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Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit (Tilgungsverordnung - TilgV) Vom 27. Januar 2021

Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit (Tilgungsverordnung - TilgV) Vom 27. Januar 2021
Zum 07.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit (Tilgungsverordnung - TilgV) vom 27. Januar 202120.02.2021
Eingangsformel20.02.2021
§ 1 - Allgemeines20.02.2021
§ 2 - Verfahren20.02.2021
§ 3 - Beauftragte Stelle20.02.2021
§ 4 - Pflichten der verurteilten Person20.02.2021
§ 5 - Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe20.02.2021
§ 6 - Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe20.02.2021
§ 7 - Widerruf der Gestattung20.02.2021
§ 8 - Mitteilungen an die Vollstreckungsbehörde20.02.2021
§ 9 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten20.02.2021
Auf Grund des Artikels 293 Absatz 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469; 1975 I S. 1916; 1976 I S. 507), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. Juni 2017 (BGBl. I S. 1612) geändert worden ist, verordnet der Senat:

§ 1 Allgemeines

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann einer verurteilten Person auf Antrag gestatten, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. Daneben können Ratenzahlungen bewilligt werden.
(2) Freie Arbeit im Sinne dieser Verordnung ist jede unentgeltliche Beschäftigung, welche als gemeinnützige Arbeit dem allgemeinen Nutzen dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt und die anderenfalls nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet würde. Die Unentgeltlichkeit der Arbeit, durch die gemäß Artikel 293 Absatz 2 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch weder ein Arbeitsverhältnis noch ein Beschäftigungsverhältnis begründet wird, bleibt durch geringfügige Zuwendungen an die verurteilte Person zum Ausgleich von Auslagen im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung, insbesondere Aufwendungsersatz für Fahrgeld, unberührt.

§ 2 Verfahren

(1) Ist eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken, weist die Vollstreckungsbehörde die verurteilte Person spätestens mit der Ladung zum Strafantritt darauf hin, dass sie bis zum Ablauf der Ladungsfrist einen Antrag nach § 1 Absatz 1 stellen kann. Die Vollstreckungsbehörde gibt der verurteilten Person zudem Gelegenheit, eine freie Arbeit im Sinne des § 1 Absatz 2 sowie eine geeignete Beschäftigungsstelle innerhalb von zwei Wochen vorzuschlagen; bei einem Antrag einer verurteilten Person mit Wohnsitz außerhalb Berlins setzt die Vollstreckungsbehörde hierfür eine dem Einzelfall angemessene längere Frist. Die Frist nach Satz 2 kann auf Antrag der verurteilten Person verlängert werden.
(2) Die Vollstreckungsbehörde kann unabhängig von dem in Absatz 1 geregelten Verfahren auch nach Antritt des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe gestatten, dass die verurteilte Person die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit teilweise oder nahezu ganz abwendet, wenn ein Beschäftigungsplatz zur Verfügung steht und erwartet werden kann, dass die freie Arbeit zuverlässig wahrgenommen wird. Beschäftigungsstelle kann die Justizvollzugsanstalt oder eine andere Stelle sein. Eine andere Beschäftigungsstelle kommt nur in Betracht, sofern bei der verurteilten Person die Voraussetzungen für Lockerungen gemäß § 42 des Berliner Strafvollzugsgesetzes oder für die Gestattung einer Außenbeschäftigung gemäß § 45 Absatz 2 des Berliner Strafvollzugsgesetzes vorliegen. Die Justizvollzugsanstalt weist die verurteilte Person im Rahmen des Aufnahmeverfahrens gemäß § 7 Absatz 5 des Berliner Strafvollzugsgesetzes darauf hin, dass es ihr gestattet ist, die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit teilweise oder nahezu ganz abzuwenden. Die geleistete freie Arbeit wird nach Maßgabe von § 5 auf die zu vollstreckende Ersatzfreiheitsstrafe angerechnet.
(3) Absatz 2 gilt entsprechend für verurteilte Personen im Jugendstrafvollzug, bei denen eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen ist.

§ 3 Beauftragte Stelle

(1) Gestattet die Vollstreckungsbehörde der verurteilten Person gemäß § 1 Absatz 1, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden, beauftragt sie in der Regel die Gerichtshilfe oder einen freien Träger der Straffälligenhilfe als Vermittlungsstelle mit der Bestimmung einer geeigneten Beschäftigungsstelle sowie mit der Überwachung der Arbeit. Der Auftrag kann befristet oder anderweitig modifiziert werden. Die Beauftragung einer Vermittlungsstelle nach Satz 1 kann auch einer autorisierten Stelle übertragen werden.
(2) Über die Eignung und Zulassung einer Beschäftigungsstelle entscheidet die Regiestelle Gemeinnützige Arbeit bei den Sozialen Diensten der Justiz. Sie schließt mit der Beschäftigungsstelle eine zeitlich befristete Kooperationsvereinbarung ab und überwacht die Einhaltung der von der für Justiz zuständigen Senatsverwaltung vorgegebenen Qualitätsstandards.
(3) Die Vermittlungsstelle oder die Vollstreckungsbehörde unterrichtet die verurteilte Person über den Einsatzplatz, Beginn und die nach Tagen bemessene Dauer der freien Arbeit sowie die tägliche Einsatzzeit und weist die verurteilte Person zugleich auf ihre sich aus § 4 ergebenden Pflichten und auf die Rechtsfolgen nach § 7 hin.

