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Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein (Landesbehindertengleichstellungsgesetz - LBGG) Vom 29. März 2022

Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein (Landesbehindertengleichstellungsgesetz - LBGG) Vom 29. März 2022
Zum 09.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein (Landesbehindertengleichstellungsgesetz - LBGG) vom 29. März 202215.04.2022
Eingangsformel15.04.2022
Inhaltsverzeichnis15.04.2022
Teil 1 - Allgemeine Bestimmungen15.04.2022
§ 1 - Ziele des Gesetzes15.04.2022
§ 2 - Geltungsbereich15.04.2022
§ 3 - Menschen mit Behinderungen15.04.2022
§ 4 - Berücksichtigung besonderer Belange15.04.2022
§ 5 - Barrierefreiheit15.04.2022
Teil 2 - Verpflichtungen zur Gleichstellung und Barrierefreiheit15.04.2022
§ 6 - Benachteiligungsverbot15.04.2022
§ 7 - Gebärdensprache und Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen, Verordnungsermächtigung15.04.2022
§ 8 - Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr15.04.2022
§ 9 - Gestaltung und Verständlichkeit von Schriftstücken und sonstigen Informationen15.04.2022
§ 10 - Begleitung bei Kontakten mit den Trägern der öffentlichen Verwaltung15.04.2022
Teil 3 - Barrierefreie Informationstechnik öffentlicher Stellen des Landes15.04.2022
§ 11 - Barrierefreie Informationstechnik15.04.2022
§ 12 - Öffentliche Stellen des Landes15.04.2022
§ 13 - Anforderungen an die Barrierefreiheit, Begriffsbestimmungen15.04.2022
§ 14 - Erklärung zur Barrierefreiheit15.04.2022
§ 15 - Überwachung und Berichterstattung15.04.2022
§ 16 - Beschwerdestelle für barrierefreie Informationstechnik15.04.2022
§ 17 - Verordnungsermächtigung15.04.2022
Teil 4 - Rechtsbehelfe15.04.2022
§ 18 - Verbandsklagerecht15.04.2022
§ 19 - Vertretungsbefugnis15.04.2022
§ 20 - Schlichtungsstelle und -verfahren; Verordnungsermächtigung15.04.2022
Teil 5 - Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen15.04.2022
§ 21 - Amt, Wahl, Ernennung und Amtszeit der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen15.04.2022
§ 22 - Fachliche Weisungsfreiheit der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen15.04.2022
§ 23 - Personal- und Sachausstattung der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen15.04.2022
§ 24 - Aufgaben der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen15.04.2022
§ 25 - Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen15.04.2022
Teil 6 - Schlussbestimmungen15.04.2022
§ 26 - Übergangsvorschriften15.04.2022
§ 27 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten15.04.2022
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Inhaltsübersicht
Teil 1 Allgemeine Bestimmungen
§ 1Ziele des Gesetzes
§ 2Geltungsbereich
§ 3Menschen mit Behinderungen
§ 4Berücksichtigung besonderer Belange
§ 5Barrierefreiheit
Teil 2 Verpflichtungen zur Gleichstellung und Barrierefreiheit
§ 6Benachteiligungsverbot
§ 7Gebärdensprache und Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen, Verordnungsermächtigung
§ 8Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr
§ 9Gestaltung und Verständlichkeit von Schriftstücken und sonstigen Informationen
§ 10Begleitung bei Kontakten mit Trägern der öffentlichen Verwaltung
Teil 3 Barrierefreie Informationstechnik öffentlicher Stellen des Landes
§ 11Barrierefreie Informationstechnik
§ 12Öffentliche Stellen des Landes
§ 13Anforderungen an die Barrierefreiheit, Begriffsbestimmungen
§ 14Erklärung zur Barrierefreiheit
§ 15Überwachung und Berichterstattung
§ 16Beschwerdestelle für barrierefreie Informationstechnik
§ 17Verordnungsermächtigung
Teil 4 Rechtsbehelfe
§ 18Verbandsklagerecht
§ 19Vertretungsbefugnis
§ 20Schlichtungsstelle und -verfahren; Verordnungsermächtigung
Teil 5 Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen
§ 21Amt, Wahl, Ernennung und Amtszeit der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen
§ 22Fachliche Weisungsfreiheit der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen
§ 23Personal- und Sachausstattung der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen
§ 24Aufgaben der oder des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen
§ 25Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
Teil 6 Schlussbestimmungen
§ 26Übergangsvorschriften
§ 27Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Teil 1 Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Ziele des Gesetzes

