MVollzG
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Maßregelvollzugsgesetz (MVollzG) Vom 11. Dezember 2020

Maßregelvollzugsgesetz (MVollzG) Vom 11. Dezember 2020
Zum 09.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Maßregelvollzugsgesetz (MVollzG) vom 11. Dezember 202024.12.2020
Eingangsformel24.12.2020
Inhaltsverzeichnis24.12.2020
Erster Teil - Allgemeines24.12.2020
§ 1 - Anwendungsbereich24.12.2020
§ 2 - Ziele und Aufgaben des Maßregelvollzugs24.12.2020
§ 3 - Grundsätze des Maßregelvollzugs24.12.2020
§ 4 - Rechtsstellung der untergebrachten Menschen24.12.2020
§ 5 - Aufgabenträgerschaft, Zuständigkeit24.12.2020
Zweiter Teil - Gestaltung des Maßregelvollzugs24.12.2020
Abschnitt 1 - Behandlung der untergebrachten Menschen24.12.2020
§ 6 - Behandlung24.12.2020
§ 7 - Therapie- und Eingliederungsplan24.12.2020
§ 8 - Externe Begutachtung24.12.2020
§ 9 - Ärztliche Zwangsbehandlung24.12.2020
Abschnitt 2 - Rechtsstellung der untergebrachten Menschen24.12.2020
§ 10 - Aufenthalt im Freien und Freizeit24.12.2020
§ 11 - Religionsausübung und Seelsorge24.12.2020
§ 12 - Informationsfreiheit und persönlicher Besitz24.12.2020
§ 13 - Besuche24.12.2020
§ 14 - Schriftwechsel24.12.2020
§ 15 - Pakete24.12.2020
§ 16 - Telefongespräche24.12.2020
§ 17 - Andere Formen der Telekommunikation24.12.2020
§ 18 - Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, in die Informations- und Besuchsrechte und den persönlichen Besitz24.12.2020
§ 19 - Dokumentation von Eingriffen24.12.2020
§ 20 - Geschäftsverbot24.12.2020
§ 21 - Ordnung in der Einrichtung des Maßregelvollzugs24.12.2020
§ 22 - Besuchskommission24.12.2020
Abschnitt 3 - Finanzielle Regelungen24.12.2020
§ 23 - Verfügung über Eigengeld, Barbeträge, Konten24.12.2020
§ 24 - Taschengeld24.12.2020
§ 25 - Arbeitsentgelt, Zuwendungen24.12.2020
§ 26 - Überbrückungsgeld24.12.2020
Abschnitt 4 - Sicherungsmaßnahmen24.12.2020
§ 27 - Erkennungsdienstliche Maßnahmen24.12.2020
§ 28 - Durchsuchung24.12.2020
§ 29 - Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen24.12.2020
§ 30 - Besondere Sicherungsmaßnahmen24.12.2020
§ 31 - Unmittelbarer Zwang24.12.2020
Abschnitt 5 - Vollzugslockerungen, offener Vollzug, Bewährung24.12.2020
§ 32 - Vollzugslockerungen, offener Vollzug24.12.2020
§ 33 - Weisungen, Widerruf von Vollzugslockerungen und des offenen Vollzugs24.12.2020
§ 34 - Beteiligung der Strafvollstreckungsbehörde24.12.2020
§ 35 - Anregung einer Aussetzung zur Bewährung oder zur Erledigung der Maßregel24.12.2020
Abschnitt 6 - Gerichtlicher Rechtsschutz24.12.2020
§ 36 - Gerichtliches Verfahren und Rechtsbehelfe24.12.2020
Dritter Teil - Datenschutz24.12.2020
§ 37 - Datenverarbeitung24.12.2020
§ 38 - Datenerhebung bei untergebrachten Menschen und Dritten24.12.2020
§ 39 - Datenübermittlung24.12.2020
§ 40 - Datenübermittlung für wissenschaftliche Zwecke24.12.2020
§ 41 - Einsatz optisch-elektronischer Einrichtungen24.12.2020
§ 42 - Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung24.12.2020
§ 43 - Auskunft, Akteneinsicht24.12.2020
§ 44 - Anwendbarkeit weiterer Vorschriften24.12.2020
Vierter Teil - Kosten der Unterbringung24.12.2020
§ 45 - Kosten der Unterbringung24.12.2020
§ 46 - Kostenbeteiligung24.12.2020
Fünfter Teil - Schlussvorschriften24.12.2020
§ 47 - Einschränkung von Grundrechten24.12.2020
§ 48 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten24.12.2020
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Inhaltsübersicht
Erster Teil Allgemeines
§ 1Anwendungsbereich
§ 2Ziele und Aufgaben des Maßregelvollzugs
§ 3Grundsätze des Maßregelvollzugs
§ 4Rechtsstellung der untergebrachten Menschen
§ 5Aufgabenträgerschaft, Zuständigkeit
Zweiter Teil Gestaltung des Maßregelvollzugs
Abschnitt 1 Behandlung der untergebrachten Menschen
§ 6Behandlung
§ 7Therapie- und Eingliederungsplan
§ 8Externe Begutachtung
§ 9Ärztliche Zwangsbehandlung
Abschnitt 2 Rechtsstellung der untergebrachten Menschen
§ 10Aufenthalt im Freien und Freizeit
§ 11Religionsausübung und Seelsorge
§ 12Informationsfreiheit und persönlicher Besitz
§ 13Besuche
§ 14Schriftwechsel
§ 15Pakete
§ 16Telefongespräche
§ 17Andere Formen der Telekommunikation
§ 18Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, in die Informations-und Besuchsrecht und den persönlichen Besitz
§ 19Dokumentation von Eingriffen
§ 20Geschäftsverbot
§ 21Ordnung in der Einrichtung des Maßregelvollzugs
§ 22Besuchskommission
Abschnitt 3 Finanzielle Regelungen
§ 23Verfügung über Eigengeld, Barbeträge, Konten
§ 24Taschengeld
§ 25Arbeitsentgelt, Zuwendungen
§ 26Überbrückungsgeld
Abschnitt 4 Sicherungsmaßnahmen
§ 27Erkennungsdienstliche Maßnahmen
§ 28Durchsuchung
§ 29Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen
§ 30Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 31Unmittelbarer Zwang
Abschnitt 5 Vollzugslockerungen, offener Vollzug, Bewährung
§ 32Vollzugslockerungen, offener Vollzug
§ 33Weisungen, Widerruf von Vollzugslockerungen und des offenen Vollzugs
§ 34Beteiligung der Strafvollstreckungsbehörde
§ 35Anregung einer Aussetzung zur Bewährung oder zur Erledigung der Maßregel
Abschnitt 6 Gerichtlicher Rechtsschutz
§ 36Gerichtliches Verfahren und Rechtsbehelfe
Dritter Teil Datenschutz
§ 37Datenverarbeitung
§ 38Datenerhebung bei untergebrachten Menschen und Dritten
§ 39Datenübermittlung
§ 40Datenübermittlung für wissenschaftliche Zwecke
§ 41Einsatz optisch-elektronischer Einrichtungen
§ 42Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung
§ 43Auskunft, Akteneinsicht
§ 44Entsprechende Anwendung anderer Vorschriften
Vierter Teil Kosten der Unterbringung
§ 45Kosten der Unterbringung
§ 46Kostenbeteiligung
Fünfter Teil Schlussvorschriften
§ 47Einschränkung von Grundrechten
§ 48Inkrafttreten; Außerkrafttreten

Erster Teil Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug der als Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (Maßregelvollzug).
(2) Für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozessordnung (StPO) sowie der Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens nach § 81 StPO und der Sicherungshaft nach § 463 in Verbindung mit § 453c StPO gilt dieses Gesetz nur, soweit sich aus diesem Gesetz oder Bundesrecht nichts Abweichendes ergibt.

§ 2 Ziele und Aufgaben des Maßregelvollzugs

(1) Der Vollzug der Maßregeln ist darauf auszurichten, die untergebrachten Menschen durch Behandlung und Betreuung (Therapie) so weit wie möglich zu heilen oder ihren Zustand so weit zu verbessern, dass sie keine erhebliche Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellen. Zudem sind sie auf eine selbstständige Lebensführung außerhalb einer Einrichtung des Maßregelvollzugs vorzubereiten und zu befähigen, ein möglichst autonomes, in der Gemeinschaft eingegliedertes Leben in Freiheit zu führen. Er dient gleichzeitig dem Schutz der Allgemeinheit.
(2) Der Maßregelvollzug ist so zu gestalten, dass die Vollzugsziele in möglichst kurzer Zeit erreicht werden. Es finden regelmäßig reflektierende Betrachtungen der Maßnahmen statt.
(3) Die Einrichtungen des Maßregelvollzugs sollen mit Behörden, Gerichten, Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung sowie sonstigen Stellen und Personen zusammenarbeiten, soweit sie die Verwirklichung der Ziele des Maßregelvollzugs fördern können.
(4) Während des Maßregelvollzugs ist die Aufrechterhaltung bestehender und der Aufbau neuer sozialer Kontakte der untergebrachten Menschen zu fördern, soweit diese ihrer Wiedereingliederung dienen. Insbesondere sollen Angehörige und andere nahestehende Bezugspersonen in ihren Bemühungen bei der Wiedereingliederung der untergebrachten Menschen von der Einrichtung unterstützt werden.
(5) Zur Vorbereitung der Wiedereingliederung arbeitet die Einrichtung des Maßregelvollzugs insbesondere mit den Trägern und Einrichtungen der Sozial- und Eingliederungshilfe, rechtlichen Betreuerinnen und Betreuern, der gesetzlichen Vertretung, der Wohnungslosenhilfe, der Wohnungswirtschaft, den Krankenkassen, den Institutionen zur beruflichen Wiedereingliederung, dem Sozialpsychiatrischen Dienst, der Führungsaufsichtsstelle und der Bewährungshilfe zusammen.
(6) Soziale und behandlungsfördernde Strukturen innerhalb der Einrichtung, organisatorische Regelungen und baulich-technische Vorkehrungen sollen zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele beitragen.

