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Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bedienstete der Gerichte und der Staatsanwaltschaften Vom 9. Oktober 1992

Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bedienstete der Gerichte und der Staatsanwaltschaften Vom 9. Oktober 1992
Zum 12.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. Dezember 2014 (GVBl. LSA S. 512)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bedienstete der Gerichte und der Staatsanwaltschaften vom 9. Oktober 199215.10.1992
§ 1 - Anwendungsbereich; Einschränkung von Grundrechten15.10.1992
§ 2 - Mittel des unmittelbaren Zwanges15.10.1992
§ 3 - Anwendungsvoraussetzungen15.10.1992
§ 4 - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit15.10.1992
§ 5 - Androhung15.10.1992
§ 6 - Handeln auf Anordnung15.10.1992
§ 7 - Fesselung12.12.2014
§ 8 - Hilfeleistung für Verletzte15.10.1992
§ 9 - Inkrafttreten15.10.1992

§ 1 Anwendungsbereich; Einschränkung von Grundrechten

(1) Die Bediensteten der Gerichte und der Staatsanwaltschaften dürfen zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Sitzungs- oder Vorführdienst, bei der Bewachung Gefangener, bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung auf den dem Hausrecht der Justizverwaltung unterliegenden Grundstücken sowie bei der Vollziehung gerichtlicher oder staatsanwaltschaftlicher Anordnungen nach Maßgabe dieses Gesetzes unmittelbaren Zwang anwenden. Die Polizei leistet Vollzugshilfe.
(2) Auf Grund dieses Gesetzes kann in die nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes geschützten Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person eingegriffen werden.
(3) Dieses Gesetz gilt nicht für Gerichtsvollzieher und Vollziehungsbeamte der Justiz.
(4) Die zivil- und strafrechtlichen Vorschriften über Notwehr und Notstand bleiben unberührt.

§ 2 Mittel des unmittelbaren Zwanges

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch ihre Hilfsmittel und durch Waffen.
(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.
(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln sowie die dienstlich zugelassenen Reiz- oder Betäubungsstoffe.
(4) Als Waffen sind Schlagstöcke zugelassen.
(5) Zum unmittelbaren Zwang im Sinne dieses Gesetzes gehört auch die zwangsweise körperliche Untersuchung von Personen sowie die Durchsuchung von Personen und Sachen.

§ 3 Anwendungsvoraussetzungen

Unmittelbarer Zwang darf nur angewendet werden, wenn der damit verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Der unmittelbare Zwang ist nur so lange zulässig, bis der Zweck erreicht ist oder bis sich zeigt, daß er trotz Zwangsanwendung nicht erreicht werden kann.

§ 4 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges ist nach Art und Maß das Mittel zu wählen, das den Betroffenen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Ein durch Anwendung unmittelbaren Zwanges zu erwartender Schaden darf nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen. Schlagstöcke dürfen nur gebraucht werden, wenn körperliche Gewalt oder ihre Hilfsmittel erfolglos angewendet sind oder von vornherein keinen Erfolg versprechen.

§ 5 Androhung

Die Anwendung unmittelbaren Zwanges ist vorher anzudrohen, es sei denn, daß die Umstände dies nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist.

§ 6 Handeln auf Anordnung

(1) Bedienstete, die Aufgaben im Sinne des § 1 wahrnehmen, sind verpflichtet, unmittelbaren Zwang anzuwenden, der von einem Weisungsberechtigten angeordnet wird. Dies gilt nicht, wenn die Anordnung die Menschenwürde verletzt oder nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist.
(2) Eine Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Bedienstete die Anordnung trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, daß dadurch eine Straftat begangen wird.
(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung sind dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist.

§ 7 Fesselung

Wer sich im Gewahrsam eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft befindet, darf gefesselt werden, wenn die Gefahr besteht, daß er
1.
Personen angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird,
2.
fliehen wird oder befreit werden soll oder
3.
sich töten oder verletzen wird.

§ 8 Hilfeleistung für Verletzte

Wird unmittelbarer Zwang angewendet, ist Verletzten, soweit die Lage es zuläßt, der nötige Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen.

§ 9 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Magdeburg, den 9. Oktober 1992.
Ausgefertigt:
Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt
Dr. Keitel
Gegengezeichnet und verkündet:
Der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt
Prof. Dr. Münch
Gegengezeichnet:
Der Minister der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt
Remmers
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