ThürPsychKG
DE - Landesrecht Thüringen

Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (ThürPsychKG) in der Fassung der Bekanntmachungvom 5. Februar 2009

Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (ThürPsychKG) in der Fassung der Bekanntmachungvom 5. Februar 2009
Zum 12.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: § 14 neu gefasst durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. Oktober 2022 (GVBl. S. 416)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (ThürPsychKG) in der Fassung der Bekanntmachungvom 5. Februar 200931.12.2008
Inhaltsverzeichnis29.08.2014
Erster Abschnitt - Allgemeines31.12.2008
§ 1 - Anwendungsbereich29.08.2014
Zweiter Abschnitt - Hilfen31.12.2008
§ 2 - Fürsorgegrundsatz31.12.2008
§ 3 - Begriff und Zweck der Hilfen31.12.2008
§ 4 - Durchführung der Hilfen31.12.2008
§ 5 - Planung und Koordination der Hilfen31.12.2008
§ 6 - Maßnahmen des Sozialpsychiatrischen Dienstes01.09.2009
Dritter Abschnitt - Unterbringung31.12.2008
§ 7 - Voraussetzungen und Zweck der Unterbringung31.12.2008
§ 8 - Unterbringungsantrag und -verfahren29.08.2014
§ 9 - Vorläufige Unterbringung durch den Sozialpsychiatrischen Dienst31.12.2008
Vierter Abschnitt - Rechtsstellung und Betreuung während der Unterbringung31.12.2008
§ 10 - Rechtsstellung des untergebrachten Patienten31.12.2008
§ 11 - Eingangsuntersuchung29.08.2014
§ 12 - Behandlung29.08.2014
§ 13 - Gestaltung der Unterbringung31.12.2008
§ 14 - Besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahmen27.10.2022
§ 15 - Durchsuchung31.12.2008
§ 16 - Unmittelbarer Zwang31.12.2008
§ 17 - Persönlicher Besitz31.12.2008
§ 18 - Religionsausübung31.12.2008
§ 19 - Besuchsrecht31.12.2008
§ 20 - Recht auf Postverkehr31.12.2008
§ 21 - Verarbeitung und Nutzung von Erkenntnissen aus der Überwachung31.12.2008
§ 22 - Beurlaubung31.12.2008
§ 23 - Hausordnung29.08.2014
§ 24 - Besuchskommission29.08.2014
§ 25 - Patientenfürsprecher29.08.2014
§ 26 - Beendigung der Unterbringung31.12.2008
Fünfter Abschnitt - Entlassung und nachsorgende Hilfen für psychisch kranke Menschen31.12.2008
§ 27 - Aufhebung der Unterbringung01.09.2009
§ 28 - Nachsorgende Hilfen01.09.2009
Sechster Abschnitt - (aufgehoben)29.08.2014
§ 29 - (aufgehoben)29.08.2014
§ 30 - (aufgehoben)29.08.2014
§ 31 - (aufgehoben)29.08.2014
§ 32 - (aufgehoben)29.08.2014
§ 33 - (aufgehoben)29.08.2014
§ 34 - (aufgehoben)29.08.2014
§ 35 - (aufgehoben)29.08.2014
Siebenter Abschnitt - Datenschutz31.12.2008
§ 36 - Allgemeine Regelungen zum Datenschutz29.08.2014
§ 37 - (aufgehoben)29.08.2014
§ 38 - (aufgehoben)29.08.2014
Achter Abschnitt - Zuständigkeit und Kosten31.12.2008
§ 39 - Aufsichtsbehörden29.08.2014
§ 40 - Kosten der Unterbringung29.08.2014
Neunter Abschnitt - Schlussbestimmungen31.12.2008
§ 41 - Einschränkung von Grundrechten31.12.2008
§ 42 - Gleichstellungsbestimmung31.12.2008
§ 43 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten08.11.2013
Inhaltsübersicht
Erster Abschnitt Allgemeines
§ 1Anwendungsbereich
Zweiter Abschnitt Hilfen
§ 2Fürsorgegrundsatz
§ 3Begriff und Zweck der Hilfen
§ 4Durchführung der Hilfen
§ 5Planung und Koordination der Hilfen
§ 6Maßnahmen des Sozialpsychiatrischen Dienstes
Dritter Abschnitt Unterbringung
§ 7Voraussetzungen und Zweck der Unterbringung
§ 8Unterbringungsantrag und -verfahren
§ 9Vorläufige Unterbringung durch den Sozialpsychiatrischen Dienst
Vierter Abschnitt Rechtsstellung und Betreuung während der Unterbringung
§ 10Rechtsstellung des untergebrachten Patienten
§ 11Eingangsuntersuchung
§ 12Behandlung
§ 13Gestaltung der Unterbringung
§ 14Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 15Durchsuchung
§ 16Unmittelbarer Zwang
§ 17Persönlicher Besitz
§ 18Religionsausübung
§ 19Besuchsrecht
§ 20Recht auf Postverkehr
§ 21Verarbeitung und Nutzung von Erkenntnissen aus der Überwachung
§ 22Beurlaubung
§ 23Hausordnung
§ 24Besuchskommission
§ 25Patientenfürsprecher
§ 26Beendigung der Unterbringung
Fünfter Abschnitt Entlassung und nachsorgende Hilfen für psychisch kranke Menschen
§ 27Aufhebung der Unterbringung
§ 28Nachsorgende Hilfen
Sechster Abschnitt (aufgehoben)
§ 29(aufgehoben)
§ 30(aufgehoben)
§ 31(aufgehoben)
§ 32(aufgehoben)
§ 33(aufgehoben)
§ 34(aufgehoben)
§ 35(aufgehoben)
Siebenter Abschnitt Datenschutz
§ 36Allgemeine Regelungen zum Datenschutz
§ 37(aufgehoben)
§ 38(aufgehoben)
Achter Abschnitt Zuständigkeit und Kosten
§ 39Aufsichtsbehörden
§ 40Kosten der Unterbringung
Neunter Abschnitt Schlussbestimmungen
§ 41Einschränkung von Grundrechten
§ 42Gleichstellungsbestimmung
§ 43(Inkrafttreten, Außerkrafttreten)

Erster Abschnitt Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch kranke Menschen einschließlich der Unterbringung in Einrichtungen nach § 7 Abs. 1.
(2) Psychisch kranke Menschen im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, bei denen eine seelische
1.
Krankheit,
2.
Behinderung oder
3.
Störung von erheblichem Ausmaß mit Krankheitswert
einschließlich einer physischen oder psychischen Abhängigkeit von Rauschmitteln, Suchtmitteln oder Medikamenten vorliegt.