§ 3 Grundsätze des Maßregelvollzugs

(1) Im Umgang mit den im Maßregelvollzug untergebrachten Menschen sind ihre Rechte, ihre Würde und ihr Befinden sowie ihre kulturellen und weltanschaulichen Lebensumstände zu beachten. Ihren Wünschen nach Hilfen und Gestaltung des Maßregelvollzugs soll nach Möglichkeit entsprochen werden; Wünsche sollen nach Möglichkeit in einer Patientenvereinbarung vor Behandlungsbeginn festgehalten werden. Die Einrichtung unterstützt die untergebrachten Menschen dabei, eine Behandlungsvereinbarung oder Patientenverfügung zu geeigneten Aspekten der Behandlung im Maßregelvollzug abzuschließen. Personen ihres Vertrauens sind in geeigneter Weise einzubeziehen. Kein Mensch darf im Rahmen des Maßregelvollzugs auf Grund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen oder antisemitischen Zuschreibung, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen oder geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status diskriminiert werden.
(2) Die Behandlung, Betreuung und Unterbringung während des Maßregelvollzugs haben den aktuellen therapeutischen Erfordernissen des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Die unterschiedlichen individuellen Erfordernisse und Bedürfnisse der untergebrachten Menschen sind zu berücksichtigen.

§ 4 Rechtsstellung der untergebrachten Menschen

(1) Die untergebrachten Menschen wirken an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 und an der Gestaltung des Vollzugs mit. Ihre Bereitschaft hierzu und ihr Verantwortungsbewusstsein ist zu wecken und zu fördern.
(2) Untergebrachte Menschen sind über ihre Rechte und Pflichten während der Unterbringung unverzüglich nach der Aufnahme aufzuklären; dies betrifft auch das Beschwerderecht. Die Aufklärung hat in einer ihnen verständlichen Sprache zu erfolgen. Diese Informationen sind ihnen in leicht verständlicher Form schriftlich auszuhändigen. Erlaubt der Gesundheitszustand des untergebrachten Menschen die Aufklärung nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufnahme, ist sie nachzuholen, sobald dies möglich ist.
(3) Die untergebrachten Menschen unterliegen während des Maßregelvollzugs nur den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Entsprechende Eingriffe müssen im Hinblick auf die Ziele des Maßregelvollzugs oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung des Maßregelvollzugs unerlässlich sein.

§ 5 Aufgabenträgerschaft, Zuständigkeit

(1) Das Land Schleswig-Holstein ist Träger der Aufgaben nach § 1. Die oberste Landesgesundheitsbehörde vollzieht die Maßregeln sowie die einstweilige Unterbringung nach § 1 in psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten des Landes; sie kann sich der Hilfe und der geeigneten Einrichtungen Dritter bedienen.
(2) Geeigneten privatrechtlich verfassten Einrichtungen kann durch einen von der obersten Landesgesundheitsbehörde im Einvernehmen mit der obersten Landesjustizbehörde zu erlassenden Verwaltungsakt der Maßregelvollzug sowie der Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 1 als Aufgabe zur Erledigung in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Landes widerruflich übertragen werden. Der Verwaltungsakt ist öffentlich bekannt zu geben. Das Rechtsverhältnis zur Einrichtung kann ergänzend durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der obersten Landesgesundheitsbehörde geregelt werden.
(3) Die oberste Landesgesundheitsbehörde kann geeigneten psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten, die von Trägern der Verwaltung in öffentlich-rechtlicher Organisations- und Handlungsform geführt werden, auf Antrag ihres Trägers durch Verordnung den Maßregelvollzug sowie den Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 1 zur Erfüllung nach Weisung widerruflich übertragen.
(4) Der Umfang und die Mittel der Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlich verfassten Einrichtungen des Maßregelvollzugs richten sich nach § 15 Absatz 2, § 16 Absatz 1 und 3 sowie § 18 Absatz 3 des Landesverwaltungsgesetzes. Aufsichtsbehörde ist die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr durch Verordnung bestimmte Landesbehörde. Die Beschäftigung des Personals der privatrechtlich verfassten Einrichtungen des Maßregelvollzugs, das am Vollzug der Unterbringung beteiligt ist, bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde im Hinblick auf die fachliche und persönliche Eignung. Die Bevollmächtigten der Aufsichtsbehörde haben ein jederzeitiges direktes Weisungsrecht auch gegenüber dem Personal. Im Falle der Nichtbefolgung können die Bevollmächtigten bei Gefahr im Verzug die angewiesenen Maßnahmen auf Kosten der Einrichtung selbst ausführen oder ausführen lassen. Im Falle eines Widerrufs der Aufgabenübertragung nach Absatz 2 oder 3 kann die oberste Landesgesundheitsbehörde Maßnahmen unter Inanspruchnahme von Personal der Einrichtung sowie der vor dem Widerruf von ihr genutzten Räumlichkeiten und Sachmittel treffen, um den Maßregelvollzug aufrechtzuerhalten, bis die Aufgabe anderweitig geregelt werden kann. Für die Inanspruchnahme Dritter ist eine Entschädigung unter entsprechender Anwendung der §§ 221 bis 226 des Landesverwaltungsgesetzes zu leisten.
(5) Die oberste Landesjustizbehörde regelt im Einvernehmen mit der obersten Landesgesundheitsbehörde die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Einrichtungen des Maßregelvollzugs in einem Vollstreckungsplan. Vom Vollstreckungsplan darf im Einzelfall abgewichen werden, wenn der Zweck der Unterbringung hierdurch gefördert wird oder wenn die Abweichung aus Gründen der Vollzugsorganisation erforderlich ist.
(6) Die Einrichtungen des Maßregelvollzugs leisten nach Maßgabe der §§ 32 bis 34 des Landesverwaltungsgesetzes den Strafvollzugsanstalten im Einzelfall Amtshilfe bei der ambulanten und stationären Behandlung von psychisch kranken Gefangenen und Untersuchungshäftlingen; die Kosten sind zu erstatten.

Zweiter Teil Gestaltung des Maßregelvollzugs

Abschnitt 1 Behandlung der untergebrachten Menschen

§ 6 Behandlung

(1) Bei der Aufnahme ist der untergebrachte Mensch ärztlich zu untersuchen. Die Untersuchung ist so zeitnah durchzuführen, wie es der körperliche und psychische Zustand der aufzunehmenden Person erlaubt. Die Untersuchung soll auch die Umstände berücksichtigen, die maßgeblich für die Anordnung der Maßregel waren und deren Kenntnis für die Erarbeitung des Therapie- und Eingliederungsplanes notwendig ist. Als Ergebnis der Untersuchung ist auch festzuhalten, in welcher Weise von der untergebrachten Person gegenwärtig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Danach ist das Maß der zur Sicherung der untergebrachten Person erforderlichen Freiheitseinschränkungen auszurichten und festzulegen.
(2) Ein untergebrachter Mensch hat Anspruch auf die notwendige Behandlung. Die Behandlung bedarf vorbehaltlich der Regelungen in § 9 der Einwilligung des untergebrachten Menschen. Ist dieser nicht in der Lage, eine wirksame Entscheidung über die Einwilligung zu treffen, ist die Einwilligung der Betreuerin oder des Betreuers erforderlich. Hat der untergebrachte Mensch noch keine Betreuerin oder keinen Betreuer, ist die Bestellung beim Betreuungsgericht zu beantragen.
(3) Ärztliche Eingriffe, die mit Lebensgefahr oder erheblicher Gefahr für die Gesundheit des untergebrachten Menschen verbunden sind, dürfen nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden. Bei Volljährigen, welche die Bedeutung und Tragweite der Behandlung und der Einwilligung nicht beurteilen können, und bei Minderjährigen ist für die Einwilligung die Erklärung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters über den mutmaßlichen Patientenwillen maßgebend.

§ 7 Therapie- und Eingliederungsplan

(1) Für jeden untergebrachten Menschen ist unter Berücksichtigung seines Geschlechts, seiner Persönlichkeit, seines Alters, seines Entwicklungsstandes, seiner Lebensverhältnisse, seiner Störung und auf Grundlage des Ergebnisses des Diagnoseverfahrens, in den ersten sechs Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung ein Therapie- und Eingliederungsplan über die während des Maßregelvollzugs vorgesehenen therapeutischen, pädagogischen und pflegerischen Maßnahmen zu entwickeln. Der Therapie- und Eingliederungsplan soll gemeinsam mit dem untergebrachten Menschen erarbeitet werden und insbesondere Angaben enthalten über
1.
die Behandlung einschließlich ärztlicher, medizinischer, psychiatrisch-psychotherapeutischer, pflegerischer, soziotherapeutischer und heilpädagogischer Behandlung und pädagogischer Maßnahmen,
2.
die Form der Unterbringung,
3.
die Teilnahme an Unterrichtsveranstaltungen und an Maßnahmen der beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen,
4.
die Einbeziehung von dem untergebrachten Menschen nahestehenden Personen zur Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von Außenkontakten,
5.
sozialunterstützende Maßnahmen,
6.
Ausgleich von Tatfolgen einschließlich Täter-Opfer-Ausgleich,
7.
Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenzen,
8.
Schuldnerberatung und Schuldenregulierung und
9.
Angebote zur Freizeitgestaltung und Sportangebote.
Der Therapie- und Eingliederungsplan ist regelmäßig spätestens nach sechs Monaten zu überprüfen und dem Krankheitsverlauf sowie der sozialen Entwicklung anzupassen. Zu einem geeigneten Zeitpunkt sind in den Therapie- und Eingliederungsplan Vollzugslockerungen und Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung aufzunehmen.
(2) Der Therapie- und Eingliederungsplan und spätere Änderungen sind mit dem untergebrachten Menschen und, wenn er gesetzlich vertreten wird, auch mit der gesetzlichen Vertreterin oder dem gesetzlichen Vertreter zu erörtern und auszuhändigen. Die Erörterung mit dem untergebrachten Menschen soll von hierfür geschultem Fachpersonal mit geeigneten Methoden durchgeführt werden, sofern es der Gesundheitszustand zulässt.

§ 8 Externe Begutachtung

Sofern aus Behandlungsgründen ein Bedarf für eine externe Begutachtung besteht, kann die Einrichtung mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde externe Gutachten in Auftrag geben. Der untergebrachte Mensch ist hierzu und zur Auswahl des Gutachters oder der Gutachterin anzuhören.

