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DE - Landesrecht Berlin

Gesetz über die Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden Vom 29. Januar 1971

Gesetz über die Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden Vom 29. Januar 1971
Zum 07.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 14 des Gesetzes vom 02.02.2018 (GVBl. S. 160)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz über die Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden vom 29. Januar 197109.02.1971
Eingangsformel09.02.1971
Abschnitt I - Einrichtung, Aufgaben und Verfassung der Gutachterstelle09.02.1971
§ 1 - Einrichtung, Aufgaben09.02.1971
§ 2 - Zusammensetzung09.02.1971
§ 3 - Bestellung, Amtszeit09.02.1971
§ 4 - Ende der Mitgliedschaft16.02.2018
§ 5 - Rechtsstellung der Mitglieder09.02.1971
§ 6 - Ausschluß im Einzelfall09.02.1971
§ 7 - Eintritt der Stellvertreter09.02.1971
Abschnitt II - Verfahren der Gutachterstelle09.02.1971
§ 8 - Antrag09.02.1971
§ 9 - Erhebungen09.02.1971
§ 10 - Aufklärungen, Einwilligung, Einverständnis09.02.1971
§ 11 - Anhörung des Ehegatten oder Lebenspartners21.10.2001
§ 12 - Unmittelbarkeit09.02.1971
§ 13 - Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht09.02.1971
§ 14 - Aktenführung09.02.1971
§ 15 - Entscheidung09.02.1971
§ 16 - Wirksamkeit der Bestätigung09.02.1971
§ 17 - Verfahrenskosten09.02.1971
Abschnitt III - Schlußvorschriften09.02.1971
§ 18 - Mitteilungspflicht09.02.1971
§ 19 - (aufgehoben)01.01.1975
§ 20 - Ersatz von Auslagen01.04.2009
§ 21 - Haftung für Amtspflichtverletzungen09.02.1971
§ 22 - Aufhebung von Vorschriften09.02.1971
§ 23 - Inkrafttreten09.02.1971
Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen:

Abschnitt I Einrichtung, Aufgaben und Verfassung der Gutachterstelle

§ 1 Einrichtung, Aufgaben

(1) Als Einrichtung der Ärztekammer Berlin wird eine Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden gebildet.
(2) Die Gutachterstelle nimmt die in § 5 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden vom 15. August 1969 (BGBl. I S. 1143 / GVBl. S. 1347) - Kastrationsgesetz - bezeichneten Aufgaben wahr.

§ 2 Zusammensetzung

Die Gutachterstelle besteht aus zwei Ärzten, von denen einer Facharzt für Nerven- und Gemütskrankheiten sein muß, und einem Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz. Die Leitung der Gutachterstelle obliegt einem von den Mitgliedern der Gutachterstelle zu bestimmenden ärztlichen Mitglied, im Falle seiner Verhinderung dem zweiten ärztlichen Mitglied.

§ 3 Bestellung, Amtszeit

(1) Das für das Gesundheitswesen zuständige Mitglied des Senats bestellt die Mitglieder der Gutachterstelle und für jedes Mitglied einen ersten und zweiten Stellvertreter. Die ärztlichen Mitglieder und ihre Stellvertreter werden von der Ärztekammer, das zum Richteramt befähigte Mitglied und seine Stellvertreter werden von dem Senator für Justiz vorgeschlagen.
(2) Die Mitglieder werden für eine Amtszeit von vier Jahren bestellt. Die erneute Bestellung nach Ablauf der Amtszeit ist zulässig.

§ 4 Ende der Mitgliedschaft

(1) Die Mitglieder können ihr Amt jederzeit durch schriftliche oder elektronische Erklärung gegenüber der Ärztekammer niederlegen.
(2) Ein Mitglied ist abzuberufen,
1.
wenn eine Bestellungsvoraussetzung entfällt oder ihr Fehlen sich nachträglich herausstellt,
2.
wenn in seiner Person ein wichtiger Grund vorliegt, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur weiteren Wahrnehmung seiner Aufgaben ergibt.
(3) Begründen Tatsachen den Verdacht auf das Vorliegen eines Abberufungsgrundes, kann dem Mitglied die Amtsführung bis zur Klärung vorläufig untersagt werden.
(4) Die Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 3 obliegen dem für das Gesundheitswesen zuständigen Mitglied des Senats.

