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DE - Landesrecht Schleswig-Holstein

Gesetz über die Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung (Parlamentsinformationsgesetz- PIG) Vom 17. Oktober 2006

Gesetz über die Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung
(Parlamentsinformationsgesetz- PIG)
Vom 17. Oktober 2006
Zum 09.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: §§ 1, 3, 8 und 9 geändert, §§ 1a und 9a eingefügt (Ges. v. 24.04.2018, GVOBl. S. 257)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz über die Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung (Parlamentsinformationsgesetz - PIG) vom 17. Oktober 200627.10.2006
Eingangsformel27.10.2006
§ 1 - Informationspflichten der Landesregierung01.06.2018
§ 1a - Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf Verlangen des Landtages01.06.2018
§ 2 - Vorbereitung von Gesetzen27.10.2006
§ 3 - Vorbereitung von Staatsverträgen01.06.2018
§ 4 - Grundsatzfragen der Landesplanung, der Standortplanung und der Durchführung von Großvorhaben27.10.2006
§ 5 - Vorbereitung von Verwaltungsabkommen27.10.2006
§ 6 - Vorbereitung von Verordnungen27.10.2006
§ 7 - Mitwirkung im Bundesrat27.10.2006
§ 8 - Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen01.06.2018
§ 9 - Zusammenarbeit mit der Europäischen Union01.06.2018
§ 9a - Berücksichtigung von Stellungnahmen01.06.2018
§ 10 - Anwendungs- und Auslegungsgrundsätze27.10.2006
§ 11 - Inkrafttreten27.10.2006
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1 Informationspflichten der Landesregierung

(1) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag frühzeitig und vollständig über
1.
die Vorbereitung von Gesetzen und Staatsverträgen,
2.
Grundsatzfragen der Landesplanung, der Standortplanung und der Durchführung von Großvorhaben
und, soweit es sich um Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung handelt, über
3.
die Vorbereitung von Verwaltungsabkommen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften,
4.
die Mitwirkung im Bundesrat und
5.
die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen, insbesondere der Europäischen Union, sowie deren Organen.
(2) Artikel 29 Absatz 3 der Landesverfassung
gilt entsprechend.
(3) Die Landesregierung informiert den Landtag in Verfahren nach
Artikel 30 Landesverfassung .

§ 1a Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf Verlangen des Landtages

In Verfahren nach Artikel 30 der Landesverfassung
informiert die Landesregierung den Landtag fortlaufend über die Prozessführung und den Verfahrensverlauf. Die Landesregierung hat Stellungnahmen des Landtags im Rahmen ihrer Prozessführung maßgeblich zu berücksichtigen. Das Nähere regeln der Landtag und die Landesregierung in einer Vereinbarung.

§ 2 Vorbereitung von Gesetzen

Das fachlich zuständige Ministerium unterrichtet den Landtag über Gesetzentwürfe der Landesregierung, sobald sie den kommunalen Spitzenverbänden, sonstigen Verbänden, Organisationen oder Körperschaften nach Abschluss des Ressortanhörungsverfahrens zur Anhörung zugeleitet werden.

§ 3 Vorbereitung von Staatsverträgen

(1) Will die Landesregierung einen Staatsvertrag abschließen, so unterrichtet das fachlich zuständige Ministerium den Landtag und leitet ihm die voraussichtliche Terminplanung der Staatsvertragsverhandlungen zu. Die Terminplanung berücksichtigt eine angemessene Parlamentsbeteiligung.
(2) Mindestens vier Wochen vor Unterzeichnung übermittelt das fachlich zuständige Ministerium dem Landtag den endgültigen Entwurf des Staatsvertrags und stellt seinen wesentlichen Gegenstand sowie die für und gegen seinen Abschluss sprechenden Gründe dar.
(3) Der Landtag informiert die Landesregierung sobald wie möglich, wenn sich aufgrund der Unterrichtung Einwände ergeben, die zu einer Verweigerung der Zustimmung (
Artikel 37 Absatz 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein
) führen könnten. Ist dem Landtag eine Befassung innerhalb von vier Wochen nach Eingang nicht möglich, so wird die Landesregierung hiervon sowie über die weitere Terminplanung unterrichtet. In diesen Fällen soll die Frist entsprechend verlängert werden, soweit keine überwiegenden Interessen des Landes Schleswig-Holstein entgegenstehen.
(4) Erfolgt eine Stellungnahme des Landtags, so berücksichtigt die Landesregierung diese bei ihrer Entscheidung; dies gilt auch für Stellungnahmen, die erst nach Ablauf der in Absatz 3 genannten Frist eingehen, soweit es nach dem Verfahrensstand noch möglich ist.
(5) Für die beabsichtigte Kündigung eines Staatsvertrags gelten die Absätze 2 bis 4 entsprechend.