Zweiter Abschnitt Hilfen

§ 2 Fürsorgegrundsatz

Bei allen Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist auf das Befinden des psychisch kranken Menschen besondere Rücksicht zu nehmen. Seine Rechte und seine Würde sind zu wahren.

§ 3 Begriff und Zweck der Hilfen

(1) Hilfen nach diesem Gesetz sind Leistungen, die über die allgemeinen Gesundheitshilfen hinaus den psychisch kranken Menschen befähigen sollen, eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu leben.
(2) Es ist das Ziel der vorsorgenden Hilfen, durch frühzeitige Beratung und persönliche Betreuung, durch soziale Unterstützung und Begleitung sowie durch die Vermittlung und Durchführung geeigneter Maßnahmen, insbesondere von ärztlicher Diagnostik, seelische Erkrankungen oder Störungen von erheblichem Ausmaß rechtzeitig zu erkennen und durch geeignete und ausreichende Behandlung die die selbstständige Lebensführung beeinträchtigenden und die persönliche Freiheit einschränkenden Maßnahmen entbehrlich zu machen.
(3) Die nachsorgenden Hilfen sollen nach einer stationären Behandlung die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtern und eine erneute Unterbringung verhindern.
(4) Die Hilfen sollen weiterhin bei Partnern und anderen Personen, die mit dem psychisch kranken Menschen in Beziehung stehen, Verständnis für dessen besondere Lage wecken und die Bereitschaft erhalten und fördern, bei der Wiedereingliederung mitzuwirken.

§ 4 Durchführung der Hilfen

(1) Zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz werden an den Gesundheitsämtern Sozialpsychiatrische Dienste eingerichtet. Aufgaben der Vor- und Nachsorge können vertraglich an andere Einrichtungen freier gemeinnütziger Träger übertragen werden. Der Sozialpsychiatrische Dienst wird durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, in Ausnahmefällen durch einen in der Psychiatrie erfahrenen Arzt geleitet. Er ist mit dem für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen psychiatrischen und psychosozialen Fachpersonal auszustatten; er bietet regelmäßige Sprechstunden an, führt Hausbesuche durch und gewährt weitere im Einzelfall notwendige Hilfen.
(2) Hilfen sind zu gewähren, wenn die Notwendigkeit dafür vorliegt und diese Aufgaben nicht von anderen Stellen zu erfüllen sind oder erfüllt werden.
(3) Der Sozialpsychiatrische Dienst arbeitet mit allen öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Organisationen, Einrichtungen und Stellen zur Betreuung, Begleitung, Behandlung, sozialen Integration und Rehabilitation für psychisch kranke Menschen zusammen, die seine eigenen Leistungen unterstützen und ergänzen. Hierzu zählen niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser, Einrichtungen und Dienste der gemeindepsychiatrischen Versorgung, Träger der Sozial- und Jugendhilfe, Hilfsvereine, Betroffenen- und Angehörigenorganisationen, Träger der Freien Wohlfahrtspflege, gerichtlich bestellte Betreuer und Betreuungsbehörden.

§ 5 Planung und Koordination der Hilfen

Die Planung und Koordination der Hilfen nach diesem Gesetz obliegt den Landkreisen und kreisfreien Städten; sie erfüllen diese Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis. Sonstige gesetzliche Zuständigkeiten bleiben unberührt. Die Landkreise und kreisfreien Städte wirken darauf hin, dass die Leistungserbringer und Leistungsträger im Rahmen eines Gemeindepsychiatrischen Verbundes zusammenarbeiten und dabei insbesondere Absprachen über eine sachgerechte Erbringung der Hilfen treffen. Sie sollen zur Durchführung der ihnen obliegenden Aufgaben zusätzlich einen fachkompetenten Mitarbeiter ihres Bereiches zum Psychiatriekoordinator bestellen.

