UVollzG Bin
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Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft in Berlin (Berliner Untersuchungshaftvollzugsgesetz - UVollzG Bin) Vom 3. Dezember 2009

Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft in Berlin (Berliner Untersuchungshaftvollzugsgesetz - UVollzG Bin) Vom 3. Dezember 2009
Zum 07.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 14.09.2021 (GVBl. S. 1079, 1080)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft in Berlin (Berliner Untersuchungshaftvollzugsgesetz - UVollzG Bin) vom 3. Dezember 200901.01.2010
Eingangsformel01.01.2010
Inhaltsverzeichnis01.10.2016
Erster Abschnitt - Allgemeine Bestimmungen01.01.2010
§ 1 - Anwendungsbereich01.01.2010
§ 2 - Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs01.01.2010
§ 3 - Zuständigkeit und Zusammenarbeit01.10.2016
§ 4 - Stellung der Untersuchungsgefangenen01.10.2016
§ 5 - Vollzugsgestaltung01.10.2016
§ 6 - Soziale Hilfe und Eigenverantwortung01.10.2016
Zweiter Abschnitt - Vollzugsverlauf01.01.2010
§ 7 - Aufnahme01.10.2016
§ 8 - Verlegung und Überstellung01.10.2016
§ 9 - Vorführung, Ausführung und Ausantwortung01.10.2016
§ 10 - Entlassung01.01.2010
Dritter Abschnitt - Unterbringung und Versorgung der Untersuchungsgefangenen01.01.2010
§ 11 - Trennungsgründsätze25.09.2021
§ 12 - Unterbringung während der Einschlusszeiten01.10.2016
§ 13 - Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten01.10.2016
§ 14 - Unterbringung von weiblichen Untersuchungsgefangenen mit ihren Kindern01.10.2016
§ 15 - Persönlicher Gewahrsam und Gelder der Untersuchungsgefangenen01.10.2016
§ 16 - Ausstattung des Haftraums01.10.2016
§ 17 - Kleidung01.10.2016
§ 18 - Verpflegung und Einkauf25.09.2021
§ 19 - Annehmlichkeiten01.10.2016
§ 20 - Gesundheitsschutz und Hygiene01.10.2016
§ 21 - Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge01.10.2016
§ 22 - Medizinische Leistungen, Forderungsübergang und Kostenbeteiligung01.10.2016
§ 23 - Verlegung, Überstellung und Ausführung zur medizinischen Behandlung01.10.2016
Vierter Abschnitt - Arbeit, Bildung, Freizeit01.01.2010
§ 24 - Arbeit und Bildung01.10.2016
§ 25 - Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe, Taschengeld und Freistellung01.10.2016
§ 26 - Freizeit und Sport01.10.2016
§ 27 - Zeitungen und Zeitschriften01.10.2016
§ 28 - Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik01.10.2016
Fünfter Abschnitt - Religionsausübung01.01.2010
§ 29 - Seelsorge, religiöse Schriften und Gegenstände01.10.2016
§ 30 - Religiöse Veranstaltungen01.10.2016
§ 31 - Weltanschauungsgemeinschaften01.01.2010
Sechster Abschnitt - Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche und Pakete01.01.2010
§ 32 - Grundsatz01.10.2016
§ 33 - Besuch01.10.2016
§ 34 - Besuche der Verteidigung, von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren sowie von Mitgliedern bestimmter Institutionen und bestimmten Personen01.10.2016
§ 35 - Beaufsichtigung von Besuchen und Überwachung von Gesprächen01.10.2016
§ 36 - Schriftwechsel01.10.2016
§ 37 - Überwachung von Schriftwechsel01.10.2016
§ 38 - Sichtkontrolle, Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung01.10.2016
§ 39 - Anhalten von Schreiben01.10.2016
§ 40 - Telefongespräche01.10.2016
§ 41 - Pakete01.10.2016
Siebter Abschnitt - Sicherheit und Ordnung01.01.2010
§ 42 - Grundsatz der Sicherheit und Ordnung01.10.2016
§ 43 - Verhaltensvorschriften01.10.2016
§ 44 - Absuchung, Durchsuchung und Haftraumrevision01.10.2016
§ 45 - Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch01.10.2016
§ 46 - Festnahmerecht01.10.2016
§ 47 - Besondere Sicherungsmaßnahmen01.10.2016
§ 48 - Absonderung01.10.2016
§ 49 - Fesselung und Fixierung25.09.2021
§ 50 - Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren25.09.2021
§ 51 - Ärztliche Überwachung25.09.2021
Achter Abschnitt - Unmittelbarer Zwang01.01.2010
§ 52 - Begriffsbestimmungen01.10.2016
§ 53 - Allgemeine Voraussetzungen01.10.2016
§ 54 - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit01.10.2016
§ 55 - Androhung01.10.2016
§ 56 - Schusswaffengebrauch01.10.2016
Neunter Abschnitt - Disziplinarmaßnahmen01.01.2010
§ 57 - Voraussetzungen01.10.2016
§ 58 - Arten der Disziplinarmaßnahmen01.10.2016
§ 59 - Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung01.10.2016
§ 60 - Disziplinarbefugnis01.10.2016
§ 61 - Verfahren01.10.2016
Zehnter Abschnitt - Aufhebung von Maßnahmen und Beschwerderecht01.10.2016
§ 62 - Aufhebung von Maßnahmen01.10.2016
§ 63 - Beschwerderecht01.10.2016
Elfter Abschnitt - Ergänzende Bestimmungen für junge Untersuchungsgefangene01.01.2010
§ 64 - Anwendungsbereich25.09.2021
§ 65 - Vollzugsgestaltung01.10.2016
§ 66 - Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter01.10.2016
§ 67 - Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs, Maßnahmen01.10.2016
§ 68 - Unterbringung01.10.2016
§ 69 - Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit01.10.2016
§ 70 - Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche01.10.2016
§ 71 - Freizeit und Sport01.10.2016
§ 72 - Besondere Sicherungsmaßnahmen01.10.2016
§ 73 - Einvernehmliche Konfliktregelung, erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen01.10.2016
Zwölfter Abschnitt - Aufbau der Anstalt01.01.2010
§ 74 - Räumlichkeiten01.10.2016
§ 75 - Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung01.10.2016
§ 76 - Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung01.10.2016
§ 77 - Leitung der Anstalt01.10.2016
§ 78 - Bedienstete01.10.2016
§ 79 - Seelsorgerinnen und Seelsorger01.10.2016
§ 80 - Medizinische Versorgung01.10.2016
§ 81 - Interessenvertretung der Untersuchungsgefangenen01.10.2016
§ 82 - Hausordnung01.10.2016
Dreizehnter Abschnitt - Aufsicht, Beirat und Besichtigungen01.10.2016
§ 83 - Aufsichtsbehörde01.10.2016
§ 84 - Vollstreckungsplan01.10.2016
§ 85 - Anstaltsbeiräte25.09.2021
§ 86 - Berliner Vollzugsbeirat01.10.2016
§ 87 - Besichtigungen01.10.2016
Vierzehnter Abschnitt - Schlussbestimmungen01.10.2016
§ 88 - Einschränkung von Grundrechten01.10.2016
§ 89 - Inkrafttreten01.10.2016
Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen:
Inhaltsübersicht
Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen
§ 1Anwendungsbereich
§ 2Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs
§ 3Zuständigkeit und Zusammenarbeit
§ 4Stellung der Untersuchungsgefangenen
§ 5Vollzugsgestaltung
§ 6Soziale Hilfe und Eigenverantwortung
Zweiter Abschnitt Vollzugsverlauf
§ 7Aufnahme
§ 8Verlegung und Überstellung
§ 9Vorführung, Ausführung und Ausantwortung
§ 10Entlassung
Dritter Abschnitt Unterbringung und Versorgung der Untersuchungsgefangenen
§ 11Trennungsgrundsätze
§ 12Unterbringung während der Einschlusszeiten
§ 13Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten
§ 14Unterbringung von weiblichen Untersuchungsgefangenen mit ihren Kindern
§ 15Persönlicher Gewahrsam und Gelder der Untersuchungsgefangenen
§ 16Ausstattung des Haftraums
§ 17Kleidung
§ 18Verpflegung und Einkauf
§ 19Annehmlichkeiten
§ 20Gesundheitsschutz und Hygiene
§ 21Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
§ 22Medizinische Leistungen, Forderungsübergang und Kostenbeteiligung
§ 23Verlegung, Überstellung und Ausführung zur medizinischen Behandlung
Vierter Abschnitt Arbeit, Bildung, Freizeit
§ 24Arbeit und Bildung
§ 25Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe, Taschengeld und Freistellung
§ 26Freizeit und Sport
§ 27Zeitungen und Zeitschriften
§ 28Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik
Fünfter Abschnitt Religionsausübung
§ 29Seelsorge, religiöse Schriften und Gegenstände
§ 30Religiöse Veranstaltungen
§ 31Weltanschauungsgemeinschaften
Sechster Abschnitt Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche und Pakete
§ 32Grundsatz
§ 33Besuch
§ 34Besuche der Verteidigung, von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren sowie von Mitgliedern bestimmter Institutionen und bestimmten Personen
§ 35Beaufsichtigung von Besuchen und Überwachung von Gesprächen
§ 36Schriftwechsel
§ 37Überwachung von Schriftwechsel
§ 38Sichtkontrolle, Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung
§ 39Anhalten von Schreiben
§ 40Telefongespräche
§ 41Pakete
Siebter Abschnitt Sicherheit und Ordnung
§ 42Grundsatz der Sicherheit und Ordnung
§ 43Verhaltensvorschriften
§ 44Absuchung, Durchsuchung und Haftraumrevision
§ 45Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch
§ 46Festnahmerecht
§ 47Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 48Absonderung
§ 49Fesselung und Fixierung
§ 50Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren
§ 51Ärztliche Überwachung
Achter Abschnitt Unmittelbarer Zwang
§ 52Begriffsbestimmungen
§ 53Allgemeine Voraussetzungen
§ 54Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§ 55Androhung
§ 56Schusswaffengebrauch
Neunter Abschnitt Disziplinarmaßnahmen
§ 57Voraussetzungen
§ 58Arten der Disziplinarmaßnahmen
§ 59Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung
§ 60Disziplinarbefugnis
§ 61Verfahren
Zehnter Abschnitt Aufhebung von Maßnahmen und Beschwerderecht
§ 62Aufhebung von Maßnahmen
§ 63Beschwerderecht
Elfter Abschnitt Ergänzende Bestimmungen für junge Untersuchungsgefangene
§ 64Anwendungsbereich
§ 65Vollzugsgestaltung
§ 66Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter
§ 67Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs, Maßnahmen
§ 68Unterbringung
§ 69Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit
§ 70Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche
§ 71Freizeit und Sport
§ 72Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 73Einvernehmliche Konfliktregelung, erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen
Zwölfter Abschnitt Aufbau der Anstalt
§ 74Räumlichkeiten
§ 75Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung
§ 76Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung
§ 77Leitung der Anstalt
§ 78Bedienstete
§ 79Seelsorgerinnen und Seelsorger
§ 80Medizinische Versorgung
§ 81Interessenvertretung der Untersuchungsgefangenen
§ 82Hausordnung
Dreizehnter Abschnitt Aufsicht, Beirat und Besichtigungen
§ 83Aufsichtsbehörde
§ 84Vollstreckungsplan
§ 85Anstaltsbeiräte
§ 86Berliner Vollzugsbeirat
§ 87Besichtigungen
Vierzehnter Abschnitt Schlussbestimmungen
§ 88Einschränkung von Grundrechten
§ 89Inkrafttreten

Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Untersuchungshaft.
(2) Es gilt entsprechend für den Vollzug der Haft nach § 127b Absatz 2, § 230 Absatz 2, §§ 236, 329 Absatz 4 Satz 1, § 412 Satz 1 und § 453c der Strafprozessordnung sowie der einstweiligen Unterbringung nach § 275a Absatz 5 der Strafprozessordnung.

§ 2 Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat die Aufgabe, durch sichere Unterbringung der Untersuchungsgefangenen die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen.

§ 3 Zuständigkeit und Zusammenarbeit

(1) Entscheidungen nach diesem Gesetz trifft die Justizvollzugsanstalt, in der die Untersuchungshaft vollzogen wird (Anstalt). Sie arbeitet eng mit Gericht und Staatsanwaltschaft zusammen, um die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs zu erfüllen und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu gewährleisten.
(2) Die Anstalt hat Anordnungen nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr zu beachten und umzusetzen.

§ 4 Stellung der Untersuchungsgefangenen

(1) Die Untersuchungsgefangenen gelten als unschuldig. Sie sind so zu behandeln, dass der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten.
(2) Die Persönlichkeit der Untersuchungsgefangenen ist zu achten. Ihre Selbständigkeit im Vollzugsalltag ist soweit wie möglich zu erhalten und zu fördern.
(3) Die Untersuchungsgefangenen werden an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt. Vollzugliche Maßnahmen sind ihnen zu erläutern.
(4) Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen den Untersuchungsgefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, zur Abwehr einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt oder zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung unerlässlich sind. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Anordnung stehen und dürfen die Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 5 Vollzugsgestaltung

(1) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen, soweit die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt dies zulassen. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Verhütung von Selbsttötungen zu legen.
(2) Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung und sexuelle Identität werden bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall berücksichtigt.

§ 6 Soziale Hilfe und Eigenverantwortung

(1) Die Untersuchungsgefangenen werden darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln.
(2) Die Anstalt arbeitet mit außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen sowie mit Personen und Vereinen, die soziale Hilfestellung leisten können, eng zusammen.
(3) Die Untersuchungsgefangenen sind, soweit erforderlich, über die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung ihrer sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche zu beraten.
(4) Die Beratung soll die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt umfassen, die sich um eine Vermeidung der weiteren Untersuchungshaft bemühen. Auf Wunsch sind den Untersuchungsgefangenen Stellen und Einrichtungen zu benennen, die sie in ihrem Bestreben unterstützen können, einen Ausgleich mit den Verletzten der Straftat zu erreichen.

Zweiter Abschnitt Vollzugsverlauf

§ 7 Aufnahme

(1) Mit den Untersuchungsgefangenen wird unverzüglich nach der Aufnahme ein Aufnahmegespräch geführt, in dem ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Sofern es für die sprachliche Verständigung mit den Untersuchungsgefangenen erforderlich ist, sind Sprachmittlerinnen oder Sprachmittler hinzuzuziehen. Den Untersuchungsgefangenen wird ein Exemplar der Hausordnung ausgehändigt oder in anderer Weise dauerhaft zugänglich gemacht. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind den Untersuchungsgefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.
(2) Beim Aufnahmeverfahren dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.
(3) Die Untersuchungsgefangenen werden alsbald ärztlich untersucht.
(4) Den Untersuchungsgefangenen ist Gelegenheit zu geben, eine Angehörige oder einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson von der Aufnahme in die Anstalt zu benachrichtigen, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung nicht entgegensteht.
(5) Die Untersuchungsgefangenen werden dabei unterstützt, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung und zur Sicherung ihrer Habe außerhalb der Anstalt zu veranlassen.

§ 8 Verlegung und Überstellung

(1) Untersuchungsgefangene können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt oder überstellt werden, wenn es
1.
zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung,
2.
aus Gründen der Sicherheit der Anstalt oder
3.
aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Gründen im Einzelfall
erforderlich ist. Zuvor ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Verteidigung erhält Gelegenheit zur Stellungnahme, soweit dies die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs und die Sicherheit der Anstalt nicht gefährdet.
(2) § 7 Absatz 4 gilt entsprechend.

§ 9 Vorführung, Ausführung und Ausantwortung

(1) Auf Ersuchen eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft werden Untersuchungsgefangene vorgeführt, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt. Über Vorführungsersuchen in anderen als dem der Inhaftierung zugrunde liegenden Verfahren sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.
(2) Aus besonderen Gründen können Untersuchungsgefangene unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht ausgeführt werden. Ausführungen zur Befolgung einer gerichtlichen Ladung sind zu ermöglichen, soweit darin das persönliche Erscheinen angeordnet ist oder dies aus sonstigen prozessualen Gründen erforderlich ist und eine verfahrenssichernde Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung nicht entgegensteht. Vor der Entscheidung ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Verteidigung erhält Gelegenheit zur Stellungnahme, soweit dies die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs und die Sicherheit der Anstalt nicht gefährdet. Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse der Untersuchungsgefangenen, können ihnen die Kosten auferlegt werden.
(3) Untersuchungsgefangene dürfen befristet dem Gewahrsam eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft oder einer Polizei-, Ordnungs-, Zoll- oder Finanzbehörde auf Antrag überlassen werden (Ausantwortung). Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

§ 10 Entlassung

(1) Auf Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft entlässt die Anstalt die Untersuchungsgefangenen unverzüglich aus der Haft, es sei denn, es ist in anderer Sache eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung zu vollziehen.
(2) Aus fürsorgerischen Gründen kann Untersuchungsgefangenen der freiwillige Verbleib in der Anstalt bis zum Vormittag des zweiten auf den Eingang der Entlassungsanordnung folgenden Werktags gestattet werden. Der freiwillige Verbleib setzt das schriftliche Einverständnis der Untersuchungsgefangenen voraus, dass die bisher bestehenden Beschränkungen aufrechterhalten bleiben.
(3) Bedürftigen Untersuchungsgefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.

Dritter Abschnitt Unterbringung und Versorgung der Untersuchungsgefangenen

§ 11 Trennungsgründsätze

(1) Untersuchungsgefangene werden von Gefangenen anderer Haftarten, namentlich von Strafgefangenen, getrennt untergebracht. Ausnahmen sind zulässig
1.
mit Zustimmung der einzelnen Untersuchungsgefangenen,
2.
zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung,
3.
aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder
4.
bei Strafgefangenen, die sich zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft ihres Strafurteils in Untersuchungshaft befunden haben und für die zur Verlegung in die für sie zum Vollzug der Freiheitsstrafe zuständige Anstalt ein Vollzugs- und Eingliederungsplan erstellt wird.
Darüber hinaus können Untersuchungsgefangene ausnahmsweise mit Gefangenen anderer Haftarten untergebracht werden, wenn die geringe Anzahl der Untersuchungsgefangenen eine getrennte Unterbringung nicht zulässt.
(2) Junge Untersuchungsgefangene (§64 Absatz 1) werden von den übrigen Untersuchungsgefangenen und von Gefangenen anderer Haftarten getrennt untergebracht. Hiervon kann aus den in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Gründen abgewichen werden, wenn eine Vollzugsgestaltung nach § 65 gewährleistet bleibt und schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen nicht zu befürchten sind. Mit Untersuchungsgefangenen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, dürfen minderjährige Untersuchungsgefangene nur gemeinsam untergebracht werden, wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht. Mit Untersuchungsgefangenen, die das 24. Lebensjahr vollendet haben und auf die gemäß § 64 Absatz 2 Satz 2 ausnahmsweise die ergänzenden Bestimmungen des Elften Abschnitts Anwendung finden, dürfen minderjährige Untersuchungsgefangene nur untergebracht werden, wenn dies dem Kindeswohl dient.
(3) Untersuchungsgefangene unterschiedlichen Geschlechts werden getrennt voneinander untergebracht. Von dem Grundsatz der getrennten Unterbringung gemäß Satz 1 kann im Einzelfall unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und der Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen, der Erreichung des Vollzugsziels und der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, einschließlich der Bedürfnisse der übrigen Untersuchungsgefangenen, insbesondere dann abgewichen werden, wenn sich Untersuchungsgefangene
1.
auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität nicht dem in ihrem amtlichen Personenstandseintrag angegebenen, sondern einem anderen Geschlecht oder
2.
dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht
als zugehörig empfinden.
(4) Gemeinsame Maßnahmen, insbesondere gemeinsame Arbeit und eine gemeinsame Berufs- und Schulausbildung, sind zulässig.

§ 12 Unterbringung während der Einschlusszeiten

(1) Die Untersuchungsgefangenen werden während der Einschlusszeiten in ihren Hafträumen einzeln untergebracht. Wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind, können Untersuchungsgefangene mit ihrer Zustimmung in dafür zugelassenen Hafträumen zu zweit untergebracht werden; dies gilt auch dann, wenn eine Gefahr für Leben oder eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit einer oder eines Untersuchungsgefangenen besteht. Die Anstalt setzt die Einschlusszeiten unter Berücksichtigung der in § 4 und § 5 geregelten Grundsätze fest.
(2) Abweichend von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 ist eine gemeinsame Unterbringung nur während der stationären Behandlung im Justizvollzugskrankenhaus oder vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig. Schädliche Einflüsse auf die Untersuchungsgefangenen dürfen hierdurch nicht zu befürchten sein.