(1) Die Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen ist Aufgabe des Staates und der Gesellschaft.
(2) In Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) vom 13. Dezember 2006 und der verfassungsrechtlichen Vorgaben sind Ziele dieses Gesetzes
1.
die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen vollständig abzubauen und zu verhindern,
2.
gleichwertige Lebensbedingungen und Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen herzustellen,
3.
ihre vollständige, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten,
4.
ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung in Würde und die Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu ermöglichen,
5.
die vollständige und gleichberechtigte Inanspruchnahme aller Rechte durch Menschen mit Behinderungen zu fördern und zu schützen sowie
6.
die Inklusion und die Partizipation zu fördern.
Dabei wird den unterschiedlichen Formen von Behinderungen und den damit verbundenen spezifischen Bedürfnissen der unterschiedlichen Menschen mit Behinderungen Rechnung getragen. Hierzu zählt auch eine angemessene Ansprache des Personenkreises, welche die Menschen und nicht deren Behinderungen in den Vordergrund stellt.
(3) Bei der Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Erfüllung der Ziele des Gesetzes beteiligen die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung die betroffenen Menschen mit Behinderungen und ihre Interessenvertretungen in geeigneter Weise.

§ 2 Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt mit Ausnahme der Bestimmungen im Teil 3 für
1.
das Land, die Gemeinden, die Kreise und die Ämter,
2.
die der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit und rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und
3.
Beliehene, die unter der Aufsicht der in den Nummern 1 und 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts stehen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.
(2) Soweit die in Absatz 1 Nummer 1 und 2 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung Mehrheitsbeteiligungen an juristischen Personen des privaten Rechts halten oder erwerben oder auf andere Weise Kontrolle über diese ausüben, haben sie darauf hinzuwirken, dass die Grundzüge dieses Gesetzes auch von diesen juristischen Personen des privaten Rechts beachtet werden.
(3) Die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung sollen bei der Gewährung von Zuwendungen auf der Grundlage der §§ 23 und 44 der Landeshaushaltsordnung nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen des Haushalts- und Zuwendungsrechts darauf hinwirken, dass die Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt oder gefördert werden.

§ 3 Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der vollständigen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert.

§ 4 Berücksichtigung besonderer Belange

(1) Bei der Durchsetzung der in § 1 Absatz 2 Satz 1 genannten Ziele sind die jeweiligen besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen, bei denen aus mehreren Gründen die Gefahr einer Benachteiligung besteht, zu berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. Als Grund für eine mehrfache Benachteiligung kommen die in § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 2013 (BGBl. I S. 610), genannten Benachteiligungsgründe in Betracht.
(2) Die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung sollen besondere Maßnahmen treffen, um den besonderen Schutz und die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen zu gewährleisten.
(3) Zur Verwirklichung einer selbstbestimmten Elternschaft sind von den in § 2 Absatz 1 genannten Trägern der öffentlichen Verwaltung die spezifischen Belange von Eltern oder anderer Sorgeberechtigter mit Behinderungen und deren Kindern sowie Eltern und anderer Sorgeberechtigter und deren Kindern mit Behinderungen zu beachten und besondere Maßnahmen zu treffen.

§ 5 Barrierefreiheit

Barrierefrei im Sinne dieses Gesetzes sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Zur Verwirklichung von Barrierefreiheit gehört es auch, die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zuzulassen.

Teil 2 Verpflichtungen zur Gleichstellung und Barrierefreiheit

§ 6 Benachteiligungsverbot

(1) Den in § 2 Absatz 1 genannten Trägern der öffentlichen Verwaltung ist es untersagt, Menschen mit Behinderungen gegenüber Menschen ohne Behinderungen zu benachteiligen. In Bereichen bestehender Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen gegenüber Menschen ohne Behinderungen sind Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung dieser Benachteiligungen zulässig.
(2) Eine Benachteiligung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch Menschen mit Behinderungen in der gleichberechtigten und soweit wie möglichen selbstständigen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden. Eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen liegt auch dann vor, wenn Menschen mit Behinderungen die Mitnahme oder Nutzung von behinderungsbedingt notwendigen Hilfsmitteln ohne zwingenden sachlichen Grund verweigert wird. Ist eine Benachteiligung aus zwingenden Gründen nicht zu vermeiden, ist für den Ausgleich ihrer Folgen Sorge zu tragen, soweit die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung nicht unverhältnismäßig oder unbillig belastet werden.
(3) Die Versagung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen ist eine Benachteiligung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1. Angemessene Vorkehrungen sind Maßnahmen, die im Einzelfall geeignet und erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass ein Mensch mit Behinderung gleichberechtigt mit anderen alle Rechte wahrnehmen kann, und sie die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung nicht unverhältnismäßig oder unbillig belasten.
(4) Eine Benachteiligung liegt auch bei einer Belästigung im Sinne des § 3 Absatz 3 und 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor, mit der Maßgabe, dass § 3 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht auf den Anwendungsbereich des § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes begrenzt ist.
(5) Besondere Benachteiligungsverbote zu Gunsten von Menschen mit Behinderungen in anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