§ 6 Maßnahmen des Sozialpsychiatrischen Dienstes

(1) Macht der psychisch kranke Mensch von den angebotenen Hilfen nach § 3 keinen Gebrauch und liegen Anzeichen dafür vor, dass er infolge seines Leidens sein Leben, seine Gesundheit, eigene oder Rechtsgüter anderer erheblich gefährdet, kann der Sozialpsychiatrische Dienst ihn zur Abwendung eines Unterbringungsverfahrens vorladen oder einen Hausbesuch anbieten, um ihm erneut Hilfen anzubieten und eine ärztliche Untersuchung durchzuführen. In der Vorladung kann dem psychisch kranken Menschen anheim gestellt werden, sich unverzüglich in die Behandlung eines Arztes seiner Wahl zu begeben, statt der Vorladung zu folgen. Er hat dann den Namen und die Anschrift dieses Arztes der vorladenden Stelle mitzuteilen und den Arzt zu ermächtigen, diese von der Übernahme der Behandlung zu unterrichten.
(2) Während des Unterbringungsverfahrens sind Angehörige, Vertrauenspersonen und der Betreuer des psychisch kranken Menschen einzubeziehen.
(3) Folgt der psychisch kranke Menschen der Vorladung nicht und begibt sich auch nicht in die Behandlung eines Arztes nach Absatz 1 Satz 2, soll ein Hausbesuch durchgeführt werden. Ist der Hausbesuch undurchführbar oder kann während des Hausbesuches die erforderliche Untersuchung nicht durchgeführt werden, ist der psychisch kranke Mensch erneut vorzuladen. Er ist verpflichtet, dieser Vorladung zu folgen und eine ärztliche Untersuchung zu dulden. Darauf ist in der Vorladung hinzuweisen. Die Verpflichtungen nach Satz 3 können im Wege des unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden; § 16 gilt entsprechend.
(4) Die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes haben darüber hinaus das Recht auf Zugang in die Wohnung des psychisch kranken Menschen, wenn unmittelbare Gefahren für das Leben oder erhebliche Gefährdungen für Rechtsgüter anderer, die sich aus einer psychischen Erkrankung ergeben, erkennbar und sofort abzuwenden sind.
(5) Das Ergebnis der Untersuchung nach Absatz 3 wird dem psychisch kranken Menschen, seinem Betreuer und mit deren Einwilligung auch seinen Angehörigen oder einer Vertrauensperson in geeigneter Form mitgeteilt. Die Mitteilung kann unterbleiben, wenn Nachteile für den Gesundheitszustand zu erwarten sind. Begibt sich der psychisch kranke Mensch nach der Untersuchung in ärztliche Behandlung, teilt der Sozialpsychiatrische Dienst den Untersuchungsbefund dem behandelnden Arzt mit. Die strafrechtlichen und berufsrechtlichen Bestimmungen der Schweigepflicht bleiben unberührt.
(6) Gegen Maßnahmen des Sozialpsychiatrischen Dienstes kann der psychisch kranke Mensch Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Dieser Antrag hat keine aufschiebende Wirkung. § 327 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586 -2587-) in der jeweils geltenden Fassung findet entsprechende Anwendung.

Dritter Abschnitt Unterbringung

§ 7 Voraussetzungen und Zweck der Unterbringung

(1) Ein psychisch kranker Mensch kann gegen oder ohne seinen Willen in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus oder in der psychiatrischen Fachabteilung eines Krankenhauses untergebracht und behandelt werden, wenn und solange er infolge seines Leidens sein Leben, seine Gesundheit oder bedeutende Rechtsgüter anderer erheblich gefährdet und die gegenwärtige Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Die fehlende Bereitschaft, sich behandeln zu lassen, rechtfertigt für sich allein keine Unterbringung.
(2) Die Krankenhäuser haben durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich die Betroffenen der Unterbringung nicht entziehen. Die Zuständigkeit der Krankenhäuser ergibt sich aus § 2 in Verbindung mit § 4 des Thüringer Krankenhausgesetzes in der Fassung vom 30. April 2003 (GVBl. S. 262) in der jeweils geltenden Fassung.
(3) Eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des Absatzes 1 besteht dann, wenn infolge der psychischen Erkrankung ein Schaden stiftendes Ereignis bereits eingetreten ist, unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist.
(4) Der Zweck der Unterbringung ist, die in Absatz 1 genannte Gefahr abzuwenden und den psychisch kranken Menschen nach Maßgabe dieses Gesetzes zu behandeln.
(5) Steht der psychisch kranke Mensch unter elterlicher Sorge oder Vormundschaft oder ist für ihn ein Pfleger oder Betreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis die Aufenthaltsbestimmung umfasst, ist der Wille desjenigen maßgeblich, dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht.

§ 8 Unterbringungsantrag und -verfahren

(1) Die Unterbringung kann nur auf schriftlichen Antrag des zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienstes durch gerichtliche Entscheidung angeordnet werden. Für das gerichtliche Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(2) Dem Antrag ist ein dem § 321 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG entsprechendes ärztliches Gutachten eines Sachverständigen beizufügen. Der Sachverständige soll in der Regel ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein; in jedem Fall muss er Arzt mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Das Gutachten muss auf einer höchstens drei Tage zurückliegenden Untersuchung beruhen. Aus diesem Gutachten müssen die Unterbringungsvoraussetzungen nach § 7 im einzelnen hervorgehen.
(3) Eine Unterbringung nach § 7 Abs. 1 darf nicht angeordnet oder muss aufgehoben werden, wenn eine Maßnahme nach den §§ 63, 64 des Strafgesetzbuchs (StGB), nach § 126 a der Strafprozessordnung oder nach § 7 des Jugendgerichtsgesetzes getroffen worden ist.

§ 9 Vorläufige Unterbringung durch den Sozialpsychiatrischen Dienst

(1) Bestehen dringende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung vorliegen und kann eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, kann der Sozialpsychiatrische Dienst die vorläufige Unterbringung längstens für 24 Stunden ab dem Beginn der Unterbringung anordnen. Er hat unverzüglich beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Unterbringung nach § 8 zu stellen.
(2) Der Sozialpsychiatrische Dienst hat eine oder soweit im Einzelfall erforderlich mehrere der nachstehend genannten Personen unverzüglich über die Unterbringung zu unterrichten:
1.
den Ehegatten des psychisch kranken Menschen, wenn die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben,
2.
den Lebenspartner des psychisch kranken Menschen, wenn die Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben,
3.
jedes Elternteil und Kind, bei dem der psychisch kranke Mensch lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat,
4.
bei Minderjährigen die Elternteile, denen die Personensorge zusteht, der gesetzliche Vertreter in persönlichen Angelegenheiten und die Pflegeeltern,
5.
den Betreuer des psychisch kranken Menschen,
6.
eine von dem psychisch kranken Menschen benannte Person seines Vertrauens,
7.
den Leiter der Einrichtung, in der der psychisch kranke Mensch lebt.

