IfVerhV BE 2017
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Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten bei bestimmten gewerblichen Tätigkeiten (Infektionsverhütungs-Verordnung) Vom 5. Mai 2017

Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten bei bestimmten gewerblichen Tätigkeiten (Infektionsverhütungs-Verordnung) Vom 5. Mai 2017
Zum 07.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten bei bestimmten gewerblichen Tätigkeiten (Infektionsverhütungs-Verordnung) vom 5. Mai 201725.05.2017
Eingangsformel25.05.2017
§ 1 - Geltungsbereich25.05.2017
§ 2 - Begriffsbestimmungen25.05.2017
§ 3 - Allgemeine Pflichten der Infektionshygiene25.05.2017
§ 4 - Besondere Anforderungen an die Aufbereitung, die Desinfektion und die Sterilisation25.05.2017
§ 5 - Entsorgung25.05.2017
§ 6 - Überwachung25.05.2017
§ 7 - Ordnungswidrigkeiten25.05.2017
§ 8 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten25.05.2017
Auf Grund des § 17 Absatz 4 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 20 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) geändert worden ist, in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem Infektionsschutzgesetz vom 17. April 2012 (GVBl. S. 125) verordnet die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung:

§ 1 Geltungsbereich

Wer, ohne Ärztin oder Arzt oder Zahnärztin oder Zahnarzt zu sein, berufs- oder gewerbsmäßig Tätigkeiten am Menschen ausübt, bei denen Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nummer 1 des Infektionsschutzgesetzes, insbesondere Erreger von AIDS/HIV, Virushepatitis B oder Virushepatitis C, auf Menschen übertragen werden können, unterliegt dieser Verordnung. Solche Tätigkeiten sind insbesondere die Ausübung der Akupunktur, der Haarpflege, der Kosmetik, der Maniküre, der Pediküre, des Tätowierens, des Ohrlochstechens und der Schmuckeinbringung an, in oder unter der Haut oder der Schleimhaut (Piercen).

§ 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung ist
1.
Verletzung das Ergebnis einer Durchtrennung oder oberflächlichen Schädigung der Haut oder der Schleimhaut, wie sie insbesondere beim Piercen und Tätowieren stattfindet,
2.
Arbeitsgerät jedes Werkzeug und jedes Instrument, das zur Ausübung der in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallenden Tätigkeiten benutzt wird,
3.
Arbeitsmaterial jeder Gegenstand und jede Substanz, der oder die bei der Ausübung der in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallenden Tätigkeiten verwendet wird,
4.
Aufbereitung die Gesamtheit der Arbeitsschritte an Arbeitsgeräten und Arbeitsmaterialien, die zur Verhütung von Infektionen notwendig sind (Reinigung, Desinfektion, Spülung, Funktionsprüfung, Pflege, Wartung, Verpackung, Sterilisation und Lagerung),
5.
Reinigung die mechanische Behandlung von Haut- und Schleimhautflächen, von Arbeitsflächen, Arbeitsgeräten, Arbeitsmaterialien sowie Arbeitsräumen unter Verwendung geeigneter Reinigungsmittel zur Befreiung von Verschmutzungen mit dem Ziel der Keimreduktion,
6.
Desinfektion die Reduzierung oder irreversible Inaktivierung von Mikroorganismen, so dass von den so behandelten Händen, Haut- oder Schleimhautflächen, Arbeitsflächen, Arbeitsgeräten oder Arbeitsmaterialien keine Infektionsgefahr ausgeht,
7.
Sterilisation die Abtötung oder irreversible Inaktivierung aller Mikroorganismen einschließlich bakterieller Dauerformen (Sporen).