§ 5 Rechtsstellung der Mitglieder

(1) Die Mitglieder der Gutachterstelle sind an Aufträge und Einzelweisungen nicht gebunden.
(2) Sie erhalten von der Ärztekammer eine Entschädigung für den mit ihrer Tätigkeit verbundenen Aufwand. Für Gutachten, die zur Vorbereitung der Entscheidung von einzelnen Mitgliedern der Gutachterstelle schriftlich erstattet werden, erhalten diese ferner eine besondere Vergütung.

§ 6 Ausschluß im Einzelfall

Ein Mitglied ist im Einzelfall von der Mitwirkung ausgeschlossen, wenn es
1.
den Betroffenen ärztlich behandelt oder außerhalb des Verfahrens begutachtet hat,
2.
zu dem Betroffenen in einem Verhältnis der in § 22 der Strafprozeßordnung bezeichneten Art steht,
3.
an einem Gerichtsverfahren gegen den Betroffenen mitgewirkt hat.

§ 7 Eintritt der Stellvertreter

(1) Scheidet ein Mitglied vor dem Ende der Amtszeit aus der Gutachterstelle aus, tritt für ihren Rest der Stellvertreter an seine Stelle.
(2) Ist einem Mitglied die Amtsführung vorläufig untersagt, ist es im Einzelfall von der Mitwirkung ausgeschlossen oder aus anderen Gründen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert, tritt der Stellvertreter für die Dauer der Verhinderung ein.
(3) Bei Ausscheiden oder Verhinderung des ersten Stellvertreters gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend für den zweiten Stellvertreter.
(4) Die Vorschriften für die Mitglieder gelten für die Stellvertreter entsprechend.

Abschnitt II Verfahren der Gutachterstelle

§ 8 Antrag

(1) Die Gutachterstelle wird auf Antrag tätig.
(2) Antragsberechtigt sind der Betroffene und die Personen, deren Einwilligung in die Behandlung in den Fällen des § 3 Abs. 3 und 4 sowie des § 4 des Kastrationsgesetzes erforderlich ist.
(3) Die Gutachterstelle kann die Bearbeitung von Anträgen ablehnen, wenn der Betroffene seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Gebiet des Landes Berlin hat.

§ 9 Erhebungen

Die Gutachterstelle verschafft sich durch eine ärztliche Untersuchung des Betroffenen und die gebotenen weiteren Erhebungen die Erkenntnisse, derer sie für die Beurteilung bedarf, ob die Voraussetzungen des § 2 des Kastrationsgesetzes gegeben sind. Soweit ihr das erforderlich erscheint, zieht sie die über den Betroffenen in gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren entstandenen Akten und sonstigen Unterlagen heran und wertet sie aus.

§ 10 Aufklärungen, Einwilligung, Einverständnis

(1) Die Gutachterstelle nimmt die Aufklärungen vor, von denen nach den §§ 3 und 4 des Kastrationsgesetzes die Wirksamkeit der für die Zulässigkeit der Kastration oder einer anderen Behandlungsmethode erforderlichen Einwilligung und, im Falle des § 3 Abs. 3 Nr. 1 des Kastrationsgesetzes, des erforderlichen Einverständnisses abhängt. Wird der Betroffene auf richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt, so ist die Aufklärung auch darauf zu erstrecken, daß er durch die Kastration oder eine andere Behandlungsmethode im Sinne des Kastrationsgesetzes keinen Anspruch auf vorzeitige Entlassung erlangt.
(2) Der Betroffene ist darauf hinzuweisen, daß es in seinem eigenen Interesse ratsam ist, sich nach der Kastration Nachuntersuchungen zu unterziehen.
(3) Sodann führt die Gutachterstelle eine schriftliche Erklärung des Aufgeklärten über die Einwilligung (das Einverständnis) herbei oder macht, wenn dies nicht möglich ist, die Einwilligung (das Einverständnis) aktenkundig.

§ 11 Anhörung des Ehegatten oder Lebenspartners

Der Ehegatte oder Lebenspartner des Betroffenen ist anzuhören, sofern nicht der Betroffene widerspricht oder die Anhörung aus Gründen des Einzelfalles untunlich ist. Die Anhörung soll mündlich erfolgen.

