitt 1

Gerichtsverfahren in Verwaltungssachen

§ 32 Zuständigkeit, Zulässigkeit

(1) Über eine Klage gegen die Durchsetzungsbehörde entscheidet das für Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundeskartellamts zuständige Oberlandesgericht (zuständiges Gericht).
(2) Die §§ 42 bis 44a der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden.

§ 33 Aufschiebende Wirkung

Die Klage gegen eine Verfügung der Durchsetzungsbehörde hat keine aufschiebende Wirkung.

§ 34 Frist und Form

(1) Die Klage ist binnen einer Frist von einem Monat bei der Durchsetzungsbehörde schriftlich einzureichen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Verfügung der Durchsetzungsbehörde. Es genügt, wenn die Klage innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht.
(2) Erlässt die Durchsetzungsbehörde auf Grund einer Beschwerde keine Verfügung, so ist die Klage an keine Frist gebunden.
(3) Die Klage ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der angefochtenen Verfügung zu begründen. Im Fall des Absatzes 2 beträgt die Frist einen Monat; sie beginnt mit der Erhebung der Klage. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des zuständigen Gerichts verlängert werden.
(4) Die Klagebegründung muss enthalten:
1. die Erklärung, inwieweit die Verfügung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird,
2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Klage stützt.
(5) Die Klageschrift und die Klagebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

§ 35 Beteiligtenfähigkeit

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind außer natürlichen und juristischen Personen auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen.

§ 36 Verfahrensbeteiligte

An dem Verfahren vor dem zuständigen Gericht sind beteiligt:
1. der Kläger,
2. die Durchsetzungsbehörde,
3. das Bundeskartellamt bei Entscheidungen nach § 28 Absatz 1 Nummer 2,
4. Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Durchsetzungsbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat.

§ 37 Anwaltszwang

Vor dem zuständigen Gericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Durchsetzungsbehörde und das Bundeskartellamt können sich durch ein Mitglied der jeweiligen Behörde vertreten lassen.

§ 38 Mündliche Verhandlung

(1) Das zuständige Gericht entscheidet über die Klage auf Grund mündlicher Verhandlung; mit Einverständnis der Beteiligten kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
(2) Sind die Beteiligten in dem Verhandlungstermin trotz rechtzeitiger Benachrichtigung nicht erschienen oder werden sie nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, so kann gleichwohl in der Sache verhandelt und entschieden werden.

§ 39 Untersuchungsgrundsatz

(1) Das zuständige Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen.
(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass
1. Formfehler beseitigt werden,
2. unklare Anträge erläutert werden,
3. sachdienliche Anträge gestellt werden,
4. ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt werden und
5. alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(3) Das zuständige Gericht kann den Beteiligten aufgeben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist über aufklärungsbedürftige Punkte zu äußern, Beweismittel zu bezeichnen und in ihren Händen befindliche Urkunden sowie andere Beweismittel vorzulegen. Bei Versäumung der Frist kann nach Lage der Sache ohne Berücksichtigung der nicht beigebrachten Beweismittel entschieden werden.

§ 40 Gerichtsentscheidung

(1) Das zuständige Gericht entscheidet durch Urteil oder, wenn nach Einverständnis der Beteiligten nach § 38 Absatz 1 ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, durch Beschluss. Das zuständige Gericht trifft die Entscheidung nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Entscheidung darf nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Das zuständige Gericht kann hiervon abweichen, soweit Beigeladenen aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, Akteneinsicht nicht gewährt und der Akteninhalt aus diesen Gründen auch nicht vorgetragen worden ist. Dies gilt nicht für solche Beigeladene, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
(2) Hält das zuständige Gericht die Verfügung der Durchsetzungsbehörde für unzulässig oder unbegründet, so hebt es die Verfügung auf. Hat sich die Verfügung vorher durch Zurücknahme oder auf andere Weise erledigt, so spricht das zuständige Gericht auf Antrag aus, dass die Verfügung der Durchsetzungsbehörde unzulässig oder unbegründet gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(3) Hält das zuständige Gericht die Ablehnung oder die Unterlassung der Verfügung für unzulässig oder unbegründet, so spricht es die Verpflichtung der Durchsetzungsbehörde aus, die beantragte Verfügung vorzunehmen.
(4) Die Verfügung ist auch dann unzulässig oder unbegründet, wenn die Durchsetzungsbehörde von ihrem Ermessen fehlerhaften Gebrauch gemacht hat, insbesondere dann, wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder durch die Ermessensentscheidung Sinn und Zweck dieses Gesetzes verletzt hat.
(5) Die Entscheidung ist zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung den Beteiligten zuzustellen.