§ 4 Grundsatzfragen der Landesplanung, der Standortplanung und der Durchführung von Großvorhaben

Das fachlich zuständige Ministerium unterrichtet den Landtag über Planungsvorhaben, die für die Entwicklung des Landes Schleswig-Holstein oder größerer Teile desselben raumbedeutsam sind.

§ 5 Vorbereitung von Verwaltungsabkommen

Die für Staatsverträge vereinbarten Regelungen aus
§ 3 gelten sinngemäß für Verwaltungsabkommen, die von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind oder im Landeshaushalt zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen von jeweils über eine Million Euro führen würden.

§ 6 Vorbereitung von Verordnungen

Die für die Vorbereitung von Gesetzen geltenden Regelungen des
§ 2 gelten für die Vorbereitung von Verordnungen entsprechend.

§ 7 Mitwirkung im Bundesrat

(1) Das fachlich zuständige Ministerium unterrichtet den Landtag unverzüglich, wenn beim Bundesrat Gesetzesinitiativen eingegangen sind,
a)
mit denen im Wege einer Verfassungsänderung Kompetenzen der Länder auf den Bund oder Kompetenzen des Bundes auf die Länder verlagert werden sollen oder
b)
die unbeschadet von a) für das Land Schleswig-Holstein von erheblicher landespolitischer einschließlich finanzieller Bedeutung sind.
Dies gilt entsprechend, wenn Entschließungsanträge oder andere Initiativen von vergleichbarer politischer Bedeutung beim Bundesrat eingegangen sind.
(2) Soweit die Landesregierung entsprechende Gesetzesinitiativen, Verordnungsanträge oder Entschließungsanträge im Bundesrat einbringt, leitet die Staatskanzlei dem Landtag den Text der Initiative spätestens gleichzeitig mit der Übermittlung an den Bundesrat zu.
(3) Erfolgt eine Stellungnahme des Landtags oder in eilbedürftigen Angelegenheiten eine vorläufige Stellungnahme des federführenden Ausschusses, so berücksichtigt die Landesregierung diese bei ihrer Entscheidung über ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat.

§ 8 Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen

(1) Das fachlich zuständige Ministerium unterrichtet den Landtag schriftlich über die wesentlichen Ergebnisse der Fachministerkonferenzen, soweit sie zur Veröffentlichung freigegeben und für das Land Schleswig-Holstein von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind. Gleiches gilt für die Staatskanzlei im Hinblick auf die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenzen.
(2) Unabhängig von Absatz 1 informiert die Landesregierung den Landtag über sonstige Vorgänge im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen, die für das Land Schleswig-Holstein von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere für die Unterrichtung des Landtages vor dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages durch den Bund, der die besonderen Verhältnisse des Landes Schleswig-Holstein berührt (
Artikel 32 Abs. 2 Grundgesetz ).

