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DE - Landesrecht Hessen

Verordnung zur Regelung der Aus- oder Weiterbildung auf dem Gebiet der psychosozialen Prozessbegleitung Vom 22. November 2016

Verordnung zur Regelung der Aus- oder Weiterbildung auf dem Gebiet der psychosozialen Prozessbegleitung Vom 22. November 2016
Gesamtausgabe in der Gültigkeit vom 17.11.2021 bis 31.12.2028
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: geändert durch Verordnung vom 7. November 2021 (GVBl. S. 700)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Verordnung zur Regelung der Aus- oder Weiterbildung auf dem Gebiet der psychosozialen Prozessbegleitung vom 22. November 201601.01.2017 bis 31.12.2028
Eingangsformel01.01.2017 bis 31.12.2028
§ 1 - Anerkennungsvoraussetzungen01.01.2017 bis 31.12.2028
§ 2 - Antrag01.01.2017 bis 31.12.2028
§ 3 - Nebenbestimmungen01.01.2017 bis 31.12.2028
§ 4 - Mitteilungs- und Nachweispflichten01.01.2017 bis 31.12.2028
§ 5 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten17.11.2021 bis 31.12.2028
ANLAGE 101.01.2017 bis 31.12.2028
ANLAGE 201.01.2017 bis 31.12.2028
Aufgrund des § 9 Nr. 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vom 15. September 2016 (GVBl. S. 160) verordnet die Ministerin der Justiz:

§ 1 Anerkennungsvoraussetzungen

(1) Die Anerkennung als Aus- oder Weiterbildung zur psychosozialen Prozessbegleiterin oder zum psychosozialen Prozessbegleiter nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren kann nur erfolgen, wenn die Aus- oder Weiterbildung die in Anlage 1 genannten Qualitätsstandards erfüllt.
(2) Eine Anerkennung nach Abs. 1 für Personen, die vor dem 1. Januar 2017 eine mindestens fünfjährige berufspraktische Tätigkeit im Bereich Opferberatung oder Zeugenbegleitung
1.
bei einer vom Land Hessen oder einer hessischen Gebietskörperschaft geförderten Opferschutzorganisation oder
2.
als hessische Landesbedienstete
ausgeübt haben, kann auch erfolgen, wenn die Aus- oder Weiterbildung die in Anlage 2 genannten Qualitätsstandards erfüllt.

§ 2 Antrag

(1) Die Anerkennung einer Aus- oder Weiterbildung zur psychosozialen Prozessbegleiterin oder zum psychosozialen Prozessbegleiter ist schriftlich zu beantragen.
(2) Mit dem Antrag ist ein Konzept zur Einhaltung der Qualitätsstandards nach Anlage 1 oder 2 vorzulegen.

§ 3 Nebenbestimmungen

Die Anerkennung kann, auch nachträglich, mit Nebenbestimmungen versehen werden.

§ 4 Mitteilungs- und Nachweispflichten

(1) Der Anbieter der Aus- oder Weiterbildung ist verpflichtet, der zuständigen Behörde unverzüglich Umstände mitzuteilen, die zum Wegfall von Anerkennungsvoraussetzungen nach § 1 führen können.
(2) Die zuständige Behörde kann bei begründetem Anlass verlangen, dass der Anbieter der Aus- oder Weiterbildung Nachweise über das Fortbestehen der Anerkennungsvoraussetzungen vorlegt.

§ 5 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2017 in Kraft. Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2028 außer Kraft.