Vierter Abschnitt Rechtsstellung und Betreuung während der Unterbringung

§ 10 Rechtsstellung des untergebrachten Patienten

(1) Der Patient unterliegt während der Unterbringung den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit. Diese müssen im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung oder zur Gewähr des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung erforderlich sein. Die Beschränkungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen den Patienten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.
(2) Entscheidungen über Eingriffe in die Rechte des Patienten sind zu dokumentieren und zu begründen. Bei Gefahr in Verzug können Entscheidungen nach Satz 1 auch mündlich getroffen werden; sie sind danach unverzüglich schriftlich zu begründen.
(3) Der Patient ist durch den aufnehmenden Arzt unverzüglich und möglichst in einer für ihn verständlichen Sprache und Form über seine Rechte und Pflichten während der Unterbringung aufzuklären. Sollte es sein Gesundheitszustand nicht erlauben, ist dies so bald wie möglich nachzuholen. Die Belehrung ist zu dokumentieren und vom Patienten mit Unterschrift zu bestätigen.

§ 11 Eingangsuntersuchung

(1) Die ärztliche Leitung der Einrichtung nach § 7 Abs. 1 hat die sofortige Untersuchung der aufgrund dieses Gesetzes eingewiesenen Patienten sicherzustellen.
(2) Ergibt die ärztliche Untersuchung, dass die Unterbringungsvoraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, hat der verantwortliche Arzt den zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst, der die Unterbringung veranlasst hat, den Arzt, der den Patienten vor der Unterbringung behandelt hat, und das zuständige Gericht unverzüglich zu unterrichten. Der Patient ist bis zur Entscheidung über die Aufhebung der Unterbringung zu beurlauben.

§ 12 Behandlung

(1) Der Patient hat Anspruch auf die notwendige Behandlung. Sie schließt die erforderlichen Untersuchungen sowie sozialtherapeutische, psychotherapeutische, heilpädagogische, beschäftigungs- und arbeitstherapeutische Maßnahmen ein. Die Behandlung erfolgt nach einem Behandlungsplan, der bei der Unterbringung unverzüglich zu erstellen ist. Der Behandlungsplan ist mit dem Patienten zu erörtern.
(2) Behandlungsmaßnahmen bedürfen vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 3 und 5 der Einwilligung des Patienten, des Betreuers oder des sonstigen Sorgeberechtigten.
(3) Die Behandlung des Patienten ist ohne seine Einwilligung, ohne die seines Betreuers oder sonstiger Sorgeberechtigter bei gegenwärtiger Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten oder Dritter zulässig.
(4) Ärztliche Eingriffe und Behandlungsverfahren, welche mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind oder welche die Persönlichkeit tiefgreifend und auf Dauer schädigen könnten, sind unzulässig.
(5) Eine Ernährung gegen den Willen des Patienten ist nur zulässig, wenn dies zur Abwendung einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten erforderlich ist. Zur Durchführung der Maßnahme ist die Einrichtung nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung des Patienten ausgegangen werden kann.
(6) Die Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 5 dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden. Erste Hilfe muss davon unbeschadet dann erfolgen, wenn ärztliche Behandlung nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.

§ 13 Gestaltung der Unterbringung

(1) Die Unterbringung wird unter Berücksichtigung medizinischer, therapeutischer und sicherungsbedingter Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen. Der regelmäßige Aufenthalt im Freien ist zu gewährleisten. Um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen, soll die Unterbringung nach Möglichkeit in offenen und freien Formen durchgeführt werden, soweit der Zweck der Unterbringung dies zulässt.
(2) Die Bereitschaft des Patienten, an der Erreichung des Unterbringungsziels mitzuwirken, soll geweckt und sein Verantwortungsbewusstsein für ein geordnetes Zusammenleben gefördert werden.
(3) Während der Unterbringung fördert die Einrichtung die Aufrechterhaltung bestehender und die Anbahnung neuer sozialer Kontakte des Patienten, soweit sie der Wiedereingliederung dienen. Angehörige sind möglichst einzubeziehen.
(4) Kinder und Jugendliche sollen je nach Eigenart und Schwere ihrer Krankheit nach ihrem Entwicklungsstand untergebracht und betreut werden.