§ 9 Ärztliche Zwangsbehandlung

(1) Eine medizinische Behandlung gegen den natürlichen Willen des untergebrachten Menschen (ärztliche Zwangsbehandlung) darf nur durchgeführt werden
1.
mit dem Ziel, die tatsächlichen Voraussetzungen der freien Selbstbestimmung des untergebrachten Menschen so weit herzustellen, dass ein selbstbestimmtes, in der Gemeinschaft eingegliedertes Leben ermöglicht wird, oder
2.
soweit die Maßnahme erforderlich ist, um eine gegenwärtige Lebensgefahr oder Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der Gesundheit des untergebrachten Menschen abzuwenden.
Eine ärztliche Zwangsbehandlung ist nur zulässig, wenn
1.
der untergebrachte Mensch aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann,
2.
sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertigt, Erfolg verspricht,
3.
mildere Mittel, insbesondere eine weniger eingreifende Behandlung, aussichtslos sind und
4.
der zu erwartende Nutzen der Behandlung die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich feststellbar überwiegt.
Eine wirksame Patientenvereinbarung ist zu beachten. Im Rahmen einer einstweiligen Unterbringung nach § 1 Absatz 2 ist eine ärztliche Zwangsbehandlung gemäß Satz 2 Nummer 1 nicht zulässig.
(2) Eine ärztliche Zwangsbehandlung setzt voraus, dass
1.
eine den Verständnismöglichkeiten des untergebrachten Menschen entsprechende Information über die beabsichtigte Behandlung und ihre Wirkungen vorausgegangen ist,
2.
vor Beginn der Behandlung ernsthaft versucht wurde, eine auf Vertrauen gegründete, freiwillige Zustimmung des untergebrachten Menschen zu erreichen,
3.
die Behandlung von einer Ärztin oder einem Arzt angeordnet oder selbst durchgeführt, überwacht und dokumentiert wird,
4.
die Behandlung angekündigt und mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, dagegen vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können, versehen wurde und
5.
das Gericht, das ein Sachverständigengutachten einholt, die ärztliche Zwangsbehandlung auf Antrag der Einrichtung anordnet; die Mitwirkung einer Verteidigerin oder eines Verteidigers ist erforderlich.

Abschnitt 2 Rechtsstellung der untergebrachten Menschen

§ 10 Aufenthalt im Freien und Freizeit

(1) Den untergebrachten Menschen ist der tägliche Aufenthalt im Freien für mindestens eine Stunde zu ermöglichen. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung der ärztlichen Leitung der Einrichtung des Maßregelvollzugs und sind begründet zu dokumentieren.
(2) Die untergebrachten Menschen erhalten für die Gestaltung der therapiefreien Zeit Gelegenheit zur sinnvollen Beschäftigung. Die Einrichtung macht den untergebrachten Menschen regelmäßige Angebote zu sportlichen, künstlerischen, musikalischen und gesellschaftlichen Betätigungen mit dem Ziel der Förderung von sozialer Wiedereingliederung.

§ 11 Religionsausübung und Seelsorge

(1) Der untergebrachte Mensch ist berechtigt, innerhalb der Einrichtung des Maßregelvollzugs an Gottesdiensten oder anderen religiösen Veranstaltungen seines Bekenntnisses teilzunehmen. An Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften, die nicht seinem Bekenntnis entsprechen, ist eine Teilnahme möglich, wenn deren Seelsorgerin oder deren Seelsorger zustimmt.
(2) Ein Ausschluss von religiösen Veranstaltungen kann nur erfolgen, wenn andernfalls die Ziele des Maßregelvollzugs oder die Sicherheit in der Einrichtung gefährdet oder die Ordnung in der Einrichtung schwerwiegend gestört würden. Ob die Voraussetzungen für einen Ausschluss vorliegen, entscheidet die Einrichtung des Maßregelvollzugs nach Anhörung der Seelsorgerin oder des Seelsorgers.
(3) Der untergebrachte Mensch ist berechtigt religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger in Anspruch zu nehmen. Auf seinen Wunsch ist ihm zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.
(4) Der untergebrachte Mensch darf religiöse Schriften sowie Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen. Diese dürfen nur bei erheblichen Nachteilen für den Gesundheitszustand des untergebrachten Menschen oder für die Sicherheit in der Einrichtung entzogen werden. Die Seelsorgerin oder der Seelsorger ist nach Möglichkeit vorher zu hören.

§ 12 Informationsfreiheit und persönlicher Besitz

(1) Untergebrachte Menschen sind berechtigt, die in den Gemeinschaftsräumen vorgehaltenen Hörfunk und Fernsehgeräte zu nutzen. Für die Inbetriebnahme eigener Hörfunk- und Fernsehgeräte sowie anderer Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik gilt Absatz 4.
(2) Untergebrachte Menschen sind berechtigt, Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang unter Beteiligung der Einrichtung des Maßregelvollzugs zu beziehen.
(3) Untergebrachte Menschen sind berechtigt, persönliche Kleidung zu tragen. Beschränkungen sind zulässig, wenn der untergebrachte Mensch nicht für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt.
(4) Untergebrachte Menschen sind berechtigt, sonstige persönliche Habe, insbesondere Erinnerungsstücke von persönlichem Wert und Gegenstände für Fortbildung und Freizeit in angemessenem Umfang zu erwerben oder zu besitzen. Der Erwerb oder der Besitz sowie die Weitergabe von Büchern, Ton-, Bild- und Datenträgern kann von einer Überprüfung abhängig gemacht werden. Persönliche Habe, die der untergebrachte Mensch nicht in Gewahrsam haben darf, ist für ihn aufzubewahren, sofern dies der Einrichtung des Maßregelvollzugs nach Art und Umfang möglich ist. Im Falle der Vernichtung oder Veräußerung ist die Zustimmung der Eigentümerin oder des Eigentümers oder der oder des Bevollmächtigten einzuholen.
(5) Beschränkungen der Rechte nach den Absätzen 1 bis 4 sind nur unter den Voraussetzungen des § 18 zulässig. Im Übrigen regelt die Hausordnung das Nähere des Verfahrens.

§ 13 Besuche

(1) Untergebrachte Menschen sind berechtigt, entsprechend den Besuchsregelungen Besuch zu empfangen oder abzulehnen. Besuche von Angehörigen, insbesondere von Kindern, werden besonders unterstützt. Die Besuchsdauer richtet sich nach den individuellen Umständen des untergebrachten Menschen. Die Gesamtbesuchsdauer beträgt mindestens vier Stunden im Monat.
(2) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Einrichtung kann der Besuch allgemein oder im Einzelfall davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucherin oder der Besucher mit technischen Hilfsmitteln absuchen und Kleidung und mitgeführte Gegenstände durchsuchen lässt. Frauen und Mädchen sollen nur durch weibliches Personal, Männer und Jungen nur durch männliches Personal durchsucht werden. Nicht zugelassene Sachen werden für die Dauer des Besuches in Verwahrung genommen. Verteidigerbesuche sind von der Absuchung und Durchsuchung ausgenommen.
(3) Wird ein Besuch auf Grund einer Anordnung nach § 18 Absatz 1 überwacht, sind der untergebrachte Mensch und die Besucherin oder der Besucher zu Beginn des Besuchs darüber zu unterrichten.
(4) Besuche durch die gesetzliche Vertreterin oder den gesetzlichen Vertreter des untergebrachten Menschen, durch Verteidigerinnen oder Verteidiger, durch Betreuerinnen oder Betreuer, durch Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte, Notarinnen oder Notare in einer den untergebrachten Menschen betreffenden Rechtssache und durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger dürfen nicht untersagt werden. Bei diesen Besuchen dürfen Schriftstücke, die mit dem Anlass des Besuches im Zusammenhang stehen, übergeben werden; § 18 Absatz 2 findet entsprechend Anwendung.
(5) Andere Gegenstände als Schriftstücke dürfen bei Besuchen nur mit Erlaubnis übergeben werden.

§ 14 Schriftwechsel

(1) Untergebrachte Menschen sind berechtigt, Schriftwechsel zu führen.
(2) Beschränkungen des Schriftwechsels sind nur unter den Voraussetzungen des § 18 zulässig.
(3) Nicht beschränkt wird der Schriftwechsel eines untergebrachten Menschen mit
1.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, der gesetzlichen Vertreterin oder dem gesetzlichen Vertreter und seiner Betreuerin oder seinem Betreuer,
2.
Behörden, Gerichten, Staatsanwaltschaften, Seelsorgerinnen und Seelsorgern sowie Mitgliedern der Besuchskommission,
3.
Volksvertretungen der Europäischen Union, des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern und den jeweiligen Beauftragten von Europa, Bund und Ländern,
4.
Vertretungskörperschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie deren Mitgliedern,
5.
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
6.
Mitgliedern der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter, des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen, des Ausschusses der Vereinten Nationen gegen Folter sowie des zugehörigen Unterausschusses zur Verhütung von Folter und
7.
bei ausländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern auch mit der konsularischen oder diplomatischen Vertretung des Heimatlandes,
8.
sonstige Organisationen oder Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt wird.

§ 15 Pakete

(1) Untergebrachte Menschen sind berechtigt, Pakete abzusenden und zu empfangen.
(2) Der Inhalt von Paketen kann in Gegenwart des untergebrachten Menschen daraufhin überprüft werden, ob darin
1.
Schreiben oder sonstige Nachrichten oder
2.
Gegenstände, deren Besitz Ziele des Maßregelvollzugs oder die Sicherheit in der Einrichtung gefährden oder die Ordnung der Einrichtung schwerwiegend stören würde,
enthalten sind.
(3) Auf Schreiben oder sonstige Nachrichten, die in Paketen enthalten sind, sind § 14 und § 18 Absatz 2 entsprechend anzuwenden. Enthält ein Paket Gegenstände der in Absatz 2 Nummer 2 genannten Art, sind diese Gegenstände der Absenderin oder dem Absender oder der Eigentümerin oder dem Eigentümer zurückzugeben. Ist dies nicht möglich oder aus besonderen Gründen nicht zweckmäßig, sollen sie aufbewahrt oder an eine von dem untergebrachten Menschen oder seiner gesetzlichen Vertreterin oder seinem gesetzlichen Vertreter benannte Person versandt werden, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist.
(4) Eine Maßnahme nach Absatz 3 ist auch gegenüber der Absenderin oder dem Absender bekanntzugeben und zu begründen.
(5) Über Absatz 2 hinausgehende Beschränkungen bei dem Empfang und dem Versenden von Paketen sind nur unter den Voraussetzungen des § 18 zulässig.