§ 13 Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten

(1) Außerhalb der Einschlusszeiten dürfen sich die Untersuchungsgefangenen in Gemeinschaft aufhalten. Für die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen kann die Anstalt mit Rücksicht auf die räumlichen, personellen oder organisatorischen Verhältnisse der Anstalt besondere Regelungen treffen.
(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann eingeschränkt werden,
1.
wenn ein schädlicher Einfluss auf andere Untersuchungsgefangene zu befürchten ist,
2.
wenn es zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung erforderlich ist,
3.
wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert oder
4.
während der stationären Behandlung im Justizvollzugskrankenhaus.

§ 14 Unterbringung von weiblichen Untersuchungsgefangenen mit ihren Kindern

(1) Bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres können Kinder von weiblichen Untersuchungsgefangenen mit Zustimmung der oder des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten mit ihrer Mutter gemeinsam in der Anstalt untergebracht werden, wenn Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.
(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung gefährdet würde.

§ 15 Persönlicher Gewahrsam und Gelder der Untersuchungsgefangenen

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen Gegenstände nur mit Zustimmung der Anstalt in Gewahrsam haben, annehmen oder abgeben. Ohne Zustimmung dürfen sie Gegenstände von geringem Wert von anderen Gefangenen annehmen und an andere Gefangene weitergeben; die Abgabe und Annahme dieser Gegenstände nebst dem Gewahrsam daran können von der Zustimmung der Anstalt abhängig gemacht werden.
(2) Gelder der Untersuchungsgefangenen werden auf einem Eigengeldkonto in der Anstalt geführt. Der Besitz von Bargeld in der Anstalt ist den Untersuchungsgefangenen nicht gestattet. Geld in Fremdwährung wird in der Regel in der Zahlstelle verwahrt oder zur Habe genommen.
(3) Gegenstände, die die Untersuchungsgefangenen nicht im Haftraum aufbewahren dürfen oder wollen, werden von der Anstalt aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist und Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, insbesondere auch hygienische Gründe, nicht dagegen sprechen. Die Anstalt kann eine angemessene Beschränkung des Umfangs der aufzubewahrenden Gegenstände vornehmen. Den Untersuchungsgefangenen wird Gelegenheit gegeben, ihre Gegenstände, die sie während des Vollzugs und für ihre Entlassung nicht benötigen, zu versenden. § 41 Absatz 5 gilt entsprechend.
(4) Werden eingebrachte Gegenstände, deren Aufbewahrung nach Absatz 3 ausgeschlossen ist, von den Untersuchungsgefangenen trotz Aufforderung nicht innerhalb einer angemessenen Frist aus der Anstalt verbracht, so ist die Anstalt berechtigt, diese Gegenstände auf Kosten der Untersuchungsgefangenen außerhalb der Anstalt zu verwahren, zu verwerten oder zu vernichten. Für das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 40 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in der Fassung vom 11. Oktober 2006 (GVBl. S. 930), das zuletzt durch Gesetz vom 7. April 2015 (GVBl. S. 66) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung entsprechend.
(5) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.
(6) Die Zustimmung nach Absatz 1 kann widerrufen werden, wenn es zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer erheblichen Störung der Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

§ 16 Ausstattung des Haftraums

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten oder diese dort aufbewahren. Gegenstände, deren Überlassung eine verfahrenssichernde Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung entgegensteht oder die einzeln oder in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, insbesondere die Übersichtlichkeit des Haftraumes, zu gefährden, dürfen nicht in den Haftraum eingebracht werden. Entgegen Satz 2 eingebrachte Gegenstände werden daraus entfernt.
(2) Die Untersuchungsgefangenen tragen die Kosten für die aus Gründen der Sicherheit der Anstalt notwendige technische Überprüfung der von ihnen im Haftraum genutzten Elektrogeräte. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 17 Kleidung

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen eigene Kleidung tragen, soweit sie für Reinigung, Instandhaltung und regelmäßigen Wechsel auf ihre Kosten sorgen. Die Anstalt kann anordnen, dass Reinigung und Instandhaltung nur durch ihre Vermittlung erfolgen dürfen.
(2) Soweit es zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung oder zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist, kann das in Absatz 1 genannte Recht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

§ 18 Verpflegung und Einkauf

(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung haben den Anforderungen an eine gesunde Ernährung zu entsprechen. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Untersuchungsgefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen sowie sich fleischlos zu ernähren. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Ernährungsweise von Untersuchungsgefangenen sind zu berücksichtigten.
(2) Die Untersuchungsgefangenen können aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot über ihr Eigengeldkonto gemäß § 15 Absatz 2 Satz 1 einkaufen. Die Anstalt wirkt auf ein Angebot hin, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen Rücksicht nimmt.
(3) Den Untersuchungsgefangenen soll die Möglichkeit eröffnet werden, unmittelbar oder über Dritte Gegenstände über den Versandhandel zu beziehen. Zulassung und Verfahren des Einkaufs regelt die Anstalt.
(4) Gegenstände, deren Überlassung eine verfahrenssichernde Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung entgegensteht oder die nach Art oder Menge geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen oder mengenmäßig zu beschränken.

§ 19 Annehmlichkeiten

Von den §§ 16 bis 18 nicht umfasste Annehmlichkeiten dürfen sich die Untersuchungsgefangenen auf ihre Kosten verschaffen, soweit und solange weder eine verfahrenssichernde Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung entgegensteht noch die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird.

§ 20 Gesundheitsschutz und Hygiene

(1) Die Anstalt unterstützt die Untersuchungsgefangenen bei der Wiederherstellung und Erhaltung ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit. Die Untersuchungsgefangenen haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.
(2) Den Untersuchungsgefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten. § 47 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 in Verbindung mit Absatz 4 bleibt unberührt.
(3) Erkranken Untersuchungsgefangene schwer oder versterben sie, so wird eine Angehörige oder ein Angehöriger benachrichtigt. Im Fall einer schweren Erkrankung ist die Einwilligung der Untersuchungsgefangenen erforderlich. Kann die Einwilligung, insbesondere aus Krankheitsgründen, nicht erlangt werden, so erfolgt die Benachrichtigung, wenn diese dem mutmaßlichen Interesse der Untersuchungsgefangenen entspricht. Dem Wunsch der Untersuchungsgefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.
(4) Der Nichtraucherschutz ist angemessen zu gewährleisten. Den Untersuchungsgefangenen soll die Teilnahme an Raucherentwöhnungsmaßnahmen ermöglicht werden.

§ 21 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

(1) Eine medizinische Untersuchung und Behandlung ist ohne Einwilligung der Untersuchungsgefangenen zulässig, um den Erfolg eines Selbsttötungsversuchs zu verhindern. Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn von den Untersuchungsgefangenen eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit einer anderen Person ausgeht.
(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind medizinische Untersuchung und Behandlung sowie eine Ernährung zwangsweise bei gegenwärtiger Lebensgefahr oder schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der oder des Untersuchungsgefangenen zulässig, wenn diese oder dieser zur Einsicht in das Vorliegen der Gefahr und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist und eine gegen die Durchführung gerichtete wirksame Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Anstalt nicht vorliegt.
(3) Zwangsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 dürfen nur angeordnet werden, wenn
1.
die Untersuchungsgefangenen durch eine Ärztin oder einen Arzt über Notwendigkeit, Art, Umfang, Dauer, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme in einer ihrer Auffassungsgabe und ihrem Gesundheitszustand angemessenen Weise aufgeklärt wurden,
2.
der ernsthafte und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer Ärztin oder eines Arztes, eine Zustimmung der Untersuchungsgefangenen zu der Maßnahme zu erreichen, erfolglos geblieben ist,
3.
die Maßnahme zur Abwendung einer Gefahr nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 geeignet, in Art, Umfang und Dauer erforderlich und für die Beteiligten zumutbar ist und
4.
der von der Maßnahme erwartete Nutzen die mit der Maßnahme verbundene Belastung deutlich überwiegt und der bei Unterlassen der Maßnahme mögliche Schaden deutlich schwerer wiegt als die mit der Maßnahme verbundene Belastung.
(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden. Unberührt bleibt die Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und Absatzes 2 bedarf die Anordnung der Zustimmung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters und der Aufsichtsbehörde. Die Anordnung wird den Verteidigerinnen und den Verteidigern auf Antrag der Untersuchungsgefangenen unverzüglich mitgeteilt. Die Gründe und die Voraussetzungen für die Anordnung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 oder 2, die ergriffenen Maßnahmen einschließlich ihres Zwangscharakters, die Durchsetzungsweise, die Wirkungsüberwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsablauf sind zu dokumentieren. Gleiches gilt für Erklärungen der Untersuchungsgefangenen, die im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können.
(5) Die Anordnung einer Maßnahme nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 ist den Untersuchungsgefangenen vor Durchführung der Maßnahme schriftlich bekannt zu geben. Sie sind darüber zu belehren, dass sie gegen die Anordnung bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen und auch Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen können. Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zuzuwarten, bis die Untersuchungsgefangenen Gelegenheit hatten, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.
(6) Bei Gefahr im Verzug finden Absatz 3 Nummer 1 und 2, Absatz 4 Satz 3 und Absatz 5 keine Anwendung.
(7) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der Untersuchungsgefangenen zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Sie darf nur von den von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten auf der Grundlage einer ärztlichen Stellungnahme angeordnet werden. Durchführung und Überwachung unterstehen ärztlicher Leitung. Kann die körperliche Untersuchung das Schamgefühl verletzen, so wird sie von einer Person gleichen Geschlechts oder von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen; bei berechtigtem Interesse der Untersuchungsgefangenen soll ihrem Wunsch, die Untersuchung einer Person oder einem Arzt bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden. Duldungspflichten der Untersuchungsgefangenen nach Vorschriften anderer Gesetze bleiben unberührt.