§ 4 Pflichten der verurteilten Person

Die verurteilte Person hat den Weisungen der jeweiligen Vermittlungsstelle oder der Vollstreckungsbehörde nachzukommen, die ihr auch auferlegt, den Anordnungen der Beschäftigungsstelle im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zu entsprechen.

§ 5 Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe

(1) Durch vier Stunden freie Arbeit wird die Vollstreckung eines Tages der Ersatzfreiheitsstrafe abgewendet. Bei einem Einsatz am Samstag oder Sonntag, an einem gesetzlichen Feiertag oder in der Nachtzeit (22.00 bis 6.00 Uhr) wird die Vollstreckung eines Tages der Ersatzfreiheitsstrafe durch drei Stunden freie Arbeit abgewendet; dieser Arbeitseinsatz soll nur neben der Ableistung freier Arbeit oder der Ausübung einer Berufstätigkeit in der Zeit von Montag bis Freitag erfolgen. In Härtefällen, insbesondere bei gesundheitlich oder familiär begründeten Problemlagen, kann die Vollstreckungsbehörde einen geringeren Bemessungsmaßstab festsetzen, der jedoch in der Regel drei Stunden nicht unterschreiten darf.
(2) Bleibt die verurteilte Person dem Einsatz fern, so wird die versäumte Zeit auch dann nicht auf die Gesamtleistung angerechnet, wenn das Fernbleiben entschuldigt ist.
(3) Die verurteilte Person kann ihren Einsatz jederzeit durch Zahlung des noch nicht abgegoltenen Betrages ihrer Geldstrafe beenden.

§ 6 Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe

Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe wird in der Regel angeordnet, wenn die verurteilte Person die Gestattungsvoraussetzungen nicht erfüllt oder die Gestattung gemäß § 7 widerrufen wird.

§ 7 Widerruf der Gestattung

(1) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Gestattung nach § 1 Absatz 1, wenn die verurteilte Person
1.
ohne genügende Entschuldigung wiederholt nicht zum Arbeitseinsatz erschienen ist, beharrlich ihre Arbeit nicht aufgenommen oder abgebrochen hat;
2.
trotz Abmahnung der Beschäftigungsstelle mit ihrer Leistung hinter den Anforderungen zurückgeblieben ist, die billigerweise an sie gestellt werden konnten,
3.
gröblich oder beharrlich gegen ihr erteilte Anweisungen verstoßen hat oder
4.
der Beschäftigungsstelle durch ihr Verhalten Anlass gegeben hat, die Weiterbeschäftigung als unzumutbar abzulehnen.
(2) Lehnt die Beschäftigungsstelle die Weiterbeschäftigung der verurteilten Person ab oder kann die verurteilte Person bei der bisherigen Beschäftigungsstelle aus einem anderen Grunde nicht mehr tätig sein, ohne dass ein Widerrufsgrund vorliegt, soll innerhalb angemessener Zeit ein neues Beschäftigungsverhältnis begründet werden. Ist das nicht möglich, ordnet die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der noch zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafe an.
(3) Vor einem Widerruf nach Absatz 1 oder einer Entscheidung nach Absatz 2 gibt die Vermittlungsstelle der verurteilten Person Gelegenheit zur Stellungnahme. Ist dies nicht möglich, hört die Vollstreckungsbehörde die verurteilte Person an.

§ 8 Mitteilungen an die Vollstreckungsbehörde

(1) Hat die verurteilte Person die ihr aufgetragene freie Arbeit geleistet, weist sie dies der Vollstreckungsbehörde oder der Vermittlungsstelle unverzüglich unter Vorlage einer Erklärung ihrer Beschäftigungsstelle nach. Vollstreckungsnachteile, die sich aus schuldhaft unterlassenem Nachweis ergeben können, gehen zu Lasten der verurteilten Person.
(2) Die Vermittlungsstelle berichtet der Vollstreckungsbehörde oder der nach § 3 Absatz 1 Satz 3 autorisierten Stelle zum Ablauf der von der Vollstreckungsbehörde jeweils festgelegten Fristen über den Verlauf des Tilgungsverfahrens. Im Falle des Scheiterns der Vermittlung, des Abbruchs der freien Arbeit oder der Tilgung unterrichtet die Vermittlungsstelle die Vollstreckungsbehörde oder die nach § 3 Absatz 1 Satz 3 autorisierte Stelle unverzüglich.

§ 9 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit vom 14. April 2000 (GVBl. S. 306), die durch Verordnung vom 30. April 2004 (GVBl. S. 206) geändert worden ist, außer Kraft.
Berlin, den 27. Januar 2021
Der Senat von Berlin
Michael Müller Dr. Dirk Behrendt
Regierender Bürgermeister Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
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