§ 3 Allgemeine Pflichten der Infektionshygiene

(1) Wer Tätigkeiten im Sinne des § 1 ausübt, hat die Bestimmungen dieser Verordnung und die allgemein anerkannten Regeln der Hygiene zu beachten.
(2) Wer Tätigkeiten im Sinne des § 1 ausübt, die zu einer Verletzung der Haut oder der Schleimhaut führen, muss unmittelbar vorher zuerst die gereinigten Hände und dann die zu behandelnden Haut- oder Schleimhautflächen desinfizieren. Bei der Ausübung von Tätigkeiten im Sinne des § 1 mit direktem Handkontakt zu einer Wunde sind sterile Handschuhe zu verwenden.
(3) Wer Tätigkeiten im Sinne des § 1 ausübt, die zu einer Verletzung der Haut oder der Schleimhaut führen, muss zu diesem Zweck sterile Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterialien verwenden. Arbeitsgeräte und Arbeitsflächen sind vor Kontamination zu schützen. Arbeitsflächen sind nach jeder Anwendung und vor ihrer Wiederverwendung zu reinigen und zu desinfizieren. Einwegarbeitsgeräte und Einwegarbeitsmaterialien sind nicht wiederzuverwenden.
(4) Mehrfach verwendbare Arbeitsgeräte, deren bestimmungsgemäße Anwendung nicht zu einer Verletzung der Haut oder der Schleimhaut führt, sind nach jeder Anwendung zu reinigen und mindestens arbeitstäglich zu desinfizieren. Ist es zu einer unbeabsichtigten Verletzung oder zu einer Kontamination mit Blut oder Körpersekreten gekommen oder besteht der Verdacht auf das Vorliegen einer Pilzinfektion der Haare, der Haut oder der Nägel der Kundin oder des Kunden, ist eine sofortige Reinigung und Desinfektion der Arbeitsgeräte durchzuführen.
(5) Sterile Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterialien sind kontaminationsgeschützt zu lagern. Davon ist auszugehen, wenn die ordnungsgemäß verpackten Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterialien in geschlossenen sterilen Behältern, die ihrerseits in Schubladen oder Schränken untergebracht sind, gelagert werden.
(6) Arbeitsräume sind arbeitstäglich zu reinigen. Bei sichtbarer Verunreinigung mit Blut oder Körpersekreten sind die betroffenen Flächen sofort zu reinigen und zu desinfizieren.
(7) Tätigkeiten im Sinne des § 1, die zu einer Verletzung der Haut führen, dürfen nur an einem Arbeitsplatz mit wischdesinfizierbaren Oberflächen ausgeübt werden. Der Arbeitsraum ist mit einer Handwaschgelegenheit mit fließendem kaltem und warmem Wasser auszustatten, die so angebracht sein muss, dass eine Kontamination von Arbeitsflächen durch Spritzwasser ausgeschlossen ist. Der Handwaschplatz ist mit Spendern für Flüssigseife und Händedesinfektionsmittel, einer hygienisch einwandfreien Vorrichtung zum Trocknen der Hände, einem Behälter zum berührungsfreien Abwurf von Abfällen sowie Hautschutz- und pflegemitteln auszustatten.
(8) Alle innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene sind in Form eines Hygieneplanes schriftlich festzuhalten. Werden Tätigkeiten im Sinne des § 1 in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder ähnlichen Einrichtungen vorgenommen, ist der Hygieneplan mit dem Hygienefachpersonal der jeweiligen Einrichtung abzustimmen.
(9) Geeignetes Erste-Hilfe-Material (mindestens ein Verbandkasten nach DIN 13157) ist am Arbeitsplatz vorzuhalten.