§ 14 Besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahmen

(1) Bei einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten oder für das Leben, die Gesundheit oder andere bedeutende Rechtsgüter Dritter können
1.
die Beschränkung des Aufenthaltes im Freien,
2.
die Wegnahme und Vorenthaltung von Gegenständen,
3.
die Absonderung in einem besonderen Raum (Isolierung),
4.
die Absonderung von anderen Patienten,
5.
die Einschränkung oder Aufhebung der Bewegungsfreiheit (Fixierung) oder
6.
bei erhöhter Fluchtgefahr die Fesselung bei Ausführung, Vorführung oder Transport
angeordnet werden, wenn und solange die Gefahr durch keine andere geeignete, zumutbare und weniger einschneidende Maßnahme abgewendet werden kann und diese besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahme im jeweiligen konkreten Einzelfall das zur Erreichung des Schutzziels notwendige mildeste Mittel darstellt. Die Auswahl und die Anwendung der Schutz-und Sicherungsmaßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen. Unter mehreren möglichen und geeigneten Schutz- und Sicherungsmaßnahmen ist diejenige auszuwählen und anzuwenden, die den Patienten voraussichtlich nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt; auf die Belange Dritter ist Rücksicht zu nehmen. Die ergriffenen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen dürfen nicht über das Erforderliche hinausgehen. Der im Zeitpunkt ihrer Anordnung zu erwartende Nutzen einer jeden Schutz- und Sicherungsmaßnahme muss die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich feststellbar überwiegen. Die Erforderlichkeit ist unter Berücksichtigung der psychiatrischen Behandlungsmaßnahmen zu beurteilen und in kurzen Abständen neu einzuschätzen. Eine Fixierung nach Satz 1 Nr. 5 muss der Abwehr einer sich aus der Grunderkrankung des Patienten ergebenden Selbst- oder Fremdgefährdung dienen und mit der in der Unterbringung stattfindenden psychiatrischen Behandlung der Grunderkrankung in engem Zusammenhang stehen.
(2) Jede besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahme ist von dem Chefarzt oder im Fall seiner Verhinderung seinem Stellvertreter dem Patienten gegenüber in verständlicher Form anzukündigen, zu begründen, befristet anzuordnen, zu überwachen und schriftlich zu dokumentieren. Die Ankündigung muss Angaben zur Art und Dauer der geplanten Schutz- und Sicherungsmaßnahme beinhalten. Auf die Ankündigung und Begründung darf nur bei Gefahr im Verzug verzichtet werden. Die Begründung der Maßnahme ist unverzüglich nachzuholen.
(3) Die Anordnung einer Fixierung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5, durch die die Bewegungsfreiheit des Patienten nicht nur kurzfristig aufgehoben wird, ist nur nach vorheriger Anordnung des Gerichts auf schriftlichen Antrag des Chefarztes oder im Fall seiner Verhinderung seines Stellvertreters zulässig. Von einer kurzfristigen Maßnahme ist in der Regel auszugehen, wenn sie absehbar die Dauer von einer halben Stunde unterschreitet. Bei Gefahr im Verzug zur Abwehr einer von dem Untergebrachten ausgehenden akuten Selbst- oder Fremdgefährdung kann der Chefarzt oder im Fall seiner Verhinderung sein Stellvertreter auch ohne vorherige Anordnung des Gerichts eine Fixierung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 anordnen; er hat unverzüglich eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Dies ist nicht erforderlich, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen wird oder die Maßnahme vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Stellt sich nach Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung heraus, dass eine Fixierung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 nicht mehr erforderlich ist und wird sie beendet, ist der Antrag an das Gericht zurückzunehmen, wenn eine Entscheidung noch nicht ergangen ist. Das gerichtliche Verfahren bestimmt sich nach den für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 4 FamFG geltenden Vorschriften.
(4) Bei besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 ist eine angemessene und regelmäßige Überwachung durch einen Arzt zu gewährleisten und zusätzlich bei Fixierungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 eine ununterbrochene Eins-zu-Eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal sicherzustellen.
(5) Eine besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahme ist unverzüglich durch den Chefarzt oder im Fall seiner Verhinderung seinen Stellvertreter zu beenden, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Sobald es der Zustand des Patienten zulässt, ist eine Nachbesprechung durchzuführen und der Patient in einer für ihn verständlichen Form durch den Chefarzt oder im Falle seiner Verhinderung seinen Stellvertreter auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahme gerichtlich überprüfen zu lassen.
(6) Nach Aufhebung der Schutz- und Sicherungsmaßnahme sind die anordnende Person und ihre Funktion, die Umstände, der Zeitpunkt von Beginn und Beendigung, die Wirksamkeit, besondere Vorkommnisse, die Nachbesprechung und der Hinweis auf die Möglichkeit der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung nach Absatz 5 Satz 2 sowie im Fall des Absatzes 4 die Art der Überwachung und Betreuung umfassend zu dokumentieren. Erfolgte die Anordnung einer Schutz- und Sicherungsmaßnahme bei Gefahr im Verzug, sind zusätzlich die Gründe für die Gefahr im Verzug umfassend zu dokumentieren.
(7) Hält sich ein Patient ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung auf, hat die Einrichtung eine unverzügliche Zurückführung zu veranlassen.

§ 15 Durchsuchung

(1) Der Patient, seine Sachen und die Unterbringungsräume dürfen durchsucht werden, sofern dies der Zweck der Unterbringung, die Aufrechterhaltung der Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung erfordern. Eine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung ist nur bei dem begründeten Verdacht zulässig, dass der Patient Waffen, andere gefährliche Gegenstände oder Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, am Körper führt. Diese Durchsuchung muss in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden; andere Patienten dürfen nicht anwesend sein. Bei der Durchsuchung männlicher Patienten sollten nur Männer, bei der Durchsuchung weiblicher Patienten nur Frauen anwesend sein. Auf das Schamgefühl ist Rücksicht zu nehmen.
(2) Bei dem begründeten Verdacht, dass sich in Körperhöhlen oder im Körper des Patienten Stoffe befinden, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, kann durch einen Arzt eine Untersuchung des Patienten vorgenommen werden. Absatz 1 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(3) Bei dem begründeten Verdacht auf Alkohol- und Drogenkonsum können die Untersuchungen durchgeführt werden, die zum Nachweis von im Körper befindlichen Stoffen notwendig sind.
(4) Über die Durchsuchung oder Untersuchung ist ein Protokoll zu fertigen, das dem Patienten, dem Betreuer oder sonstigen Sorgeberechtigten zur Kenntnis zu geben ist.

§ 16 Unmittelbarer Zwang

(1) Mitarbeiter der Einrichtung dürfen zur Durchsetzung der in diesem Gesetz vorgesehenen Einschränkungen der Rechte des Patienten unmittelbaren Zwang anwenden. Bei Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen ist unmittelbarer Zwang nur auf ärztliche Anordnung und nur dann zulässig, wenn der betroffene Patient zur Duldung entsprechend § 12 Abs. 3 verpflichtet ist.
(2) Gegenüber anderen Personen darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Patienten zu befreien oder wenn sie unbefugt in den Bereich der Einrichtung eindringen oder sich unbefugt darin aufhalten.
(3) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen durch körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel. Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln.
(4) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. Unmittelbarer Zwang hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar in einem unangemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht.
(5) Unmittelbarer Zwang ist vor seiner Anwendung anzudrohen. Von der Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist.
(6) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 17 Persönlicher Besitz

(1) Der Patient hat das Recht, seine persönliche Kleidung zu tragen und persönliche Gegenstände sowie Geld und Wertsachen in seinem Zimmer aufzubewahren. Dieses Recht kann eingeschränkt werden, wenn der Zweck der Unterbringung, die Sicherheit der Einrichtung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährdet werden.
(2) Geld und Wertsachen können auch ohne Zustimmung des Patienten in Gewahrsam genommen werden, wenn und soweit der Patient zum Umgang damit nicht in der Lage ist.