§ 22 Medizinische Leistungen, Forderungsübergang und Kostenbeteiligung

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit. Der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen ist zu berücksichtigen. Den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Untersuchungsgefangener ist Rechnung zu tragen.
(2) Der Anspruch umfasst auch Vorsorgeleistungen, ferner die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln und Körperersatzstücken, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, eine Behinderung auszugleichen oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen, soweit diese nicht außer Verhältnis zur voraussichtlichen Dauer des Untersuchungshaftvollzugs steht und die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind.
(3) Gesetzliche Schadensersatzansprüche, die Untersuchungsgefangenen infolge einer Körperverletzung zustehen, gehen insoweit auf das Land über, als den Untersuchungsgefangenen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 zu gewähren sind. Von der Geltendmachung der Ansprüche gegenüber Strafgefangenen ist abzusehen, wenn hierdurch die Erreichung ihres Vollzugsziels oder ihre Eingliederung gefährdet würde.
(4) Für Leistungen, die über die in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen hinausgehen, können den Untersuchungsgefangenen die Kosten auferlegt werden.
(5) Die Anstalt soll nach Anhörung des ärztlichen Dienstes der Anstalt den Untersuchungsgefangenen auf ihren Antrag hin gestatten, auf ihre Kosten externen ärztlichen Rat einzuholen. Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn die Untersuchungsgefangenen die gewählte ärztliche Vertrauensperson und den ärztlichen Dienst der Anstalt nicht wechselseitig in dem für die Behandlung erforderlichen Maße von der Schweigepflicht entbinden oder wenn es zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Die Konsultation soll in der Anstalt stattfinden.

§ 23 Verlegung, Überstellung und Ausführung zur medizinischen Behandlung

(1) Kranke oder hilfsbedürftige Untersuchungsgefangene können in eine zur Behandlung ihrer Krankheit oder zu ihrer Versorgung besser geeignete Anstalt oder in ein Vollzugskrankenhaus verlegt oder überstellt werden.
(2) Erforderlichenfalls können Untersuchungsgefangene zur medizinischen Behandlung ausgeführt oder in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs gebracht werden.
(3) Zur Entbindung sind schwangere Untersuchungsgefangene in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs zu bringen, sofern dies im Hinblick auf den Geburtsvorgang möglich ist.
(4) Vor Verlegung, Überstellung und Ausführung zur medizinischen Behandlung ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft nach Möglichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Verlegungen und Überstellungen gilt § 7 Absatz 4 entsprechend.
(5) Werden Untersuchungsgefangene während einer Behandlung aus der Haft entlassen, so hat das Land nur für diejenigen Leistungen die Kosten zu tragen, die bis zur Entlassung erbracht worden sind.

Vierter Abschnitt Arbeit, Bildung, Freizeit

§ 24 Arbeit und Bildung

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind nicht zur Arbeit verpflichtet.
(2) Ihnen soll nach Möglichkeit Arbeit oder eine sonstige Beschäftigung angeboten werden, die ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigt. Die Arbeit darf nicht zur Unzeit niedergelegt werden.
(3) Geeigneten Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse gegeben werden, soweit es die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen. Zur Vorbereitung und Durchführung dieser Maßnahmen soll Untersuchungsgefangenen, die nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, die Teilnahme an Deutschkursen ermöglicht werden.
(4) Nehmen die Untersuchungsgefangenen eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung nach den Absätzen 2 oder 3 auf, so gelten die von der Anstalt festgelegten Beschäftigungsbedingungen. Für schwangere und stillende Untersuchungsgefangene sind die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2318), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung über die Beschäftigungsverbote und die Gestaltung des Arbeitsplatzes entsprechend anzuwenden. Die Untersuchungsgefangenen können von ihrer Tätigkeit nach Satz 1 abgelöst werden, wenn
1.
sie den Anforderungen nicht gewachsen sind,
2.
sie trotz Abmahnung wiederholt gegen die Beschäftigungsvorschriften verstoßen,
3.
dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung erforderlich ist oder
4.
dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.
Vor Ablösung sind die Untersuchungsgefangenen anzuhören. Bei einer Gefährdung der Sicherheit der Anstalt kann dies auch nachgeholt werden. Werden Untersuchungsgefangene nach Nummer 2 oder aufgrund ihres Verhaltens nach Nummer 4 abgelöst, so gelten sie als verschuldet ohne Beschäftigung.
(5) Das Zeugnis oder der Nachweis über eine Bildungsmaßnahme darf keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

§ 25 Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe, Taschengeld und Freistellung

(1) Wer eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung ausübt, erhält Arbeitsentgelt.
(2) Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind 9 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), das zuletzt durch Artikel 28 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der 250. Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.
(3) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung der Untersuchungsgefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. Es beträgt mindestens 75 Prozent der Eckvergütung. Die für Justiz zuständige Senatsverwaltung wird ermächtigt, die Vergütungsstufen durch Rechtsverordnung zu bestimmen.
(4) Die Höhe des Arbeitsentgelts ist den Untersuchungsgefangenen schriftlich bekannt zu geben.
(5) Soweit Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann vom Arbeitsentgelt ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Untersuchungsgefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Bezüge als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer erhielten.
(6) Nehmen Untersuchungsgefangene während der Arbeitszeit an einer Bildungsmaßnahme teil, erhalten sie eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt besteht, die außerhalb des Vollzugs aus solchem Anlass gewährt werden. Die Absätze 2 bis 5 gelten entsprechend.
(7) Kann Untersuchungsgefangenen weder Arbeit noch die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme angeboten werden, so wird ihnen bei Bedürftigkeit auf Antrag ein Taschengeld gewährt. Bedürftig sind Untersuchungsgefangene, soweit ihnen voraussichtlich monatlich nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes aus eigenen Mitteln zur Verfügung steht. Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der Eckvergütung nach Absatz 2 Satz 1. Es wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt. Gehen Untersuchungsgefangenen im Laufe des Monats Gelder zu, so wird zum Ausgleich ein Betrag bis zur Höhe des gewährten Taschengeldes einbehalten.
(8) Haben Untersuchungsgefangene ein halbes Jahr lang gearbeitet oder an einer Bildungsmaßnahme nach Absatz 6 teilgenommen, die den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erreicht, so können sie beanspruchen, zehn Beschäftigungstage von ihrer Beschäftigung freigestellt zu werden. Zeiten, in denen die Untersuchungsgefangenen infolge Krankheit an der Arbeitsleistung oder Teilnahme an der Bildungsmaßnahme gehindert waren, werden auf das Halbjahr mit bis zu 15 Beschäftigungstagen angerechnet. Der Anspruch verfällt, wenn die Freistellung nicht innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung erfolgt ist. Die Untersuchungsgefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung ihr Arbeitsentgelt oder ihre Ausbildungsbeihilfe weiter.

§ 26 Freizeit und Sport

(1) Zur Freizeitgestaltung sind geeignete Angebote vorzuhalten. Insbesondere sollen Sportmöglichkeiten, Gemeinschaftsveranstaltungen und Veranstaltungen zur kreativen Entfaltung angeboten werden. Die Anstalt stellt eine angemessen ausgestattete Bücherei zur Verfügung.
(2) Die Untersuchungsgefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten.

§ 27 Zeitungen und Zeitschriften

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.
(2) Zeitungen oder Zeitschriften können den Untersuchungsgefangenen vorenthalten werden, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung erforderlich ist. Für einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen und Zeitschriften gilt dies auch dann, wenn die Kenntnisnahme von deren Inhalten die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würde.

§ 28 Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik

(1) Der Zugang zum Hörfunk- und Fernsehempfang (Rundfunk) ist zu ermöglichen. Die Anstalt entscheidet über die Einspeisung einzelner Hörfunk- und Fernsehprogramme, soweit eine Empfangsanlage vorhanden ist. Die Wünsche und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen sind angemessen zu berücksichtigen.
(2) Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte der Untersuchungsgefangenen werden zugelassen, wenn nicht Gründe des § 16 Absatz 1 Satz 2 entgegenstehen. Die Untersuchungsgefangenen können auf von der Anstalt vermittelte Mietgeräte oder Haftraummediensysteme verwiesen werden. In diesem Fall ist den Untersuchungsgefangenen abweichend von Satz 1 der Besitz eigener Geräte im Haftraum in der Regel nicht gestattet.
(3) Die Untersuchungsgefangenen haben die Kosten für die Überprüfung, Überlassung und den Betrieb der von ihnen genutzten Hörfunk- und Fernsehgeräte sowie die Bereitstellung des Hörfunk- und Fernsehempfangs zu tragen. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
(4) Andere Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik können unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 zugelassen werden.

Fünfter Abschnitt Religionsausübung

§ 29 Seelsorge, religiöse Schriften und Gegenstände

(1) Den Untersuchungsgefangenen ist religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft zu ermöglichen. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger in Verbindung zu treten.
(2) Die Untersuchungsgefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften sowie in angemessenem Umfang Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen. Diese dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

§ 30 Religiöse Veranstaltungen

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihrer Religionsgemeinschaft teilzunehmen.
(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung der Seelsorgerin oder des Seelsorgers dieser Religionsgemeinschaft.
(3) Untersuchungsgefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder an anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung oder aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt geboten ist. Die Seelsorgerin oder der Seelsorger ist dazu vorher anzuhören; bei einer Gefährdung der Sicherheit der Anstalt kann dies auch nachgeholt werden.

§ 31 Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 29 und 30 entsprechend.

Sechster Abschnitt Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche und Pakete

§ 32 Grundsatz

Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung nicht entgegensteht. Der Verkehr mit der Außenwelt, insbesondere die Erhaltung der Kontakte zu Bezugspersonen mit einem günstigen Einfluss auf die Untersuchungsgefangenen, ist zu fördern.

§ 33 Besuch

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens zwei Stunden im Monat. Bei Besuchen von minderjährigen Kindern der Untersuchungsgefangenen erhöht sich die Gesamtdauer der Besuchszeit nach Satz 2 um eine weitere Stunde. Näheres zum Verfahren und zum Ablauf der Besuche regelt die Anstalt.
(2) Kontakte der Untersuchungsgefangenen zu ihren Angehörigen im Sinne von § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs - insbesondere zu ihren minderjährigen Kindern - werden besonders gefördert.
(3) Besuche sollen über die Fälle des Absatzes 1 hinaus zugelassen werden, wenn sie persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von den Untersuchungsgefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur voraussichtlichen Entlassung aufgeschoben werden können.
(4) Aus Gründen der Sicherheit der Anstalt können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass die Besucherinnen und Besucher sich und ihre mitgeführten Sachen durchsuchen und mit technischen oder sonstigen Hilfsmitteln absuchen lassen. Die Durchsuchung darf nur von Personen des gleichen Geschlechts vorgenommen werden; das Schamgefühl ist zu schonen.
(5) Besuche können untersagt werden, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde.
(6) Die Anstalt kann im Einzelfall die Nutzung einer Trennvorrichtung anordnen, wenn dies zum Schutz von Personen oder zur Verhinderung einer Übergabe von Gegenständen erforderlich ist.

