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Archivgesetz Sachsen-Anhalt (ArchG LSA) Vom 28. Juni 1995

Archivgesetz Sachsen-Anhalt (ArchG LSA) Vom 28. Juni 1995
Zum 11.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes vom 18. Februar 2020 (GVBl. LSA S. 25, 40)3)
Fußnoten
3)
Durch die Änderung wird gemäß Artikel 14 des Gesetzes vom 18. Februar 2020 (GVBl. LSA S. 25, 43) das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten im Sinne desArtikels 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes und des Artikels 6 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt eingeschränkt.

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Archivgesetz Sachsen-Anhalt (ArchG LSA) vom 28. Juni 199505.07.1995
Abschnitt 1 - Allgemeine Bestimmungen05.07.1995
§ 1 - Zweck und Geltungsbereich05.07.1995
§ 2 - Begriffsbestimmungen11.07.2015
§ 3 - Landesarchivgut11.07.2015
§ 4 - Kommunales und sonstiges öffentliches Archivgut05.07.1995
§ 5 - Depositalgut05.07.1995
§ 6 - Rechtsansprüche betroffener Personen26.02.2020
Abschnitt 2 - Landesarchiv Sachsen-Anhalt11.07.2015
§ 7 - Landesarchiv Sachsen-Anhalt11.07.2015
Abschnitt 3 - Archivgut11.07.2015
§ 8 - Verwahrung und Sicherung26.02.2020
§ 9 - Grundsätze der Anbietung und Übernahme26.02.2020
§ 9a - Ausnahmen, Verfahren, Auskunft26.02.2020
§ 9b - Laufend aktualisierte Datenbestände in automatisierten Verfahren ohne Historisierungsfunktion26.02.2020
§ 9c - Evaluierung30.11.2018
§ 10 - Benutzung26.02.2020
Abschnitt 4 - Kommunalarchive und Archive sonstiger öffentlicher Stellen11.07.2015
§ 11 - Kommunale Archive30.11.2018
§ 12 - Sonstige öffentliche Archive11.07.2015
§ 13 - Herausgabeverpflichtung11.07.2015
Abschnitt 5 - Schlußvorschriften11.07.2015
§ 14 - Einschränkung von Grundrechten11.07.2015
§ 15 - (aufgehoben)11.07.2015
§ 16 - (aufgehoben)11.07.2015
§ 17 - Inkrafttreten11.07.2015

Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Zweck und Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt den Umgang mit öffentlichem Archivgut in Sachsen-Anhalt. Es soll das öffentliche Archivgut vor Vernichtung und Zersplitterung schützen und seine öffentliche Benutzung gewährleisten.
(2) Dieses Gesetz gilt nicht für
1.
die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften und deren Vereinigungen,
2.
die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten,
3.
die öffentlich-rechtlichen Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen, und deren Zusammenschlüsse,
4.
solche Zweckverbände, deren Zweck der Betrieb eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens mit eigener Rechtspersönlichkeit ist, das am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnimmt.