§ 7 Gebärdensprache und Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen, Verordnungsermächtigung

(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.
(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.
(3) Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen haben das Recht, mit den in § 2 Absatz 1 genannten Trägern der öffentlichen Verwaltung zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Auf Wunsch der Berechtigten stellen die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 4 die geeigneten Kommunikationshilfen im Sinne des Satzes 1 auf ihre Kosten zur Verfügung oder tragen die hierfür notwendigen Aufwendungen.
(4) Die für Soziales zuständige oberste Landesbehörde bestimmt durch Rechtsverordnung
1.
Anlass und Umfang des Anspruchs auf Bereitstellung von geeigneten Kommunikationshilfen,
2.
Art und Weise der Bereitstellung von geeigneten Kommunikationshilfen,
3.
die Grundsätze für eine angemessene Vergütung oder eine Erstattung von notwendigen Aufwendungen für den Einsatz geeigneter Kommunikationshilfen und
4.
die geeigneten Kommunikationshilfen im Sinne des Absatzes 3.
(5) Fristen, die von den in § 2 Absatz 1 genannten Trägern der öffentlichen Verwaltung gesetzt worden sind, sollen, erforderlichenfalls auch rückwirkend, verlängert werden, wenn diese nicht eingehalten werden können, weil eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein Gebärdensprachdolmetscher oder eine andere geeignete Kommunikationshilfe nicht rechtzeitig vor dem Ablauf der Frist zur Verfügung gestellt werden konnte.

§ 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

(1) Neubauten sowie große Um- und Erweiterungsbauten baulicher Anlagen der in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung sind entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei zu gestalten. Von diesen Anforderungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit gemäß § 5 erfüllt werden können. Ausnahmen von Satz 1 können hinsichtlich großer Um- und Erweiterungsbauten gestattet werden, wenn die Anforderungen nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können. Die Bestimmungen der Landesbauordnung bleiben unberührt.
(2) Die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung sollen die Barrierefreiheit bei Anmietungen der von ihnen genutzten Bauten berücksichtigen. Sie berücksichtigen auch bei der Auswahl geeigneter Räumlichkeiten und sonstiger Orte für Veranstaltungen, die außerhalb ihrer Liegenschaften durchgeführt werden, deren Barrierefreiheit.
(3) Sonstige bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personennahverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes und des Landes barrierefrei zu gestalten.

§ 9 Gestaltung und Verständlichkeit von Schriftstücken und sonstigen Informationen

(1) Die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung haben bei der Gestaltung von Verwaltungsakten, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen, Vordrucken und amtlichen Informationen die besonderen Belange davon betroffener Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen. Blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen können insbesondere verlangen, dass ihnen Verwaltungsakte, Vordrucke und amtliche Informationen ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden.
(2) Die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung sollen mit Menschen mit Behinderungen, insbesondere Menschen mit seelischer und geistiger Behinderungen, in einfacher und verständlicher Sprache kommunizieren, soweit dies im Interesse der Menschen mit Behinderungen erforderlich ist. Auf Verlangen sollen sie ihnen insbesondere Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke in einfacher und verständlicher Weise erläutern. Die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung sollen in wahrnehmbarer Weise auf diese Möglichkeit hinweisen.
(3) Fristen, die von den in § 2 Absatz 1 genannten Trägern der öffentlichen Verwaltung gesetzt worden sind, sollen, erforderlichenfalls auch rückwirkend, verlängert werden, wenn diese nicht eingehalten werden können, weil die Ansprüche nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2 nicht rechtzeitig vor Ablauf der gesetzten Frist erfüllt werden konnten.
(4) Die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung sollen Informationen vermehrt in Leichter Sprache bereitstellen, soweit sie hierdurch nicht unverhältnismäßig belastet werden unter Berücksichtigung der Art und der Größe des Adressatenkreises in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit verbundenen Mehraufwand.

§ 10 Begleitung bei Kontakten mit den Trägern der öffentlichen Verwaltung

Menschen mit Behinderungen, insbesondere Menschen mit seelischen und geistigen Behinderungen, dürfen sich bei persönlichen Kontakten mit den in § 2 Absatz 1 genannten Trägern der öffentlichen Verwaltung von einer Person ihrer Wahl begleiten lassen, sofern keine geltenden Gesetze entgegenstehen. Satz 1 begründet keinen Anspruch auf Leistungen gegenüber dem jeweiligen Träger der öffentlichen Verwaltung oder anderen Leistungsträgern. Das Hausrecht der Träger der öffentlichen Verwaltung bleibt von Satz 1 unberührt.