§ 34 Besuche der Verteidigung, von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren sowie von Mitgliedern bestimmter Institutionen und bestimmten Personen

(1) Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern sowie von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die jeweiligen Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. § 33 Absatz 4 gilt entsprechend. Eine inhaltliche Überprüfung der von diesen Personen in einer die Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig.
(2) Besuche von Mitgliedern der in § 37 Absatz 3 Satz 1 genannten Stellen und von dort aufgeführten Personen sind zu gestatten. Die Besuche werden weder gemäß § 35 Absatz 1 beaufsichtigt noch die geführten Gespräche gemäß § 35 Absatz 2 überwacht. Im Übrigen gilt für die Durchführung der Besuche Absatz 1 Satz 3, § 33 Absatz 4 und Absatz 6 sowie § 35 Absatz 3 und Absatz 5 Satz 3 entsprechend.

§ 35 Beaufsichtigung von Besuchen und Überwachung von Gesprächen

(1) Besuche werden vorbehaltlich des Absatzes 4 regelmäßig beaufsichtigt. Über Ausnahmen entscheidet die Anstalt. Die Beaufsichtigung kann mittels optisch-elektronischer Einrichtungen durchgeführt werden.
(2) Gespräche dürfen nur überwacht werden, soweit es im Einzelfall aus Gründen der Sicherheit erforderlich ist.
(3) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucherinnen, Besucher oder Untersuchungsgefangene gegen dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen trotz Abmahnung verstoßen. Dies gilt auch bei einem Verstoß gegen verfahrenssichernde Anordnungen nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.
(4) Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern sowie von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die jeweiligen Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache werden weder beaufsichtigt noch überwacht.
(5) Beim Besuch dürfen Untersuchungsgefangene grundsätzlich keine Gegenstände, und Besucherinnen und Besucher nur Gegenstände, die sie innerhalb der Anstalt an dafür zugelassenen Einrichtungen zum Einkauf für die Untersuchungsgefangenen erworben haben, übergeben. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch der Verteidigerinnen und Verteidiger übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sowie für die bei dem Besuch von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren zur Erledigung einer die jeweiligen Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen. Bei dem Besuch von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von der Erlaubnis der Anstalt abhängig gemacht werden.

§ 36 Schriftwechsel

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen. Die Kosten des Schriftwechsels tragen die Untersuchungsgefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.
(2) Die Anstalt kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde.

§ 37 Überwachung von Schriftwechsel

(1) Der Schriftwechsel darf nur überwacht werden, soweit dies aus Gründen der Sicherheit der Anstalt erforderlich ist.
(2) Der Schriftwechsel der Untersuchungsgefangenen mit ihren Verteidigerinnen und Verteidigern sowie mit Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die jeweiligen Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache wird nicht überwacht.
(3) Ferner wird der Schriftwechsel der Untersuchungsgefangenen mit
1.
den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern,
2.
dem Bundesverfassungsgericht und dem für sie zuständigen Landesverfassungsgericht,
3.
der oder dem für sie zuständigen Bürgerbeauftragten eines Landes,
4.
der oder dem Datenschutzbeauftragten des Bundes oder der Länder,
5.
dem europäischen Parlament sowie dessen Mitgliedern,
6.
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
7.
dem Europäischen Gerichtshof,
8.
der oder dem Europäischen Datenschutzbeauftragten,
9.
der oder dem Europäischen Bürgerbeauftragten,
10.
dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe,
11.
der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz,
12.
dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen,
13.
den Ausschüssen der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung und für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau,
14.
dem Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, dem zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und den entsprechenden Nationalen Präventivmechanismen,
15.
den konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes,
16.
der für sie zuständigen Führungsaufsichtsstelle, Bewährungs- und Gerichtshilfe,
17.
der oder dem Opferbeauftragten des Landes Berlin und
18.
den Anstaltsbeiräten und dem Berliner Vollzugsbeirat sowie deren Mitgliedern
nicht überwacht, wenn die Schreiben an die Anschriften dieser Stellen oder Personen gerichtet sind und die Absenderinnen oder Absender zutreffend angegeben sind. Schreiben der in Satz 1 genannten Stellen oder Personen, die an die Untersuchungsgefangenen gerichtet sind, dürfen nicht überwacht werden, wenn die Identität der Absenderinnen oder Absender zweifelsfrei feststeht. In diesem Fall ist jedoch eine Sichtkontrolle entsprechend § 38 Absatz 3 vorzunehmen.
(4) Für den Schriftwechsel zur Ausübung des Wahlrechts gilt Absatz 3 entsprechend.

§ 38 Sichtkontrolle, Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben das Absenden und den Empfang ihrer Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist. Ein- und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.
(2) Ein- und ausgehende Schreiben werden durch Sichtkontrolle auf verbotene Gegenstände überprüft.
(3) Bei der Sichtkontrolle des Schriftwechsels der Untersuchungsgefangenen mit ihren Verteidigerinnen und Verteidigern sowie Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer sie betreffenden Rechtssache dürfen die ein- und ausgehenden Schreiben nur ungeöffnet auf verbotene Gegenstände untersucht werden. Besteht der Verdacht, dass diese Schreiben verbotene Gegenstände enthalten, oder bestehen Zweifel am Vorliegen eines Mandatsverhältnisses oder der Berufsträgereigenschaft, so werden sie an die Absenderinnen oder Absender zurückgesandt oder den absendenden Untersuchungsgefangenen zurückgegeben, sofern nicht der dringende Verdacht besteht, dass ungeöffnete Schreiben verbotene strafrechtlich relevante Gegenstände enthalten und eine Sicherstellung nach strafprozessualen Vorschriften in Betracht kommt.
(4) Die Untersuchungsgefangenen haben eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.

§ 39 Anhalten von Schreiben

(1) Schreiben können angehalten werden, wenn
1.
es die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert,
2.
die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
3.
sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen oder grobe Beleidigungen enthalten oder
4.
sie in Geheim- oder Kurzschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.
(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die Untersuchungsgefangenen auf das Absenden bestehen.
(3) Sind Schreiben angehalten worden, so wird das den Untersuchungsgefangenen mitgeteilt. Hiervon kann abgesehen werden, wenn und solange es die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs erfordert. Soweit angehaltene Schreiben nicht als Beweismittel nach strafprozessualen Vorschriften sichergestellt werden, werden sie an die Absenderinnen oder Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen nicht angezeigt ist, von der Anstalt verwahrt.
(4) Schreiben, deren Überwachung nach § 37 Absatz 2 bis 4 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 40 Telefongespräche

(1) Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, Telefongespräche durch Vermittlung der Anstalt zu führen. Die Vorschriften über den Besuch gemäß § 33 Absatz 5 und §§ 34, 35 Absatz 3 und 4 gelten entsprechend. Ist die Überwachung des Telefongesprächs erforderlich, so teilt die Anstalt die angeordnete Überwachung den Untersuchungsgefangenen rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs und den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern der Untersuchungsgefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mit.
(2) Die Kosten der Telefongespräche tragen die Untersuchungsgefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 41 Pakete

(1) Der Empfang von Paketen mit Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemitteln sowie Arzneimitteln ist den Untersuchungsgefangenen nicht gestattet. Der Empfang von Paketen mit anderem Inhalt bedarf der Erlaubnis der Anstalt, welche Zeitpunkt und Höchstmenge für die Sendung und für einzelne Gegenstände festsetzen kann. Für den Ausschluss von Gegenständen gilt § 18 Absatz 4 entsprechend.
(2) Pakete sind in Gegenwart der Untersuchungsgefangenen zu öffnen, an die sie adressiert sind. Sie sind auf verbotene Gegenstände zu durchsuchen. Ausgeschlossene Gegenstände können zu ihrer Habe genommen oder den Absenderinnen oder Absendern zurückgesandt werden. Nicht ausgehändigte Gegenstände, durch die bei der Versendung oder Aufbewahrung Personen verletzt oder Sachschäden verursacht werden können, dürfen vernichtet werden. Die hiernach getroffenen Maßnahmen werden den Untersuchungsgefangenen eröffnet.
(3) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.
(4) Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Die Anstalt kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüfen.
(5) Die Kosten des Paketversandes tragen die Untersuchungsgefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

Siebter Abschnitt Sicherheit und Ordnung

§ 42 Grundsatz der Sicherheit und Ordnung

(1) Sicherheit und Ordnung der Anstalt bilden die Grundlage des Anstaltslebens und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein gewaltfreies Klima herrscht.
(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Untersuchungsgefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen. Es sind insbesondere geschlechtsspezifische Belange sowie die besonderen Belange lebensälterer und behinderter Untersuchungsgefangener zu berücksichtigen.

§ 43 Verhaltensvorschriften

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen durch ihr Verhalten gegenüber Bediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben in der Anstalt nicht stören. Sie haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Einschlusszeit) zu richten.
(2) Die Untersuchungsgefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.
(3) Die Untersuchungsgefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.
(4) Die Untersuchungsgefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 44 Absuchung, Durchsuchung und Haftraumrevision

(1) Die Untersuchungsgefangenen und ihre Sachen dürfen, auch unter Verwendung technischer oder sonstiger Hilfsmittel, abgesucht und durchsucht werden. Entsprechendes gilt für die Hafträume (Haftraumrevision). Die Durchsuchung männlicher Untersuchungsgefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Untersuchungsgefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen. Schreiben und Unterlagen, die gemäß § 37 Absatz 2 bis 4 nicht überwacht werden dürfen, werden in Gegenwart der Untersuchungsgefangenen nur einer groben Sichtung auf verbotene Beilagen oder Schriftstücke unterzogen.
(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Untersuchungsgefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Untersuchungsgefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein. Abweichend von Absatz 1 Satz 3 und Satz 2 soll bei berechtigtem Interesse der Untersuchungsgefangenen ihrem Wunsch, die mit der Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung Bediensteten eines bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden; nur Bedienstete des benannten Geschlechts dürfen in diesem Fall während der Entkleidung anwesend sein.
(3) Die Anstalt kann allgemein anordnen, dass Untersuchungsgefangene nach Kontakten mit Besucherinnen oder Besuchern, nach jeder Abwesenheit von der Anstalt sowie in der Regel bei der Aufnahme nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.