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Öffentliches Archivgut sind alle archivwürdigen Unterlagen, die bei
1.
den Verfassungsorganen, Behörden, Gerichten und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes Sachsen-Anhalt,
2.
den Gemeinden, Verbandsgemeinden und Landkreisen sowie bei sonstigen kommunalen Zusammenschlüssen oder
3.
den sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Zusammenschlüssen
sowie bei deren Rechts- und Funktionsvorgängern entstanden sind und zur dauernden Aufbewahrung von einem öffentlichen Archiv übernommen werden. Den in Satz 1 genannten Stellen stehen die von ihnen errichteten juristischen Personen des Privatrechtes, die öffentliche Aufgaben erfüllen und nicht am Wettbewerb teilnehmen, gleich.
(2) Als öffentliches Archivgut gelten auch Unterlagen oder dokumentarische Materialien, die von öffentlichen Archiven zur Ergänzung ihres Archivgutes angelegt, erworben oder diesen zur dauernden Verwahrung und Nutzung überlassen worden sind.
(3) Unterlagen im Sinne dieses Gesetzes sind unabhängig von ihrer Speicherungsform alle Aufzeichnungen und sonstigen Informationsobjekte. Hierzu zählen insbesondere Akten, Dateien, Urkunden, Amtsbücher, Einzelschriftstücke, Druckschriften, Karten, Pläne, Zeichnungen, Risse, Plakate, Siegel, Stempel, Bild-, Film- und Tonaufzeichnungen sowie verfügbare Hilfsmittel und Programme, die zur Nutzung und dauerhaften Erhaltung der Unterlagen erforderlich sind.
(4) Archivwürdig sind Unterlagen, denen für die Gesetzgebung, Rechtsprechung, Regierung und Verwaltung, für die Wissenschaft und Forschung, für das Verständnis von Geschichte und Gegenwart, zur Rechtswahrung oder zur Sicherung berechtigter privater Interessen bleibender Wert zukommt.
(5) Archivieren ist das Ermitteln, Bewerten, Übernehmen, Verwahren auf Dauer, Sichern, Erhalten, Instandsetzen, Erschließen sowie Nutzbarmachen und Auswerten von Archivgut.
(6) Öffentliche Archive sind das Landesarchiv Sachsen-Anhalt, die Archive, die vom Landtag oder von Hochschulen errichtet sind, sowie die Kommunalarchive und die Archive von Stellen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3.

§ 3 Landesarchivgut

(1) Öffentliches Archivgut ist Landesarchivgut, wenn es bei einer der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen entstanden ist, oder wenn es sich um archivwürdige Unterlagen handelt, die in deren Eigentum übergegangen oder diesen zur Nutzung überlassen worden sind. Landesarchivgut ist auch sonstiges Archivgut, das in die Zuständigkeit des früheren Staatsarchivs Magdeburg fiel. Landesarchivgut sind ferner archivwürdige Unterlagen, die das Landesarchiv Sachsen-Anhalt von anderen als den in Satz 1 genannten öffentlichen Stellen oder von natürlichen Personen oder von juristischen Personen des privaten Rechts übernommen oder erworben haben, sofern es sich nicht um Depositalgut handelt.
(2) Die in Wahrnehmung staatlicher Aufgaben entstandenen archivwürdigen Unterlagen der SED, der übrigen Parteien und Massenorganisationen der Deutschen Demokratischen Republik sowie der mit diesen verbundenen Organisationen und juristischen Personen werden wie Landesarchivgut behandelt, soweit sie bei einem Organisationsteil anfielen oder archiviert wurden, der über die Orts- und Kreisebene, grundsätzlich aber nicht über die Ebene des heutigen Landes hinausging. Satz 1 gilt, sobald die dort genannten Unterlagen im Landesarchiv Sachsen-Anhalt archiviert sind.

§ 4 Kommunales und sonstiges öffentliches Archivgut

(1) Öffentliches Archivgut ist kommunales Archivgut, wenn es bei einer der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Stellen entstanden ist. Kommunales Archivgut ist auch Archivgut, das in die Zuständigkeit der früheren Kreis- und Stadtarchive fiel.
(2) Öffentliches Archivgut ist sonstiges öffentliches Archivgut, wenn es bei einer der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 genannten Stelle entstanden ist.

§ 5 Depositalgut

(1) Natürliche Personen sowie juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts können ihr Archivgut einem öffentlichen Archiv als Depositum unter Wahrung des Eigentums anbieten. Zwischen Eigentümern des Archivgutes und dem jeweiligen öffentlichen Archiv ist ein Depositalvertrag abzuschließen.
(2) Deposita unterliegen den gleichen Bestimmungen wie öffentliches Archivgut, sofern nicht durch den jeweiligen Depositalvertrag etwas anderes bestimmt wird.