Teil 3 Barrierefreie Informationstechnik öffentlicher Stellen des Landes

§ 11 Barrierefreie Informationstechnik

(1) Die öffentlichen Stellen des Landes gestalten ihre Websites und mobilen Anwendungen, einschließlich der für ihre Beschäftigten bestimmten Angebote im Intranet barrierefrei im Sinne des Artikel 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102
1
. Schrittweise gestalten die Landesbehörden ihre elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe barrierefrei im Sinne des § 13. Elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe im Sinne dieses Gesetzes sind Verfahren, die im Rahmen des Verwaltungshandelns intern oder extern angewandt werden und sich der Informations- und Kommunikationstechnik bedienen. Hierzu zählen insbesondere Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung. Satz 2 gilt nicht für Landrätinnen und Landräte, Schulämter und Schulen, soweit diese Aufgaben der Landesbehörden wahrnehmen sowie die Staatliche Arbeitsschutzbehörde bei der Unfallkasse Nord. Die grafischen Programmoberflächen sind von der barrierefreien Gestaltung umfasst.
(2) Insbesondere bei Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen ist die barrierefreie Gestaltung bereits bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung zu berücksichtigen.
(3) Die barrierefreie Gestaltung der Websites und mobilen Anwendungen der öffentlichen Stellen des Landes erfolgt innerhalb der in Artikel 12 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/2102 genannten Fristen.
(4) Die Regelungen zur behindertengerechten Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten zugunsten von Menschen mit Behinderungen in anderen Rechtsvorschriften, insbesondere im Neunten Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung -, bleiben unberührt.
(5) Angebote öffentlicher Stellen im Internet, die auf Websites Dritter veröffentlicht werden, sind soweit möglich barrierefrei zu gestalten.
(6) Von den Vorgaben zur Barrierefreiheit dürfen öffentliche Stellen nur abweichen, wenn und soweit die barrierefreie Gestaltung eine unverhältnismäßige Belastung bewirken würde. Ob eine unverhältnismäßige Belastung bewirkt würde, ist durch abwägende Bewertung unter Beachtung der Vorgaben in Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102 festzustellen. Die Gründe für eine unverhältnismäßige Belastung sind in die Erklärung zur Barrierefreiheit nach § 14 einzustellen. Für die Verpflichtung zur schrittweisen barrierefreien Gestaltung von elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufen nach Absatz 1 Satz 2 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.
Fußnoten
1)
Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (ABl. L 327 S. 1)

§ 12 Öffentliche Stellen des Landes

(1) Öffentliche Stellen des Landes im Sinne dieses Teils sind die in Artikel 3 Nummer 1 der Richtlinie (EU) 2016/2102, Artikel 2 Absatz 1 Nummer 4 der Richtlinie (EU) 2014/24
2
benannten Stellen, insbesondere die Gebietskörperschaften (Land, Kreise, kreisfreie Städte, Gemeinden), die Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts, Beliehene und sonstige Landesorgane, soweit sie öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen sowie Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder Verbände, die aus einer oder mehreren Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen. Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind alle Einrichtungen, die
1.
zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen,
2.
Rechtspersönlichkeit besitzen und
3.
überwiegend vom Land, anderen Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert werden (mehr als 50 Prozent der Gesamtheit der Mittel), oder hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dieser Gebietskörperschaften oder Einrichtungen unterstehen oder ein Verwaltungs-, Leitungs- beziehungsweise Aufsichtsorgan haben, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Land, von anderen Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.
(2) Öffentliche Stellen des Landes sind nicht die öffentlichen Stellen des Bundes und die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Stellen.
(3) Die §§ 11 bis 17 gelten nicht für die gemäß Artikel 1 Absatz 3 und 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 ausgenommenen Websites und mobilen Anwendungen.
Fußnoten
2)
Richtlinie (EU) 2014/24 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 S. 65)