§ 12 Unmittelbarkeit

(1) Die Gutachterstelle trifft die Maßnahmen nach den §§ 9 bis 11 durch ihre Mitglieder. Zur Vornahme einzelner Maßnahmen kann sie auch andere Ärzte oder Psychologen mit deren Einverständnis zuziehen, wenn ihr das im Einzelfall geboten erscheint.
(2) Um die Vornahme einzelner Maßnahmen kann auch die Gutachterstelle eines anderen Landes ersucht werden. Entsprechende Ersuchen der Gutachterstellen anderer Länder dürfen nicht abgelehnt werden.

§ 13 Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht

In den Fällen des § 6 des Kastrationsgesetzes kann die Bestätigung vor der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung erteilt werden.

§ 14 Aktenführung

Zu jedem bei der Gutachterstelle eingehenden Antrag werden Akten angelegt. In ihnen werden die getroffenen Maßnahmen und ihre Ergebnisse festgehalten.

§ 15 Entscheidung

(1) Die Gutachterstelle trifft ihre Entscheidung nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit.
(2) Eine die Bestätigung versagende Entscheidung ist zu begründen.
(3) In die Bestätigung sind aufzunehmen
1.
der Zeitpunkt, zu dem die Genehmigung ihre Wirksamkeit verliert,
2.
ein Hinweis auf die ärztliche Mitteilungspflicht nach § 18,
3.
ein Hinweis darauf, daß Nachuntersuchungen ratsam sind (§ 10 Abs. 2),
4.
in den Fällen des § 6 des Kastrationsgesetzes ein Hinweis darauf, daß die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich ist.
(4) Die Entscheidung ist dem Betroffenen und den weiteren nach § 8 Abs. 2 antragsberechtigten Personen schriftlich bekanntzugeben.
(5) Vor der Entscheidung über einen Widerspruch nach den §§ 68 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung soll ein medizinisches Obergutachten beigezogen werden.

§ 16 Wirksamkeit der Bestätigung

(1) Die Bestätigung wird unwirksam, wenn nicht innerhalb eines Jahres nach ihrer Erteilung die Kastration durchgeführt oder mit einer anderen Behandlung begonnen wird.
(2) Die Gutachterstelle kann auf Antrag einer der in § 8 Abs. 2 bezeichneten Personen die Wirksamkeit der Bestätigung um ein Jahr verlängern.

§ 17 Verfahrenskosten

Das Verfahren vor der Gutachterstelle ist gebühren- und auslagenfrei.

Abschnitt III Schlußvorschriften

§ 18 Mitteilungspflicht

Die Durchführung der Kastration oder, im Falle des § 4 des Kastrationsgesetzes, den Beginn der Behandlung hat der ausführende Arzt der Gutachterstelle unverzüglich mitzuteilen.

§ 19

(aufgehoben)

§ 20 Ersatz von Auslagen

(1) Der Ärztekammer sind am Schluß eines jeden Kalenderjahres vom Land Berlin zu ersetzen:
1.
notwendige Reisekosten, die Mitglieder der Gutachterstelle anlässlich von Untersuchungen, Anhörungen oder Aufklärungen außerhalb Berlins tatsächlich erwachsen sind, höchstens jedoch in Höhe der Reisekostenvergütung nach § 77 des Landesbeamtengesetzes in der jeweils geltenden Fassung,
2.
Vergütungen, die Mitgliedern der Gutachterstelle nach § 5 Abs. 2 Satz 2 zu zahlen sind, oder Kosten, die durch Aufträge nach § 12 Abs. 1 Satz 2 entstanden sind, in Höhe der für Sachverständige geltenden Sätze nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz,
3.
Entschädigungen für den mit der Tätigkeit der Mitglieder der Gutachterstelle verbundenen Aufwand in Höhe der für Sachverständige geltenden Sätze nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.
(2) Die Ärztekammer erhält zur Abgeltung von Auslagen, die nicht nach Absatz 1 gedeckt werden, einen Zuschuß nach Maßgabe des Haushaltsplans von Berlin.

§ 21 Haftung für Amtspflichtverletzungen

Verletzt ein Mitglied der Gutachterstelle in Ausübung seiner Tätigkeit die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit das Land Berlin.

§ 22 Aufhebung von Vorschriften

Artikel 8 der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 5. Dezember 1933 (RGBl. I S. 1021), geändert durch Verordnung vom 18. Juli 1935 (RGBl. I S. 1035), sowie die Artikel 3 und 4 der Vierten Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 18. Juli 1935 (RGBl. I S. 1035) sind auf die Entfernung der Keimdrüsen nicht anzuwenden.

§ 23 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.
Der Regierende Bürgermeister
Klaus Schütz
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