§ 41 Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn
1. weder ein Rechtsmittel noch ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gegeben ist und
2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. Im schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung anzuwenden.
(6) § 149 Absatz 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden.

§ 42 Akteneinsicht

(1) Die in § 36 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Beteiligten können die Akten des zuständigen Gerichts einsehen und sich von der Geschäftsstelle auf eigene Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften aushändigen lassen. § 299 Absatz 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(2) Einsicht in Vorakten, Beiakten, Gutachten und Auskünfte ist nur mit Zustimmung der Stellen zulässig, denen die Unterlagen gehören oder die die Auskünfte eingeholt haben. Die Durchsetzungsbehörde hat die Zustimmung zur Einsicht in die ihr gehörenden Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist. Wird die Einsicht abgelehnt oder ist sie unzulässig, dürfen diese Unterlagen der Entscheidung nur insoweit zugrunde gelegt werden, als ihr Inhalt vorgetragen worden ist. Das zuständige Gericht kann die Offenlegung von Tatsachen oder Beweismitteln, deren Geheimhaltung aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, verlangt wird, nach Anhörung des von der Offenlegung Betroffenen durch Beschluss anordnen, soweit es für die Entscheidung auf diese Tatsachen oder Beweismittel ankommt, andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen und nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles die Bedeutung der Sache für die Sicherung des Wettbewerbs das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegt. Der Beschluss ist zu begründen. In dem Verfahren nach Satz 4 muss sich der Betroffene nicht anwaltlich vertreten lassen.
(3) Den in § 36 Nummer 4 bezeichneten Beteiligten kann das zuständige Gericht nach Anhörung des Verfügungsberechtigten Akteneinsicht in gleichem Umfang gewähren.

§ 43 Geltung von Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung

Für Verfahren vor dem zuständigen Gericht gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, folgende Vorschriften entsprechend:
1. die Vorschriften der §§ 169 bis 201 des Gerichtsverfassungsgesetzes über Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung sowie über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren;
2. die Vorschriften der Zivilprozessordnung über Ausschließung und Ablehnung eines Richters, über Prozessbevollmächtigte und Beistände, über die Zustellung von Amts wegen, über Ladungen, Termine und Fristen, über die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien, über die Verbindung mehrerer Prozesse, über die Erledigung des Zeugen- und Sachverständigenbeweises sowie über die sonstigen Arten des Beweisverfahrens, über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist sowie über den elektronischen Rechtsverkehr.

§ 44 Zulassung der Revision, absolute Revisionsgründe

(1) Gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts findet die Revision an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
1. eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.
(3) Über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision ist in der Entscheidung des Oberlandesgerichts zu befinden. Die Nichtzulassung ist zu begründen.
(4) Einer Zulassung zur Einlegung der Revision gegen Entscheidungen des zuständigen Gerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:
1. wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt worden ist,
4. wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

§ 45 Nichtzulassungsbeschwerde

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.
(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.
(4) Für die Nichtzulassungsbeschwerde gelten entsprechend:
1. § 34 Absatz 3, 4 Nummer 1 und Absatz 5, die §§ 36, 37, 42 und 43 Nummer 2 dieses Gesetzes sowie
2. die §§ 192 bis 201 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Beratung und Abstimmung sowie über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren.
Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das nach § 32 Absatz 1 zuständige Gericht zuständig.
(5) Wird die Revision nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Revision zugelassen, so beginnt mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs der Lauf der Beschwerdefrist.

§ 46 Revisionsberechtigte, Form und Frist

(1) Die Revision steht der Durchsetzungsbehörde sowie den am Klageverfahren Beteiligten zu.
(2) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Revision ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.
(4) Der Bundesgerichtshof ist an die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer, wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht worden sind.
(5) Für die Revision gelten im Übrigen § 34 Absatz 3, 4 Nummer 1 und Absatz 5 sowie die §§ 36 bis 38 und 40 bis 43 entsprechend. Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das nach § 32 Absatz 1 zuständige Gericht zuständig.

§ 47 Kostentragung und Kostenfestsetzung

Im Klageverfahren und im Revisionsverfahren kann das Gericht anordnen, dass die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hat ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlasst, so sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Im Übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.