§ 13 Anforderungen an die Barrierefreiheit, Begriffsbestimmungen

(1) Websites, mobile Anwendungen und elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet sein.
(2) Der Begriff
1.
Websites umfasst die Internet- sowie Intranetauftritte und -angebote;
2.
mobile Anwendungen bezeichnet Anwendungssoftware, die von öffentlichen Stellen des Landes oder in deren Auftrag zur Nutzung durch die breite Öffentlichkeit auf mobilen Geräten konzipiert und entwickelt wurde. Dazu gehört nicht die Software zur Steuerung dieser Geräte oder die Hardware selbst;
3.
wahrnehmbar bedeutet, dass den nutzenden Personen Informationen in einer Weise dargestellt werden, dass sie diese wahrnehmen kann;
4.
bedienbar bedeutet, dass die nutzenden Personen die Komponenten der Nutzerschnittstelle und die Navigation handhaben können;
5.
verständlich bedeutet, dass die Informationen und die Handhabung der Nutzerschnittstelle verständlich sind;
6.
robust bedeutet, dass die Inhalte zuverlässig von einer Vielfalt von Benutzeragenten, einschließlich assistiven Technologien, interpretiert werden können.
(3) Die Anforderungen zur barrierefreien Gestaltung ergeben sich hinsichtlich der anzuwendenden Standards und der Verwendung Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache aus den Vorgaben in den §§ 3 und 4 der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung vom 12. September 2011 (BGBl. I S. 1843), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 21. Mai 2019 (BGBl. I S. 738).

§ 14 Erklärung zur Barrierefreiheit

(1) Die öffentlichen Stellen des Landes stellen gemäß Artikel 7 Absatz 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102 eine detaillierte, umfassende und klare Erklärung zur Barrierefreiheit ihrer Websites und mobilen Anwendungen bereit, die in einem zugänglichen Format unter Verwendung der Mustererklärung der Europäischen Kommission gemäß dem Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1523
3
veröffentlicht wird.
(2) Die Erklärung zur Barrierefreiheit enthält
1.
für den Fall, dass ausnahmsweise keine vollständige barrierefreie Gestaltung erfolgt ist,
a)
die Benennung der Teile des Inhalts, die nicht vollständig barrierefrei gestaltet sind,
b)
die Gründe hierfür sowie
c)
gegebenenfalls einen Hinweis auf barrierefrei gestaltete Alternativen;
2.
eine unmittelbar zugängliche barrierefrei gestaltete Möglichkeit, elektronisch Kontakt aufzunehmen (Feedback-Mechanismus),
a)
um noch bestehende Barrieren zu melden,
b)
um Informationen zur Umsetzung der Barrierefreiheit zu erfragen und
c)
um die gemäß Artikel 1 Absatz 4 und Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2016/2102 ausgenommenen Informationen anzufordern;
3.
einen Hinweis auf die Möglichkeit, Beschwerde bei der nach § 16 zu errichtenden zentralen Beschwerdestelle einzulegen mit einer entsprechenden Verlinkung.
(3) Mitteilungen, Anfragen oder Anforderungen nach Absatz 2 werden innerhalb einer angemessenen Frist in einer angemessenen Weise von der jeweiligen öffentlichen Stelle beantwortet.
(4) Die Erklärung zur Barrierefreiheit ist innerhalb der in Artikel 12 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/2102 genannten Fristen zu veröffentlichen.
Fußnoten
3)
Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1523 der Kommission vom 11. Oktober 2018 zur Festlegung einer Mustererklärung über die Barrierefreiheit gemäß der Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (ABl. L 256 S. 103).

§ 15 Überwachung und Berichterstattung

(1) Die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen gemäß Artikel 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 wird periodisch unter Anwendung der in Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102 vorgesehenen Methode überwacht. Der notwendige Inhalt der Überwachung ergibt sich aus Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/2102.
(2) Über die Ergebnisse der Überwachung, einschließlich der Messdaten im Sinne des Artikel 3 Nummer 8 der Richtlinie (EU) 2016/2102 sowie über die Nutzung des Durchsetzungsverfahrens nach § 16 wird der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit spätestens ab 30. Juni 2021 und danach alle drei Jahre berichtet. Der Bericht wird auf der Grundlage der in Artikel 8 Absatz 6 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102 genannten Modalitäten für die Berichterstattung erstellt.
(3) Die Überwachung nach Absatz 1 wird von einer durch Rechtsverordnung nach § 17 Nummer 7 zu benennenden zentralen Stelle durchgeführt. Diese Stelle erstellt auch die Berichte nach Absatz 2.

§ 16 Beschwerdestelle für barrierefreie Informationstechnik

Bei der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen wird eine zentrale Beschwerdestelle errichtet, an die sich Menschen mit Behinderungen wenden können, wenn die Einhaltung der Anforderungen aus Artikel 4 (§ 13 dieses Gesetzes), Artikel 5 (§ 11 Absatz 3 dieses Gesetzes) und Artikel 7 Absatz 1 (§ 14 dieses Gesetzes) der Richtlinie (EU) 2016/2102 in Frage steht.

