KiSchutzG ST 2009
DE - Landesrecht Sachsen-Anhalt

Gesetz zum Schutz des Kindeswohls und zur Förderung der Kindergesundheit (Kinderschutzgesetz) Vom 9. Dezember 2009

Gesetz zum Schutz des Kindeswohls und zur Förderung der Kindergesundheit (Kinderschutzgesetz) Vom 9. Dezember 2009
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Zum 12.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Fußnoten
*)
Verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Kindern vom 9. Dezember 2009 (GVBl. LSA S. 644)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz zum Schutz des Kindeswohls und zur Förderung der Kindergesundheit (Kinderschutzgesetz) vom 9. Dezember 200922.12.2009
§ 1 - Aufgabe und Ziele22.12.2009
§ 2 - Aufgaben des Jugendamtes22.12.2009
§ 3 - Lokale Netzwerke Kinderschutz22.12.2009
§ 4 - Präventive Maßnahmen22.12.2009
§ 5 - Einrichtung und Aufgaben eines Zentrums „Frühe Hilfen für Familien”22.12.2009
§ 6 - Schweige- und Geheimhaltungspflichten, Unterrichtung des Jugendamtes22.12.2009
§ 7 - Dauerbeobachtung von Fehlbildungen22.12.2009
§ 8 - Einschränkung von Grundrechten22.12.2009

§ 1 Aufgabe und Ziele

(1) Jedes Kind hat das Recht auf Leben, körperliche und seelische Unversehrtheit, freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung. Es ist das Recht und die besondere Pflicht der Eltern, hierfür Sorge zu tragen. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Sie hat die Aufgabe, Eltern frühzeitig bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für Pflege, Bildung und Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen. Risiken für das gesunde Aufwachsen von Kindern rechtzeitig zu begegnen und bei konkreten Gefährdungen des Kindeswohls konsequent durch wirksame Hilfen für den notwendigen Schutz zu sorgen.
(2) Ziele des Gesetzes sind
1.
die Förderung der Kindergesundheit unter anderem durch die Steigerung der Inanspruchnahme der Untersuchungsangebote zur Früherkennung von Krankheiten (Früherkennungsuntersuchungen) bei Kindern und
2.
die Früherkennung von Risiken für das Kindeswohl und die konsequente Sicherstellung der erforderlichen Hilfen durch eine Vernetzung von Hilfen des Gesundheitswesens und der Kinder- und Jugendhilfe sowie anderen dem Kinderschutz und der Familienhilfe dienenden Einrichtungen, Institutionen und Behörden.
(3) Kind im Sinne des Gesetzes ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.

§ 2 Aufgaben des Jugendamtes

(1) Das Jugendamt hat den Auftrag, Kinder vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen.
(2) Das Jugendamt gewährleistet, dass geeignete Angebote für Kinder und Eltern zur Verfügung stehen und weiterentwickelt werden, um eine förderliche Entwicklung der Kinder sicherzustellen.
(3) Zur Erreichung des Schutzes von Kindern wirkt das Jugendamt gemeinsam mit anderen, dem Kindeswohl dienenden Einrichtungen und Institutionen zusammen. Die Jugendämter schließen auf der Grundlage des § 8a Abs. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696, 1701), mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch erbringen, Vereinbarungen zur Wahrnehmung des Schutzauftrages. Hierbei sind insbesondere Regelungen
1.
zur Abschätzung des Gefahrenrisikos unter Hinzuziehung geeigneter Fachkräfte,
2.
zur Einbeziehung des Kindes,
3.
zur Einbeziehung der Personensorgeberechtigten oder der Erziehungsberechtigten,
4.
zum Hinwirken der Einrichtungen und Dienste auf die Inanspruchnahme von Hilfen, wenn diese für erforderlich gehalten werden, und
5.
zur Mitwirkung am lokalen Netzwerk Kinderschutz
aufzunehmen.
(4) Im Falle von Gefährdungen des Kindeswohls gewährleistet das Jugendamt durch geeignete Maßnahmen den Schutz des Kindes. Hierzu arbeitet es insbesondere eng mit der Polizei und den Familiengerichten zusammen. Bei dringender Gefahr und wenn eine Entscheidung des zuständigen Gerichts nicht abgewartet werden kann, ist das Jugendamt auf der Grundlage von § 8a Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch verpflichtet, das Kind in Obhut zu nehmen.

