Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Absatz 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung - FVerlV)
FVerlV
Ausfertigungsdatum: 18.10.2022
Vollzitat:
"Funktionsverlagerungsverordnung vom 18. Oktober 2022 (BGBl. I S. 1803)"
Ersetzt V 610-6-8-1 v. 12.8.2008 I 1680 (FVerlV)
Fußnote
(+++ Textnachweis ab: 26.10.2022 +++)
Eingangsformel
Auf Grund des § 1 Absatz 6 des Außensteuergesetzes vom 8. September 1972 (BGBl. I S. 1713), der durch Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe c des Gesetzes vom 2. Juni 2021 (BGBl. I S. 1259) neu gefasst worden ist, verordnet das Bundesministerium der Finanzen:
Abschnitt 1
Allgemeine Vorschriften
§ 1 Begriffsbestimmungen
(1) Eine Funktion ist eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Sie ist ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss.
(2) Eine Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 Absatz 3b des Gesetzes liegt vor, wenn eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile ganz oder teilweise übertragen oder überlassen wird, so dass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann. Die nach Satz 1 verlagerte Funktion als Ganzes bildet das Transferpaket. Geschäftsvorfälle, die innerhalb von fünf Wirtschaftsjahren verwirklicht werden, sind zu dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen des Satzes 1 durch ihre gemeinsame Verwirklichung wirtschaftlich erfüllt sind, als einheitliche Funktionsverlagerung zusammenzufassen.
(3) Immaterielle Wirtschaftsgüter sind in Fällen von Funktionsverlagerungen wesentlich im Sinne des § 1 Absatz 3b Satz 2 des Gesetzes, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 Prozent der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile des Transferpakets beträgt und dies unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Funktionsverlagerung, die aus den Aufzeichnungen im Sinne des § 2 Satz 2 hervorgehen, glaubhaft ist.
(4) Erbringt ein übernehmendes Unternehmen die bisher ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen erbrachten Leistungen eigenständig, ganz oder teilweise, gegenüber anderen Unternehmen zu Preisen, die höher sind als das Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode oder die entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz höher anzusetzen sind, ist zum Zeitpunkt der erstmaligen Erbringung gegenüber den anderen Unternehmen für bisher unentgeltlich vom verlagernden Unternehmen für die Leistungserbringung zur Verfügung gestellte Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile ein Entgelt entsprechend § 2 zu verrechnen; die betreffenden Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile gelten als ein Transferpaket, soweit hierfür die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.
(5) Eine Funktionsverlagerung im Sinne des Absatzes 2 liegt nicht vor, wenn es innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion durch das übernehmende Unternehmen zu keiner Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion beim verlagernden Unternehmen kommt, obwohl die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 erfüllt sind (Funktionsverdoppelung). Kommt es innerhalb dieses Zeitraums zu einer solchen Einschränkung, liegt zum Zeitpunkt, in dem die Einschränkung eintritt, insgesamt eine Funktionsverlagerung vor, es sei denn, der Steuerpflichtige macht glaubhaft, dass diese Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht.
Abschnitt 2
Transferpaketberechnung
§ 2 Wert des Transferpakets
Der Einigungsbereich (§ 6) ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage einer Funktions- und Risikoanalyse vor und nach der Funktionsverlagerung zu ermitteln, wobei neben tatsächlich bestehenden Handlungsalternativen auch Standortvorteile oder -nachteile, Synergieeffekte sowie Steuereffekte zu berücksichtigen sind. Ausgangspunkt für die Berechnungen sind die Unterlagen, die Grundlage für die Unternehmensentscheidung waren, eine Funktionsverlagerung durchzuführen. Für die Berechnung des Einigungsbereichs ist eine kapitalwertorientierte Bewertungsmethode zu verwenden. Hierfür sind die dem Maßstab des § 1 Absatz 1 Satz 3 des Gesetzes entsprechenden Erwartungen der finanziellen Überschüsse der beteiligten Unternehmen, angemessene Kapitalisierungszinssätze (§ 4) und ein von den Umständen der Funktionsausübung abhängiger Kapitalisierungszeitraum (§ 5) zu Grunde zu legen.
§ 3 Bestandteile des Transferpakets
(1) Werden für einzelne Teile des Transferpakets unterschiedliche Vereinbarungen getroffen oder sind solche Vereinbarungen dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend anzunehmen, sind für alle Teile des Transferpakets Fremdvergleichspreise anzusetzen, die insgesamt dem nach § 2 bestimmten Wert des Transferpakets als Ganzem entsprechen.
(2) In den Fällen des § 1 Absatz 2 Satz 3, des § 1 Absatz 4 oder des § 1 Absatz 5 Satz 2, sind die Verrechnungspreise für die Geschäftsvorfälle, die dazu geführt haben, dass eine Funktionsverlagerung vorliegt, dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend so anzusetzen, dass sie zusammen mit den ursprünglich bestimmten Verrechnungspreisen dem nach § 2 bestimmten Wert des Transferpakets als Ganzem entsprechen.
