FINISHG
DE - Landesrecht Schleswig-Holstein

Gesetz zur Finanzanlagestrategie Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein (FINISHG) Vom 2. Dezember 2021

Gesetz zur Finanzanlagestrategie Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein (FINISHG) Vom 2. Dezember 2021
*
Zum 09.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Fußnoten
*)
Verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Regelung der Finanzanlagestrategie Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein vom 2. Dezember 2021 (GVOBl. S. 1349)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz zur Finanzanlagestrategie Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein (FINISHG) vom 2. Dezember 202117.12.2021
§ 1 - Ziel der Finanzanlagestrategie17.12.2021
§ 2 - Geltungsbereich17.12.2021
§ 3 - Anlagegrundsätze17.12.2021
§ 4 - Nachhaltigkeit17.12.2021
§ 5 - Mehrheitsbeteiligungen an Anstalten des öffentlichen Rechts und Landesbeteiligungen in Rechtsformen des Privatrechts17.12.2021
§ 6 - Privatrechtliche Stiftungen17.12.2021
§ 7 - Engagement17.12.2021
§ 8 - Berichtspflicht und Evaluation17.12.2021
Anlage 117.12.2021
Anlage 217.12.2021

§ 1 Ziel der Finanzanlagestrategie

Ziel dieses Gesetzes ist es, die Finanzanlagen des Landes Schleswig-Holstein unter Beachtung wirtschaftlicher Aspekte verbindlich an ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien auszurichten.

§ 2 Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für die Finanzanlagen des Landes Schleswig-Holstein, die das Land selbst verwaltet oder durch Dritte im Auftrag verwalten lässt, wenn der Wert der verwalteten Finanzanlagen insgesamt eine Summe von einer Million Euro oder mehr beträgt.
(2) Dieses Gesetz gilt auch für die Finanzanlagen der landesunmittelbaren Anstalten des öffentlichen Rechts, deren alleiniger Träger das Land Schleswig-Holstein ist, und vom Land errichtete Stiftungen des öffentlichen Rechts, sofern nicht gesetzlich etwas Abweichendes bestimmt ist, soweit der Wert der verwalteten Finanzanlagen der Anstalt oder Stiftung insgesamt eine Summe von einer Million Euro oder mehr beträgt.
(3) Finanzanlagen im Sinne dieses Gesetzes sind Wertpapiere des Anlagevermögens sowie vergleichbare Kapitalmarktinstrumente, insbesondere Schuldscheindarlehen.

§ 3 Anlagegrundsätze

(1) Nachhaltigkeit ist neben den bestehenden wirtschaftlichen Grundsätzen Sicherheit, Rendite und Liquidität ein verbindlicher Anlagegrundsatz.
(2) Finanzanlagen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgen, müssen den in diesem Gesetz benannten Anlagegrundsätzen genügen. Bereits bestehende Finanzanlagen sind auf die Einhaltung der in § 4 benannten Kriterien zu überprüfen. Sollte sich im Rahmen der Überprüfung herausstellen, dass eines der in diesem Gesetz genannten Ausschlusskriterien vorliegt, ist die Finanzanlage grundsätzlich wertschonend zu einem geeigneten Zeitpunkt zu veräußern.
(3) Schon bestehende Anlagegrundsätze gelten fort, sofern sie den Regelungen dieses Gesetzes nicht widersprechen.

§ 4 Nachhaltigkeit

(1) Nachhaltige Finanzanlagen im Sinne dieses Gesetzes sind solche, bei denen ökologische, soziale und ethische Kriterien eingehalten werden.
(2) Ausgeschlossen ist der Erwerb von Finanzanlagen von Staaten oder regionalen Gebietskörperschaften in Staaten, sofern ihnen selbständig die Verantwortlichkeit für das jeweilige Kriterium zukommt, die
1.
in ihrem Rechtssystem die Todesstrafe systematisch anwenden,
2.
das Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015 (BGBl. 2016 II S. 1082) oder dieses ersetzende Übereinkommen nicht ratifiziert haben,
3.
das Übereinkommen vom 5. Juni 1992 über die biologische Vielfalt (BGBl. 1993 II S. 1741) nicht ratifiziert haben,
4.
die in Anlage 1 aufgeführten von Deutschland ratifizierten Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert haben,
5.
die in Anlage 2 aufgeführten acht Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Kernarbeitsnormen) mit Ausnahme des Protokolls vom 11. Juni 2014 zum Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1930 über Zwangs- und Pflichtarbeit nicht ratifiziert haben,
6.
die folgenden Übereinkommen über Waffensysteme nicht ratifiziert haben:
a)
Übereinkommen vom 10. April 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (BGBl. 1983 II, S. 132),
b)
Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (BGBl. 1994 II S. 806),
c)
Übereinkommen vom 18. September 1997 über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung (BGBl. 1998 II S. 778),
d)
Vertrag vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (BGBl. 1974 II S. 785),
7.
bei der Bewertung der politischen und zivilen Freiheit als unzureichend klassifiziert werden,
8.
als besonders korrupt eingestuft werden,
9.
als nicht ausreichend kooperativ im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Gefahr von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eingestuft werden,
10.
Angriffskriege im Sinne von Artikel 26 des Grundgesetzes führen oder
11.
auf der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke geführt werden.
Der völkerrechtlichen Ratifikation eines Abkommens nach Satz 1 Nummer 2 bis 6 stehen gleich die Annahme, die Genehmigung oder der Beitritt als weitere Art der völkerrechtlichen Zustimmung, durch einen Vertrag gebunden zu sein. Die fehlende Ratifikation von Abkommen ist unschädlich innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Abschluss der Vertragsverhandlungen unter der Voraussetzung, dass gegebenenfalls das Vorgängerabkommen ratifiziert wurde.
(3) Ausgeschlossen ist ferner der Erwerb von Finanzanlagen von Unternehmen, die
1.
im Geschäftsfeld fossile Brennstoffe aktiv sind (betrifft ausschließlich Förderung und Aufbereitung),
2.
im Geschäftsfeld Atomenergie aktiv sind, dies betrifft ausschließlich Produzenten,
3.
selbst oder deren Zulieferer offensichtlich und systematisch Menschenrechte verletzen oder gegen die Grundsätze verantwortungsvoller Unternehmensführung verstoßen,
4.
Waffensysteme oder Schlüsselkomponenten für Waffensysteme herstellen, die unter die in Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 aufgeführten Übereinkommen fallen.
(4) Bei der Auswahl der Finanzanlagen sollen Emittenten bevorzugt ausgewählt werden, die unter Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekten führend sind (Best-In-Class-Ansatz).