§ 6 Rechtsansprüche betroffener Personen

(1) Rechtsansprüche betroffener Personen gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4. 5. 2016, S. 1; L 314 vom 22. 11. 2016, S. 72; L 127 vom 23. 5. 2018, S. 2) beschränken sich auf Auskunft über die im erschlossenen Archivgut enthaltenen, sie betreffenden personenbezogenen Daten. Die Auskunft ist auf Antrag zu erteilen, soweit
1.
das Archivgut personenbezogen erschlossen ist oder die betroffenen Personen Angaben machen, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und
2.
der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem geltend gemachten Informationsinteresse steht.
Das öffentliche Archiv bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen. Anstelle der Auskunft kann Einsichtnahme in das Archivgut gewährt werden, wenn der Erhaltungszustand des Archivgutes dies erlaubt. Ist das Archivgut in maschinenlesbaren Dateien gespeichert, so kann nur Einsicht in eine Abbildung gewährt werden.
(2) Die Auskunft wird nicht gewährt, soweit
1.
sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder Nachteile bereiten würde oder
2.
personenbezogene Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter, sofern diese der Auskunftserteilung nicht zugestimmt haben, geheim gehalten werden müssen.
§ 11 Abs. 3 und 4 des Datenschutz-Grundverordnungs-Ausfüllungsgesetzes Sachsen-Anhalt findet entsprechende Anwendung.
(3) Weitergehende Rechtsansprüche betroffener Personen auf Auskunft gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 bestehen nicht.
(4) Machen betroffene Personen glaubhaft, daß das Archivgut eine falsche Tatsachenbehauptung enthält, die sie nicht nur unerheblich in ihren Rechten beeinträchtigt, so können sie verlangen, daß dem sie betreffenden erschlossenen Archivgut eine von ihnen eingereichte Gegendarstellung beigefügt wird. Ein Gegendarstellungsrecht besteht nicht für amtliche Niederschriften und Berichte über öffentliche Sitzungen rechtsetzender oder beschließender Kollegialorgane. Gegendarstellungen müssen sich auf Tatsachen beschränken und sollen die Beweismittel anführen. Im Übrigen bestehen weitergehende Rechte betroffener Personen auf Berichtigung gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) 2016/679 nicht.
(5) Rechte betroffener Personen auf Löschung gemäß Artikel 17 der Verordnung (EU) 2016/679 oder auf Einschränkung der Verarbeitung gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/679 bestehen bei archivierten personenbezogenen Daten nicht. Eine Mitteilungspflicht gemäß Artikel 19 der Verordnung (EU) 2016/679 besteht für öffentliche Archive nicht. Das Recht auf Datenübertragbarkeit gemäß Artikel 20 der Verordnung (EU) 2016/679 und ein Widerspruchsrecht betroffener Personen gegen die Archivierung sie betreffender Daten gemäß Artikel 21 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 bestehen nicht.

Abschnitt 2 Landesarchiv Sachsen-Anhalt

§ 7 Landesarchiv Sachsen-Anhalt

(1) Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt hat die Aufgabe, das Landesarchivgut zu archivieren. Abweichend von Satz 1 können der Landtag sowie die Hochschulen ihr Archivgut in eigenen Archiven archivieren; diese Archive stehen, soweit keine entgegenstehenden Regelungen getroffen werden, dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt gleich.
(2) Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt kann Archivgut anderer Herkunft annehmen, sofern das im öffentlichen Interesse liegt. Es sammelt sonstige Unterlagen zur Ergänzung des Archivgutes.
(3) Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt ist berechtigt, Veröffentlichungen und wissenschaftliche Auswertungen des Archivgutes selbst vorzunehmen.
(4) Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt berät im Rahmen seiner Möglichkeiten Kommunalarchive und Archive sonstiger öffentlicher Stellen auf deren Anforderung.