§ 16 Telefongespräche

(1) Untergebrachte Menschen sind berechtigt, im Rahmen der Bestimmungen der Hausordnung Telefongespräche zu führen.
(2) Beschränkungen von Telefongesprächen sind nur unter den Voraussetzungen des § 18 zulässig.
(3) Beschränkungen von Telefongesprächen mit den in § 14 Absatz 3 genannten Stellen sind unzulässig.
(4) Telefongespräche dürfen nur dadurch überwacht werden, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Einrichtung des Maßregelvollzugs in Gegenwart des untergebrachten Menschen den Gesprächsverlauf verfolgt und das Gespräch mithört. Wird ein Telefongespräch überwacht, ist die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspartner zu Beginn des Gesprächs darüber zu unterrichten.

§ 17 Andere Formen der Telekommunikation

(1) Die Einrichtungen richten unter Berücksichtigung der Sicherheit Möglichkeiten zur Nutzung anderer Formen der Telekommunikation ein. Die Nutzung neuer Kommunikationsmedien soll durch die Einrichtung gefördert werden.
(2) Beschränkungen sind nur unter den Voraussetzungen des § 18 zulässig. Im Übrigen regelt die Hausordnung das Nähere des Verfahrens.

§ 18 Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, in die Informations- und Besuchsrechte und den persönlichen Besitz

(1) Die für die Behandlung verantwortlichen Ärztinnen oder Ärzte oder die für die Behandlung verantwortlichen Psychologinnen oder Psychologen dürfen im Einzelfall Beschränkungen des Schriftwechsels, bei dem Empfang und dem Versenden von Paketen, bei dem Führen von Telefongesprächen, bei der Nutzung anderer Formen der Telekommunikation, bei der Ausübung von Informationsrechten, des persönlichen Besitzes und bei Besuchen (§§ 12 bis 17) nur dann anordnen, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass ohne diese Beschränkungen aufgrund der Krankheit erhebliche Nachteile für den Gesundheitszustand des untergebrachten Menschen zu erwarten sind oder der Zweck des Maßregelvollzugs oder die Sicherheit in der Einrichtung gefährdet werden könnte, oder dies zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung des Maßregelvollzugs unerlässlich ist. Beschränkungen nach Satz 1 sind Überwachung, Durchsuchung, Vorenthaltung, Entzug oder Untersagung. Weitergehende Beschränkungen sind nur nach Maßgabe der §§ 12 bis 17 zulässig.
(2) Wenn der Verdacht besteht, dass mit einem Schriftstück unzulässigerweise Gegenstände übergeben werden sollen, kann die für die Behandlung verantwortliche Ärztin oder der für die Behandlung verantwortliche Arzt oder die für die Behandlung verantwortliche Psychologin oder der für die Behandlung verantwortliche Psychologe die vorherige Überprüfung von Schriftstücken auch anordnen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt sind. Dies gilt nur für Schriftstücke, die gefaltet oder in einen Umschlag eingelegt sind und von anderen als den in § 14 Absatz 3 genannten Personen übergeben werden sollen.

§ 19 Dokumentation von Eingriffen

Soweit in den §§ 12 bis 17 keine weitergehenden Regelungen enthalten sind, sind bei Beschränkungen
1.
des Schriftwechsels,
2.
der Pakete,
3.
von Telefongesprächen,
4.
der Nutzung anderer Formen der Telekommunikation,
5.
der Informationsfreiheit,
6.
des persönlichen Besitzes und
7.
von Besuchen,
ihre Gründe und die Durchführung aufzuzeichnen; die Aufzeichnung ist ebenso wie eine Stellungnahme des untergebrachten Menschen zu den Krankenakten zu nehmen. Entsprechendes gilt für die Durchsuchung nach § 28 und Beschränkungen der Religionsausübung nach § 11. Der untergebrachte Mensch und seine gesetzliche Vertreterin oder sein gesetzlicher Vertreter erhalten auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen nach § 43 Absatz 2.

§ 20 Geschäftsverbot

Geschäfte zwischen untergebrachten Menschen sowie zwischen dem Personal der Einrichtung und untergebrachten Menschen sind grundsätzlich verboten. Ausnahmen für Geschäfte zwischen untergebrachten Menschen werden in der Hausordnung festgelegt.

§ 21 Ordnung in der Einrichtung des Maßregelvollzugs

Die Einrichtungen des Maßregelvollzugs erlassen eine Hausordnung, die der Zustimmung der Aufsichtsbehörde bedarf. Den untergebrachten Menschen ist Gelegenheit zu geben, Anregungen und Vorschläge zu der Hausordnung einzureichen. Die Hausordnung soll nähere Bestimmungen über die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der untergebrachten Menschen nach diesem Gesetz und zur Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung enthalten und die Grundsätze zur Ausübung des Hausrechts bestimmen. In ihr sind insbesondere zu regeln:
1.
die Einbringung und Verwahrung von Geld, Wertsachen und anderen Gegenständen,
2.
die Wahrnehmung der Informationsfreiheit durch Fernseh- und Hörfunkempfang sowie durch Zeitungen und Zeitschriften,
3.
die Ausgestaltung der Räume sowie das Verfahren für die Durchsuchung,
4.
die Einkaufsmöglichkeiten,
5.
ein Rauchverbot,
6.
ein Alkoholverbot,
7.
ein Verbot der Einnahme mitgebrachter oder beschaffter Medikamente,
8.
die Besuchs- und Telefonzeiten,
9.
die Freizeitgestaltung,
10.
der Aufenthalt im Freien und
11.
weitere Verhaltensvorschriften, soweit sie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung erforderlich sind.
Die Hausordnung ist den untergebrachten Menschen bekannt zu geben und in schriftlicher Form auszuhändigen. Sie ist an allgemein zugänglichen Stellen in der Einrichtung des Maßregelvollzugs auszuhängen oder auszulegen.

§ 22 Besuchskommission

(1) Zur Vertretung der Belange und Anliegen der im Maßregelvollzug untergebrachten Menschen bestellt die oberste Landesgesundheitsbehörde eine Besuchskommission.
(2) Die Besuchskommission soll die Einrichtungen des Maßregelvollzugs mindestens zweimal jährlich besuchen. Zwischen zwei Besuchen dürfen nicht mehr als sechs Monate liegen. Es ist sicherzustellen, dass die Besuchskommission auch zwischen den Besuchen für Anliegen und Beschwerden erreichbar ist. Die Besuchskommission soll prüfen, ob die Rechte der untergebrachten Menschen gewahrt werden und die Ziele des Maßregelvollzugs beachtet werden. Sie wirkt bei der Gestaltung des Maßregelvollzugs beratend mit. Aufgabe der Besuchskommission ist es, Anregungen und Beschwerden der im Maßregelvollzug untergebrachten Menschen entgegenzunehmen und zu prüfen. Die Besuchskommission kann zu einem Besuch weitere geeignete Personen hinzuziehen, die nicht in der besuchten Einrichtung des Maßregelvollzugs beschäftigt sind. Die Besuchskommission ist berechtigt, die Einrichtungen des Maßregelvollzugs unangemeldet zu besuchen.
(3) Der Besuchskommission gehören sechs Personen an, die nicht in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs beschäftigt sind. Auf ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern soll geachtet werden. Mitglieder sind
1.
eine Ärztin oder ein Arzt, die oder der in der Psychiatrie und im Maßregelvollzug erfahren ist,
2.
eine Psychologin oder ein Psychologe, die oder der in der Psychiatrie und im Maßregelvollzug erfahren ist,
3.
eine in Maßregelvollzugsangelegenheiten erfahrene Person mit Befähigung zum Richteramt,
4.
ein in Maßregelvollzugsangelegenheiten erfahrenes Mitglied auf Vorschlag der Vereinigungen der Angehörigen und Freunde psychisch kranker Menschen,
5.
eine Vertreterin oder ein Vertreter aus dem Kreis psychiatrieerfahrener Menschen sowie bei Bedarf eine Assistenzperson und
6.
die oder der Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten.
(4) Die Mitglieder wählen die Vorsitzende oder den Vorsitzenden und eine Vertreterin oder einen Vertreter; Wiederwahl ist zulässig. Beim Ausscheiden eines Mitgliedes ist für die Restdauer der Amtszeit der Besuchskommission ein Ersatzmitglied zu bestellen.
(5) In den Einrichtungen des Maßregelvollzugs ist durch Aushang an geeigneter Stelle unter Bekanntgabe des Namens und der Anschrift der oder des Vorsitzenden der Besuchskommission oder der Vertretung auf die Besuchskommission und ihre Aufgaben hinzuweisen.
(6) Der Besuchskommission ist ungehinderter Zugang zu den Einrichtungen des Maßregelvollzugs zu gewähren; ihr sind die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in die Unterlagen zu gewähren. Personenbezogene Auskünfte bedürfen der Zustimmung der betroffenen untergebrachten Menschen. Bei den Besuchen ist den untergebrachten Menschen auch Gelegenheit zu geben, in Abwesenheit von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern der Einrichtung des Maßregelvollzugs Wünsche und Beschwerden vorzutragen. Die Besuchskommission ist zur Verschwiegenheit nach den Bestimmungen des § 96 Landesverwaltungsgesetz verpflichtet.
(7) Über ihre Tätigkeit berichtet die Besuchskommission der obersten Landesgesundheitsbehörde und dem Sozialausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages einmal jährlich.
(8) Für die Tätigkeit in der Besuchskommission und für die nach Absatz 2 hinzugezogenen Personen gelten die Vorschriften für ehrenamtliche Tätigkeit. Für die Tätigkeit in der Besuchskommission ist eine Amtsdauer von mindestens vier und höchstens sechs Jahren festzulegen; Wiederbestellung ist zulässig. Die Besuchskommission bleibt nach Ablauf ihrer Amtsdauer bis zum Amtsantritt der neuen Besuchskommission im Amt.
(9) Die oberste Landesgesundheitsbehörde und die Einrichtungen des Maßregelvollzugs haben die Besuchskommission bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen. Die Besuchskommission kann für die organisatorische Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere für Schreibarbeiten, Postversand und Telefongespräche, die Hilfe der Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Anspruch nehmen. Die dadurch entstehenden Kosten gehören zu den Kosten des Maßregelvollzugs.

