Staatsvertrag über die Beziehungen des Landes Berlin zur Jüdischen Gemeinde zu Berlin Vom 19. November 1993
Staatsvertrag über die Beziehungen des Landes Berlin
zur Jüdischen Gemeinde zu Berlin
Vom 19. November 1993
Zum 07.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis
Titel | Gültig ab |
---|---|
Staatsvertrag über die Beziehungen des Landes Berlin zur Jüdischen Gemeinde zu Berlin vom 19. November 1993 | 19.02.1994 |
Eingangsformel | 19.02.1994 |
Artikel 1 - Gewährleistung jüdischer Glaubensfreiheit | 19.02.1994 |
Artikel 2 - Feiertage der Jüdischen Gemeinde zu Berlin | 19.02.1994 |
Artikel 3 - Seelsorgerische Betreuung der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in öffentlichen und nichtöffentlichen Einrichtungen | 19.02.1994 |
Artikel 4 - Schulangelegenheiten der Jüdischen Gemeinde zu Berlin | 19.02.1994 |
Artikel 5 - Denkmalgeschützte Einrichtungen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin | 19.02.1994 |
Artikel 6 - Staatliche Zuschüsse | 19.02.1994 |
Artikel 7 - Staatliche Zuschüsse zum Pensionsfonds | 19.02.1994 |
Artikel 8 - Staatliche Zuschüsse für den Religionsunterricht der Jüdischen Gemeinde zu Berlin | 19.02.1994 |
Artikel 9 - Staatliche Zuwendungen | 19.02.1994 |
Artikel 10 - Staatliche Leistungen an die Jüdische Gemeinde zu Berlin in bezug auf deren Baumaßnahmen | 19.02.1994 |
Artikel 11 - Gestaltung des Zusammenwirkens | 19.02.1994 |
Artikel 12 - Inkrafttreten | 19.02.1994 |
Das Land Berlin
und
die Jüdische Gemeinde zu Berlin
schließen nachstehenden
Staatsvertrag
Artikel 1 Gewährleistung jüdischer Glaubensfreiheit
In Verantwortung vor der deutschen Geschichte, die durch die Verfolgung und Vernichtung von deutschen und europäischen Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Herkunft mitgeprägt ist, und in dem Bewußtsein des Verlustes, den Berlin und Deutschland dadurch erlitten haben, bekräftigt Berlin seine Verpflichtung, im Rahmen staatlicher Religions- und Weltanschauungsneutralität das Bekenntnis und die Ausübung jüdischen Glaubens allzeit zu schützen und zu sichern.
Artikel 2 Feiertage der Jüdischen Gemeinde zu Berlin
(1) Feiertage der Jüdischen Gemeinde im Sinne des
§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage
vom 28. Oktober 1954 (GVBl. S. 615) in seiner jeweils geltenden Fassung sind:
1.
Rosh Haschana (Neujahrsfest)
zwei Tage am 1. und 2. Tischri,
beginnend am Vortage um 16.00 Uhr,
2.
Jom Kippur (Versöhnungstag)
einen Tag am 10. Tischri,
beginnend am Vortage um 16.00 Uhr,
3.
Sukkot (Laubhüttenfest)
zwei Tage am 15. und 16. Tischri,
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr,
4.
Schemini Azereth (Schlußfest)
einen Tag am 22. Tischri,
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr,
5.
Simchat Thora (Fest der Gesetzesfreude)
einen Tag am 23. Tischri,
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr,
6.
Pessach (Fest zum Auszug aus Ägypten)
a)
zwei Tage am 15. und 16. Nissan, beginnend am Vortage um 17.00 Uhr,
b)
zwei Tage am 21. und 22. Nissan, beginnend am Vortage um 17.00 Uhr,
7.
Schawuot (Wochenfest),
zwei Tage am 6. und 7. Siwan,
beginnend am Vortage um 17.00 Uhr.
(2) Die Daten der Feiertage nach Absatz 1 bestimmen sich nach dem jüdischen Mond-Kalender unter Beachtung der allgemein geltenden Kalenderregeln.