Abschnitt 3 Archivgut

§ 8 Verwahrung und Sicherung

(1) Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt hat das Verfügungsrecht über das Landesarchivgut und ist verpflichtet, dieses nach archivwissenschaftlichen Erkenntnissen zu bearbeiten und der Benutzung zugänglich zu machen. Die Zugänglichmachung kann unter Wahrung schutzwürdiger privater und öffentlicher Belange auch durch die Präsentation von digitalisiertem Archivgut und von Erschließungsdaten im Internet erfolgen.
(2) Archivgut ist Kulturgut und als solches unveräußerlich. Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt hat es auf Dauer sicher zu verwahren und vor Schäden, Verlust, Vernichtung oder unbefugter Nutzung zu schützen.
(3) Landesarchivgut kann in Ausnahmefällen auf Grund eines widerruflichen Depositalvertrages in einem anderen öffentlichen Archiv verwahrt werden.
(4) Eine Übereignung von Landesarchivgut an Archive des Bundes und der Länder ist nur zulässig, wenn dieses fachlich geboten und Gegenseitigkeit gewährleistet ist.

§ 9 Grundsätze der Anbietung und Übernahme

(1) Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen haben alle Unterlagen, sobald sie diese zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben nicht mehr benötigen, unverzüglich, spätestens 30 Jahre nach der letzten inhaltlichen Bearbeitung, dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt im Originalzustand zur Übernahme anzubieten und, wenn es sich um archivwürdige Unterlagen handelt, als Archivgut zu übergeben. Dateien sollen in einem Dateiformat übergeben werden, das das für Archivwesen zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für Informations- und Kommunikationstechnologie zuständigen Ministerium bestimmt. Ist durch Rechtsvorschriften oder durch Verwaltungsvorschriften oberster Landesbehörden eine längere als dreißigjährige oder eine dauernde Aufbewahrung bestimmt, wird der Zeitpunkt des Anbietens und der Übergabe durch Vereinbarung zwischen den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen und dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt geregelt.
(2) Anzubieten und zu übergeben sind auch Unterlagen, die
1.
a)
dem § 30 der Abgabenordnung oder dem § 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - unterliegen,
b)
anderen als den in Buchstabe a genannten Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes über Geheimhaltung unterliegen oder gelöscht, vernichtet oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden müssten oder könnten oder in der Verarbeitung eingeschränkt worden sind oder
c)
besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 enthalten;
2.
personenbezogene Daten aus Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik enthalten, deren Verarbeitung nicht zulässig ist und die bis zur Entscheidung über die Übernahme durch das Landesarchiv Sachsen-Anhalt von den anbietungspflichtigen Stellen weiterhin in der Verarbeitung einzuschränken sind.
Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt hat von der Übernahme an ebenso wie die abgebende Stelle die schutzwürdigen Belange betroffener Personen zu berücksichtigen.