ANLAGE 1

A.
Lehrinhalte
Die Aus- oder Weiterbildung, welche der Vermittlung interdisziplinären Wissens und der Reflexion der eigenen Rolle dient, um so zu einem sicheren Umgang von psychosozialer Prozessbegleitung mit den Akteuren im Rechtssystem zu führen, muss die nachfolgend aufgeführten Themenbereiche umfassen:
I.
Rechtliche Grundlagen
Dazu sollten die folgenden Punkte gehören:
Rechtsgrundlagen und Grundsätze des Strafverfahrens
Rechte und Pflichten der Verletzten und der Bezugspersonen im Strafverfahren
(aktive Teilnahme und Schutz vor Belastung), besondere Rechte und Pflichten von Kindern und Jugendlichen
das Ermittlungsverfahren - Strafanzeige
Funktion und Tätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft
die Strafverteidigung
Rechtsbeistand und Nebenklage
aussagepsychologische Begutachtung
das Hauptverfahren
Stellung der psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren
Möglichkeiten der Entschädigung (einschließlich Ansprüchen nach dem Opferentschädigungsgesetz), Schadensersatz und Schmerzensgeld einschließlich der möglichen Kostenfolgen für Verletzte
Täter-Opfer-Ausgleich
Grundlagen weiterer opferrelevanter Rechtsgebiete, z. B. Familien-/Zivilrecht (GewSchG).
II.
Viktimologie
Dazu sollten die folgenden Punkte gehören:
1.
Viktimologische Grundlagen
Theorien der Viktimisierung
Bedürfnisse von Opfern
Verarbeitungsprozesse und Bewältigungsstrategien von Opfern
sekundäre Viktimisierung
Umgang mit Scham und Schuld.
2.
Wissen über spezielle Opfergruppen, unter anderem:
Kinder und Jugendliche
Personen mit Behinderung
Personen mit einer psychischen Beeinträchtigung
Betroffene von Sexualstraftaten
Betroffene von Menschenhandel
Betroffene von Gewalttaten (mit schweren physischen, psychischen oder finanziellen Folgen oder längerem Tatzeitraum, wie z. B. bei häuslicher Gewalt oder Stalking)
Betroffene von vorurteilsmotivierter Gewalt und sonstiger Hasskriminalität.
3.
Grundlagen gendersensibler und interkultureller Kommunikation.
III.
Psychologie/ Psychotraumatologie
Dazu sollten die folgenden Punkte gehören:
zielgruppenspezifische Belastungsfaktoren von Zeugen im Strafverfahren
Aspekte der Aussagepsychologie
Trauma und Traumabehandlung
Stabilisierungstechniken.
IV.
Theorie und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung
Dazu sollten die folgenden Punkte gehören:
1.
Ziele und Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung.
2.
Leistungen und Methoden, insbesondere
die Leistungen der psychosozialen Prozessbegleitung während der verschiedenen Phasen des Strafverfahrens
Methodenkompetenz (z. B. adressatengerechte Kommunikation, fachgerechter Umgang mit Zeugenaussagen, Dokumentation, Aufklärung über fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht)
Kooperation mit anderen Professionen, Netzwerkarbeit.
V.
Qualitätssicherung und Eigenvorsorge
Dazu sollten die folgenden Punkte gehören:
Formen der Dokumentation
Integration der psychosozialen Prozessbegleitung in das eigene Arbeitsfeld: Möglichkeiten und Grenzen
Methoden zur Selbstreflexion (z. B. kollegiale Beratung, Supervision)
interdisziplinärer Austausch
Reflexion der eigenen Motivation zur Opferhilfe
Methoden der Selbstfürsorge in der professionellen Opferarbeit (z. B. Vermeidung von Überidentifikation, Burn-Out-Prävention).
B.
Umfang
Angesichts des Umfangs der Lehrinhalte und Lernziele ist es erforderlich, diese in verschiedenen, sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstreckenden, mehrtägigen Modulen zu vermitteln. Ein Schwerpunkt der Aus- oder Weiterbildung soll in der Vermittlung rechtlicher Grundlagen liegen und darüber hinaus Berücksichtigung finden, dass begleitende Prozessbeobachtungen und verpflichtendes Selbststudium in Ergänzung zu der Wissensvermittlung in den Weiterbildungsmodulen wesentliche Elemente der Aus- oder Weiterbildung sind. Im Hinblick auf eine angestrebte Zertifizierung der Teilnehmenden ist es erforderlich, das Weiterbildungsangebot mit einer Abschlussarbeit oder einem Abschlusskolloquium zu beenden. Darüber hinaus bleibt die konkrete Ausgestaltung jedem Anbieter selbst überlassen.
C.
Referentinnen und Referenten
Fachkräfte insbesondere aus den Bereichen Psychologie, Medizin, Sozialpädagogik, Soziologie, Viktimologie und Recht.

ANLAGE 2

A.
Lehrinhalte
Die Aus- oder Weiterbildung muss die nachfolgend aufgeführten Themenbereiche umfassen:
Modul 1 -
Rechtliche Grundlagen psychosozialer Prozessbegleitung
Rechtsgrundlagen und Grundsätze des Strafverfahrens
Stellung der psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren
Rechte und Pflichten der Verletzten und der Bezugspersonen im Strafverfahren im Allgemeinen
Rechte und Pflichten von Kindern und Jugendlichen im Besonderen
Umgang mit Zeugenaussagen, Zeugnisverweigerungsrecht.
Modul 2 -
Viktimologie
Theorienansätze zu Viktimisierung und sekundärer Viktimisierung
Bedürfnisse von Opfern
Verarbeitungs- und Bewältigungsstrategien von Opfern, Scham und Schuld
Differenzen in Verarbeitung und Konsequenzen unterschiedlicher Gewalttaten (z. B. vorurteilsmotivierte Gewalt, häusliche Gewalt, Stalking)
Merkmale spezieller Opfergruppen: Kinder, Jugendliche, behinderte Personen
Konzepte zu gender- und kultursensibler Kommunikation.
Modul 3 -
Theorie und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung
,begleiten’, ,beraten’ und andere Formen unterstützender Interaktion
Phasenmodell der psychosozialen Prozessbegleitung
multiprofessionelle Kooperation und Abgrenzung
mündliche und medial gestützte Kommunikationsmethoden in der psychosozialen Prozessbegleitung.
Modul 4 -
Qualitätssicherung, Dokumentation, Selbstfürsorge
Formen der Dokumentation
Intervisions- und Supervisionskonzepte
Reflexionsnotwendigkeit bezogen auf Organisation und Person.
B.
Umfang
Modul 1:
10 UE
Modul 2:
10 UE
Modul 3:
20 UE
Modul 4:
10 UE
C.
Referentinnen und Referenten
Fachkräfte insbesondere aus den Bereichen Psychologie, Medizin, Sozialpädagogik, Soziologie, Viktimologie und Recht.
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