§ 45 Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch

Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt können allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Gebrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

§ 46 Festnahmerecht

Untersuchungsgefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden.

§ 47 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Untersuchungsgefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.
(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:
1.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2.
die Beobachtung der Untersuchungsgefangenen in ihren Hafträumen, im besonders gesicherten Haftraum oder im Krankenzimmer,
3.
die Absonderung von anderen Gefangenen,
4.
der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung oder die Fixierung mittels spezieller Gurtsysteme an dafür vorgesehenen Gegenständen, insbesondere Matratzen oder Liegen.
Mehrere Sicherungsmaßnahmen können nebeneinander angeordnet werden, wenn die Gefahr anders nicht abgewendet werden kann.
(3) Der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen, die Absonderung und die Beschränkung des Aufenthalts im Freien sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung der Anstalt anders nicht vermieden oder behoben werden kann.
(4) Ein Entzug des Aufenthalts im Freien ist nur zulässig, wenn eine Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum erfolgt und aufgrund fortbestehender erheblicher Gefahr der Selbst- oder Fremdgefährdung nicht verantwortet werden kann, einen täglichen Aufenthalt im Freien zu gewähren.

§ 48 Absonderung

Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person der oder des Untersuchungsgefangenen liegenden Gefahr unerlässlich ist.

§ 49 Fesselung und Fixierung

(1) In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Zur Verhinderung von Entweichungen dürfen Untersuchungsgefangene bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport auch über die Fälle des § 47 Absatz 1 hinaus im erforderlichen Umfang gefesselt werden.
(2) Eine Fixierung des Körpers oder von Teilen davon ist nur zulässig, wenn die gegenwärtige und erhebliche Gefahr besteht, dass Untersuchungsgefangene sich selbst oder andere ernsthaft zu verletzen oder zu töten versuchen, und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist.
(3) Hinsichtlich der Art und des Umfangs der Fesselung oder Fixierung sind die Untersuchungsgefangenen zu schonen. Die Fesselung oder Fixierung ist unverzüglich zu lockern, wenn die Gefahr sich verringert hat oder dies zeitweise, beispielsweise zur Nahrungsaufnahme oder ärztlichen Untersuchung, notwendig ist. Sie ist zu entfernen, sobald die Gefahr nicht mehr fortbesteht oder durch mildere Mittel abgewendet werden kann.

§ 50 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnen die von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung der nach Satz 1 zuständigen Bediensteten ist unverzüglich einzuholen.
(2) Werden Untersuchungsgefangene ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der besonderen Sicherungsmaßnahme, so ist vorher eine ärztliche Stellungnahme zu den gesundheitlichen Auswirkungen einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, so wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.
(3) Den Untersuchungsgefangenen sind besondere Sicherungsmaßnahmen zusammen mit deren Anordnung zu erläutern. Bei einer Gefährdung der Sicherheit kann dies ausnahmsweise nachgeholt werden. Die Anordnung, Entscheidungen zur Fortdauer und die Durchführung der Maßnahmen einschließlich der ärztlichen Beteiligung sind mit einer kurzen Begründung schriftlich abzufassen.
(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.
(5) Abweichend von Absatz 1 ist eine nicht nur kurzfristige Fixierung gemäß § 47 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 und § 49 Absatz 2 nur auf Grund vorheriger Anordnung durch das zuständige Gericht zulässig. Eine Fixierung ist kurzfristig, wenn sie absehbar die Dauer einer halben Stunde unterschreitet. Die richterliche Entscheidung ist durch die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter oder von ihr oder ihm dazu bestimmten Bediensteten zu beantragen. Bei Gefahr im Verzug können auch die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter oder, wenn deren Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, andere Bedienstete der Anstalt eine Fixierung nach Satz 1 vorläufig anordnen; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachträglich einzuholen. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.
(6) Über Absatz 3 Satz 3 hinaus sind bei jeder Fixierung die Anordnung und die dafür maßgeblichen Gründe sowie der Verlauf, die Art der Überwachung und die Beendigung umfassend zu dokumentieren. Nach Beendigung einer Fixierung, die nicht gemäß Absatz 5 richterlich angeordnet worden ist, sind die Untersuchungsgefangenen unverzüglich auf ihr Recht hinzuweisen, die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen; auch dies ist zu dokumentieren.
(7) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung unverzüglich mitzuteilen, der Aufsichtsbehörde wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden. Sind die Untersuchungsgefangenen in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht und fixiert, so hat die Mitteilung an die Aufsichtsbehörde abweichend von Satz 1 bereits nach Ablauf von 24 Stunden zu erfolgen.
(8) Die Absonderung und die Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum von mehr als acht Tagen bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Während der Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum sind die Untersuchungsgefangenen in besonderem Maße zu betreuen. Sind die Untersuchungsgefangenen darüber hinaus fixiert, so sind sie ständig und in unmittelbarem Sichtkontakt zu beobachten.

§ 51 Ärztliche Überwachung

(1) Sind Untersuchungsgefangene in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht, so sucht sie die Ärztin oder der Arzt alsbald auf. Sind Untersuchungsgefangene fixiert, so ist unverzüglich eine Ärztin oder ein Arzt hinzuzuziehen. In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist jeweils eine angemessene regelmäßige medizinische Überwachung sicherzustellen.
(2) Die Ärztin oder der Arzt ist regelmäßig zu den gesundheitlichen Auswirkungen zu hören, solange den Untersuchungsgefangenen im besonders gesicherten Haftraum der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen ist oder sie länger als 24 Stunden abgesondert sind.

Achter Abschnitt Unmittelbarer Zwang

§ 52 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen.
(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.
(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln und Reizstoffe.
(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen.

§ 53 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Zur Durchführung rechtmäßiger Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen dürfen Bedienstete unmittelbaren Zwang anwenden, soweit der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.
(2) Gegen andere Personen als Untersuchungsgefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.
(3) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs durch andere Hoheitsträger, insbesondere Polizeivollzugsbedienstete, bleibt unberührt.

§ 54 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die Einzelne und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.
(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 55 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 56 Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.
(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Bediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn eine Gefährdung Unbeteiligter nicht ausgeschlossen werden kann.
(3) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
(4) Gegen Untersuchungsgefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,
1.
wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
2.
wenn sie eine Meuterei (§ 121 des Strafgesetzbuchs) unternehmen oder
3.
um ihre Entweichung zu vereiteln oder um sie wiederzuergreifen.
(5) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt eindringen.

Neunter Abschnitt Disziplinarmaßnahmen

§ 57 Voraussetzungen

(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn Untersuchungsgefangene rechtswidrig und schuldhaft
1.
andere Personen oder Mitgefangene mit Worten oder mittels einer Tätlichkeit beleidigen, körperlich misshandeln, bedrohen oder nötigen,
2.
fremde Sachen zerstören, beschädigen oder unbefugt deren Erscheinungsbild nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändern,
3.
in sonstiger Weise gegen Strafgesetze verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen,
4.
Lebensmittel, Verpackungen sowie andere Gegenstände unsachgemäß entgegen der Hausordnung entsorgen,
5.
verbotene Gegenstände in die Anstalt bringen, sich an deren Einbringung beteiligen, sie besitzen oder weitergeben,
6.
unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe konsumieren,
7.
entweichen oder zu entweichen versuchen,
8.
gegen eine verfahrenssichernde Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung verstoßen,
9.
in nicht unerheblicher Weise gegen sonstige Pflichten oder Anordnungen verstoßen, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, und dadurch die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt stören.
(2) Von einer Disziplinarmaßnahme wird abgesehen, wenn es genügt, die Untersuchungsgefangenen zu verwarnen.
(3) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 58 Arten der Disziplinarmaßnahmen

(1) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind
1.
der Verweis,
2.
der Entzug des Einkaufs für die Dauer von bis zu einem Monat,
3.
die Beschränkung oder der Entzug von Annehmlichkeiten nach § 19 für die Dauer von bis zu zwei Monaten,
4.
die Beschränkung oder die Unterbindung des Fernsehempfangs für die Dauer von bis zu zwei Monaten,
5.
die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs oder der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen für die Dauer von bis zu zwei Monaten,
6.
der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung für die Dauer von bis zu zwei Wochen unter Wegfall der nach § 25 geregelten Vergütung,
7.
die Kürzung der Vergütung nach § 25 um zehn Prozent für die Dauer von zwei Monaten und
8.
Arrest bis zu vier Wochen.
(2) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.
(3) Arrest darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden. Gegen Schwangere und weibliche Untersuchungsgefangene, die gemeinsam mit ihren Kindern in der Anstalt untergebracht sind, darf ein Arrest nicht verhängt werden.
(4) Bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahmen sind Grund und Zweck der Haft sowie die psychischen Auswirkungen der Untersuchungshaft und des Strafverfahrens auf die Untersuchungsgefangenen zu berücksichtigen. Durch die Anordnung und den Vollzug einer Disziplinarmaßnahme dürfen die Verteidigung, die Verhandlungsfähigkeit und die Verfügbarkeit der Untersuchungsgefangenen für die Verhandlung nicht beeinträchtigt werden.

§ 59 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.
(2) Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monate zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Untersuchungsgefangenen die ihr zugrundeliegenden Erwartungen nicht erfüllen.
(3) Für die Dauer des Arrests werden die Untersuchungsgefangenen getrennt von anderen Gefangenen untergebracht. Die Untersuchungsgefangenen können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Untersuchungsgefangenen aus den §§ 16, 17 Absatz 1, § 18 Absatz 2 und 3, §§ 19, 24 Absatz 2 und 3, §§ 26, und § 28. Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs sind nicht zugelassen. Die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst und anderen religiösen Veranstaltungen in der Anstalt sowie auf Aufenthalt im Freien bleiben unberührt.

§ 60 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnen die von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist die aufnehmende Anstalt zuständig.
(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter richtet.
(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen die Untersuchungsgefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer anderen Haft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 59 Absatz 2 bleibt unberührt.