Abschnitt 3 Finanzielle Regelungen

§ 23 Verfügung über Eigengeld, Barbeträge, Konten

(1) Der untergebrachte Mensch kann über eigenes Geld nur mit vorheriger Zustimmung der Einrichtung verfügen, es sei denn, dass sich die Verfügungen nicht auf das Leben in der Vollzugseinrichtung auswirken.
(2) Der untergebrachte Mensch hat Anspruch auf die Gewährung eines angemessenen Barbetrags aus seinem Eigengeld zur persönlichen Verfügung. Die Höhe des Barbetrags wird von der Einrichtung in der Hausordnung bestimmt.
(3) Die Einrichtung richtet für jeden untergebrachten Menschen ein Eigengeldkonto ein. Auf diesem Konto werden alle Zahlungen der Einrichtung und die Geldbeträge geführt, die der untergebrachte Mensch bei der Aufnahme einbringt und während der Unterbringung erhält. Verfügungsberechtigt ist der untergebrachte Mensch oder seine gesetzliche Vertretung.
(4) Die Verfügbarkeit über Bargeld oder das Eigengeldkonto kann seitens der Einrichtung beschränkt werden, soweit dies erforderlich ist, um den Zweck der Unterbringung nicht zu gefährden, um erhebliche Rechtsgüter dritter Personen zu schützen, die Aufrechterhaltung der Sicherheit zu gewährleisten oder um eine schwerwiegende Störung der Ordnung in der Einrichtung abzuwenden.

§ 24 Taschengeld

Der untergebrachte Mensch erhält ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 27b Absatz 2 und § 90 Absatz 2 Nummer 9 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch gelten. Die Verfügbarkeit über das Taschengeld kann beschränkt werden, soweit die Erreichung der Ziele des Maßregelvollzugs gefährdet werden.

§ 25 Arbeitsentgelt, Zuwendungen

(1) Für die Leistung wirtschaftlich ergiebiger Arbeit erhält die untergebrachte Person vom Träger der Einrichtung ein angemessenes Entgelt, das Art und Umfang der Tätigkeit entspricht.
(2) Für sonstige Tätigkeiten im Rahmen einer Arbeitstherapie, für die Teilnahme an beruflicher Eingliederung, am Unterricht oder an heilpädagogischer Förderung können der untergebrachten Person Zuwendungen gewährt werden.

§ 26 Überbrückungsgeld

(1) Aus den erzielten Einnahmen nach § 25 ist ein Überbrückungsgeld zu bilden. Die Höhe des Überbrückungsgeldes bestimmt sich nach dem Betrag, den die untergebrachte Person sowie deren Unterhaltsberechtigte für die ersten vier Wochen nach der Entlassung als notwendigen Lebensunterhalt entsprechend den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch benötigen.
(2) Aus Zeiten im Justizvollzug vorhandenes Überbrückungsgeld fließt in das Überbrückungsgeld gemäß Absatz 1 ein.
(3) Das Überbrückungsgeld ist in geeigneter Weise anzulegen oder von der Einrichtung in Höhe des für ein Sparbuch mit gesetzlicher Kündigungsfrist geltenden Zinssatzes zu verzinsen.
(4) Das Überbrückungsgeld wird dem untergebrachten Menschen oder der gesetzlichen Vertretung bei der Entlassung ausgezahlt. Es kann auch bei der Gewährung von Urlaub teilweise ausgezahlt werden oder für sonstige Ausgaben verwendet werden, die unmittelbar der Wiedereingliederung dienen. Mit Zustimmung des untergebrachten Menschen kann die Auszahlung auch an Dritte erfolgen. Bei einer Verlegung in den Justizvollzug wird das während der Dauer des Maßregelvollzugs angesparte Überbrückungsgeld als Überbrückungsgeld mitgegeben oder dem Eigengeld zugeführt, sofern kein Überbrückungsgeld gebildet wird.
(5) Beabsichtigte Entscheidungen über die Bildung und die Auszahlung des Überbrückungsgeldes sind mit der untergebrachten Person oder der gesetzlichen Vertretung zu erörtern.
(6) Für den Pfändungsschutz des Überbrückungsgeldes gilt § 51 Absatz 4 und 5 Strafvollzugsgesetz (StVollzG).

Abschnitt 4 Sicherungsmaßnahmen

§ 27 Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Zur Sicherung des Vollzugs der Maßregel, der einstweiligen Unterbringung und der Sicherungshaft sind als erkennungsdienstliche Maßnahmen zulässig
1.
die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
2.
die Aufnahme von Lichtbildern,
3.
die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale und
4.
Messungen.
(2) Die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen sind in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs getrennt von den Krankenakten aufzubewahren. Entweicht der untergebrachte Mensch oder hält er sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung des Maßregelvollzugs auf, können die Unterlagen der Strafvollstreckungsbehörde und der Polizei zum Zwecke der Fahndung und der Identifizierung übermittelt werden. Sie können auch zu kriminalpolizeilichen Sammlungen genommen werden. Eine Verwertung ist nur zulässig, soweit dies für die Fahndung oder Identifizierung oder kriminalpolizeiliche Zwecke erforderlich ist.
(3) Nach Erledigung der Maßregel, der einstweiligen Unterbringung oder der Sicherungshaft sind die erkennungsdienstlichen Unterlagen aus Maßnahmen nach Absatz 1 unverzüglich zu vernichten.
(4) Die Einrichtung des Maßregelvollzugs regelt die Herstellung der erkennungsdienstlichen Unterlagen nach Absatz 1, deren Aufbewahrung, Übermittlung und Vernichtung in der Einrichtung des Maßregelvollzugs nach Absatz 2 und 3 sowie Einsichtsrechte in die erkennungsdienstlichen Unterlagen in der Einrichtung des Maßregelvollzugs durch Verfahrensvorschrift, die von der Aufsichtsbehörde zu genehmigen ist.

§ 28 Durchsuchung

(1) Bei dem Verdacht der Gefährdung der Ziele des Maßregelvollzugs oder der Sicherheit in der Einrichtung oder zur Abwehr einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung dürfen allgemein oder im Einzelfall die Sachen untergebrachter Menschen und die Unterbringungsräume durchsucht werden. § 14 Absatz 3 bleibt unberührt.
(2) Wenn Tatsachen dafürsprechen, dass durch den untergebrachten Menschen eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit in der Einrichtung des Maßregelvollzugs oder eine erhebliche Selbstgefährdung droht, darf die betreffende Person einschließlich der am Körper getragenen Kleidung auf Anordnung der für seine Behandlung zuständigen Ärztin oder des für seine Behandlung zuständigen Arztes durchsucht werden, wenn diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Hat die Ärztin oder der Arzt die Behandlung zur selbstständigen Durchführung an eine Psychologin oder einen Psychologen übertragen, kann die Durchsuchung auch von ihr oder ihm angeordnet werden. Satz 1 und 2 gilt nicht für die Durchsuchung nach Absatz 3.
(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 ist eine mit einer ganzen oder teilweisen Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung zulässig. Sie muss in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden; andere untergebrachte Menschen dürfen nicht anwesend sein. Frauen und Mädchen sollen nur durch weibliches Personal, Männer und Jungen nur durch männliches Personal durchsucht werden. Das Schamgefühl ist zu schonen. Über die Durchsuchung nach Satz 1 bis 4 ist ein von der Ärztin oder dem Arzt zu unterzeichnendes Protokoll zu fertigen, das dem untergebrachten Menschen zur Kenntnis zu geben und zu den Krankenakten zu nehmen ist.
(4) Die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung kann allgemein anordnen, dass untergebrachte Menschen bei der Aufnahme und nach einer Abwesenheit von der Station oder aus der Einrichtung durchsucht oder abgesondet werden, es sei denn im Einzelfall ist davon auszugehen, dass die untergebrachte Person nicht unerlaubt Gegenstände oder Drogen in die Einrichtung transportiert.

§ 29 Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen

(1) Auf Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen gegenüber dem untergebrachten Menschen soll grundsätzlich verzichtet werden. In den Einrichtungen sind Methoden und Instrumentarien zu entwickeln, zu evaluieren und anzuwenden, um Krisensituationen ohne Zwang zu bewältigen. Es ist sicherzustellen, dass bei der Anwendung von Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen das nach dem aktuellen medizinischen Stand am wenigsten eingreifende geeignete Mittel zur Verfügung steht. Dazu haben die Einrichtungen der Fachaufsicht ein auf die konkreten Gegebenheiten vor Ort abzustellendes Konzept zur Vermeidung von Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen vorzulegen und mit ihr abzustimmen.
(2) Wenn es zur Sicherung des Zwecks der Unterbringung, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung unerlässlich ist, dürfen Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen angeordnet werden. In Betracht kommen insbesondere
1.
der Entzug oder das Vorenthalten von Gegenständen,
2.
die Beobachtung des untergebrachten Menschen,
3.
die Absonderung von anderen untergebrachten Menschen oder
4.
das Festhalten des untergebrachten Menschen.
Eine Maßnahme hat zu unterbleiben, wenn die Gefahr unter Beachtung des aktuellen wissenschaftlichen Stands auch anders abgewendet werden kann oder ein durch die Maßnahme zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.
(3) Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen sind vor ihrer Anwendung dem untergebrachten Menschen anzukündigen und zu begründen. Die Ankündigung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen.
(4) Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen dürfen nur von einer Ärztin oder einem Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie aufgrund eigener Untersuchung angeordnet werden. Sie sind zu befristen und unverzüglich aufzuheben, sobald die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen. Die weitere Notwendigkeit der Maßnahme ist regelmäßig in angemessenen Zeitabständen durch eine Ärztin oder einen Arzt zu überprüfen.
(5) Bei Gefahr im Verzug dürfen die Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen auch von einer therapeutischen Mitarbeiterin oder einem therapeutischen Mitarbeiter vorläufig durchgeführt werden; die Anordnung einer Ärztin oder eines Arztes ist unverzüglich herbeizuführen.