§ 5 Mehrheitsbeteiligungen an Anstalten des öffentlichen Rechts und Landesbeteiligungen in Rechtsformen des Privatrechts

Bei Anstalten des öffentlichen Rechts und Unternehmen in Rechtsformen des Privatrechts, an denen das Land mehrheitlich beteiligt ist, wirkt das Land darauf hin, dass die in diesem Gesetz benannten Anlagegrundsätze eingehalten werden, wenn der Wert der verwalteten Finanzanlagen der Anstalt oder des Unternehmens insgesamt eine Summe von einer Millionen Euro oder mehr beträgt.

§ 6 Privatrechtliche Stiftungen

(1) Für rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts, die das Land Schleswig-Holstein allein als Stifter errichtet, ist im Stiftungsgeschäft zur Errichtung der rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts die Anwendung der Anlagegrundsätze vorzusehen, wenn der Wert der verwalteten Finanzanlagen der Stiftung insgesamt eine Summe von einer Millionen Euro oder mehr beträgt.
(2) Bei rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, die das Land Schleswig-Holstein als Mitstifter errichtet sowie für bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehende Stiftungen des bürgerlichen Rechts, die das Land Schleswig-Holstein als Stifter oder Mitstifter errichtet hat, haben die Gremienmitglieder, die aufgrund einer Besetzungszuständigkeit des Landes in den Gremien der jeweiligen Stiftungen vertreten sind, auf eine Einhaltung der in diesem Gesetz festgelegten Anlagegrundsätze hinzuwirken, wenn die Summe der verwalteten Finanzanlagen der Stiftung einen Wert von einer Millionen Euro oder mehr beträgt.

§ 7 Engagement

Zur Ergänzung der nachhaltigen Finanzanlagestrategie sollen Stimmrechte auf Hauptversammlungen im Sinne der in diesem Gesetz definierten Ziele und Kriterien genutzt werden.

§ 8 Berichtspflicht und Evaluation

Die Landesregierung legt dem Finanzausschuss in regelmäßigem Abstand von zwei Jahren einen Erfahrungsbericht über die Umsetzung der nachhaltigen Finanzanlagestrategie vor. Die Landesregierung legt dem Landtag zum Ende des Jahres 2026 einen Bericht zur Evaluierung vor.

Anlage 1

Übersicht zu § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4:
Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (BGBl. 1954 II S. 729)
Internationales Übereinkommen vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (BGBl. 1969 II S. 961)
Internationaler Pakt vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (BGBl. 1973 II S. 1569)
Internationaler Pakt vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. 1973 II S. 1533)
Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (BGBl. 1985 II S. 647)
Übereinkommen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (BGBl. 1990 II S. 246)
Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (BGBl. 1992 II S. 121)
Übereinkommen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. 2008 II S. 1419)

Anlage 2

Übersicht zu § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5:
Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 9. Juli 1948 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes (BGBl. 1956 II S. 2072)
Übereinkommen Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 1. Juli 1949 über die Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (BGBl. 1955 II S. 1122)
Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1930 über Zwangs- oder Pflichtarbeit (BGBl. 1956 II S. 640)
Übereinkommen Nr. 105 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1957 über die Abschaffung der Zwangsarbeit (BGBl. 1959 II S. 441)
Übereinkommen Nr. 100 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 29. Juni 1951 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit (BGBl. 1956 II S. 23)
Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1958 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (BGBl. 1961 II S. 97)
Übereinkommen Nr. 138 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1973 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (BGBl. 1976 II S. 201)
Übereinkommen Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (BGBl. 2001 II S. 1291)
Markierungen
Leseansicht