BerlSchuldenbremseG
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Gesetz zur landesrechtlichen Umsetzung der Schuldenbremse (BerlSchuldenbremseG) Vom 25. November 2019

Gesetz zur landesrechtlichen Umsetzung der Schuldenbremse (BerlSchuldenbremseG) Vom 25. November 2019
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Zum 07.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Fußnoten
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Verkündet als Artikel 2 des Gesetzes zur Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Berliner Landesrecht vom 25. November 2019 (GVBl. S. 742)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz zur landesrechtlichen Umsetzung der Schuldenbremse (BerlSchuldenbremseG) vom 25. November 201901.01.2020
§ 1 - Grundsatz01.01.2020
§ 2 - Ausnahmesituationen01.01.2020
§ 3 - Definition strukturelle Nettokreditaufnahme01.01.2020
§ 4 - Konjunkturbedingte Kreditaufnahmen; Tilgungsverpflichtung01.01.2020
§ 5 - Konjunkturkomponente01.01.2020
§ 6 - Überschüsse, Konjunkturausgleichsrücklage01.01.2020
§ 7 - Kontrollkonto01.01.2020
§ 8 - Nachtragshaushaltsgesetze01.01.2020

§ 1 Grundsatz

(1) Der Haushalt ist grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.
(2) Absatz 1 gilt im Regelfall als erfüllt, wenn die gemäß § 3 dieses Gesetzes definierte strukturelle Nettokreditaufnahme des Landes Berlin einen Wert von Null nicht übersteigt.
(3) Kassenverstärkungskredite, die nur der Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft dienen und zu deren Aufnahme der Senat durch das Haushaltsgesetz ermächtigt wurde, fallen nicht unter den Geltungsbereich von Absatz 1.

§ 2 Ausnahmesituationen

(1) Abweichend von § 1 ist eine Nettokreditaufnahme zulässig im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Landes entziehen und zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Finanzlage des Landes führen.
(2) Die Feststellung, dass die Voraussetzungen gemäß Absatz 1 erfüllt sind, trifft das Abgeordnetenhaus mit einfacher Mehrheit.
(3) Eine Kreditaufnahme gemäß Absatz 1 ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden. Die aufgenommenen Kredite sind dabei in einem angemessenen Zeitraum zurückzuzahlen. Der Zeitraum ist unter Berücksichtigung des Charakters der Ausnahmesituation, der Höhe der Kreditaufnahmen und der konjunkturellen Situation zu bestimmen. Die Tilgungen sind in den Haushaltsplänen zu veranschlagen.