Artikel 3 Seelsorgerische Betreuung der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in öffentlichen und nichtöffentlichen Einrichtungen
(1) Für die seelsorgerische Betreuung von Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde in Seniorenheimen sowie gleichartigen Einrichtungen und in Krankenhäusern des Landes Berlin gilt
Artikel 140 des Grundgesetzes
in Verbindung mit
Artikel 141 der Weimarer Verfassung
; Seelsorge für freiwillig offenbarte Zugehörigkeit zur jüdischen Religionsgemeinschaft wird ermöglicht.
(2) Das Land Berlin wirkt darauf hin, daß die Regelung nach Absatz 1 auch in nicht dem Land Berlin gehörenden Einrichtungen berücksichtigt wird.
(3) Die seelsorgerische Betreuung von Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde, die sich im Rahmen des
Kinder- und Jugendhilfegesetzes
in seiner jeweils geltenden Fassung in Heimerziehung oder einer vergleichbaren Einrichtung des Landes Berlin befinden, wird entsprechend Absatz 1 ermöglicht. Im übrigen gilt Absatz 2.
(4) Die seelsorgerische Betreuung inhaftierter Mitglieder der Jüdischen Gemeinde bestimmt sich im Fall der Untersuchungshaft nach
§ 119 der Strafprozeßordnung
i. V. m. der Untersuchungshaftvollzugsordnung, im Fall der Strafhaft nach den Regelungen des
Strafvollzugsgesetzes
, im Fall der Jugendstrafe nach den Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug und im Fall des Jugendarrestes nach der
Jugendarrestvollzugsordnung
. Die Beachtung ritueller Speisevorschriften wird ermöglicht.
Artikel 4 Schulangelegenheiten der Jüdischen Gemeinde zu Berlin
(1) Das Land Berlin wird Ersatzschulen der Jüdischen Gemeinde genehmigen und ihnen auf Antrag die Eigenschaft einer anerkannten Privatschule verleihen, wenn die Voraussetzungen gemäß §§ 4 Abs. 2, 7 Abs. 1 des Privatschulgesetzes vom 13. Mai 1954 (GVBl. S. 286) in seiner jeweils geltenden Fassung erfüllt sind.
(2) Die Höhe der Zuschüsse des Landes Berlin an die Jüdische Gemeinde für Schulen nach Absatz 1 richtet sich nach dem Privatschulgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung.
Artikel 5 Denkmalgeschützte Einrichtungen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin
Die Denkmalschutzbehörde ist verpflichtet, sich vor Maßnahmen im Rahmen des
Denkmalschutzgesetzes
Berlin vom 22. Dezember 1977 (GVBl. S. 2540) in seiner jeweils geltenden Fassung mit der Jüdischen Gemeinde ins Benehmen zu setzen, sofern deren Interesse in besonderer Weise berührt ist. Den Belangen der Jüdischen Gemeinde ist von der Denkmalschutzbehörde bei ihren Maßnahmen nach Satz 1 in angemessener Weise Rechnung zu tragen.
Artikel 6 Staatliche Zuschüsse
(1) Das Land Berlin gewährt der Jüdischen Gemeinde einen jährlichen Zuschuß von 9 800 000,00 DM (in Worten: neun Millionen achthunderttausend Deutsche Mark) zum Ausgleich des nicht gedeckten Ausgabebedarfs ihrer Wirtschaftspläne.
(2) Der Zuschuß nach Absatz 1 ist auf der Grundlage von zwei Fünfteln der Personalkosten der Jüdischen Gemeinde berechnet, deren Mitarbeiter Vergütung entsprechend der Anlage 1 a zu § 22 des
Bundes-Angestelltentarifvertrages
unter Beachtung des Verbots der Besserstellung der Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde gegenüber den Mitarbeitern des Landes Berlin erhalten; diese Berechnungsgrundlage gilt auch für den Fall, daß die Jüdische Gemeinde ihre Mitarbeiter aufgrund entsprechender gemeindlicher Rechtsvorschrift überwiegend im Beamtenverhältnis beschäftigt. Erhöhungen oder Verminderungen dieses Zuschusses sollen berücksichtigt werden, wenn sich für die Erfüllung der Aufgaben der Jüdischen Gemeinde die von beiden Seiten als notwendig erachteten Personalkosten um mehr als drei vom Hundert erhöhen oder vermindern.