§ 30 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Bei einem untergebrachten Menschen dürfen zeitweise besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn und solange die Gefahr besteht, dass der untergebrachte Mensch gegen Personen gewalttätig wird oder sich selbst tötet oder erheblich verletzt. Für besondere Sicherungsmaßnahmen gilt § 29 nach Maßgabe dieses Paragraphen.
(2) Eine besondere Sicherungsmaßnahme darf nur angeordnet werden, wenn und soweit mildere Mittel nicht in Betracht kommen, insbesondere, weil Maßnahmen nach § 29 in der konkreten Situation aussichtlos erscheinen oder bereits erfolglos geblieben sind und ein durch die Maßnahme zu erwartender Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.
(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind:
1.
die Unterbringung in einem besonderen Raum ohne gefährdende Gegenstände (Kriseninterventionsraum) oder
2.
die sedierende Medikation oder
3.
die Fixierung durch mechanische Hilfsmittel einschließlich der medizinisch erforderlichen Medikation (Fixierungsmaßnahme). Nicht umfasst ist die Fixierung an weniger als zwei Gliedern (sogenannte 1-Punkt-Fixierung) zur Sicherstellung einer laufenden somatischen Behandlung.
(4) Der von einer besonderen Sicherungsmaßnahme betroffene Mensch ist in besonderem Maße zu überwachen und betreuen. Nach Beendigung der Maßnahme ist ihm die Möglichkeit einer Nachbesprechung im Hinblick auf eine therapeutische Aufarbeitung einzuräumen.
(5) Eine nicht nur kurzfristige oder sich regelmäßig wiederholende Fixierungsmaßnahme bedarf einer Anordnung des Gerichts auf schriftlichen Antrag der Einrichtung. Dem Antrag ist eine ärztliche Stellungnahme hinzuzufügen.
(6) Bei Gefahr im Verzug darf eine Fixierungsmaßnahme von einer Ärztin oder einem Arzt aufgrund eigener Untersuchung angeordnet werden. Ein Antrag auf richterliche Entscheidung ist unverzüglich nach Beginn der Maßnahme zu stellen. Die Beendigung der Maßnahme ist dem Gericht mitzuteilen. Der untergebrachte Mensch ist nach Beendigung einer Fixierungsmaßnahme, die nicht richterlich angeordnet oder genehmigt wurde, auf die Möglichkeit eines Antrags auf gerichtliche Überprüfung der durchgeführten Maßnahme hinzuweisen.
(7) Bei Fixierungsmaßnahmen ist kontinuierlich eine Betreuung durch unmittelbaren Sicht- und Sprechkontakt durch hinreichend geschultes Einrichtungspersonal sicherzustellen. Auf eine unmittelbare räumliche Anwesenheit kann auf Wunsch des betroffenen Menschen oder in medizinisch begründeten Ausnahmefällen verzichtet werden; ein ständiger Sicht- und Sprechkontakt außerhalb des Fixierungsraumes zum fixierten Menschen ist aufrecht zu erhalten. Fixierungs- und Isolierungsmaßnahmen müssen in gesonderten Räumen so durchgeführt werden, dass die Privatsphäre des betroffenen Menschen soweit wie möglich gewahrt wird.
(8) Die Anordnung und Durchführung besonderer Sicherungsmaßnahmen sind zu dokumentieren; es ist mindestens aufzuzeichnen:
1.
die Ankündigung und Begründung gegenüber dem untergebrachten Menschen oder ihr Unterbleiben,
2.
die Gründe für die Anordnung einschließlich der vergeblich ergriffenen milderen Mittel,
3.
die gerichtliche Anordnungsentscheidung, sofern erforderlich,
4.
die Art und der Beginn der Maßnahme,
5.
die Art der Betreuung,
6.
eine etwaige Verlängerung oder das Ende der Maßnahme,
7.
die Nachbesprechung und
8.
der Hinweis auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Maßnahme.
Die Aufzeichnung ist zu den Krankenakten zu nehmen und von einer Ärztin oder einem Arzt zu verantworten. Die Aufzeichnung ist anonymisiert zu einer jährlichen Dokumentation zusammenzufassen und an das zuständige Ministerium zu übermitteln. Das zuständige Ministerium berichtet einmal in der Legislaturperiode schriftlich an den Sozialausschuss des Landtages.
(9) Von der Anordnung einer besonderen Sicherungsmaßnahme ist die gesetzliche Vertretung des untergebrachten Menschen unverzüglich zu benachrichtigen.

§ 31 Unmittelbarer Zwang

(1) Anordnungen nach diesem Gesetz dürfen von Vollzugskräften nach § 252 des Landesverwaltungsgesetzes im Wege des unmittelbaren Zwangs nach § 251 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Landesverwaltungsgesetzes gegenüber untergebrachten Menschen durchgesetzt werden. Die Anwendung des unmittelbaren Zwangs ist mündlich anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen.
(2) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgrund anderer Vorschriften bleibt unberührt.

Abschnitt 5 Vollzugslockerungen, offener Vollzug, Bewährung

§ 32 Vollzugslockerungen, offener Vollzug

(1) Im Vollzug der Maßregeln richtet sich das Maß des Freiheitsentzugs nach dem Erfolg der Behandlung. Gefährdungen der Allgemeinheit, die von dem untergebrachten Menschen ausgehen können, sind zu berücksichtigen. Der Vollzug der Maßregel ist dann zu lockern, wenn zu erwarten ist, dass
1.
dadurch die Ziele des Maßregelvollzugs nicht gefährdet werden und
2.
der untergebrachte Mensch die ihm eingeräumten Möglichkeiten nicht missbrauchen, insbesondere die Allgemeinheit nicht gefährden oder sich der weiteren Vollstreckung der Maßregel nicht entziehen wird.
(2) Der untergebrachte Mensch ist bei Lockerungen des Vollzugs der Maßregel berechtigt,
1.
regelmäßig einer Beschäftigung außerhalb des geschlossenen Vollzugs
a)
unter Aufsicht einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters der Einrichtung des Maßregelvollzugs (Außenbeschäftigung) oder
b)
ohne Aufsicht (Freigang)
nachzugehen,
2.
zu bestimmten Zeiten den geschlossenen Vollzug
a)
unter Aufsicht einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters der Einrichtung des Maßregelvollzugs (Ausführung) oder
b)
ohne Aufsicht (Ausgang) oder in Begleitung einer anderen geeigneten Person (Begleitausgang) zu verlassen,
3.
über Nacht der Einrichtung fernzubleiben, ohne außerhalb zu wohnen,
4.
zur Vorbereitung auf ihre Entlassung in eine Einrichtung oder sonstige Obhut außerhalb der Einrichtung des Maßregelvollzugs verlegt zu werden (Probewohnen) oder
5.
in den offenen Vollzug einer Einrichtung des Maßregelvollzugs verlegt zu werden.
(3) Vollzugslockerungen der nach § 1 Absatz 2 untergebrachten Menschen sind nur nach Maßgabe des Absatzes 1 und Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a zulässig; § 119 StPO bleibt unberührt.
(4) Ausführung und Ausgang können aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Erledigung persönlicher, familiärer, rechtlicher oder geschäftlicher Angelegenheiten des untergebrachten Menschen, auch dann zugelassen werden, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 nicht erfüllt sind. Satz 1 gilt für die Ausführung entsprechend für die nach § 1 Absatz 2 untergebrachten Menschen.
(5) In einem Zeitraum von sechs Monaten vor einer vom Gericht in Aussicht gestellten Entlassung sind dem untergebrachten Menschen die zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlichen Vollzugslockerungen nach Absatz 2 zu gewähren, sofern nicht aufgrund konkreter Tatsachen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass der untergebrachte Mensch sich dem Vollzug der Maßregel entziehen oder die Vollzugslockerungen zu Straftaten missbrauchen wird.

§ 33 Weisungen, Widerruf von Vollzugslockerungen und des offenen Vollzugs

(1) Vollzugslockerungen und Verlegungen in den offenen Vollzug können mit Weisungen verbunden werden, soweit es zur Förderung der Ziele des Maßregelvollzugs erforderlich ist. Untergebrachten Menschen kann insbesondere die Weisung erteilt werden,
1.
die seelische Störung, die zur Anordnung der Maßregel geführt hat, behandeln zu lassen,
2.
sich von einer bestimmten Stelle oder Person beaufsichtigen zu lassen,
3.
Anordnungen über den Aufenthalt oder ein bestimmtes Verhalten außerhalb der Einrichtung des Maßregelvollzugs zu befolgen und
4.
in bestimmten Abständen in die Einrichtung des Maßregelvollzugs zurückzukehren.
(2) Vollzugslockerungen und Verlegungen in den offenen Vollzug können widerrufen werden, wenn
1.
Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine Versagung gerechtfertigt hätten, oder
2.
untergebrachte Menschen die Vollzugslockerungen nach § 32 Absatz 2 und 3 missbrauchen oder Weisungen nicht nachkommen.

§ 34 Beteiligung der Strafvollstreckungsbehörde

(1) Die Einrichtung des Maßregelvollzugs benachrichtigt die Strafvollstreckungsbehörde rechtzeitig vor dem beabsichtigten Beginn über
1.
eine Außenbeschäftigung,
2.
Freigang,
3.
Ausgang,
4.
die Verlegung in den offenen Vollzug,
5.
Fernbleiben aus der Einrichtung über Nacht bis zu drei Tagen, ohne außerhalb zu wohnen,
6.
Probewohnen und damit verbundene Weisungen. Urlaub von mehr als drei Tagen ist nach Anhörung und unter Benachrichtigung der Strafvollstreckungsbehörde zulässig.
(2) Die Strafvollstreckungsbehörde kann innerhalb von vier Wochen nach dem Zugang der Benachrichtigung gegen eine Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 Bedenken erheben und hinsichtlich der Art der Maßnahme oder einer Weisung Änderungen vorschlagen. Die Strafvollstreckungsbehörde hat Bedenken und Änderungsvorschläge zu begründen. Der untergebrachte Mensch ist von der Einrichtung über die Bedenken und Änderungsvorschläge der Strafvollstreckungsbehörde zu informieren und darauf hinzuweisen, dass die den Bedenken der Strafvollstreckungsbehörde Rechnung tragenden Maßnahmen gerichtlich überprüft werden können.
(3) Die Einrichtung des Maßregelvollzugs ist an Bedenken und Vorschläge der Vollstreckungsbehörde nicht gebunden. Die Gründe der Nichtberücksichtigung sind der Vollstreckungsbehörde mitzuteilen und zur Krankenakte zu nehmen.
(4) Die Einrichtung des Maßregelvollzugs unterrichtet die Strafvollstreckungsbehörde über den Widerruf einer Maßnahme nach Absatz 1.
(5) Hält sich ein untergebrachter Mensch ohne Erlaubnis außerhalb der forensischen Klinik der Einrichtung des Maßregelvollzugs auf (Entweichung), hat die Einrichtung des Maßregelvollzugs dies unverzüglich der zuständigen Strafvollstreckungs-, Polizei- und Aufsichtsbehörde nach Maßgabe des § 39 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 mitzuteilen.