§ 17 Verordnungsermächtigung

Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 Regelungen zu treffen über
1.
die spezifizierten technischen Standards, die die öffentlichen Stellen des Landes bei der barrierefreien Gestaltung der Websites und mobilen Anwendungen anzuwenden haben,
2.
das Verfahren zur regelmäßigen Überprüfung und Aktualisierung der Standards der Informationstechnik,
3.
die konkreten Anforderungen an die Erklärung zur Barrierefreiheit nach § 14 Absatz 2 und das Verfahren zur regelmäßigen Aktualisierung,
4.
die Anforderungen und das Verfahren zum Feedback-Mechanismus nach § 14 Absatz 2 und 3,
5.
das Verfahren vor der zentralen Beschwerdestelle nach § 16,
6.
das Abwägungsverfahren nach § 11 Absatz 1 Satz 2,
7.
das Verfahren der Überwachung und zur Berichterstattung sowie die Benennung der zentralen Stelle nach § 15,
8.
die Durchführung von Schulungsprogrammen für öffentliche Stellen des Landes.

Teil 4 Rechtsbehelfe

§ 18 Verbandsklagerecht

(1) Ein Interessenverband für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 3 kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Klage nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung erheben auf Feststellung eines Verstoßes gegen
1.
das Benachteiligungsverbot nach § 6 Absatz 1 und die Verpflichtungen der in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung zur Herstellung der Barrierefreiheit gemäß § 7 Absatz 3, § 8 Absatz 1, hinsichtlich öffentlich zugänglicher Verkehrsanlagen nach § 8 Absatz 3, § 9 Absatz 1 Satz 2 oder
2.
die Verpflichtung zur Unterrichtung von gehörlosen Schülerinnen und Schülern in Deutscher Gebärdensprache und lautsprachbegleitenden Gebärden nach § 45 Absatz 3 Schulgesetz vom 24. Januar 2007 (GVOBl. Schl.-H. S. 39, ber. S. 276), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Juni 2021 (GVOBl. Schl.-H. S. 723).
(2) Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird. Soweit ein Mensch mit Behinderung selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, kann eine Klage nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn der Verband geltend macht, dass es sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle vorliegt.
(3) Die Klagebefugnis nach Absatz 1 steht Interessenverbänden für Menschen mit Behinderungen zu, die
1.
nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend die Belange von Menschen mit Behinderungen fördern,
2.
nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder oder Mitgliedsvereine und -verbände dazu berufen sind, Interessen von Menschen mit Behinderungen auf Landesebene zu vertreten,
3.
mindestens drei Jahre bestehen und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen sind und
4.
wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftssteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I 4144), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2056), von der Körperschaftssteuer befreit sind.

§ 19 Vertretungsbefugnis

Werden Menschen mit Behinderungen in den in § 18 Absatz 1 genannten Rechten verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem schriftlichen Einverständnis Verbände nach § 18 Absatz 3, die nicht selbst am Verfahren beteiligt sind, Rechtsschutz beantragen. In diesen Fällen müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderung selbst vorliegen.

§ 20 Schlichtungsstelle und -verfahren; Verordnungsermächtigung

(1) Bei der oder dem Landesbeauftragten gemäß § 21 wird eine Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten eingerichtet. Sie wird mit neutralen schlichtenden Personen besetzt und hat eine Geschäftsstelle. Die Schlichtungsstelle ist unabhängig ist und handelt unparteiisch. Die schlichtenden Personen und die weiteren in der Schlichtungsstelle tätigen Personen gewährleisten die Vertraulichkeit der Informationen, von denen sie im Schlichtungsverfahren Kenntnis erhalten.
(2) Wer der Ansicht ist, in einem Recht nach Teil 2 dieses Gesetzes durch die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung verletzt worden zu sein, kann bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen. Die Fristen zur Einlegung oder Erhebung von Rechtsbehelfen bleiben unberührt.
(3) Ein Interessenverband für Menschen mit Behinderungen nach § 18 Absatz 3 kann bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen, wenn er einen Verstoß eines der in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung gegen die in § 18 Absatz Nummer 1 und 2 genannten Rechte von Menschen mit Behinderungen behauptet.
(4) Der Antrag nach den Absätzen 2 und 3 kann in Textform oder zur Niederschrift bei der Schlichtungsstelle gestellt werden. Diese übermittelt zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens eine Abschrift des Schlichtungsantrags an den jeweiligen Träger der öffentlichen Verwaltung.
(5) Die Schlichtungsstelle wirkt in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hin. Sie kann einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten. Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht ausgerichtet sein.
(6) Das Schlichtungsverfahren ist für die Beteiligten unentgeltlich. Die Schlichtungsstelle erstattet den Beteiligten keine Kosten.
(7) Die Schlichtungsstelle gewährleistet eine barrierefreie Kommunikation im Sinne dieses Gesetzes mit den Beteiligten. Die aufgrund des § 7 Absatz 4 erlassene Rechtsverordnung findet auf das Verfahren vor der Schlichtungsstelle entsprechende Anwendung.
(8) Das Schlichtungsverfahren endet mit der Einigung der Beteiligten, der Rücknahme des Schlichtungsantrags oder der Feststellung, dass keine Einigung möglich ist. Wenn keine Einigung möglich ist, endet das Schlichtungsverfahren mit der Zustellung der Bestätigung der Schlichtungsstelle an die Antragstellerin oder den Antragsteller, dass keine gütliche Einigung erzielt werden konnte.
(9) Die Landesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung des Landesbeirats zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 25, das Nähere über die Geschäftsstelle, die Besetzung der Schlichtungsstelle und das Schlichtungsverfahren nach den Absätzen 1, 4, 5 und 8 durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Das Schlichtungsverfahren muss insbesondere gewährleisten, dass die Beteiligten rechtliche Gehör erhalten und insbesondere Tatsachen und Bewertungen vorbringen können.