§ 9a Ausnahmen, Verfahren, Auskunft

(1) Von der Anbietungspflicht sind Unterlagen ausgenommen,
1.
deren Speicherung unzulässig gewesen ist,
2.
deren Offenbarung gegen das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis verstoßen würde, es sei denn, es liegt ein Fall des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 vor,
3.
die gelöscht oder vernichtet werden müssten und die
a)
ausschließlich zum Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert wurden,
b)
im Rahmen optisch-elektronischer Beobachtung nur vorübergehend gespeichert wurden,
c)
den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen oder
d)
in Ausübung von Befugnissen zur heimlichen Informationsbeschaffung entstanden sind und
aa)
bei denen sich nachträglich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Ausübung dieser Befugnisse nicht vorgelegen haben,
bb)
die für den damit verfolgten Zweck nicht mehr benötigt werden, sofern es sich um Bildaufzeichnungen oder Aufzeichnungen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes handelt, oder
cc)
die im Rahmen von Maßnahmen nach den §§ 98a, 99, 100a, 100c bis 100i, 110a sowie 163d bis 163f der
Strafprozessordnung erhoben worden sind,
4.
die dem Wahlgeheimnis unterliegen,
5.
die nach statistikrechtlichen Vorschriften zu anonymisieren sind oder
6.
für deren Archivierung besondere Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes etwas anderes bestimmen.
(2) Sofern andere Rechtsvorschriften die Löschung personenbezogener Daten oder die Vernichtung von solchen Unterlagen vorsehen, die personenbezogene Daten enthalten, ist diese bei den anbietungspflichtigen Stellen auszusetzen, solange eine fristgerechte Entscheidung gemäß Absatz 4 über die Archivwürdigkeit aussteht. In den Fällen des Satzes 1 dürfen personenbezogene Daten von den anbietungspflichtigen Stellen ohne Einwilligung der betroffenen Personen nur zu Zwecken der Anbietung oder Übergabe an das Landesarchiv Sachsen-Anhalt verarbeitet oder genutzt werden.
(3) Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt entscheidet im Benehmen mit der anbietenden Stelle, ob die angebotenen Unterlagen archivwürdig sind. Wird die Archivwürdigkeit bejaht, so müssen die Unterlagen vom Archiv übernommen werden.
(4) Wird die Archivwürdigkeit verneint oder wird innerhalb von zwölf Monaten eine Entscheidung nicht getroffen, so kann die anbietende Stelle die Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen vernichten.
(5) Schon vor dem Zeitpunkt des Anbietens der Unterlagen ist Beschäftigten des Landesarchivs Sachsen-Anhalt zur Erfassung und Sicherung archivwürdiger Unterlagen Auskunft und Einsicht in alle Unterlagen und Hilfsmittel der Registraturen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen zu gewähren, sofern nicht Belange des Geheim- oder Persönlichkeitsschutzes entgegenstehen. Geheimhaltungsvorschriften des Landes stehen der Einsichtnahme insoweit nicht entgegen. Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt hat durch geeignete sachliche und personelle Maßnahmen sicherzustellen, dass Belange des Geheim- und Persönlichkeitsschutzes nicht beeinträchtigt werden.

§ 9b Laufend aktualisierte Datenbestände in automatisierten Verfahren ohne Historisierungsfunktion

(1) An die Stelle der Anbietung und der Übergabe nach § 9 tritt bei Aufzeichnungen in solchen automatisierten Verfahren, die einer laufenden Aktualisierung unterliegen, die Pflicht, regelmäßig, jedoch höchstens jährlich einen aktuellen Datenbestand anzubieten und nach Feststellung der Archivwürdigkeit eine Kopie dieses Datenbestandes dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt zu übergeben.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Unterlagen
1.
im Sinne des § 9a Abs. 1 Nrn. 2 bis 6,
2.
die anstelle von Akten geführt werden und eine vollständige Historisierung aufweisen, indem sie
a)
im Datenbestand selbst alle Änderungen nachweisen oder
b)
einen vollständigen Änderungsnachweis bis zu einer Übernahme durch das Landesarchiv Sachsen-Anhalt außerhalb des Datenbestandes führen,
3.
die ausschließlich der Unterstützung der allgemeinen Bürotätigkeit, insbesondere der Textverarbeitung, Vorgangsverwaltung, Terminüberwachung und der Führung von Adress-, Telefon- oder vergleichbaren Verzeichnissen dienen, nur vorübergehend vorgehalten werden und bei denen offensichtlich ist, dass die verarbeiteten Daten nicht archivwürdig sind, oder
4.
bei denen das Landesarchiv Sachsen-Anhalt allgemein oder im Einzelfall im Benehmen mit den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen von der Übergabe eines kopierten aktuellen Datenbestandes abgesehen hat.
(3) Ob und in welchen zeitlichen Abständen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form kopierte aktuelle Datenbestände oder Änderungsnachweise übergeben werden, legt das Landesarchiv Sachsen-Anhalt im Benehmen mit den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen fest.
(4) Stellt sich erst nach Übergabe eines kopierten aktuellen Datenbestandes oder eines Änderungsnachweises an das Landesarchiv Sachsen-Anhalt heraus, dass personenbezogene Daten betroffener Personen unzulässig gespeichert wurden oder die Voraussetzungen für die Erhebung in Ausübung von Befugnissen zur heimlichen Informationsbeschaffung nicht vorlagen, müssen diese Daten auf Antrag der betroffenen Personen oder auf Anzeige der abgebenden Stelle im Archivbestand gelöscht werden.