§ 9 Zusammenarbeit mit der Europäischen Union

(1) Das fachlich zuständige Ministerium unterrichtet den Landtag unverzüglich schriftlich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, die für das Land von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind und wesentliche Interessen des Landes unmittelbar berühren. Zu diesen Vorhaben gehören insbesondere Initiativen, die eine Verlagerung von Kompetenzen der Länder auf die Europäische Union zur Folge hätten.
(2) Das fachlich zuständige Ministerium übermittelt dem Landtag unverzüglich die im Bundesrat erstellten Eingangslisten über dem Bundesrat zugeleitete Dokumente. Auf Verlangen wird ihm - sofern nicht zwingende Gründe, insbesondere die Vertraulichkeit von Verhandlungen, entgegenstehen - eine Kopie einzelner, darin erfasster Dokumente der Organe der Europäischen Union, die für eine Behandlung im Landtag benötigt werden, zugeleitet, sofern durch das jeweilige Vorhaben der Europäischen Union ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen des Bundes, von denen dieser nicht Gebrauch gemacht hat, betroffen sind. Gleiches gilt in den Fällen des
Artikels 72 Absatz 3 Grundgesetz . Im Falle von Rechtsetzungsvorhaben der Europäischen Union übermittelt das fachlich zuständige Ministerium dem Landtag unverzüglich schriftlich eine Einschätzung zur Wahrung der Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit durch das Vorhaben.
(3) Das fachlich zuständige Ministerium weist den Landtag unverzüglich schriftlich auf im Zusammenhang mit der Behandlung von Vorhaben der Europäischen Union vom Bundesrat festgestellte Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip hin.
(4) Das fachlich zuständige Ministerium unterrichtet den Landtag unverzüglich schriftlich über die Ergebnisse der Europaministerkonferenzen und der Plenarsitzungen des Ausschusses der Regionen, soweit diese für das Land Schleswig-Holstein von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind.
(5) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet dem Landtag unverzüglich schriftlich über beabsichtigte Vertragsänderungen im Rahmen von Regierungskonferenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die die Zuständigkeiten des Landes berühren.
(6) Das fachlich zuständige Ministerium unterrichtet den Landtag unverzüglich schriftlich über Vorhaben der Europäischen Union, die eine Entscheidungsbefugnis des Bundesrates im Rahmen der
§§ 2 , 3 ,
4 , 5 Absatz 2 Nr. 4
, §§ 7 und 8 des Integrationsverantwortungsgesetzes
vom 22. September 2009 (BGBl. I S. 3022), zuletzt geändert am 1. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3822), auslösen, sofern es sich bei den Vorhaben um Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung für das Land handelt.
(7) Das fachlich zuständige Ministerium unterrichtet den Landtag unverzüglich schriftlich über Vorhaben der Europäischen Union, die eine Entscheidungsbefugnis des Bundesrates gemäß § 5 Absatz 2 Nr. 1 bis 3, § 6 Absatz 2, § 9 Absatz 2 oder § 10 Absatz 1 Nr. 2 und Absatz 3 des Integrationsverantwortungsgesetzes vom 22. September 2009 (BGBl. I S. 3022), zuletzt geändert am 1. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3822), auslösen.
(8) Das fachlich zuständige Ministerium übermittelt dem Landtag jährlich einen Bericht über Schwerpunkte der europapolitischen Aktivitäten der Landesregierung, in dem übergreifende Entwicklungen angesprochen werden.
Der Bericht soll Aussagen enthalten über:
-
die bilaterale und multilaterale interregionale Zusammenarbeit, insbesondere in der Versammlung der Regionen Europas,
-
die grenzüberschreitende Zusammenarbeit,
-
grundsätzliche und neue europapolitische Entwicklungen im Bundesrat,
-
die Arbeit im Ausschuss der Regionen der Europäischen Gemeinschaften,
-
die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips in der Rechtsetzung der Gemeinschaftsorgane und
-
aktuelle Entwicklungen und Perspektiven der europäischen Integration aus Sicht der Landesregierung.
(9) Das fachlich zuständige Ministerium übermittelt dem Landtag halbjährlich die von der jeweiligen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union vorgelegten Schwerpunkte ihrer Tätigkeit.
(10) Das Nähere über die Unterrichtung in Angelegenheiten der Europäischen Union regeln der Landtag und die Landesregierung in einer Vereinbarung.