§ 18 Religionsausübung

Der Patient hat das Recht, in der Einrichtung an Gottesdiensten und sonstigen religiösen Veranstaltungen teilzunehmen. Er kann von der Teilnahme ausgeschlossen werden, wenn der Zweck der Unterbringung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährdet wird. Das Recht auf Inanspruchnahme der Krankenhausseelsorge bleibt unberührt.

§ 19 Besuchsrecht

(1) Der Patient hat das Recht, regelmäßig Besuche zu empfangen. Dieses Recht darf nur eingeschränkt oder untersagt werden, wenn der Zweck der Unterbringung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährdet ist.
(2) Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherheit der Einrichtung gefährdet wird, so kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besuchenden durchsuchen lassen. § 15 Abs. 1 gilt entsprechend.
(3) Ein Besuch darf aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit der Einrichtung überwacht werden. Der Patient und der Besucher sind zu Beginn des Besuchs darüber zu informieren. Die Übergabe von Gegenständen beim Besuch kann untersagt werden, wenn eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung nicht auszuschließen ist.
(4) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn gesundheitliche Nachteile für den Patienten oder Dritte zu befürchten sind oder durch die Fortsetzung der Zweck der Unterbringung gefährdet wird.
(5) Absatz 3 Satz 3 gilt für die Besuche von Rechtsanwälten, Verteidigern und Notaren in einer den Patienten betreffenden Rechtssache mit der Maßgabe, dass eine inhaltliche Überprüfung der von diesen mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen unzulässig ist und eine Übergabe an den Patienten auch nicht untersagt werden darf.

§ 20 Recht auf Postverkehr

(1) Ein Patient hat das Recht, Schreiben und Pakete abzusenden sowie zu empfangen.
(2) Der Schriftwechsel eines Patienten sowie der Paketverkehr können durch den behandelnden Arzt überwacht und angehalten werden, soweit es zur Verhinderung von Nachteilen für den Patienten, zur Sicherung des Zwecks der Unterbringung, für die Sicherheit der Einrichtung oder zur Verhinderung einer Gefährdung bedeutender Rechtsgüter Dritter erforderlich ist.
(3) Angehaltene Schreiben und Pakete werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus den Gründen des Absatzes 2 untunlich ist, aufbewahrt. Im Falle der Aufbewahrung wird der Patient verständigt. Die Gründe der Nichtweiterleitung werden dokumentiert.
(4) Der Schriftwechsel eines Patienten mit Gerichten, Rechtsanwälten, Verteidigern, seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern unterliegt keiner Einschränkung. Dies gilt auch für den Schriftwechsel mit den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern, mit den Kommunalvertretungen, den Aufsichtsbehörden, der Besuchskommission, dem Patientenfürsprecher, dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, dem Bürgerbeauftragten, der Europäischen Kommission für Menschenrechte, dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie bei Patienten mit ausländischer Staatsangehörigkeit für den Schriftwechsel mit der konsularischen oder diplomatischen Vertretung des Heimatlandes.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für Telegramme, Telefaxe und sonstige Mittel der Telekommunikation sowie für Datenträger und Zugänge zu Datennetzen. Für Telefongespräche gelten die Bestimmungen über den Besuch in § 19 entsprechend.

§ 21 Verarbeitung und Nutzung von Erkenntnissen aus der Überwachung

(1) Erkenntnisse aus einer Überwachung der Besuche, des Schriftverkehrs, der Telefongespräche oder der Pakete dürfen nur verarbeitet und genutzt werden, soweit dies
1.
aus Gründen der Behandlung des Patienten, der Sicherheit oder des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung oder
2.
zur Abwehr von konkreten Gefahren für das Leben oder die Rechtsgüter Dritter und des Patienten
erforderlich ist.
(2) Die nach Absatz 1 gespeicherten Daten sind zu löschen, wenn der Zweck der Datenerhebung wegfällt oder der Patient entlassen wird.

§ 22 Beurlaubung

(1) Der Patient kann durch die ärztliche Leitung der Einrichtung bis zu zwei Wochen beurlaubt werden, wenn der Gesundheitszustand und die persönlichen Verhältnisse es rechtfertigen und ein Missbrauch des Urlaubs nicht zu befürchten ist. Die Beurlaubung kann mit Auflagen verbunden werden.
(2) Die Beurlaubung soll widerrufen werden, wenn der Patient die Auflagen nicht oder nicht vollständig erfüllt oder wenn sich der Gesundheitszustand des Patienten wesentlich verschlechtert.
(3) Vor der Beurlaubung und bei einem Widerruf sind der Sozialpsychiatrische Dienst, das zuständige Gericht, die Angehörigen, der Betreuer und sonstige Sorgeberechtigte rechtzeitig zu benachrichtigen.
(4) Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 finden auf stundenweise Beurlaubungen (Ausgang) entsprechende Anwendung.