§ 35 Anregung einer Aussetzung zur Bewährung oder zur Erledigung der Maßregel

Die Einrichtung des Maßregelvollzugs unterrichtet die Strafvollstreckungsbehörde und die Aufsichtsbehörde, sobald es nach ihrer Beurteilung geboten ist, die Vollstreckung im Maßregelvollzug zur Bewährung auszusetzen oder die Maßregel zu erledigen. Entsprechendes gilt für die Aussetzung der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO oder nach §§ 453c und 463 Absatz 1 StPO.

Abschnitt 6 Gerichtlicher Rechtsschutz

§ 36 Gerichtliches Verfahren und Rechtsbehelfe

Für das gerichtliche Verfahren gilt § 138 Absatz 3 und 4 StVollzG.

Dritter Teil Datenschutz

§ 37 Datenverarbeitung

(1) Die Einrichtung des Maßregelvollzugs und die Aufsichtsbehörde (verantwortliche Stellen) dürfen personenbezogene Daten verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Maßregelvollzugs erforderlich ist. Die Aufsichtsbehörde darf personenbezogene Daten über die untergebrachten Menschen sowie die im Maßregelvollzug beschäftigten Menschen auch verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der Aufsicht gemäß § 5 Absatz 4, nach §§ 34 und 35 sowie zur Rechnungsprüfung erforderlich ist.
(2) Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten durch die verantwortlichen Stellen ist nur zulässig, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 unbedingt erforderlich ist.
(3) Die Einrichtung des Maßregelvollzugs darf
1.
personenbezogene Daten über Verwandte, über Personen aus dem beruflichen und sozialen Umfeld des untergebrachten Menschen sowie über Geschädigte und
2.
Namen und Anschriften von Besucherinnen und Besuchern, einschließlich der Besuchszeit und eventueller Erkenntnisse über Verwandtschafts- oder Beziehungsverhältnisse zum untergebrachten Menschen in Listenform
verarbeiten, soweit dies im Zusammenhang mit dem Vollzug der Unterbringung, zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder zur Abwendung schwerwiegender Störungen der Ordnung in der Einrichtung oder zur Verhinderung weiterer rechtswidriger Taten erforderlich ist und keine entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen dieser Dritten überwiegen.

§ 38 Datenerhebung bei untergebrachten Menschen und Dritten

Personenbezogene Daten über die untergebrachte Person sollen grundsätzlich bei ihr erhoben werden. Sie dürfen bei Dritten erhoben werden, soweit die Daten zur Beurteilung des Gesundheitszustands der untergebrachten Person oder zu ihrer Eingliederung erforderlich sind und soweit eine Erhebung bei der untergebrachten Person nicht möglich ist.

§ 39 Datenübermittlung

(1) Ärztinnen und Ärzte, sonstige behandelnde oder betreuende Personen, Gerichte, Staatsanwaltschaften und Behörden sind befugt, der Einrichtung des Maßregelvollzugs Strafurteile, staatsanwaltschaftliche Ermittlungssachverhalte, psychiatrische und psychologische Gutachten aus gerichtlichen oder staatsanwaltlichen Verfahren, den Lebenslauf und Angaben über die bisherige Entwicklung sowie Angaben über Krankheiten, Körperschäden und Verhaltensauffälligkeiten des untergebrachten Menschen durch Übermittlung offen zu legen, es sei denn, dass Rechtsvorschriften außerhalb der allgemeinen Regelungen über die Berufs- und Amtsverschwiegenheit dies untersagen. Für besondere Kategorien personenbezogener Daten gilt dies nur, soweit dies zur rechtmäßigen Erfüllung der Zwecke, zu denen sie übermittelt werden sollen, unbedingt erforderlich ist.
(2) Die Einrichtung des Maßregelvollzugs darf personenbezogene Daten an Dritte übermitteln, soweit dies erforderlich ist,
1.
zur Unterrichtung der Strafvollstreckungsbehörde, des Gerichtes, der Führungsaufsichtsstelle, der Bewährungshilfe, der rechtlichen Betreuerin oder des rechtlichen Betreuers oder der gesetzlichen Vertreterinnen oder Vertreter,
2.
zur Unterrichtung der Aufsichtsbehörde,
3.
für die Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens über eine rechtliche Betreuung des untergebrachten Menschen,
4.
zur Weiterbehandlung des untergebrachten Menschen durch eine Einrichtung, in die der untergebrachte Mensch im Rahmen des Maßregelvollzugs verlegt werden soll oder verlegt worden ist,
5.
zur Abwehr erheblicher Nachteile für den untergebrachten Menschen,
6.
für Maßnahmen im Falle der Entweichung eines untergebrachten Menschen,
7.
für die Erstellung eines externen Gutachtens nach § 8,
8.
für die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit und Ordnung der Einrichtung des Maßregelvollzugs gefährdet werden,
9.
zur Geltendmachung von Ansprüchen der Einrichtung des Maßregelvollzugs oder zur Abwehr von Ansprüchen, welche gegen die Einrichtung des Maßregelvollzugs oder ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtet sind,
10.
zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder vergleichbare Rechtsgüter,
11.
zur Auswertung der Tätigkeit der Einrichtung und der Tätigkeit der Beschäftigten der Einrichtung zu organisatorischen oder statistischen Zwecken,
12.
zur Vorbereitung und Sicherstellung einer sachgerechten Nachsorge nach der Entlassung.
Besondere Kategorien personenbezogener Daten dürfen nur übermittelt werden, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach Satz 1 unbedingt erforderlich ist.
(3) Werden besondere Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet, sind geeignete Garantien für die Rechtsgüter der betroffenen Personen vorzusehen. Geeignete Garantien können insbesondere sein
1.
spezifische Anforderungen an die Datensicherheit oder die Datenschutzkontrolle,
2.
die Festlegung von besonderen Aussonderungsprüffristen,
3.
die Sensibilisierung der an Verarbeitungsvorgängen Beteiligten,
4.
die Beschränkung des Zugangs zu den personenbezogenen Daten innerhalb der verantwortlichen Stelle,
5.
die von anderen Daten getrennte Verarbeitung,
6.
die Pseudonymisierung personenbezogener Daten,
7.
die Verschlüsselung personenbezogener Daten oder
8.
spezifische Verfahrensregelungen, die im Fall einer Übermittlung oder Verarbeitung für andere Zwecke die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung sicherstellen.
Eine Verarbeitung genetischer und biometrischer Daten ist nur zulässig, wenn sie in einer Rechtsvorschrift vorgesehen ist.
(4) Die Übermittlung personenbezogener Daten ist auch zulässig, soweit sie für die Bearbeitung von Eingaben, parlamentarischen Anfragen, Aktenvorlageersuchen oder die Arbeit der Besuchskommission erforderlich ist und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen.
(5) Die Empfängerin oder der Empfänger darf die übermittelten personenbezogenen Daten nur für die Zwecke verarbeiten, zu denen sie übermittelt wurden. Eine Weiterübermittlung an andere darf nur erfolgen, wenn die personenbezogenen Daten auch unmittelbar von der Einrichtung des Maßregelvollzugs durch Übermittlung offengelegt werden dürfen.
(6) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die übermittelnde Einrichtung des Maßregelvollzugs. Fordert die Aufsichtsbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben von der Einrichtung des Maßregelvollzugs Daten zur Übermittlung an, trägt sie die Verantwortung für die Zulässigkeit der Datenübermittlung.

§ 40 Datenübermittlung für wissenschaftliche Zwecke

Für die Übermittlung von Daten zu wissenschaftlichen Zwecken gilt § 476 StPO entsprechend mit der Maßgabe, dass auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können. Die Übermittlung kann auch auf elektronischem Wege erfolgen.