§ 9c Evaluierung

(1) Die Auswirkungen des § 9b für die Gemeinden, Verbandsgemeinden und Landkreise werden nach einem Erfahrungszeitraum von drei Jahren nach Inkrafttreten des § 9b durch die Landesregierung unter Mitwirkung der Kommunalen Spitzenverbände auf ihre Kostenneutralität hin überprüft.
(2) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag schriftlich über das Ergebnis der Überprüfung.

§ 10 Benutzung

(1) Das Recht, öffentliches Archivgut nach Maßgabe dieses Gesetzes zu nutzen, steht jeder Person auf Antrag zu, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist. Weitergehende gesetzliche Rechte und besondere Vereinbarungen zugunsten von Eigentümern privaten Archivguts bleiben unberührt. Die Nutzer sind verpflichtet, von Werken, die sie unter wesentlicher Verwendung von Landesarchivgut verfassen, dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt ein Exemplar kostenfrei abzuliefern; § 11 Abs. 3 bis 5 des Landespressegesetzes gilt entsprechend.
(2) Die Nutzung ist nicht zulässig, soweit
1.
Grund zu der Annahme besteht, daß das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würde, oder
2.
Grund zu der Annahme besteht, daß schutzwürdige Belange betroffener Personen oder Dritter entgegenstehen, oder
3.
der Erhaltungszustand des Archivgutes gefährdet würde oder
4.
ein nicht vertretbarer Verwaltungsaufwand entstehen würde.
(3) Öffentliches Archivgut darf durch Dritte regelmäßig erst nach Ablauf von 30 Jahren nach der letzten inhaltlichen Bearbeitung der Unterlagen genutzt werden. Öffentliches Archivgut, das sich nach seiner Zweckbestimmung oder seinem wesentlichen Inhalt auf natürliche Personen bezieht, darf erst 30 Jahre nach dem Tode der betroffenen Personen durch Dritte genutzt werden; ist das Todesjahr nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand festzustellen, endet die Schutzfrist 110 Jahre nach der Geburt der betroffenen Personen. Kann auch das Geburtsjahr nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand festgestellt werden, endet die Schutzfrist 60 Jahre nach der Entstehung der Unterlagen. Archivgut nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 darf erst 60 Jahre nach Entstehen genutzt werden. Die Schutzfristen der Sätze 1 bis 4 entfallen für solche Unterlagen, die bereits bei ihrer Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt waren. Die Schutzfrist des Satzes 1 gilt nicht für die Unterlagen, die vor dem 3. Oktober 1990 entstanden sind.
(4) Die Schutzfrist nach Absatz 3 Satz 1 kann verkürzt werden, sofern Absatz 2 dem nicht entgegensteht. Die Schutzfristen nach Absatz 3 Satz 2 und 3 können verkürzt werden,
1.
wenn die Einwilligung der betroffenen Personen vorliegt;
2.
wenn die Benutzung des Archivgutes
a)
für ein benanntes wissenschaftliches Forschungsvorhaben oder
b)
zur Wahrung berechtigter Interessen, die im überwiegenden Interesse einer anderen Person oder Stelle liegen, unerläßlich ist und die schutzwürdigen Interessen betroffener Personen durch angemessene Maßnahmen hinreichend gewahrt werden;
3.
für Archivgut über Personen der Zeitgeschichte und Amtsträger in Ausübung ihres Amtes, wenn die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen angemessen berücksichtigt werden.
Die Schutzfristen nach Absatz 3 Satz 1 und 4 können um höchstens 30 Jahre verlängert werden, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt.
(4a) Schon vor Ablauf der Schutzfristen nach Absatz 3 Satz 1 bis 4 sind Unterlagen, die vor ihrer Übergabe an das Landesarchiv Sachsen-Anhalt bereits einem gesetzlichen Informationszugang offen gestanden haben, der Nutzung zugänglich zu machen, soweit dem besondere Verfahrensvorschriften nicht entgegenstehen. Die Entscheidung über den Informationszugang nach Satz 1 trifft das Landesarchiv Sachsen-Anhalt im Benehmen mit der abgebenden Stelle.
(5) Die Verknüpfung personenbezogener Daten während der Schutzfristen nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn schutzwürdige Belange betroffener Personen angemessen berücksichtigt werden.
(6) Die Nutzung von Archivgut durch die Stellen, von denen es übernommen worden ist, unterliegt keinen Einschränkungen nach diesem Gesetz. Satz 1 gilt nicht für solche Unterlagen, die bei den abgabepflichtigen Stellen auf Grund gesetzlicher Vorschriften zu löschen oder zu vernichten waren. Weitergehende gesetzliche Rechte auf Nutzung bleiben unberührt.
(7) Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt kann in begründeten Fällen auf Antrag vor Ablauf der Schutzfristen gemäß Absatz 3 an Archive, Bibliotheken und Museen sowie Forschungs- und Dokumentationsstellen Vervielfältigungen von Archivgut überlassen, wenn diese einen gesetzlichen Auftrag zur Dokumentation, wissenschaftlichen Erforschung und Darstellung des Schicksals einer Gruppe natürlicher Personen unter nationalsozialistischer Herrschaft wahrnehmen. Bei der zweckgebundenen Nutzung der überlassenen Vervielfältigungen ist die Wahrung schutzwürdiger Belange betroffener Personen oder Dritter gemäß den Absätzen 2 bis 4 von der aufnehmenden Einrichtung oder Stelle zu gewährleisten.