§ 23 Hausordnung

(1) Einrichtungen, in denen psychisch kranke Menschen behandelt und untergebracht werden, erlassen eine Hausordnung, die den Patienten zur Kenntnis zu geben ist. Die Hausordnung soll insbesondere Regelungen über die Einbringung von Sachen, die Ausgestaltung der Räume, Einkaufsmöglichkeiten, Rauch-, Alkohol- und Drogenverbote, Besuchszeiten, Telefonverkehr, Freizeitgestaltung und den regelmäßigen Aufenthalt im Freien enthalten.
(2)
(aufgehoben)

§ 24 Besuchskommission

(1) Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium beruft eine unabhängige Besuchskommission, die Einrichtungen nach § 7 Abs. 1, in denen psychisch kranke Menschen untergebracht werden, besucht und daraufhin überprüft, ob die mit der Unterbringung von psychisch kranken Menschen verbundenen besonderen Aufgaben erfüllt werden.
(2) Die Besuchskommission hat die Aufgaben,
1.
die stationäre Unterbringung, die Verpflegung und Kleidung psychisch kranker Menschen sowie die allgemeinen Verhältnisse in den Einrichtungen zu überprüfen,
2.
mündliche und schriftliche Anregungen, Wünsche und Beschwerden von Patienten entgegenzunehmen und diesen, soweit möglich, an Ort und Stelle nachzugehen,
3.
sonstige schriftliche Anregungen, Wünsche und Beschwerden von Patienten zu überprüfen und auszuwerten,
4.
über die Durchführung von Maßnahmen zur Versorgung psychisch kranker Menschen zu berichten und, soweit erforderlich, Maßnahmen anzuregen.
(3) Der Besuchskommission gehören an:
1.
ein Vertreter des für das Gesundheitswesen zuständigen Ministeriums,
2.
ein Arzt für Psychiatrie einer Einrichtung nach § 7 Abs. 1,
3.
eine mit Unterbringungsangelegenheiten vertraute, zum Richteramt befähigte Person,
4.
ein Arzt für Psychiatrie einer Einrichtung nach § 4 Abs. 1,
5.
einen Arzt aus einer Einrichtung zur Durchführung des Maßregelvollzugs,
6.
ein Vertreter der Liga der freien Wohlfahrtspflege,
7.
ein Mitglied des Landesverbandes Thüringen der Angehörigen psychisch Kranker,
8.
ein Mitglied des Thüringer Landesverbandes der Psychiatrie- Erfahrenen.
(4) Zu den Besuchen können weitere Personen hinzugezogen werden, insbesondere die Patientenfürsprecher.
(5) Der Besuchskommission ist ungehinderter Zugang zu den Einrichtungen nach Absatz 1 und zu den Patienten zu gewähren. Die Einsicht in die Patientenunterlagen ist mit Einwilligung des Patienten zu ermöglichen.
(6) Die Mitglieder werden durch das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium für eine Amtsperiode von jeweils vier Jahren berufen. Sie wählen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden. Die Mitglieder sind weisungsunabhängig und zur Verschwiegenheit verpflichtet.
(7) Die Besuchskommission berichtet regelmäßig dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium über die Durchführung der Aufgaben nach Absatz 2 und spricht Empfehlungen aus. Werden schwerwiegende Mängel bei der Unterbringung oder Behandlung festgestellt, informiert die Besuchskommission hierüber unverzüglich die ärztliche Leitung der Einrichtung und das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium.
(8) Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium führt die Geschäfte der Besuchskommission.

§ 25 Patientenfürsprecher

(1) Für geschlossene Stationen und Betreuungsbereiche in Einrichtungen nach § 7 Abs. 1 ist je Einrichtung ein Patientenfürsprecher zu bestimmen. Die Einrichtung gibt dem Patienten Name, Anschrift, Sprechstundenzeiten und Aufgabenbereich des Patientenfürsprechers in geeigneter Weise bekannt. Der unmittelbare Zugang zum Patientenfürsprecher muss gewährleistet sein.
(2) Der Patientenfürsprecher prüft Wünsche und Beschwerden der Patienten und trägt sie auf Wunsch dem Krankenhausträger und der Besuchskommission vor. Er hat jederzeit Zugang zu allen Räumen der geschlossenen Stationen und Betreuungsbereiche. Bei Anregungen oder Beanstandungen berät er die Mitarbeiter der Einrichtung. Der Patientenfürsprecher wird in Rechtsfragen von der Besuchskommission beraten.
(3) Werden schwerwiegende Mängel bei der Unterbringung oder Behandlung festgestellt, informiert der Patientenfürsprecher unverzüglich hierüber die ärztliche Leitung der Einrichtung und die Aufsichtsbehörde.
(4) Als Patientenfürsprecher sollen durch den Träger der Einrichtung im Einvernehmen mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium und im Benehmen mit der ärztlichen Leitung der Einrichtung solche Personen bestellt werden, die nicht Mitarbeiter der Einrichtung sind und die durch langjährige Erfahrungen in der Behandlung oder Betreuung von psychisch kranken Menschen eine besondere Eignung erworben haben. Die Patientenfürsprecher arbeiten ehrenamtlich.

§ 26 Beendigung der Unterbringung

(1) Fallen die Voraussetzungen für die Unterbringung weg, hat die ärztliche Leitung der Einrichtung dies dem zuständigen Gericht unverzüglich mitzuteilen.
(2) Hat das zuständige Gericht die Unterbringung nicht über den in der gerichtlichen Entscheidung bestimmten Zeitpunkt hinaus verlängert, hat die Einrichtung den Sozialpsychiatrischen Dienst sowie den Betreuer oder sonstigen Sorgeberechtigten von der bevorstehenden Aufhebung der Unterbringung des Patienten zu benachrichtigen.

Fünfter Abschnitt Entlassung und nachsorgende Hilfen für psychisch kranke Menschen

§ 27 Aufhebung der Unterbringung

Der untergebrachte Patient ist zu entlassen, wenn
1.
die die Unterbringung anordnende gerichtliche Entscheidung aufgehoben oder ausgesetzt worden ist,
2.
im Fall der vorläufigen Unterbringung durch den Sozialpsychiatrischen Dienst nicht spätestens innerhalb von 24 Stunden eine vorläufige oder endgültige Unterbringung oder die Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens nach § 284 FamFG gerichtlich angeordnet worden ist oder
3.
die Unterbringungsfrist nach § 329 Abs. 1 FamFG abgelaufen ist und die Fortdauer der Unterbringung nicht zuvor angeordnet wurde.

