Thüringer Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern und anderen ausländischen Flüchtlingen (Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz - ThürFlüAG -) Vom 16. Dezember 1997
Thüringer Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern und anderen ausländischen Flüchtlingen (Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz - ThürFlüAG -) Vom 16. Dezember 1997
Zum 12.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: | letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. September 2016 (GVBl. 486) |
Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis
Titel | Gültig ab |
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Thüringer Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern und anderen ausländischen Flüchtlingen (Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz - ThürFlüAG -) vom 16. Dezember 1997 | 01.01.1998 |
Eingangsformel | 01.01.1998 |
§ 1 - Aufnahmepflicht | 22.12.2012 |
§ 2 - Unterbringung | 14.10.2016 |
§ 3 - Verteilung und Zuweisung | 01.01.2005 |
§ 4 - Übertragene Aufgaben | 14.10.2016 |
§ 5 - Unterrichtungs- und Mitwirkungsrecht | 22.12.2012 |
§ 6 - Benutzungsverhältnis, Gebühren, Nutzungsentgelt und Erstattungspflichten | 01.01.2002 |
§ 7 - Kostenregelung | 01.01.2005 |
§ 8 - Gleichstellungsklausel | 01.01.1998 |
§ 9 - Einschränkung von Grundrechten | 01.01.1998 |
§ 10 - Inkrafttreten | 22.12.2012 |
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1 Aufnahmepflicht
Die Landkreise und kreisfreien Städte sind verpflichtet, folgende Ausländer aufzunehmen und unterzubringen:
1.
Personen, deren Aufenthalt nach dem Asylverfahrensgesetz gestattet ist,
2.
Personen, die einen Folgeantrag nach § 71 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) oder einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG stellen,
3.
Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 24 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) wegen des Krieges in ihrem Heimatland oder nach § 25 Abs. 4 Satz 1, Abs. 4a, 4b oder 5 AufenthG,
4.
Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 24 AufenthG, die nicht wegen des Krieges in ihrem Heimatland erteilt wurde, oder einen Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 2 AufenthG besitzen,
5.
Personen, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22, 23a Abs. 1 oder § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG erteilt wurde,
6.
Personen, die eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen und Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebeandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist.
7.
Personen, die nach § 15a AufenthG verteilt werden.
Dies gilt auch für Ehegatten und minderjährige ledige Kinder von Personen nach Satz 1, auch wenn sie die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllen.
§ 2 Unterbringung
(1) Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen die in § 1 genannten Personen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen. Sie haben insoweit geeignete Gemeinschaftsunterkünfte in erforderlichem Umfang einzurichten und zu unterhalten. Für den Betrieb der Gemeinschaftsunterkünfte können sie sich Dritter bedienen.
(2) Das Land kann eigene Gemeinschaftsunterkünfte einrichten; Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Bei der Schaffung von Unterbringungseinrichtungen haben die kreisangehörigen Gemeinden mitzuwirken und insbesondere geeignete Grundstücke und Gebäude zur Nutzung zur Verfügung zu stellen oder zu benennen. Sie haben die Einrichtung von Gemeinschafts- und Einzelunterkünften für die in § 1 genannten Personen im Gemeindegebiet in den Fällen eines gegenwärtigen, in ihrem Landkreis auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig abwendbaren Unterbringungsnotstands zu dulden.
(4) Die Landkreise und kreisfreien Städte können die in § 1 genannten Personen, die mehr als zwölf Monate in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind oder nach den Feststellungen des Landesverwaltungsamts voraussichtlich länger als zwölf Monate in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, im Benehmen mit der jeweils betroffenen Gemeinde unter Berücksichtigung wichtiger kommunaler Belange und einer ausgewogenen Verteilung auch in Einzelunterkünften vorläufig unterbringen. Eine Einzelunterbringung kommt insbesondere für Familien und Alleinstehende mit Kindern in Betracht. Von einer Einzelunterbringung ist in der Regel abzusehen, wenn
1.
das Verhalten des Betroffenen die Besorgnis der Beeinträchtigung von Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begründet oder
2.
der öffentlichen Hand dadurch Mehrkosten entstehen.
Der Landkreis kann auf Antrag kreisangehöriger Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften die Einzelunterbringung nach Satz 1 auf diese übertragen. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(5) Das für Ausländer- und Asylrecht zuständige Ministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für Finanzen zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung Art, Umfang und Ausstattung der Gemeinschafts- und Einzelunterkünfte sowie die Grundsätze der Versorgung und sozialen Betreuung der in § 1 genannten Personen zu regeln.
(6) Den mit der Betreuung und Beratung der in § 1 genannten Personen betrauten Vertretern von Wohlfahrtsverbänden sowie von Flüchtlingshilfeorganisationen und -vereinen soll im Rahmen ihrer Betreuungs- und Beratungsarbeit der Zugang zu den Gemeinschaftsunterkünften ermöglicht werden. Das Hausrecht der Betreiber bleibt unberührt.