Teil 5 Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen

§ 21 Amt, Wahl, Ernennung und Amtszeit der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen

(1) Zur Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein und zur Förderung der Ziele dieses Gesetzes wird bei der Präsidentin oder dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages das Amt der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen eingerichtet.
(2) Der Landtag wählt ohne Aussprache die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder für die Dauer von sechs Jahren. Die Wiederwahl ist zulässig. Die oder der Landesbeauftragte soll ein Mensch mit Behinderung sein. Vorschlagsberechtigt sind die Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Kommt vor Ablauf der Amtszeit eine Neuwahl nicht zustande, führt die oder der Landesbeauftragte das Amt bis zur Neuwahl weiter.
(3) Vor der Wahl der oder des Landesbeauftragten ist der Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 25 ohne Mitwirkung der oder des Landesbeauftragten frühzeitig und in geeigneter Form zu beteiligen.
(4) Die Präsidentin oder der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages ernennt die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten zur Beamtin oder zum Beamten auf Zeit.
(5) Vor Ablauf der Amtszeit kann die oder der Landesbeauftragte nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages abberufen werden. Die oder der Landesbeauftragte kann jederzeit die Entlassung verlangen. Für den Fall der vorzeitigen Abberufung oder Entlassung führt die zu ihrer oder seiner Stellvertretung benannte Person gemäß § 23 Absatz 1 bis zur Neuwahl die Geschäfte weiter.

§ 22 Fachliche Weisungsfreiheit der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen

Die oder der Landesbeauftragte ist in der Ausübung des Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Dies betrifft insbesondere Stellungnahmen gegenüber dem Landtag, Behörden, Verbänden oder der Öffentlichkeit. Sie oder er untersteht der Dienstaufsicht der Präsidentin oder des Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Die oder der Landesbeauftragte darf weder einer Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch einer kommunalen Vertretungskörperschaft angehören.

§ 23 Personal- und Sachausstattung der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen

(1) Die oder der Landesbeauftragte bestellt eine mitarbeitende Person zu ihrer oder seiner Stellvertretung. Die stellvertretende Person führt die Geschäfte, wenn die oder der Landesbeauftragte an der Ausübung des Amtes verhindert ist.
(2) Für die Erfüllung der Aufgaben ist der oder dem Landesbeauftragten die notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen; die Mittel sind im Einzelplan des Landtages in einem gesonderten Kapitel auszuweisen.
(3) Die mitarbeitenden Personen werden auf Vorschlag der oder des Landesbeauftragten ernannt. Sie können nur im Einvernehmen mit ihr oder ihm versetzt oder abgeordnet werden. Dieses Einvernehmens bedarf es nicht, wenn die Versetzung oder Abordnung auf Wunsch der mitarbeitenden Person erfolgt. Ihre Dienstvorgesetzte oder ihr Dienstvorgesetzter ist die oder der Landesbeauftragte, an deren oder dessen Weisungen sie ausschließlich gebunden sind.