§ 61 Verfahren

(1) Bei der Klärung des Sachverhalts sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Die betroffenen Untersuchungsgefangenen werden gehört. Sie werden darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihnen zur Last gelegt werden. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Die Äußerungen der Untersuchungsgefangenen und die Ergebnisse der Ermittlungen sind zu dokumentieren.
(2) In geeigneten Fällen können zur Abwendung von Disziplinarmaßnahmen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib auf dem Haftraum in Betracht. Erfüllen die Untersuchungsgefangenen die Vereinbarung, so hat die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme aufgrund dieser Verfehlung zu unterbleiben.
(3) Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.
(4) Die für die Anordnung von Disziplinarmaßnahmen zuständigen Bediensteten sollen sich vor der Entscheidung mit anderen Bediensteten besprechen, die maßgeblich an der Betreuung der Untersuchungsgefangenen mitwirken. Vor der Anordnung von Disziplinarmaßnahmen gegen Untersuchungsgefangene, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, oder gegen Schwangere oder stillende Untersuchungsgefangene ist eine Ärztin oder ein Arzt zu den gesundheitlichen Auswirkungen zu hören.
(5) Die Entscheidung wird den Untersuchungsgefangenen mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.
(6) Bevor Arrest vollzogen wird, ist eine Ärztin oder ein Arzt zur Arrestfähigkeit zu hören. Während des Arrests stehen die Untersuchungsgefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der Untersuchungsgefangenen oder der Fortgang des Strafverfahrens gefährdet würde.
(7) Die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme nach § 58 Absatz 1 ist dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung unverzüglich mitzuteilen.

Zehnter Abschnitt Aufhebung von Maßnahmen und Beschwerderecht

§ 62 Aufhebung von Maßnahmen

(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs richtet sich nach den Absätzen 2 bis 5, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.
(2) Rechtswidrige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft zurückgenommen werden.
(3) Rechtmäßige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn
1.
aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten versagt werden können,
2.
die Maßnahmen missbraucht werden oder
3.
Weisungen nicht befolgt werden.
(4) Begünstigende Maßnahmen dürfen nach den Absätzen 2 oder 3 nur aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Aufhebung der Maßnahme unerlässlich ist, um die Sicherheit der Anstalt zu gewährleisten.
(5) Der gerichtliche Rechtsschutz bleibt unberührt.

§ 63 Beschwerderecht

(1) Die Untersuchungsgefangenen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in vollzuglichen Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die Anstalt zu wenden.
(2) Besichtigen Vertreterinnen oder Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Untersuchungsgefangenen sich in vollzuglichen Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an diese wenden können.
(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Elfter Abschnitt Ergänzende Bestimmungen für junge Untersuchungsgefangene

§ 64 Anwendungsbereich

(1) Auf Untersuchungsgefangene, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (junge Untersuchungsgefangene), findet dieses Gesetz nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnitts Anwendung.
(2) Von einer Anwendung der Bestimmungen dieses Abschnitts sowie des § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 auf volljährige junge Untersuchungsgefangene kann abgesehen werden, wenn die erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs für diese nicht oder nicht mehr angezeigt ist. Die Bestimmungen dieses Abschnitts können ausnahmsweise auch über die Vollendung des 24. Lebensjahres hinaus angewendet werden, wenn dies im Hinblick auf die voraussichtlich nur noch geringe Dauer der Untersuchungshaft zweckmäßig erscheint.

§ 65 Vollzugsgestaltung

(1) Der Vollzug ist auf die Förderung der jungen Untersuchungsgefangenen auszurichten und erzieherisch zu gestalten. Die Fähigkeiten der jungen Untersuchungsgefangenen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte Anderer sind zu fördern.
(2) Den jungen Untersuchungsgefangenen sollen neben altersgemäßen Bildungs-, Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten auch sonstige entwicklungsfördernde Hilfestellungen angeboten werden. Die Bereitschaft zur Annahme der Angebote ist zu wecken und zu fördern.
(3) In diesem Gesetz vorgesehene Beschränkungen können minderjährigen Untersuchungsgefangenen auch auferlegt werden, soweit es dringend geboten ist, um sie vor einer Gefährdung ihrer Entwicklung zu bewahren.

§ 66 Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter

(1) Die Zusammenarbeit der Anstalt mit staatlichen und privaten Institutionen erstreckt sich insbesondere auch auf das Jugendamt, Schulen und berufliche Bildungsträger.
(2) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit dies möglich ist und eine verfahrenssichernde Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung nicht entgegensteht, in die Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.
(3) Die Personensorgeberechtigten und das zuständige Jugendamt werden von der Aufnahme, von einer Überstellung oder Verlegung und der Entlassung unverzüglich unterrichtet.

§ 67 Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs, Maßnahmen

(1) Nach der Aufnahme wird der Förder- und Erziehungsbedarf der jungen Untersuchungsgefangenen unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit und ihrer Lebensverhältnisse ermittelt.
(2) In einer Konferenz mit an der Förderung sowie Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten werden der Förder- und Erziehungsbedarf erörtert und die sich daraus ergebenden Maßnahmen festgelegt. Diese werden mit den jungen Untersuchungsgefangenen besprochen und den Personensorgeberechtigten auf Verlangen mitgeteilt.

§ 68 Unterbringung

(1) Geeignete junge Untersuchungsgefangene sind in Wohngruppen unterzubringen, sofern eine verfahrenssichernde Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung nicht entgegensteht. Wohngruppen zeichnen sich durch eine besondere pädagogische Betreuung aus. Sie werden von fest zugeordneten Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes betreut. Sie werden baulich abgegrenzt für eine überschaubare Anzahl von jungen Untersuchungsgefangenen eingerichtet und verfügen neben Hafträumen über wohnlich gestaltete Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung, insbesondere über Küchen und Gemeinschaftsräume.
(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann über § 13 Absatz 2 hinaus auch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist.

§ 69 Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit

(1) Schulpflichtige Untersuchungsgefangene nehmen in der Anstalt am allgemein- oder berufsbildenden Unterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen teil.
(2) Minderjährige Untersuchungsgefangene können zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet werden.
(3) Den übrigen jungen Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit die Teilnahme an den in Absatz 2 genannten Maßnahmen angeboten werden.
(4) Im Übrigen bleibt § 24 Absatz 2 unberührt.

§ 70 Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche

(1) Abweichend von § 33 Absatz 1 Satz 2 beträgt die Gesamtdauer des Besuchs für junge Untersuchungsgefangene mindestens vier Stunden im Monat. Kontakte der jungen Untersuchungsgefangenen zu ihren Kindern werden besonders gefördert. Bei Besuchen von ihren Kindern erhöht sich die Gesamtdauer der Besuchszeit nach Satz 1 um zwei weitere Stunden. Über § 33 Absatz 3 hinaus sollen Besuche auch dann zugelassen werden, wenn sie die Erziehung fördern.
(2) Bei minderjährigen Untersuchungsgefangenen können Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche auch untersagt werden, wenn Personensorgeberechtigte nicht einverstanden sind.
(3) Besuche dürfen über § 35 Absatz 3 hinaus auch abgebrochen werden, wenn von Besucherinnen oder Besuchern, die nicht Angehörige der jungen Untersuchungsgefangenen im Sinne von § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs sind, ein schädlicher Einfluss ausgeht.
(4) Der Schriftwechsel kann über § 36 Absatz 2 hinaus bei Personen, die nicht Angehörige (§ 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs) der jungen Untersuchungsgefangenen sind, auch untersagt werden, wenn zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf die jungen Untersuchungsgefangenen hat.
(5) Für Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche mit Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes gelten § 34 Absatz 1, § 35 Absatz 4 und Absatz 5 Satz 2, § 37 Absatz 2, § 38 Absatz 3 und § 39 Absatz 4 entsprechend.

§ 71 Freizeit und Sport

(1) Zur Ausgestaltung der Freizeit sind geeignete Angebote vorzuhalten. Die jungen Untersuchungsgefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Freizeitangeboten zu motivieren.
(2) Über die Fälle des § 28 Absatz 2 und 4 hinaus ist der Besitz eigener Fernsehgeräte und elektronischer Medien ausgeschlossen, wenn erzieherische Gründe entgegenstehen.
(3) Dem Sport kommt bei der Gestaltung des Vollzugs an jungen Untersuchungsgefangenen besondere Bedeutung zu. Es sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um den jungen Untersuchungsgefangenen eine sportliche Betätigung von mindestens zwei Stunden wöchentlich zu ermöglichen.

§ 72 Besondere Sicherungsmaßnahmen

§ 47 Absatz 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Beschränkung des Aufenthalts im Freien nicht zulässig ist.

§ 73 Einvernehmliche Konfliktregelung, erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen

(1) Verstöße der jungen Untersuchungsgefangenen gegen Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich erzieherisch aufzuarbeiten. Dabei können vorrangig gegenüber Disziplinarmaßnahmen nach Absatz 5 Maßnahmen der einvernehmlichen Konfliktregelung nach Absatz 2 oder erzieherische Maßnahmen nach Absatz 3 ergriffen werden, sofern diese geeignet sind, den jungen Untersuchungsgefangenen ihr Fehlverhalten und die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung bewusst zu machen. Einvernehmliche Konfliktregelungen nach Absatz 2 gehen erzieherischen Maßnahmen nach Absatz 3 vor.
(2) Im Rahmen der einvernehmlichen Konfliktregelung werden mit den jungen Untersuchungsgefangenen Vereinbarungen getroffen. Zur Konfliktregelung kommen insbesondere die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft, die Teilnahme an einer Mediation und der vorübergehende Verbleib auf dem Haftraum in Betracht. Erfüllen die jungen Untersuchungsgefangenen die Vereinbarung, so sind die Anordnung einer erzieherischen Maßnahme nach Absatz 3 sowie die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme nach Absatz 5 aufgrund dieser Verfehlung ausgeschlossen.
(3) Als erzieherische Maßnahmen für die Dauer von jeweils bis zu einer Woche kommen in Betracht
1.
die Erteilung von Weisungen und Auflagen,
2.
die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung und
3.
der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen.
Es sollen nur solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in Zusammenhang stehen. § 61 Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(4) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 3 anzuordnen.
(5) Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn Maßnahmen nach Absatz 2 und 3 nicht ausreichen, um den jungen Untersuchungsgefangenen das Unrecht ihrer Handlung zu verdeutlichen. Ferner ist sowohl bei der Entscheidung, ob eine Disziplinarmaßnahme anzuordnen ist, als auch bei Auswahl der nach Absatz 6 zulässigen Maßnahmen eine aus demselben Anlass bereits angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme zu berücksichtigen.
(6) Gegen junge Untersuchungsgefangene darf eine Disziplinarmaßnahme nach § 58 Absatz 1 Nummer 1 nicht verhängt werden. Anstatt eines Entzugs des Einkaufs nach § 58 Absatz 1 Nummer 2 ist nur eine Beschränkung des Einkaufs für die Dauer von bis zu zwei Wochen zulässig. Arrest nach § 58 Absatz 1 Nummer 8 ist ebenfalls nur für die Dauer von bis zu zwei Wochen zulässig. Der Arrest ist zudem erzieherisch zu gestalten.