§ 9a Berücksichtigung von Stellungnahmen

(1) Die Landesregierung gibt dem Landtag Gelegenheit zur Stellungnahme in Angelegenheiten der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union nach
§ 9 .
(2) Die Landesregierung berücksichtigt bei ihrer Entscheidung ihr rechtzeitig zugegangene Stellungnahmen des Landtages zu Vorhaben der Europäischen Union, welche für das Land von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind und wesentliche Interessen des Landes unmittelbar berühren. Entsprechendes gilt bei der Übertragung von Hoheitsrechten der Länder auf die Europäische Union.
(3) Weicht die Landesregierung in den Fällen des Absatzes 2 von Stellungnahmen des Landtages ab, so teilt sie nach der Sitzung des Bundesrates dem Landtag die maßgeblichen Gründe mit. Nach Möglichkeit unterrichtet die Landesregierung den Landtag schon vor der Sitzung über ein beabsichtigtes abweichendes Stimmverhalten. Entsprechendes gilt für Stellungnahmen des Landtages, durch die die Landesregierung ersucht wird, im Bundesrat darauf hinzuwirken, dass die Bundesregierung eine Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union erhebt.
(4) Für vorläufige Stellungnahmen des federführenden Ausschusses in eilbedürftigen Angelegenheiten gilt
§ 7 Absatz 3 entsprechend.

§ 10 Anwendungs- und Auslegungsgrundsätze

(1) Landtag und Landesregierung werden dieses Gesetz im Geist interorganfreundlichen Verhaltens anwenden und auslegen.
(2) Dabei wird die Landesregierung das Interesse des Landtags einbeziehen,
a) nach einer Unterrichtung auch von maßgeblichen Änderungen gegenüber dem übermittelten Sachstand zu erfahren; dies gilt sinngemäß, wenn die abschließende Entscheidung der Landesregierung wesentlich von einer zuvor mitgeteilten eigenen Position oder einem Beschluss des Landtags zu dieser Unterrichtung abweicht;
b) auch dann eine Information zu erhalten, wenn Gegenstände von erheblicher landespolitischer Bedeutung über die vereinbarten Fallgruppen hinaus Belange des Landtags wesentlich berühren.
(3) Der Landtag wird bei Auslegung dieses Gesetzes einbeziehen,
a)
dass die Landesregierung hinsichtlich Art, Zeitpunkt und Inhalt der Unterrichtung die jeweiligen tatsächlichen und verfahrensökonomischen Möglichkeiten berücksichtigen muss; dies schließt ein, dass grundsätzlich alle Mitglieder der Landesregierung Gelegenheit haben müssen, vor einer Mitteilung an den Landtag über den Unterrichtungsgegenstand informiert zu werden;
b)
dass die Landesregierung auch unabhängig vom Vorliegen einer Stellungnahme beschließen kann, wenn besondere Eilbedürftigkeit besteht; dies gilt auch und im Besonderen in Angelegenheiten der Europäischen Union. Die Gründe für die besondere Eilbedürftigkeit sind innerhalb von vier Wochen darzulegen.
(4) Soweit in diesem Gesetz festgelegt ist, dass die Landesregierung eine Stellungnahme des Landtags berücksichtigt, bedeutet dies keine rechtliche Bindung der Landesregierung, wohl aber deren Verpflichtung, der Stellungnahme des Landtags in ihrer Meinungsbildung Gewicht beizumessen. Weicht die Landesregierung von der Stellungnahme ab, teilt sie dem Landtag die maßgeblichen Gründe mit.
(5) Fragen oder Vorhalte von Mitgliedern des Landtags bezüglich der Anwendung oder Auslegung dieses Gesetzes werden auf Antrag einer Fraktion im Ältestenrat beraten. Sie sollen anschließend - falls erforderlich - im Einvernehmen zwischen Landtag und Landesregierung geklärt werden.
(6) Landtag und Landesregierung sind sich darin einig, die Möglichkeiten der modernen Informations- und Kommunikationstechnik zu nutzen.
(7) Landtag und Landesregierung werden ab der 16. Legislaturperiode jeweils in der Mitte einer Legislaturperiode prüfen, ob aufgrund der konkreten Erfahrungen eine Änderung dieses Gesetzes angezeigt scheint. Unberührt bleibt eine gemeinsame Überprüfung bei entsprechendem Anlass.

§ 11 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Kiel, 17. Oktober 2006
Peter Harry Carstensen Ministerpräsident
Dr. Ralf Stegner Innenminister
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