Unterabschnitt 2

Gerichtsverfahren in Bußgeldsachen

§ 48 Befugnisse und Zuständigkeiten im gerichtlichen Bußgeldverfahren

(1) Im gerichtlichen Bußgeldverfahren kann dem Vertreter der Durchsetzungsbehörde gestattet werden, Fragen an Betroffene, Zeugen und Sachverständige zu richten.
(2) Im gerichtlichen Bußgeldverfahren hat bei Entscheidungen nach § 55 Absatz 1 Nummer 1b auch das Bundeskartellamt die Rechte der Verwaltungsbehörde nach § 76 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Dem Vertreter des Bundeskartellamts kann gestattet werden, Fragen an Betroffene, Zeugen und Sachverständige zu richten.
(3) Die Vollstreckung der Geldbuße und die Einziehung des Geldbetrages, dessen Einziehung nach § 29a des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten angeordnet wurde, erfolgt durch die Durchsetzungsbehörde als Vollstreckungsbehörde. Grundlage hierfür ist eine beglaubigte Abschrift der Urteilsformel, die entsprechend den Vorschriften über die Vollstreckung von Bußgeldbescheiden vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts erteilt und mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehen sein muss. Die Geldbußen und die eingezogenen Geldbeträge fließen der Bundeskasse zu, die auch die der Staatskasse auferlegten Kosten trägt.

§ 49 Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im gerichtlichen Verfahren

(1) Das nach § 32 Absatz 1 zuständige Gericht entscheidet
1. im gerichtlichen Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 55 Absatz 1 Nummer 1a oder 1b,
2. über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) in den Fällen des § 52 Absatz 2 Satz 3 und des § 69 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.
§ 140 Absatz 1 Nummer 1 der Strafprozessordnung in Verbindung mit § 46 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten findet keine Anwendung.
(2) Das Oberlandesgericht entscheidet in der Besetzung von drei Mitgliedern, das vorsitzende Mitglied eingeschlossen.

§ 50 Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof

Über die Rechtsbeschwerde (§ 79 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) entscheidet der Bundesgerichtshof. Hebt er die angefochtene Entscheidung auf, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, so verweist er die Sache an das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, zurück.

§ 51 Wiederaufnahmeverfahren gegen den Bußgeldbescheid

Im Wiederaufnahmeverfahren gegen den Bußgeldbescheid der Durchsetzungsbehörde (§ 85 Absatz 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) entscheidet das nach § 32 Absatz 1 zuständige Gericht.

§ 52 Gerichtliche Entscheidungen bei der Vollstreckung

Die bei der Vollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen (§ 104 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) werden von dem nach § 32 Absatz 1 zuständigen Gericht erlassen.

Unterabschnitt 3

Gemeinsame Bestimmungen für das gerichtliche Verfahren

§ 52a Zuständiger Senat bei dem Oberlandesgericht

Der nach § 91 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bei dem Oberlandesgericht gebildete Kartellsenat entscheidet über die nach diesem Gesetz dem Oberlandesgericht zugewiesenen Rechtssachen.

§ 52b Zuständiger Senat beim Bundesgerichtshof

(1) Der nach § 94 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beim Bundesgerichtshof gebildete Kartellsenat entscheidet über folgende Rechtsmittel:
1. in Verwaltungssachen über die Revision gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts (§§ 44, 46, 47) und über die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 45),
2. in Bußgeldsachen über die Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts (§ 50).
(2) § 94 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gilt entsprechend.

Kapitel 2

Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Verarbeitern von Agrarerzeugnissen

§ 53 Gestaltung von Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Verarbeitern von Agrarerzeugnissen; Verordnungsermächtigung

(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zur Durchführung unionsrechtlicher Bestimmungen über die Gestaltung von Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Verarbeitern von Agrarerzeugnissen Vorschriften über
1. die Gestaltung der Vertragsbeziehungen, soweit sie nach dem Unionsrecht bestimmt oder bestimmbar ist,
2. das Verfahren und
3. die Pflicht des Erzeugers oder des Verarbeiters von Agrarerzeugnissen, auf Aufforderung oder in einem Antragsverfahren den Vertrag und andere Unterlagen, die zur Beurteilung des Vertragsverhältnisses von Bedeutung sind, der zuständigen Stelle vorzulegen,
zu erlassen.
(2) Soweit das Unionsrecht den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, das in Absatz 1 bezeichnete Unionsrecht anzuwenden, kann in einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 die Anwendung ganz oder teilweise nach Maßgabe des Satzes 2 angeordnet werden. Eine Rechtsverordnung darf nur ergehen, soweit dies zur Verhinderung oder Beseitigung von Nachteilen für die Entwicklung des jeweils betroffenen Agrarerzeugnissektors sachgerecht ist.
(3) Soweit das in Absatz 1 bezeichnete Unionsrecht für die Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum enthält, ist die Rechtsverordnung nach Absatz 1
1. an einer Verbesserung der Strukturen des jeweils betroffenen Agrarerzeugnissektors und
2. den Erfordernissen eines möglichst geringen Verfahrens- und Überwachungsaufwandes auszurichten.