§ 3 Definition strukturelle Nettokreditaufnahme

(1) Ausgangspunkt der Berechnung der strukturellen Nettokreditaufnahme ist der Finanzierungssaldo des Kernhaushalts des Landes Berlin, berechnet als Differenz zwischen den bereinigten Einnahmen und den bereinigten Ausgaben des Landes. Zuführungen an die Versorgungsrücklage des Landes Berlin gelten dabei nicht als bereinigte Ausgabe, Entnahmen aus der Versorgungsrücklage des Landes Berlin nicht als bereinigte Einnahme.
(2) Von dem nach Absatz 1 errechneten Betrag sind Zuführungen an Rücklagen zu subtrahieren; Entnahmen aus Rücklagen sind zu addieren. Zuführungen zu und Entnahmen aus der Konjunkturausgleichsrücklage werden dabei nicht berücksichtigt.
(3) Die Kreditermächtigung für Extrahaushalte erfolgt durch Beschluss des Abgeordnetenhauses, soweit keine gesonderte gesetzliche Ermächtigung erforderlich ist. Im Beschluss des Abgeordnetenhauses sind Regeln zur Refinanzierung vorzusehen. Werden Private in die Finanzierung öffentlicher Aufgaben in Form von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften einbezogen, sind - auch wenn Private nur eine Minderheitenposition in einer Zweckgesellschaft oder Ähnlichem einnehmen - die daraus resultierenden Verbindlichkeiten in vollem Umfang zu den sich nach Absatz 2 ergebenden Nettokreditaufnahmen hinzuzurechnen.
(4) Zu dem nach Absatz 3 errechneten Betrag ist der Saldo der finanziellen Transaktionen des Kernhaushalts zu addieren. Finanzielle Transaktionen des Kernhaushalts sind einnahmeseitig die Veräußerung von Beteiligungen und Kapitalrückzahlungen, die Schuldenaufnahme beim öffentlichen Bereich sowie Darlehensrückflüsse, ausgabeseitig der Erwerb von Beteiligungen und Kapitalzuführungen, Tilgungen an den öffentlichen Bereich und die Darlehensvergabe, solange und soweit nicht auf ihre Rückzahlung verzichtet wird. Der Verzicht auf die Rückzahlung von Darlehen ist bei der Ermittlung der zulässigen Kreditaufnahme nach § 1 wie eine Einnahme aus Darlehensrückflüssen zu behandeln.
(5) Zu dem nach Absatz 4 errechneten Betrag ist eine Konjunkturkomponente gemäß § 5 zu addieren. Diese ist negativ im Fall einer negativ von der konjunkturellen Normallage abweichenden Konjunktursituation; sie ist positiv im Fall einer positiv von der konjunkturellen Normallage abweichenden Konjunktursituation.
(6) Das Nähere regeln Ausführungsvorschriften, die der Senat auf Vorschlag der für Finanzen zuständigen Senatsverwaltung erlässt.

§ 4 Konjunkturbedingte Kreditaufnahmen; Tilgungsverpflichtung

(1) Wird für das Haushaltsjahr eine von der Normallage negativ abweichende wirtschaftliche Entwicklung erwartet, ist eine Kreditaufnahme maximal in Höhe der erwarteten Wirkung der konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt zulässig, soweit diese Mindereinnahmen nicht durch das verfügbare Volumen der Konjunkturausgleichsrücklage kompensiert werden können. Ist mit einer positiven Abweichung von der wirtschaftlichen Normallage zu rechnen, sind konjunkturbedingte Überschüsse in Höhe der erwarteten Wirkung der konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt zu planen und zu bilden.
(2) Eine konjunkturbedingte Kreditaufnahme ist im Haushaltsgesetz zu regeln; die Tilgung solcher Kreditaufnahmen ist unter Berücksichtigung des grundgesetzlichen Symmetriegebots vorzusehen. Eine etwaige Kreditermächtigung gilt bis zum Ende des nächsten Haushaltsjahres und, wenn das Haushaltsgesetz für das zweitnächste Haushaltsjahr nicht rechtzeitig verkündet wird, bis zur Verkündung dieses Haushaltsgesetzes.
(3) Für das zweite Jahr eines Doppelhaushalts wird die Konjunkturkomponente auf der Basis der Daten der im Vorjahr des betreffenden Haushaltsjahres veröffentlichten Herbstprojektion der Bundesregierung festgelegt. Eine etwaig daraus resultierende höhere Kreditaufnahme als bis dahin vorgesehen bedarf der Zustimmung des Abgeordnetenhauses. Eine etwaig daraus resultierende höhere Tilgungsverpflichtung als bis dahin vorgesehen ist durch Maßnahmen der für Finanzen zuständigen Senatsverwaltung im Haushaltsvollzug sicherzustellen.

§ 5 Konjunkturkomponente

(1) Zur Feststellung der Auswirkungen einer Abweichung von der konjunkturellen Normallage auf den Haushalt ermittelt die für Finanzen zuständige Senatsverwaltung eine Konjunkturkomponente.
(2) Die für den Haushalt zu veranschlagende Konjunkturkomponente (ex ante Konjunkturkomponente) entspricht dem Berlin zuzurechnenden anteiligen Betrag des auf die Länder entfallenden Anteils der mit der Budgetsemielastizität multiplizierten Produktionslücke für Deutschland, die sich aus der aktuellen Projektion der Bundesregierung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushalts sowie den Vorgaben der Europäischen Union ergibt.
(3) Nach Abschluss des Haushaltsjahres wird durch die für Finanzen zuständige Senatsverwaltung die für die Bewertung der Einhaltung der zulässigen Kreditaufnahme im Haushaltsvollzug maßgebliche ex post Konjunkturkomponente berechnet. Dazu wird zu der zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushalts ermittelten ex ante Konjunkturkomponente die anteilig auf Berlin zuzurechnende, mit der Budgetsemielastizität multiplizierte Differenz zwischen der tatsächlichen und der zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushalts prognostizierten Veränderung des nominalen bundesweiten Bruttoinlandsprodukts addiert.