§ 28 Nachsorgende Hilfen

(1) Aufgabe der nachsorgenden Hilfe ist es, dem aus der Unterbringung oder einer sonstigen stationären psychiatrischen Behandlung Entlassenen durch individuelle ärztliche und psychosoziale Beratung sowie Betreuung den Übergang in das Leben außerhalb des Krankenhauses zu erleichtern.
(2) Bei der Gewährung von nachsorgenden Hilfen arbeiten der Sozialpsychiatrische Dienst und die in § 4 Abs. 3 genannten Einrichtungen und Träger eng zusammen.
(3) In der nachsorgenden Hilfe ist der Patient erforderlichenfalls über die Folgen einer Unterbrechung der notwendigen ärztlichen Behandlung zu beraten.
(4) Der Arzt, der den Patienten während der Unterbringung behandelt hat, übersendet dem zuständigen Gericht und dem Sozialpsychiatrischen Dienst unverzüglich eine Entlassungsmitteilung. Der nunmehr behandelnde Arzt und der Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes erhalten mit Einwilligung des Patienten, seines Betreuers oder sonstiger Sorgeberechtigter einen ärztlichen Entlassungsbericht.
(5) Ist die Aussetzung der Vollziehung einer Unterbringung nach § 328 FamFG von Auflagen über eine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung oder eine psychosoziale Beratung abhängig gemacht worden, gehört es zur Aufgabe der nachsorgenden Hilfe, auf die Einhaltung dieser Auflagen hinzuwirken. Der Patient, sein Betreuer oder sonstiger Sorgeberechtigter hat der Einrichtung, in der der Patient untergebracht war, unverzüglich Name und Anschrift des jetzt behandelnden Arztes mitzuteilen. Das zuständige Gericht ist vom Sozialpsychiatrischen Dienst über die Erfüllung der Auflagen zu unterrichten.

Sechster Abschnitt (aufgehoben)

§ 29 (aufgehoben)

§ 30 (aufgehoben)

§ 31 (aufgehoben)

§ 32 (aufgehoben)

§ 33 (aufgehoben)

§ 34 (aufgehoben)

§ 35 (aufgehoben)

Siebenter Abschnitt Datenschutz

§ 36 Allgemeine Regelungen zum Datenschutz

(1) Es gelten die Bestimmungen des Thüringer Krankenhausgesetzes und des Thüringer Datenschutzgesetzes in der Fassung vom 13. Januar 2012 (GVBl. S. 27) in der jeweils geltenden Fassung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen, zur Rechnungsprüfung oder zur Durchführung von Organisationsuntersuchungen sind zulässig, soweit diese Aufgaben nicht auf andere Weise, insbesondere mit anonymisierten Daten, erfüllt werden können.
(3) Eine Übermittlung von Daten an das zuständige Gericht ist auch zulässig, soweit dies zur Durchführung eines Betreuungsverfahrens erforderlich ist.
(4) Auf Antrag ist dem Patienten unentgeltlich Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen und, soweit dies ohne Verletzung schutzwürdiger Belange Dritter möglich ist, Einsicht in die über ihn geführten Akten zu gewähren. Die Auskunftserteilung oder die Akteneinsicht können verweigert werden, wenn Nachteile für den Gesundheitszustand oder den Therapieverlauf des Patienten zu erwarten sind.

§ 37 (aufgehoben)

§ 38 (aufgehoben)

Achter Abschnitt Zuständigkeit und Kosten

§ 39 Aufsichtsbehörden

Die nach diesem Gesetz zuständigen Aufsichtsbehörden werden durch Rechtsverordnung des für das Gesundheitswesen zuständigen Ministeriums bestimmt. Oberste Aufsichtsbehörde ist das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium.

§ 40 Kosten der Unterbringung

(1) Die Kosten der Hilfen für psychisch kranke Menschen einschließlich der Untersuchung nach § 6 tragen die Landkreise und kreisfreien Städte.
(2) Die Kosten der Unterbringung in einer Einrichtung und die Kosten für die nach diesem Gesetz erforderlichen Untersuchungen und Heilbehandlungen tragen ein Träger der Sozialversicherung oder ein sonstiger Dritter. Soweit diese zur Kostenübernahme nicht verpflichtet sind, trägt sie der untergebrachte psychisch kranke Mensch.
(3) Die Kosten einer vorläufigen Unterbringung nach § 9 werden von der Staatskasse getragen, wenn der Antrag auf Anordnung der Unterbringung nach § 8 abgelehnt oder zurückgenommen wird und das Verfahren ergeben hat, dass ein begründeter Anlass, den Unterbringungsantrag zu stellen, nicht vorgelegen hat. Diese Regelung findet bei Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Unterbringung entsprechende Anwendung.
(4) Untergebrachte psychisch kranke Menschen erhalten, wenn kein anderer Sozialleistungsträger eintritt, Hilfe zum Lebensunterhalt und nach den Erfordernissen des Einzelfalls Hilfen nach den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.

Neunter Abschnitt Schlussbestimmungen

§ 41 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes, Artikel 3 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen), auf Schutz seiner personenbezogenen Daten (Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen), auf Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses, des Post- und Fernmeldegeheimnisses sowie des Kommunikationsgeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes, Artikel 7 der Verfassung des Freistaats Thüringen), der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes, Artikel 8 der Verfassung des Freistaats Thüringen), auf freie Meinungsäußerung (Artikel 5 des Grundgesetzes, Artikel 11 der Verfassung des Freistaats Thüringen) und auf Ehe und Familie (Artikel 6 des Grundgesetzes, Artikel 17 bis 19 der Verfassung des Freistaats Thüringen) eingeschränkt.

§ 42 Gleichstellungsbestimmung

Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.

§ 43 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
(2) Gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Gesetzes nach Absatz 1 tritt das Gesetz über die Einweisung in stationäre Einrichtungen für psychisch Kranke vom 11. Juni 1968 [GBl. I Nr. 13 S. 273] außer Kraft.)
Markierungen
Leseansicht