§ 24 Aufgaben der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen

(1) Aufgaben der oder des Landesbeauftragten sind es,
1.
die vollständige und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft aktiv zu fördern,
2.
darauf hinzuwirken, dass die Verpflichtung des Landes, für gleichwertige Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderungen zu sorgen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens erfüllt wird,
3.
die Landesregierung und den Landtag in Grundsatzangelegenheiten von Menschen mit Behinderungen zu beraten,
4.
die Aufgaben nach Artikel 33 Absatz 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) wahrzunehmen (Monitoring-Stelle),
5.
die Arbeit der kommunalen Beauftragten und Beiräte für Menschen mit Behinderungen auf deren Wunsch und im Rahmen der verfügbaren Mittel zu unterstützen,
6.
den Landesbeirat nach § 25 über Angelegenheiten, die die Belange von Menschen mit Behinderungen berühren, zu informieren und dessen Stellungnahmen den zuständigen Stellen zuzuleiten und
7.
aktiv darauf hinzuwirken, dass geschlechtsspezifische Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen abgebaut und verhindert werden.
(2) Jede Person, jeder Verband und jede Institution kann sich in Angelegenheiten, die die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen betreffen, an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten wenden.
(3) Die in § 2 Absatz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung erteilen der oder dem Landesbeauftragten zur Situation von Menschen mit Behinderungen Auskunft und unterstützen sie oder ihn bei der Erfüllung der Aufgaben. Die dem Datenschutz dienenden Vorschriften bleiben hiervon unberührt.
(4) Stellt die oder der Landesbeauftragte Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot des § 6 fest, fordert sie oder er eine Stellungnahme an und beanstandet gegebenenfalls festgestellte Verstöße. Mit der Beanstandung können Vorschläge zur Beseitigung der Mängel und zur Verbesserung der Umsetzung des Benachteiligungsverbots verbunden werden.
(5) Die Landesregierung beteiligt die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten frühzeitig und umfassend an allen Gesetzes- und Verordnungsvorhaben, die die Belange von Menschen mit Behinderungen betreffen.
(6) Bei Gesetzesvorhaben, die den Zuständigkeitsbereich der oder des Landesbeauftragten betreffen, hat sie oder er das Recht auf Anhörung vor dem Landtag.
(7) Die oder der Landesbeauftragte berichtet dem Landtag alle zwei Jahre über die Situation von Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein sowie über ihre oder seine Tätigkeit. Darüber hinaus kann die oder der Landesbeauftragte dem Landtag weitere Berichte vorlegen.

§ 25 Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

(1) Bei der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen wird ein Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gebildet, der die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten in allen wesentlichen Fragen, die die Belange von Menschen mit Behinderungen berühren, berät und unterstützt.
(2) Die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Landesbeirates folgen dem Prinzip der Partizipation von Menschen mit Behinderungen als Expertinnen und Experten in eigener Sache.
(3) Der Landesbeirat besteht aus der oder dem Landesbeauftragten als vorsitzendem Mitglied und weiteren Mitgliedern. Diese sind je eine vertretende Person der Landesarbeitsgemeinschaft der Bewohnerbeiräte, der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte, der Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenbeauftragten in Werkstätten sowie Personen, welche die oder der Landesbeauftragte für die Dauer der jeweiligen Wahlperiode des Landtages auf Vorschlag von landesweit tätigen Selbstvertretungsorganisationen und Vereinigungen von Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen beruft. Die weiteren Mitglieder nehmen ihre Aufgabe ehrenamtlich wahr. Bei der Auswahl der Mitglieder ist auf ein ausgewogenes Verhältnis aller Geschlechter zu achten.
(4) Die Geschäftsführung liegt bei der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen. Sie oder er beruft die konstituierende Sitzung des Landesbeirats ein.
(5) Der Landesbeirat gibt sich eine Geschäftsordnung. In der Geschäftsordnung sind insbesondere Regelungen über die Vorbereitung, Einberufung und Durchführung von Sitzungen sowie über die Beschlussfassung zu treffen.

Teil 6 Schlussbestimmungen

§ 26 Übergangsvorschriften

Die oder der nach § 4 Absatz 2 Satz 1 des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes in der Fassung vom 18. November 2008 (GVOBl. Schl.-H. S. 582), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. April 2019 (GVOBl. Schl.-H. S. 76), gewählte Landesbeauftragte, die oder der am 15. April 2022 dieses Amt ausübt, führt das Amt bis zum Ablauf ihrer oder seiner Amtszeit fort. Kommt vor Ablauf der Amtszeit eine Neuwahl nicht zustande, führt die oder der Landesbeauftragte nach Satz 1 das Amt bis zur Neuwahl weiter. Im Übrigen findet dieses Gesetz Anwendung.

§ 27 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Landesbehindertengleichstellungsgesetz in der Fassung vom 18. November 2008 (GVOBl. Schl.-H. S. 582)
*)
, zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. April 2019 (GVOBl. Schl.-H. S. 76), außer Kraft.
Fußnoten
*)
GS Schl.-H. II, Gl.Nr. 870-2
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