Teil 4

Überwachung, Sanktionen, Verordnungsermächtigungen, Übergangsvorschriften, Evaluierung

§ 54 Überwachung; Mitteilungen; Verordnungsermächtigung

(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die nach Maßgabe des Absatzes 2 der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Vorschriften zu erlassen, die zur Überwachung der Einhaltung des Agrarorganisationenrechts oder der Einhaltung des Rechts über Geschäftsbeziehungen in der Lebensmittellieferkette oder zur Erfüllung von Mitteilungspflichten gegenüber Organen der Europäischen Union erforderlich sind. Insbesondere können Mitteilungs-, Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Auskunfts- und sonstige Unterstützungspflichten sowie Pflichten zur Duldung des Betretens und der Besichtigung von Geschäftsräumen und Betriebsstätten während der üblichen Geschäfts- und Betriebszeiten, zur Vornahme von Proben sowie zur Einsichtnahme und zum Kopieren von Geschäftsunterlagen vorgeschrieben werden.
(2) Die Zustimmung des Bundesrates ist nicht erforderlich, wenn die Vorschriften
1. die Überwachung der Einhaltung der Regelungen über unlautere Handelspraktiken betreffen oder
2. Mitteilungspflichten über unlautere Handelspraktiken betreffen.

§ 55 Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1.
entgegen § 4 Absatz 4 Satz 1 sich als anerkannte Agrarorganisation bezeichnet,
1a.
entgegen § 10 Absatz 3 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt,
1b.
entgegen § 23 Satz 1 ein wirtschaftliches Ungleichgewicht nach § 23 Satz 2 ausnutzt,
2.
einer Rechtsverordnung nach
a) § 4 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe a oder b, § 5 Absatz 4 Satz 1 Nummer 3, § 6 Absatz 2 Nummer 3 oder § 53 Absatz 1 Nummer 3,
b) § 4 Absatz 1 Nummer 5 oder
c) § 7 Absatz 3 Satz 3 oder § 54 Absatz 1 Satz 1
oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist, oder
3.
einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung entspricht, zu der die in Nummer 2 Buchstabe c genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach Absatz 3 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.
(1a) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1b in Verbindung mit § 23 Satz 1 und 2 Nummer 9 bleibt die Strafbarkeit nach § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen unberührt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1b mit einer Geldbuße bis zu siebenhundertfünfzigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe b mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro und in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.
(3) Das Bundesministerium wird ermächtigt, soweit dies zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Union erforderlich ist, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Tatbestände zu bezeichnen, die als Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 Nummer 3 geahndet werden können.
(4) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1a und 1b die Durchsetzungsbehörde.

§ 56 Rechtsverordnungen in besonderen Fällen

(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Vorschriften dieses Gesetzes zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, soweit sie durch den Erlass entsprechenden unmittelbar anwendbaren Unionsrechts unanwendbar geworden sind.
(2) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz können auch ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden, wenn ihr unverzügliches Inkrafttreten zur Durchführung des Unionsrechts erforderlich ist und ihre Geltungsdauer auf einen bestimmten Zeitraum von höchstens sechs Monaten begrenzt wird.

§ 57 (weggefallen)

§ 58 Übergangsbestimmungen

(1) Anerkennungen von Agrarorganisationen, die auf Grund der bis zum 24. April 2013 geltenden Vorschriften erteilt worden sind, bleiben bestehen, soweit nicht auf Grund einer Rechtsverordnung nach diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Liefervereinbarungen, die vor dem 9. Juni 2021 geschlossen wurden, sind bis zum 8. Juni 2022 an die Vorgaben des Teils 3 Kapitel 1 anzupassen.

§ 59 Evaluierung der Regelungen über unlautere Handelspraktiken

(1) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bewertet unter Beteiligung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz den durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes vom 2. Juni 2021 (BGBl. I S. 1278) eingefügten Teil 3 Kapitel 1 Abschnitt 1 nach Ablauf von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes im Hinblick auf die Wirksamkeit der Regelungen. Gegenstand der Evaluierung ist insbesondere die Auswirkung der §§ 11 bis 23 auf die Gestaltung der Vertragsbeziehungen von Lieferanten und Käufern. Neben der Überprüfung der Einhaltung bestehender Verbote kann der Deutsche Bundestag im Zuge der Evaluierung gegebenenfalls auch die Liste verbotener Handelspraktiken um neue, bisher nicht erfasste unlautere Handelspraktiken erweitern. In die Evaluierung fließen auch die Ergebnisse der Prüfung eines möglichen Verbots des Einkaufs von Lebensmitteln und Agrarerzeugnissen unterhalb ihrer Produktionskosten ein.
(2) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Evaluierung nach Absatz 1.
Markierungen
Leseansicht