§ 4 Kapitalisierungszinssatz
Zur Bestimmung des jeweils angemessenen Kapitalisierungszinssatzes ist, unter Berücksichtigung der Äquivalenzprinzipien, vom Zins für eine risikolose Investition auszugehen, auf den ein vom Kapitalmarkt abgeleiteter risikoadäquater Zuschlag vorzunehmen ist. Die Laufzeit der vergleichbaren risikolosen Investition richtet sich danach, wie lange die übernommene Funktion voraussichtlich ausgeübt wird. Der Zuschlag ist so zu bemessen, dass er sowohl für das übernehmende als auch für das verlagernde Unternehmen die in vergleichbaren Fällen zwischen fremden Dritten jeweils zur Risikobeurteilung relevanten Umstände berücksichtigt.
§ 5 Kapitalisierungszeitraum
Werden keine Gründe für einen bestimmten, von den Umständen der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum nachgewiesen, ist ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zu Grunde zu legen.
§ 6 Bestimmung des Einigungsbereichs
(1) Für ein verlagerndes Unternehmen, das aus der Funktion finanzielle Überschüsse zu erwarten hat, ergibt sich die Untergrenze des Einigungsbereichs (Mindestpreis) im Sinne des § 1 Absatz 3a Satz 5 des Gesetzes aus dem Ausgleich für den Wegfall oder die Minderung der finanziellen Überschüsse zuzüglich der gegebenenfalls anfallenden Schließungskosten. Maßgebend ist der Barwert. Tatsächlich bestehende Handlungsalternativen, die das verlagernde Unternehmen als vom übernehmenden Unternehmen unabhängiges Unternehmen hätte, sind zu berücksichtigen, ohne die unternehmerische Dispositionsbefugnis des verlagernden Unternehmens in Frage zu stellen.
(2) In Fällen, in denen das verlagernde Unternehmen aus rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage ist, die Funktion mit eigenen Mitteln selbst auszuüben, entspricht der Mindestpreis dem Liquidationswert.
(3) Verlagert ein Unternehmen eine Funktion, aus der es dauerhaft keine finanziellen Überschüsse zu erwarten hat, kann es dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters des verlagernden Unternehmens entsprechen, zur Begrenzung von Verlusten als Mindestpreis ein Entgelt für die Funktionsverlagerung zu akzeptieren, das die anfallenden Schließungskosten nur teilweise deckt, oder eine Ausgleichszahlung an das übernehmende Unternehmen für die Übernahme der Verlustquelle zu leisten.
(4) Der Barwert der zu erwartenden finanziellen Überschüsse des übernehmenden Unternehmens aus der übernommenen Funktion ist regelmäßig die Obergrenze des Einigungsbereichs (Höchstpreis) im Sinne des § 1 Absatz 3a Satz 5 des Gesetzes. Tatsächlich bestehende Handlungsalternativen, die das übernehmende Unternehmen als vom verlagernden Unternehmen unabhängiges Unternehmen hätte, sind zu berücksichtigen, ohne die unternehmerische Dispositionsbefugnis des übernehmenden Unternehmens in Frage zu stellen.
(5) Auch in den Fällen der Absätze 2 und 3, in denen der Mindestpreis des verlagernden Unternehmens bei Null oder darunter liegt, ist nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu prüfen, welchen Preis ein unabhängiger Dritter bereit wäre, für die Übernahme der Funktion zu bezahlen.
§ 7 Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche
Gesetzliche oder vertragliche Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche sowie Ansprüche, die voneinander unabhängigen Dritten zustünden, wenn ihre Handlungsalternativen vertraglich oder tatsächlich ausgeschlossen würden, können der Besteuerung einer Funktionsverlagerung zu Grunde gelegt werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass solche Dritte unter ähnlichen Umständen in vergleichbarer Art und Weise verfahren wären. Der Steuerpflichtige muss zusätzlich nachweisen, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen worden sind, es sei denn, die Übertragung oder Überlassung ist zwingende Folge von Ansprüchen im Sinne des Satzes 1.
Abschnitt 3
Schlussvorschriften
§ 8 Anwendung auf Betriebsstättenfälle
Die Vorschriften dieser Verordnung sind entsprechend anzuwenden, soweit nach § 1 Absatz 5 des Gesetzes § 1 Absatz 3b des Gesetzes auf eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 des Gesetzes anzuwenden ist.
§ 9 Anwendungsvorschrift
Diese Verordnung ist erstmals für Veranlagungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2021 beginnen.
§ 10 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Funktionsverlagerungsverordnung vom 12. August 2008 (BGBl. I S. 1680), die durch Artikel 24 des Gesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1809) geändert worden ist, außer Kraft.
Schlussformel
Der Bundesrat hat zugestimmt.
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