§ 3 Lokale Netzwerke Kinderschutz

(1) In den Landkreisen und kreisfreien Städten sind lokale Netzwerke Kinderschutz für frühe und rechtzeitige soziale und gesundheitliche Hilfen und Leistungen für Schwangere, Kinder, Mütter und Väter einzurichten. Der örtliche Träger der Jugendhilfe übernimmt die Initiative und Steuerung zur Errichtung des lokalen Netzwerkes Kinderschutz und dessen Koordinierung. Die Landkreise und kreisfreien Städte erhalten für die Einrichtung und Unterhaltung der lokalen Netzwerke für das Jahr 2010 einen Betrag von jeweils 20 000 Euro und ab dem Jahr 2011 einen Betrag von jährlich jeweils 10 000 Euro.
(2) Die lokalen Netzwerke Kinderschutz befassen sich insbesondere mit
1.
dem Auf- und Ausbau der frühen und niedrigschwelligen Hilfen,
2.
der Abstimmung zwischen den Beteiligten zur Erbringung früher und rechtzeitiger Hilfen und Leistungen,
3.
dem Auf- und Ausbau eines Risiko-, Krisen- und Fehlermanagements,
4.
der Sicherstellung eines engen Informationsaustausches,
5.
den erforderlichen Hilfen und Leistungen,
6.
der Sicherstellung einer zügigen Leistungserbringung,
7.
der anonymisierten Fallberatung,
8.
einer individuellen Fallerörterung mit Einwilligung der Betroffenen,
9.
der Fortbildung von Fachkräften und ehrenamtlich tätigen Personen und
10.
der Öffentlichkeitsarbeit.
(3) Neben dem Jugendamt, den Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, dem Sozialamt, den Schulen und den Schulträgern sollen folgende Einrichtungen oder Berufsgruppen in dem lokalen Netzwerk Kinderschutz vertreten sein:
1.
Einrichtungen und Dienste, die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitshilfe oder Rehabilitation erbringen,
2.
Träger der Wohlfahrtspflege,
3.
Kinderschutzorganisationen und -zentren,
4.
niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, insbesondere Kinderärztinnen und Kinderärzte, Hausärztinnen und Hausärzte, Frauenärztinnen und Frauenärzte, Ärztinnen und Ärzte für Kinderpsychotherapie und -psychiatrie, Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner sowie Kinderpsychotherapeutinnen und Kinderpsychotherapeuten,
5.
Krankenhäuser, insbesondere mit Abteilungen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, für Kindermedizin oder für Kinderpsychotherapie und -psychiatrie,
6.
Hebammen und Entbindungspfleger, insbesondere die im Bereich der Familienhilfe tätig sind,
7.
Schwangerschaftsberatungsstellen,
8.
Einrichtungen und Dienste zum Schutz vor Gewalt in engen sozialen Beziehungen,
9.
die Polizei,
10.
Familienrichterinnen und -richter und
11.
Einrichtungen der Familienbildung und Familienzentren.
Weitere Einrichtungen und Berufsgruppen können nach Erfordernis und örtlichen Gegebenheiten vertreten sein.

§ 4 Präventive Maßnahmen

(1) Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote für Familien. Die Angebote sollen präventiv wirken und in besonderen Belastungssituationen Hilfestellung bieten.
(2) Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt insbesondere Angebote, die geeignet sind, Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch von Kindern zu verhindern und eine das Kindeswohl fördernde Erziehung in den Familien zu unterstützen.
(3) Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt Fortbildungen für Hebammen und Entbindungspfleger, die im Bereich der Familienhilfe tätig werden.

§ 5 Einrichtung und Aufgaben eines Zentrums „Frühe Hilfen für Familien”

(1) Zur Erreichung der Ziele dieses Gesetzes richtet das für Gesundheit zuständige Ministerium ein Zentrum „Frühe Hilfen für Familien” ein.
(2) Aufgaben des Zentrums sind insbesondere:
1.
die Unterstützung der lokalen Netzwerke Kinderschutz,
2.
die Beratung der Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe, insbesondere in Fragen des Aufbaus eines Qualitätsmanagements im Kinderschutz,
3.
die Organisation eines landesweiten Erfahrungsaustausches der lokalen Netzwerke,
4.
die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen und Verfahren, Methoden und Instrumenten der Gefährdungseinschätzung,
5.
die Unterstützung von Maßnahmen zur Deckung des Qualifizierungsbedarfs der in der Jugendhilfe oder sonstigen dem Kindeswohl dienenden Einrichtungen und Institutionen Tätigen,
6.
die Koordinierung der Ausbildung und des Einsatzes von Familienhebammen und Familienentbindungspflegern,
7.
die Kooperation mit den gesetzlichen Krankenkassen mit dem Ziel, eine höhere Inanspruchnahme der Untersuchungsangebote zur Früherkennung von Krankheiten nach § 26 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch -Gesetzliche Krankenversicherung - vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2495), zu erreichen.

§ 6 Schweige- und Geheimhaltungspflichten, Unterrichtung des Jugendamtes

(1) Werden Personen, die Schweige- oder Geheimhaltungspflichten im Sinne des § 203 des Strafgesetzbuches unterliegen, gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes bekannt und reichen die eigenen fachlichen Mittel nicht aus, die Gefährdung abzuwenden, sollen sie bei den Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme der erforderlichen weitergehenden Hilfen hinwirken.
(2) In Fällen einer dringenden Gefahr für Leib und Leben des Kindes sind dem Jugendamt die vorliegenden Erkenntnisse mitzuteilen, wenn die Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Die Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten sind hierüber vorab in Kenntnis zu setzen, es sei denn, hierdurch würde der wirksame Schutz des Kindes infrage gestellt.

§ 7 Dauerbeobachtung von Fehlbildungen

Das Land Sachsen-Anhalt fördert die flächendeckende Erfassung von Fehlbildungen bei Neugeborenen im Rahmen einer Dauerbeobachtung. Aufgabe dieser Dauerbeobachtung ist es, Daten zur Häufigkeit angeborener Fehlbildungen zu ermitteln und über einen definierten Zeitraum zu beobachten, die Daten wissenschaftlich zu analysieren und die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Primär- und Sekundärprävention zu evaluieren.

§ 8 Einschränkung von Grundrechten

§ 6 Abs. 2 dieses Gesetzes schränkt das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes und des Artikels 6 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt sowie das Grundrecht auf elterliche Sorge im Sinne des Artikels 6 Abs. 2 des Grundgesetzes und des Artikels 11 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt ein.
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