Abschnitt 4 Kommunalarchive und Archive sonstiger öffentlicher Stellen

§ 11 Kommunale Archive

(1) Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Stellen archivieren ihr Archivgut in eigener Verantwortung und Zuständigkeit. Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises. Sofern die in Satz 1 genannten Stellen kein eigenes Archiv unterhalten, bieten sie ihre Unterlagen gemeinsamen Archiven oder als Depositum anderen kommunalen Archiven oder dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt zur Archivierung an.
(2) Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Stellen regeln das Verfahren der Anbietung und Übernahme des kommunalen Archivgutes in eigener Zuständigkeit. § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 2 sowie die §§ 9a und 9b gelten entsprechend. Für die Nutzung des kommunalen Archivgutes gilt § 10 entsprechend.
(3) Kommunale Archive können ihren Archivbestand durch notwendige Kopien aus dem Landesarchivgut (§ 3 Abs. 2) erweitern.

§ 12 Sonstige öffentliche Archive

(1) Sonstiges öffentliches Archivgut kann von den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 genannten Stellen in eigenen Archiven archiviert werden. Sofern die in Satz 1 genannten Stellen kein eigenes Archiv unterhalten, bieten sie ihre Unterlagen gemeinsamen Archiven oder dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt zur Archivierung an.
(2) § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gelten entsprechend.

§ 13 Herausgabeverpflichtung

Befindet sich Archivgut in einem nicht zuständigen Archiv eines anderen Rechtsträgers, ist es an das zuständige Archiv auf Verlangen herauszugeben.

Abschnitt 5 Schlußvorschriften

§ 14 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz wird das Recht auf Schutz personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 6 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes und das Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 15

(aufgehoben)

§ 16

(aufgehoben)

§ 17 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Magdeburg, den 28. Juni 1995
Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt
Dr. Keitel
Der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt
Dr. Höppner
Der Minister des Innern des Landes Sachsen-Anhalt
Dr. Püchel
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