§ 3 Verteilung und Zuweisung
(1) Die Landesregierung wird ermächtigt, die Verteilung der in § 1 genannten Personen auf die Kreise und kreisfreien Städte sowie die Kriterien der Zuweisung in Gemeinschafts- und in Einzelunterkünfte durch Rechtsverordnung zuregeln. Die Rechtsverordnung bestimmt auch den Schlüssel, nach dem die in § 1 genannten Personen auf die Landkreise und kreisfreien Städte zu verteilen sind. Örtlichen Besonderheiten, Unterbringungskapazitäten und Unterbringungsnotständen kann durch Regelungen zur Über- und Unterschreitung der Verteilungsquote Rechnung getragen werden.
(2) Zuständige Behörde für die Erstverteilung der Personen nach 1 auf die Landkreise und kreisfreien Städte und deren Zuweisung in Gemeinschafts- oder Einzelunterkünfte ist das Landesverwaltungsamt.
(3) In den Fällen eines gegenwärtigen, auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig abwendbaren Unterbringungsnotstands in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes kann das Landesverwaltungsamt im Einzelfall abweichend von den Festlegungen der nach Absatz 1 vorgesehenen Rechtsverordnung anordnen, daß Personen, die beabsichtigen, einen Asylantrag zu stellen oder als Angehörige einer Personengruppe im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 3 um Aufnahme und Unterbringung nachsuchen wollen, kurzfristig von den Landkreisen und kreisfreien Städten aufgenommen und untergebracht werden.
§ 4 Übertragene Aufgaben
Die Landkreise, kreisfreien Städte und im Falle des § 2 Abs. 4 Satz 4 die kreisangehörigen Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften führen die Aufgaben nach diesem Gesetz als Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis durch.
§ 5 Unterrichtungs- und Mitwirkungsrecht
(1) Die Aufsichtsbehörden können jederzeit über die Aufnahme und Unterbringung der in § 1 genannten Personen und die getroffenen Maßnahmen Auskunft verlangen sowie die Gemeinschafts- oder Einzelunterkünfte betreten, um die ordnungsgemäße Unterbringung und Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zu überprüfen.
(2) Der Ausländerbeauftragte beim Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit wirkt in Ausländerangelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung bei der Aufnahme und Unterbringung der in § 1 genannten Personen beratend mit.
§ 6 Benutzungsverhältnis, Gebühren, Nutzungsentgelt und Erstattungspflichten
(1) Die Verhältnisse der Nutzung von Gemeinschafts- und Einzelunterkünften zwischen den nach § 2 zuständigen Unterbringungsbehörden und den untergebrachten Personen nach § 1 sind öffentlich-rechtlich.
(2) Für die entstehenden Kosten der Unterbringung in den Gemeinschafts- und Einzelunterkünften einschließlich der Heizungskosten werden durch die nach § 2 zuständigen Unterbringungsbehörden Gebühren oder Nutzungsentgelte erhoben. Soweit Gebühren erhoben werden, sind von den Betroffenen für die Unterbringung und Heizung Monatspauschalen in Höhe von 150 Euro für den Haushaltsvorstand und je 75 Euro für weitere Familienangehörige zu erstatten.
(3) Schuldner ist die jeweils untergebrachte Person. Ehepaare sowie Eltern und ihre Kinder haften als Gesamtschuldner.
(4) Soweit Gebühren erhoben werden, finden die §§ 4, 12 bis 14 und 16 bis 19 des Thüringer Verwaltungskostengesetzes sowie die §§ 222, 227 Abs. 1 und § 261 der Abgabenordnung entsprechende Anwendung.
(5) Die Unterbringungsgebühren nach Absatz 2 Satz 2 erhöhen sich für Personen nach § 1 nach einem Aufenthalt in Gemeinschafts- oder Einzelunterkünften von 18 Monaten um 25 vom Hundert.
§ 7 Kostenregelung
(1) Das Land erstattet den Landkreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden auf Antrag die mit der Aufnahme und Unterbringung der Personen nach § 1 verbundenen notwendigen Kosten nach Maßgabe einer von dem für Ausländer- und Asylrecht zuständigen Ministerium im Einvernehmen mit dem für Finanzen zuständigen Ministerium und im Benehmen mit dem für Soziales zuständigen Ministerium zu erlassenden Rechtsverordnung, die das Verfahren, die Form, den Erstattungszeitraum und die Höhe der Kostenerstattung regelt.
(2) Die nach Absatz 1 zu erlassende Rechtsverordnung kann auch Regelungen über die Erstattung von Bewachungs- und Sozialbetreuungskosten treffen.
(3) Zuständige Behörde für die Erstattung der Kosten ist das Landesverwaltungsamt.
§ 8 Gleichstellungsklausel
Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.
§ 9 Einschränkung von Grundrechten
Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes, Artikel 8 der Verfassung des Freistaats Thüringen) eingeschränkt werden.
§ 10 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1998 in Kraft.
Erfurt, den 16. Dezember 1997
Der Präsident des Landtags
Dr. Pietzsch
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