Zwölfter Abschnitt Aufbau der Anstalt

§ 74 Räumlichkeiten

(1) Die Untersuchungshaft wird in Landesjustizvollzugsanstalten vollzogen. Der Vollzug von Untersuchungshaft und Strafhaft in einer Anstalt ist unter den Voraussetzungen des § 11 Absatz 1 und 2 zulässig.
(2) Haft- und Funktionsräume, insbesondere Gemeinschaftsräume für den Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten, sowie Besuchsräume sind zweckentsprechend auszugestalten.

§ 75 Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung während der Einschlusszeiten gewährleistet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Arbeit und Bildung sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport und Besuche zur Verfügung steht.
(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Untersuchungsgefangenen als zugelassen, jedoch höchstens mit zwei Untersuchungsgefangenen, belegt werden.
(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

§ 76 Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung

(1) Arbeitsbetriebe und Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung sollen vorgehalten werden.
(2) Beschäftigung und Bildung können auch in geeigneten privaten Einrichtungen und Betrieben erfolgen. Die technische und fachliche Leitung kann Angehörigen dieser Einrichtungen und Betriebe übertragen werden.

§ 77 Leitung der Anstalt

(1) Jede Anstalt wird von einer Anstaltsleiterin oder einem Anstaltsleiter geleitet. Zu ihren oder seinen Aufgaben und Befugnissen als Führungskraft gehören insbesondere
1.
die Gesamtverantwortung für den Vollzug und dessen Gestaltung, auch im Hinblick auf die sichere Unterbringung der Untersuchungsgefangenen,
2.
die Vertretung der Anstalt nach außen,
3.
die Haushalts- sowie Wirtschaftsführung für die gesamte Anstalt,
4.
die Regelung von Zuständigkeiten in Form eines Geschäftsverteilungsplans,
5.
die Umsetzung der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung nebst dem dazugehörigen Berichtswesen,
6.
das Personalmanagement, insbesondere die bedarfs-, anforderungs- und eignungsgerechte Beschäftigung der Bediensteten und eine gezielte Personalentwicklung und
7.
das Qualitätsmanagement.
(2) Die Anstalt teilt der Aufsichtsbehörde in regelmäßigen Abständen die im Rahmen ihrer Geschäftsverteilung vorgenommenen personellen Zuständigkeiten hinsichtlich der folgenden Aufgaben mit:
1.
Festsetzung von Einschlusszeiten nach § 12 Absatz 1 Satz 3,
2.
Verlegungen und Überstellungen nach § 8,
3.
Untersagungen oder Überwachungen von Besuchen, Schriftwechseln und Telefonaten nach § 33 Absatz 5, § 35 Absatz 2, § 36 Absatz 2, § 37 Absatz 1 und § 40 Absatz 1 Satz 2,
4.
Anordnung der zwangsweisen körperlichen Untersuchung nach § 21 Absatz 7 Satz 2, der mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung nach § 44 Absatz 2 und 3, der besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 50 Absatz 1 Satz 1, der Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch nach § 45 sowie der Disziplinarmaßnahmen nach § 60 Absatz 1 Satz 1 und
5.
Erarbeitung und Erlass einer Hausordnung nach § 82.
Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung einzelner Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete vorbehalten.
(3) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter ist hauptamtlich tätig und steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Land.

§ 78 Bedienstete

Die Anstalt wird mit dem für den Vollzug der Untersuchungshaft erforderlichen Personal, insbesondere im allgemeinen Vollzugsdienst, im Werkdienst, im sozialen, psychologischen und medizinischen Dienst und im Verwaltungsdienst ausgestattet. Die Aufgaben der Anstalt werden von Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Anstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden. Soweit es erforderlich ist, sind externe Fachkräfte einzubeziehen. Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten; sie erhalten die Gelegenheit zur Supervision.

§ 79 Seelsorgerinnen und Seelsorger

(1) Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Einvernehmen mit der Aufsichtsbehörde von der jeweiligen Religionsgemeinschaft hauptamtlich oder nebenamtlich berufen. Ist dies aus organisatorischen Gründen einer Religionsgemeinschaft nicht möglich oder rechtfertigt die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Satz 1 nicht, so ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen; Näheres hierzu regelt die Aufsichtsbehörde.
(2) Die Seelsorgerinnen und Seelsorger wirken in enger Zusammenarbeit mit den anderen im Vollzug Tätigen eigenverantwortlich an der Gestaltung des Vollzugs mit.
(3) Mit Zustimmung der Anstalt dürfen die Anstaltsseelsorgerinnen und Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelferinnen und Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.
(4) Seelsorgerische Einzelgespräche und Telefonate mit nach Absatz 1 zugelassenen Seelsorgerinnen und Seelsorgern sind zu gestatten und werden weder beaufsichtigt noch überwacht; seelsorgerischer Schriftwechsel der Untersuchungsgefangenen mit nach Absatz 1 zugelassenen Seelsorgerinnen und Seelsorgern wird ebenfalls nicht überwacht. Im Übrigen gelten § 33 Absatz 4 und 6, § 34 Absatz 1 Satz 3, § 35 Absatz 3 und Absatz 5 Satz 3, § 38 Absatz 3 und § 39 Absatz 4 entsprechend.

§ 80 Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.
(2) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 16. Juli 2015 (BGBl. I S. 1211) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 81 Interessenvertretung der Untersuchungsgefangenen

Den Untersuchungsgefangenen wird ermöglicht, Vertretungen zu wählen. Die Vertretungen können in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer Eigenart nach für eine Mitwirkung eignen, Vorschläge und Anregungen an die Anstalt herantragen. Diese sollen mit der Vertretung erörtert werden.

§ 82 Hausordnung

Die Anstalt erlässt zur Gestaltung und Organisation des Vollzugsalltags eine Hausordnung auf der Grundlage dieses Gesetzes. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Genehmigung vorbehalten. Die Hausordnung ist in die am häufigsten benötigten Fremdsprachen zu übersetzen.

Dreizehnter Abschnitt Aufsicht, Beirat und Besichtigungen

§ 83 Aufsichtsbehörde

(1) Die für Justiz zuständige Senatsverwaltung führt die Aufsicht über die Anstalten (Aufsichtsbehörde) und sichert gemeinsam mit ihnen die Qualität des Vollzugs.
(2) An der Aufsicht über die Fachdienste sind eigene Fachkräfte zu beteiligen. Soweit die Aufsichtsbehörde nicht über eigene Fachkräfte verfügt, ist fachliche Beratung sicherzustellen.
(3) Die Aufsichtsbehörde kann sich Entscheidungen über Verlegungen und Überstellungen vorbehalten.

§ 84 Vollstreckungsplan

Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalt in einem Vollstreckungsplan. Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.

§ 85 Anstaltsbeiräte

(1) Bei jeder Anstalt ist ein Anstaltsbeirat zu bilden. Bei der Besetzung des Anstaltsbeirats ist auf ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter hinzuwirken sowie eine Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern mit Migrationshintergrund gemäß § 4 Absatz 6 in Verbindung mit § 2 des Partizipations- und Integrationsgesetzes des Landes Berlin vom 15. Dezember 2010 (GVBl. S. 560) in der jeweils geltenden Fassung anzustreben. Bedienstete dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein.
(2) Die Mitglieder des Beirats wirken beratend bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der Untersuchungsgefangenen mit. Der Beirat steht der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter, den Bediensteten und den Untersuchungsgefangenen als Ansprechpartner zur Verfügung.
(3) Die Mitglieder des Beirats können sich über die Unterbringung der Untersuchungsgefangenen und die Gestaltung des Vollzugs informieren, die Anstalt gemäß § 87 Absatz 1 besichtigen und sie ohne Begleitung durch Bedienstete begehen. Sie können die Untersuchungsgefangenen in ihren Hafträumen aufsuchen.
(4) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, insbesondere über Namen und Persönlichkeit der Untersuchungsgefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.
(5) Die Aufsichtsbehörde regelt die Berufung, Zusammensetzung, Amtszeit, Sitzungsgelder und Abberufung der ehrenamtlichen Beiratsmitglieder.

§ 86 Berliner Vollzugsbeirat

(1) Der Berliner Vollzugsbeirat wirkt bei der Planung und Fortentwicklung des gesamten Berliner Vollzugs beratend mit. Er erörtert mit der Aufsichtsbehörde seine Anregungen und Verbesserungsvorschläge in grundlegenden Angelegenheiten. Zur Förderung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit informieren sich der Berliner Vollzugsbeirat und die Aufsichtsbehörde in regelmäßigen Abständen gegenseitig.
(2) Der Berliner Vollzugsbeirat besteht aus den jeweils gewählten Vorsitzenden der einzelnen Anstaltsbeiräte oder sonst von diesen bestimmten Mitgliedern. Die weiteren Mitglieder setzen sich aus Personen zusammen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit oder Zugehörigkeit zu einer Organisation besonders geeignet sind, sich für die Belange des gesamten Berliner Vollzugs und entsprechend § 5 Absatz 2 für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen einzusetzen.
(3) § 85 Absatz 1 Satz 2 und 3 und Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend.

§ 87 Besichtigungen

(1) Den Mitgliedern der in § 37 Absatz 3 Satz 1 genannten Stellen und den dort aufgeführten Personen ist die Besichtigung der Anstalten zu gestatten.
(2) Anderen Personen kann die Besichtigung insbesondere zu Ausbildungszwecken und aus Gründen eines beruflichen oder sonstigen sachlichen Interesses gestattet werden. An die Erlaubnis können Auflagen geknüpft werden. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn durch die Besichtigung die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird. Besichtigungen durch Medienvertreterinnen und Medienvertreter bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.
(3) Die Persönlichkeitsrechte der Untersuchungsgefangenen sind zu berücksichtigen.

Vierzehnter Abschnitt Schlussbestimmungen

§ 88 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes) und des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 89 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2010 in Kraft.
Berlin, den 3. Dezember 2009
Der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin Karin Seidel-Kaimutzki Vizepräsidentin
Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit
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