(3) Der Zuschuß nach Absatz 1 und 2 erhöht oder vermindert sich entsprechend dem Vom-Hundert-Satz, um den sich jeweils die Vergütung von Verwaltungsangestellten der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zu § 22 des
Bundes-Angestelltentarifvertrages
(verheiratet, zwei Kinder) erhöht oder vermindert. Die Erhöhung oder Verminderung des Zuschusses richtet sich nach beamtenrechtlichen Regeln, wenn die Jüdische Gemeinde ihre Mitarbeiter überwiegend im Beamtenverhältnis aufgrund entsprechender gemeindlicher Rechtsvorschrift beschäftigt.
(4) Die Jüdische Gemeinde weist die Verwendung des Zuschusses jährlich durch eine von einem vereidigten Wirtschaftsprüfer geprüfte Rechnung nach.
Artikel 7 Staatliche Zuschüsse zum Pensionsfonds
(1) Der Zuschuß nach
Artikel 6
erhöht sich um den Betrag, den die Jüdische Gemeinde für die Altersversorgung ihrer früheren Mitarbeiter aufwenden muß, soweit diese Aufwendungen nicht aus Erträgen ihres Pensionsfonds, der mindestens 4 000 000 DM (in Worten: vier Millionen Deutsche Mark) umfassen muß, gedeckt sind. Eine zusätzliche, über die Regelungen des Sozialversicherungsrechts und die der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hinausgehende Versorgung ist nicht zuschußfähig. Entsprechendes gilt, wenn die Jüdische Gemeinde ihre Mitarbeiter überwiegend im Beamtenverhältnis beschäftigt und deren Versorgung sich nach den Regeln des Beamtenversorgungsrechts bestimmt.
(2) Die Jüdische Gemeinde legt über die Verwendung des Zuschusses entsprechend
Artikel 6
Abs. 4 jährlich Rechnung.
Artikel 8 Staatliche Zuschüsse für den Religionsunterricht der Jüdischen Gemeinde zu Berlin
(1) Das Land Berlin übernimmt 90 vom Hundert der jährlich nachgewiesenen Personalkosten sowie einen Teil der Lernmittelkosten für den im Rahmen des
Schulgesetzes
für Berlin stattfindenden Religionsunterricht der Jüdischen Gemeinde.
(2) Die Höhe des jährlichen im Haushalt Berlins ausgewiesenen Zuschusses wird bestimmt durch
1.
die Zahl der den Unterricht erteilenden Lehrer, deren Vergütung sich entsprechend ihrer Lehrbefähigung nach den tariflichen Regeln für die an öffentlichen Schulen tätigen Lehrer richtet,
2.
die für jeden Schüler zur Verfügung zu stellenden Lernmittel.
Werden die Lehrer nach Satz 1 Nr. 1 im gemeindlichen Beamtenverhältnis beschäftigt, gelten für sie die besoldungsrechtlichen Regelungen des Landes Berlin. Sofern die Vergütung oder Besoldung der Lehrer im Einzelfall über diese Regelungen hinausgeht, ist diese insoweit nicht zuschußfähig.
(3) Die Jüdische Gemeinde legt über die Verwendung des Zuschusses nach Absatz 2 entsprechend
Artikel 6
Abs. 4 jährlich Rechnung.
(4) Die Jüdische Gemeinde kann aus Gründen der Sicherheit der Teilnehmer am Religionsunterricht im Einzelfall bis zu 50 vom Hundert des tatsächlichen Aufwandes für eine Busbeförderung als Zuwendung entsprechend den Regeln des Haushaltsrechts erhalten. Sie weist die sachgerechte Verwendung der Zuwendung durch vereinfachten Verwendungsnachweis nach.
Artikel 9 Staatliche Zuwendungen
(1) Das Land Berlin gewährt der Jüdischen Gemeinde für deren Aktivitäten im Rahmen der Jüdischen Kulturtage, die sich insbesondere jüdischer Kunst, jüdischen Künstlern und ihres Einflusses auf die Berliner Kultur widmen und die in Zusammenarbeit mit anderen kulturellen Einrichtungen gestaltet werden, jährliche Zuwendungen.