§ 4 Besondere Anforderungen an die Aufbereitung, die Desinfektion und die Sterilisation

(1) Die Aufbereitung von mehrfach verwendbaren Arbeitsgeräten und Arbeitsmaterialien, die für eine Tätigkeit im Sinne des § 1 eingesetzt werden, ist mit geeigneten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und die Gesundheit von Menschen nicht gefährdet werden. Der Erfolg ist nachvollziehbar gewährleistet, wenn die jeweils aktuelle Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ beachtet wird. Die Gebrauchsanweisungen der Hersteller von Arbeitsgeräten und Arbeitsmaterialien müssen befolgt werden.
(2) Die Desinfektion von Händen, von der zu behandelnden Haut und Schleimhaut sowie von Arbeitsflächen und Arbeitsgeräten ist mit Mitteln und Verfahren vorzunehmen, die in der Desinfektionsmittelliste des Verbundes für Angewandte Hygiene e. V. aufgeführt sind.
(3) Arbeitsgeräte sind vor jeder Sterilisation zu reinigen, zu desinfizieren, zu spülen, zu trocknen, auf ihre Funktionsfähigkeit zu prüfen, zu pflegen, zu warten und zu verpacken. Die Sterilisation ist mit einem für das jeweilige Arbeitsgerät geeigneten Verfahren, vorzugsweise der Dampfsterilisation, durchzuführen. Die Heißluftsterilisation ist für Arbeitsgeräte mit Hohlräumen nicht geeignet. Die Funktionsfähigkeit der zur Sterilisation eingesetzten Geräte ist nach den anerkannten Standards regelmäßig zu überprüfen und zu dokumentieren. Die Unterlagen sind mindestens fünf Jahre vor Ort aufzubewahren und dem zuständigen Gesundheitsamt auf Verlangen vorzulegen.

§ 5 Entsorgung

Zu entsorgende spitze, scharfe und zerbrechliche Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterialien sind in geeigneten Einwegbehältnissen zu sammeln. Diese müssen feuchtigkeitsbeständig, durchstichsicher und verschließbar sein, damit eine Verletzungsgefahr ausgeschlossen wird. Die Behältnisse können wie Restmüll entsorgt werden. Abfallrechtliche Regelungen bleiben unberührt.

§ 6 Überwachung

Die Gesundheitsämter überwachen die Einhaltung der in dieser Verordnung geregelten Bestimmungen nach Maßgabe des Infektionsschutzgesetzes.

§ 7 Ordnungswidrigkeiten

Ordnungswidrig im Sinne des § 73 Absatz 1 Nummer 24 des Infektionsschutzgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1.
entgegen § 3 Absatz 2 Satz 1, Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 oder 2 oder Absatz 6 Satz 2 nicht oder nicht in geeigneter Weise desinfiziert,
2.
entgegen § 3 Absatz 2 Satz 2 sterile Handschuhe nicht verwendet,
3.
entgegen § 3 Absatz 3 Satz 1 unsterile Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verwendet,
4.
entgegen § 3 Absatz 3 Satz 4 Einwegarbeitsgeräte oder Einwegarbeitsmaterialien wiederverwendet,
5.
entgegen § 3 Absatz 5 Satz 1 sterile Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien nicht kontaminationsgeschützt lagert,
6.
die nach § 3 Absatz 7 Satz 2 und 3 erforderlichen räumlichen Voraussetzungen nicht sicherstellt,
7.
entgegen § 3 Absatz 8 Satz 1 einen Hygieneplan nicht erstellt,
8.
entgegen § 4 Absatz 1 Satz 1 ungeeignete Verfahren zur Aufbereitung verwendet,
9.
andere als die in § 4 Absatz 2 genannten Mittel und Verfahren anwendet,
10.
die besonderen Pflichten des § 4 Absatz 3 Satz 1 oder 2 zur Sterilisation nicht einhält,
11.
entgegen § 5 Abfall nicht in geeigneten Einwegbehältnissen sammelt und beseitigt oder
12.
die Mitwirkung bei Überwachungsmaßnahmen nach § 6 verweigert.

§ 8 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. Gleichzeitig tritt die Infektionsverhütungs-Verordnung vom 18. Februar 1990 (GVBl. S. 584) außer Kraft.
Berlin, den 5. Mai 2017
Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung
Dilek Kolat
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