§ 41 Einsatz optisch-elektronischer Einrichtungen

(1) Die Einrichtung des Maßregelvollzugs darf Räume und Freiflächen mittels optisch-elektronischer Einrichtungen nur beobachten, soweit eine gesetzliche Bestimmung dies ausdrücklich für die Aufrechterhaltung der Sicherheit gestattet.
(2) Jede Einrichtung, die optisch-elektronische Einrichtungen einsetzt, hat ein einheitliches Konzept zur optisch-elektronischen Beobachtung der baulichen Anlagen zu erstellen. Das Konzept hat alle betriebsfähigen Einrichtungen sowie die von ihnen erfassten Bereiche in kartenmäßiger Darstellung zu enthalten und ist laufend fortzuschreiben.
(3) Bei der Planung optisch-elektronischer Einrichtungen ist sicherzustellen, dass
1.
die Beobachtung nur insoweit erfolgt, als dies für die Aufrechterhaltung der Sicherheit erforderlich ist, insbesondere um das Betreten bestimmter Zonen durch Unbefugte zu verhindern und
2.
den untergebrachten Menschen in der Einrichtung angemessene Bereiche verbleiben, in denen sie nicht mittels optisch-elektronischer Einrichtungen beobachtet werden.
(4) Die Beobachtung mittels optisch-elektronischer Einrichtungen (Monitoring) von Räumen und Freiflächen ist durch sprachliche und nicht sprachliche Zeichen auf eine Weise kenntlich zu machen, die die Tatsache und die Reichweite der Beobachtung jederzeit eindeutig erkennbar macht.
(5) Die Beobachtung eines öffentlich frei zugänglichen Raumes außerhalb der Grenzen der Einrichtung mittels optisch-elektronischer Einrichtungen ist nur und soweit zulässig, wie dies aufgrund der örtlichen Gegebenheiten zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Einrichtung auch unter Berücksichtigung der Belange Dritter unerlässlich ist, insbesondere um Fluchtversuche sowie Überwürfe von Gegenständen auf das Einrichtungsgelände zu verhindern.
(6) Die Beobachtung des Einrichtungsgeländes sowie innerhalb der Einrichtung mittels optisch-elektronischer Einrichtungen ist zulässig, soweit dies aus Gründen der Sicherheit erforderlich ist und Absatz 8 nichts anderes bestimmt.
(7) Die Beobachtung mittels Videotechnik in Interventions-, Aufenthalts-, Wohn- und Schlafräumen ist unzulässig. Im Rahmen einer Beobachtung ist die optisch-elektronische Beobachtung zulässig, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung erforderlich ist. Soweit die Erforderlichkeit entfällt, ist die optisch-elektronische Beobachtung unverzüglich zu beenden. Die optisch-elektronische Beobachtung ist im Rahmen der Anordnung der Beobachtung ausdrücklich schriftlich anzuordnen und zu begründen; in der Anordnung ist der Umfang der Beobachtung zu bestimmen. Entfallen die Gründe, die zur Anordnung geführt haben, muss diese unverzüglich beendet werden. Sie ist spätestens nach 72 Stunden zu beenden, sofern sie nicht durch eine neue Anordnung verlängert wird. Die Beobachtung mittels Videotechnik ist durch eine Ärztin oder einen Arzt anzuordnen. Die Anordnung bedarf der Zustimmung der ärztlichen Leitung der forensischen Klinik. Bei der Beobachtung mittels Videotechnik ist auf die Bedürfnisse des untergebrachten Menschen nach Wahrung seiner Intimsphäre angemessen Rücksicht zu nehmen, insbesondere sind sanitäre Einrichtungen, Behandlungszimmer oder der Kontakt zu Seelsorgern von der Überwachung auszunehmen. Der untergebrachte Mensch ist an der Wahl, ob mittels Videotechnik oder mit Eins-zu-Eins-Betreuung überwacht wird, zu beteiligen. Die Beobachtung der Patientinnen soll durch weibliche Beschäftigte, die Beobachtung der Patienten durch männliche Beschäftigte erfolgen. Bei berechtigtem Interesse soll dem Wunsch, die Untersuchung einer Person oder einem Arzt bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden.
(8) Die mittels optisch-elektronischer Einrichtungen auf dem äußeren Klinikgelände zulässig erhobenen Daten dürfen nur gespeichert werden (Videoaufzeichnung), wenn dies zur Erreichung des die Erhebung gestattenden Zwecks erforderlich ist. Sobald dieser Zweck entfällt, sind die Daten unverzüglich, spätestens nach 72 Stunden, zu löschen. Eine Speicherung darüber hinaus ist nur zulässig, soweit und solange dies zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erforderlich ist. Abweichend davon dürfen die erhobenen Daten nicht gespeichert werden. Mittels optisch-elektronischer Einrichtungen erhobene Daten dürfen nicht weiter verarbeitet werden, soweit sie dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung unterfallen. Durch geeignete Maßnahmen und Prüfungen ist sicherzustellen, dass keine weitere Verarbeitung dieser Daten erfolgt. Dennoch gespeicherte Daten sind unverzüglich zu löschen. Nicht erfasst sind Gespräche über Straftaten oder Gespräche, durch die Straftaten begangen werden. Die Verarbeitung der mittels optisch-elektronischer Einrichtungen erhobenen Daten ist zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.

§ 42 Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung

(1) Die unter dem Namen des untergebrachten Menschen vorhandenen personenbezogenen Daten sind von der Einrichtung spätestens zehn Jahre nach Vollzugsende zu löschen oder zu vernichten, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen. Ist zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt ein Rechtsstreit anhängig, sind die für den Rechtsstreit benötigten Daten erst nach dessen Beendigung zu löschen.
(2) Aufzeichnungen nach § 41 Absatz 5 Satz 2 sind spätestens nach Ablauf eines Monats zu löschen. Dies gilt nicht, soweit eine fortlaufende Speicherung oder Aufbewahrung zur Aufklärung und Verfolgung der aufgezeichneten Vorkommnisse unerlässlich ist.
(3) Erhobene Daten nach § 37 Absatz 3 sind spätestens nach der Entlassung des untergebrachten Menschen zu löschen.
(4) Soweit die Einrichtung im Vollzug eines untergebrachten Menschen nach § 1 Absatz 2 von einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptsacheverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch Kenntnis erlangt, sind personenbezogene Daten nach spätestens einem Monat ab Kenntniserlangung zu löschen.
(5) Personenbezogene Daten sind zu berichtigen, wenn sie unrichtig, unvollständig oder nicht mehr aktuell sind.

§ 43 Auskunft, Akteneinsicht

(1) Der untergebrachte Mensch, seine gesetzliche Vertreterin oder sein gesetzlicher Vertreter und seine Verteidigerin oder sein Verteidiger haben Anspruch auf Auskunft über die nach diesem Gesetz zum untergebrachten Menschen in der Einrichtung des Maßregelvollzugs gespeicherten Daten. Die Auskunft kann im beiderseitigen Einvernehmen mündlich durch eine Ärztin oder einen Arzt der Einrichtung des Maßregelvollzugs erteilt werden; ansonsten fertigt die Einrichtung gebührenfrei Kopien. Die Auskunft kann versagt werden, soweit die Verwirklichung der Ziele des Maßregelvollzugs wesentlich gefährdet würde. Dies gilt nicht für Auskünfte gegenüber seiner Verteidigerin oder seinem Verteidiger.
(2) Auf Antrag ist dem untergebrachten Menschen, seiner gesetzlichen Vertreterin oder seinem gesetzlichen Vertreter und seiner Verteidigerin oder seinem Verteidiger Akteneinsicht zu gewähren. Die Einsicht kann versagt werden, soweit die Verwirklichung der Ziele des Maßregelvollzugs wesentlich gefährdet würden oder berechtigte Interessen einer dritten Person die Geheimhaltung der personenbezogenen Daten erfordern. Dies gilt nicht für die Einsicht seiner Verteidigerin oder seines Verteidigers sowie seiner gesetzlichen Vertreterin oder seines gesetzlichen Vertreters.
(3) Die Mitglieder einer Delegation des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), des Unterausschuss der Vereinten Nationen zur Prävention von Folter (SPT) sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter erhalten während des Besuchs in der Einrichtung Einsicht in die vorhandenen Patientenakten, mit Ausnahme der Therapiegespräche, soweit dies zur Wahrnehmung der Aufgaben des Ausschusses oder der Stelle unbedingt erforderlich ist.

§ 44 Anwendbarkeit weiterer Vorschriften

Soweit in diesem Gesetz nicht etwas Abweichendes geregelt ist, gelten für die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke des Maßregelvollzugs die Regelungen im Abschnitt 3 des schleswig-holsteinischen Landesdatenschutzgesetzes.

Vierter Teil Kosten der Unterbringung

§ 45 Kosten der Unterbringung

(1) Die notwendigen Kosten einer Unterbringung nach § 1 Absatz 1 trägt das Land, soweit nicht ein Sozialleistungsträger zur Erstattung der Kosten vorrangig verpflichtet ist oder der untergebrachte Mensch zu den Kosten beizutragen hat.
(2) Wird die Aufgabe des Maßregelvollzugs gemäß § 5 Absatz 2 oder Absatz 3 übertragen, erhält der Träger der Einrichtung ein jährliches Budget für Personal- und Sachkosten für jede von ihm betriebene Einrichtung oder Abteilung. Der Träger der Aufgabe im Sinne des § 5 Absatz 2 oder Absatz 3 erhält für den Vollzug der Aufgaben des Maßregelvollzugs die tatsächlich entstandenen Kosten und Aufwendungen.
(3) Die Aufsichtsbehörde nach § 5 Absatz 4 Satz 2 legt nach Anhörung der Einrichtung das jährliche Personal- und Sachkostenbudget inklusive eines Stellenplans fest. Das Personal- und Sachkostenbudget ist so zu bemessen, dass die notwendigen Kosten gemäß Absatz 1 gedeckt sind. Hierzu sind im Rahmen einer Verwendungsnachweisprüfung nach Abschluss des Budgetjahres zu viel geleistete Beträge zurückzufordern oder zu gering geleistete Beträge auszugleichen. Eine Verrechnung in den Folgejahren ist zulässig.

§ 46 Kostenbeteiligung

(1) Von untergebrachten Menschen, die sich in einem freien Beschäftigungsverhältnis befinden, sich selbst beschäftigen, anderweitiges Vermögen besitzen oder über regelmäßige Einkünfte verfügen, ist für die Zeit im Maßregelvollzug ein Kostenbeitrag zu erheben. Der Kostenbeitrag kann von untergebrachten Menschen, die sich selbst beschäftigen, monatlich im Voraus ganz oder teilweise gefordert werden. Leistungen im Rahmen der Unterbringung bleiben unberücksichtigt. Von der Geltendmachung des Anspruchs ist abzusehen, soweit die Wiedereingliederung der untergebrachten Menschen hierdurch gefährdet würde.
(2) Der Kostenbeitrag wird in Höhe des Betrages erhoben, der nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Bei Selbstverpflegung entfallen die für die Verpflegung vorgesehenen Beträge. Für den Wert der Unterkunft ist die festgesetzte Belegungsfähigkeit maßgebend.

Fünfter Teil Schlussvorschriften

§ 47 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden im Rahmen des Artikels 19 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes die Rechte
1.
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes),
2.
auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes),
3.
auf ungestörte Religionsausübung (Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes),
4.
sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes),
5.
Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) und
6.
auf freie Verfügbarkeit über das Eigentum (Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 48 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Maßregelvollzugsgesetz vom 19. Januar 2000 (GVOBl. Schl.-H. S. 114)
*)
, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Mai 2015 (GVOBl. Schl.-H. S. 106), außer Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Kiel, 11. Dezember 2020
Daniel Günther Dr. Heiner Garg
Ministerpräsident Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren
Claus Christian Claussen Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Minister für Justiz, Europa und Verbraucherschutz Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung
Fußnoten
*)
GS Schl.-H. II, Gl.Nr. 2126-9
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