(2) Für die Arbeit der Jüdischen Volkshochschule gewährt das Land Berlin der Jüdischen Gemeinde jährliche Zuwendungen; hierzu gehört auch die Sprachvermittlung zur Integration von zuwandernden neuen Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde.
(3) Das Land Berlin gewährt der Jüdischen Gemeinde Zuwendungen für diejenigen gemeindeeigenen Friedhöfe oder Teile von ihnen, die nach den gemeindlichen Vorschriften nicht wieder belegt werden können.
(4) Das Land Berlin gewährt der Jüdischen Gemeinde Zuwendungen für Aktivitäten, für die in gleicher Weise auch andere Maßnahmeträger Zuwendungen erhalten.
(5) Die Verwendung von Zuwendungen nach den Absätzen 1 und 2 weist die Jüdische Gemeinde durch vereinfachte Verwendungsnachweise nach. Die Verwendung von Zuwendungen nach den Absätzen 3 und 4 weist die Jüdische Gemeinde nach den für die jeweilige Zuwendung geltenden Regeln nach.
(6) Das Land Berlin verpflichtet sich, der landesunmittelbaren Stiftung "Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum" zum Ausgleich des nicht gedeckten Ausgabenbedarfs ihrer Wirtschaftspläne jährliche Zuwendungen nach Maßgabe des Berliner Haushaltsplans zu gewähren. Die Stiftung wird die sachgerechte Ausgabe der Zuwendung durch vereinfachten Verwendungsnachweis nachweisen.
Artikel 10 Staatliche Leistungen an die Jüdische Gemeinde zu Berlin in bezug auf deren Baumaßnahmen
(1) Das Land Berlin übernimmt auf Antrag der Jüdischen Gemeinde die durch Baumaßnahmen verursachten Kosten, die zur Sicherheit ihrer gemeindlichen Einrichtungen notwendig sind.
(2) Das Land Berlin erklärt sich außerdem grundsätzlich bereit, sich in Einzelfällen an den Kosten, die durch notwendige bauliche Maßnahmen der Jüdischen Gemeinde für deren Gemeindeeinrichtungen entstehen, zu beteiligen, sofern diese Maßnahmen der Erfüllung der Aufgaben der Jüdischen Gemeinde dienen und ihre Kosten über ihre Möglichkeiten hinausgehen.
(3) Aufgrund der Absätze 1 und 2 eingegangene Verpflichtungen des Landes Berlin werden der Jüdischen Gemeinde entsprechend den Regeln des Berliner Haushaltsrechts als Zuwendung aufgrund der von den fachlich zuständigen Verwaltungen geprüften Unterlagen gewährt.
Artikel 11 Gestaltung des Zusammenwirkens
(1) Das Land Berlin und die Jüdische Gemeinde zu Berlin schließen diese Vereinbarung in dem Bewußtsein freundschaftlichen Zusammenwirkens in partnerschaftlichem Geiste. Berlin bekräftigt die Bedeutung der Jüdischen Gemeinde für die Stadt und erkennt ihre Leistungen auf religiösem und kulturellem Gebiet an. Berlin und die Jüdische Gemeinde stimmen darin überein, daß die beiderseitigen Beziehungen - hierzu gehört auch die Ausführung des Staatsvertrages - in freundschaftlichem Geiste gestaltet werden.
(2) Änderungen hinsichtlich der in den
Artikeln 6
bis 8 genannten staatlichen Leistungen werden zwischen Berlin und der Jüdischen Gemeinde durch Verwaltungsvereinbarung vorgenommen, deren finanzielle Auswirkungen der Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin bedürfen.
(3) Änderungen zur Rechtsnatur, zur Trägerschaft oder zur Aufgabenstellung der landesunmittelbaren Stiftung öffentlichen Rechts "Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum" vereinbaren Berlin und die Jüdische Gemeinde.
Artikel 12 Inkrafttreten
Dieser Staatsvertrag tritt mit dem Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes in Kraft.
Berlin, den 19. November 1993
Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin | Der Senat von Berlin |
Jerzy K a n a l Vorsitzender des Vorstandes | Eberhard D i e p g e n Regierender Bürgermeister |
Maria B r a u n e r Vorstandsmitglied |
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