§ 6 Überschüsse, Konjunkturausgleichsrücklage

(1) Die mit einer positiven ex ante Konjunkturkomponente verbundenen Überschüsse sind im Haushalt zur Tilgung ausstehender konjunkturbedingter Kredite, die nach Beginn des Jahres 2020 aufgenommen wurden, vorzusehen und, sofern sie sich im Haushaltsvollzug realisieren, entsprechend einzusetzen.
(2) Tatsächliche Haushaltsüberschüsse, die die Tilgungsverpflichtung nach Absatz 1 übersteigen, sind für die Tilgung von Altschulden, für die Dotierung der Konjunkturausgleichsrücklage oder anderer Rücklagen sowie für die Zuführung zum Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt zu verwenden. Die Entscheidung über die Verwendung trifft der Hauptausschuss auf Vorschlag des Senats.
(3) Es wird eine Konjunkturausgleichsrücklage errichtet. Diese hat ein Zielvolumen von mindestens 1 Prozent der kumulierten bereinigten Einnahmen der vergangenen fünf Jahre.
(4) Mittel aus der Konjunkturausgleichsrücklage dürfen nur zum Ausgleich des Haushalts im Fall einer negativen Konjunkturkomponente oder zum Ausgleich von Defiziten, die durch die in § 2 Absatz 1 genannten Sachverhalte entstanden sind, entnommen werden, sofern der Ausgleich des Haushalts anderweitig nicht erreicht werden kann.

§ 7 Kontrollkonto

(1) Ergeben sich auf Grund der Wirkung der tatsächlichen konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt Abweichungen zwischen der zulässigen und der tatsächlichen Nettokreditaufnahme, sind diese auf einem Kontrollkonto festzuhalten. Soweit von der Ausnahmeregel nach § 2 Gebrauch gemacht wurde, ist der zu verbuchende Betrag um die auf Grund dieser Ausnahme erfolgte tatsächliche Nettokreditaufnahme zu bereinigen.
(2) Der auf dem Kontrollkonto zu verbuchende Betrag wird jährlich in vorläufiger Rechnung zum 30. April und endgültig zum 1. September des dem Haushaltsjahr folgenden Jahres festgestellt.
(3) Weist das Kontrollkonto einen negativen Saldo aus, weil die tatsächliche die zulässige Kreditaufnahme überstieg, ist auf einen Ausgleich in angemessener Frist hinzuwirken. Der negative Saldo soll einen Wert von 2 Prozent des durchschnittlichen Volumens der bereinigten Einnahmen in den dem Haushalt vorangehenden zwei Haushaltsjahren grundsätzlich nicht überschreiten.

§ 8 Nachtragshaushaltsgesetze

(1) Bei Nachträgen zum Haushaltsgesetz kann die nach § 4 Absatz 1 Satz 1 ermittelte zulässige Kreditaufnahme maximal um den Betrag erhöht werden, der sich bei der Ermittlung der Konjunkturkomponente aus der Differenz der zuvor zugrunde gelegten erwarteten Wirkung der konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt und der aktuell erwarteten Wirkung der konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt ergibt. Die Regelungen des § 7 bleiben unberührt.
(2) Für Nachtragshaushalte, die nur die Verwendung struktureller Mehreinnahmen oder Minderausgaben regeln und keine strukturelle Nettokreditaufnahme vorsehen, gilt Absatz 1 nicht.
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