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Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG) in der Fassung vom 21. Januar 1991

Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG) in der Fassung vom 21. Januar 1991
Zum 07.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Verordnung vom 02.08.2022 (GVBl. S. 507)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG) in der Fassung vom 21. Januar 199101.01.1991
TEIL I - Anerkennung01.01.1991
§ 120.12.1998
1. Abschnitt - Anerkennung als Verfolgte oder als Hinterbliebene von Verfolgten01.01.1991
§ 201.01.1991
§ 301.01.1991
§ 401.01.1991
§ 5 - weggefallen01.01.1991
2. Abschnitt - Ausschließungsgründe01.01.1991
§ 601.01.1991
§ 701.01.1991
§ 8 - weggefallen01.01.1991
§ 9 - weggefallen01.01.1991
TEIL II - Versorgung01.01.1991
§ 1001.01.1991
§ 11 - weggefallen01.01.1991
1. Abschnitt - Rentenversorgung01.01.1991
1. PrV-Rente01.01.1991
§ 1201.01.1991
§ 1301.07.2022
§ 13a20.12.1998
§ 1401.07.2022
2. Hinterbliebenenrente, Sterbegeld01.01.1991
§ 1521.10.2001
§ 1601.01.1991
§ 1701.07.2022
§ 1821.10.2001
3. Beginn, Änderung, Ruhen und Beendigung - der Rentenversorgung, Übertragung des Anspruchs01.01.1991
§ 1901.01.1991
§ 2001.01.1991
§ 2120.12.1998
§ 2221.10.2001
§ 2301.01.1991
§ 2421.10.2001
§ 2501.01.1991
2. Abschnitt - Gesundheitliche Versorgung, soziale Leistungen, Bestattungsgeld01.01.1991
1. Maßnahmen zur Früherkennung von - Krankheiten und Heilbehandlung01.01.1991
§ 2601.01.1991
§ 2701.01.1991
§ 27 a01.01.1991
2. Soziale Leistungen01.01.1991
§ 2801.01.1991
3. Bestattungsgeld01.01.1991
§ 2921.10.2001
§ 3001.01.1991
TEIL III - Härtefälle01.01.1991
§ 3101.01.1991
TEIL IV - Verfahren01.01.1991
§ 3201.01.1991
§ 3301.01.1991
§ 3425.10.2020
TEIL V - Übergangs- und Schlußvorschriften01.01.1991
§ 3501.01.1991
§ 35 a01.01.1991
§ 3601.01.1991
§ 3701.01.1991

TEIL I Anerkennung

§ 1

(1) Verfolgte des Nationalsozialismus und ihre Hinterbliebenen erhalten eine Anerkennung nach Maßgabe dieses Gesetzes.
(2) Die Anerkennung erhalten Personen, die ihren Wohnsitz im Lande Berlin haben und die
1.
vor der Verfolgung die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen oder
2.
vor der Verfolgung ihren Wohnsitz in Deutschland hatten oder
3.
heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer vom 25. April 1951 (BGBl. I S. 269/GVBl. 1952 S. 126) sind.
(3) Personen, die die Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummern 1 bis 3 nicht erfüllen, erhalten die Anerkennung, wenn sie bei Inkrafttreten des Gesetzes im Land Berlin wohnhaft sind.
(4) Personen, die die Voraussetzungen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 erfüllen, erhalten die Anerkennung, wenn sie am 6. März 1996 im Land Berlin wohnhaft und melderechtlich erfaßt waren.
(5) Absatz 4 gilt nicht für Personen, die vor der Verfolgung ihren Wohnsitz in Berlin hatten.

1. Abschnitt Anerkennung als Verfolgte oder als Hinterbliebene von Verfolgten

§ 2
(1) Als Verfolgte werden anerkannt:
1.
Personen, die aus rassischen oder religiösen Gründen oder wegen ihres politischen oder ethisch begründeten Verhaltens oder aus anderen Gründen der nationalsozialistischen Ideologie von den Nationalsozialisten verfolgt worden sind.
2.
Ehegatten oder Lebensgefährten von Verfolgten im Sinne der Nummer 1, wenn die Ehe oder Lebensgemeinschaft während der gesamten Verfolgungszeit bestanden hat und sie dem Verfolgten gegenüber alle menschlichen Verpflichtungen erfüllt haben.
(2) Ein Verfolgungstatbestand liegt insbesondere vor, wenn die Personen
1.
inhaftiert gewesen sind,
2.
illegal leben mußten,
3.
von Zwangsarbeitsmaßnahmen betroffen waren,
4.
den sogenannten "Judenstern" tragen mußten,
5.
gesundheitliche Schäden erlitten haben,
6.
Zwangsvornamen tragen mußten,
7.
in besondere Lager verbracht worden sind,
8.
in eine Straf- oder Bewährungseinheit der Wehrmacht eingereiht waren.
(3) Als Verfolgte gelten auch Personen, die nach dem 30. Januar 1933 aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen ausgewandert sind, deportiert oder ausgewiesen worden sind.
§ 3
Als Hinterbliebene von Verfolgten im Sinne des § 2 werden ihre Ehegatten anerkannt, wenn sie die Ehe während der Zeit der Verfolgung bis zum Tode des verfolgten Ehepartners tatsächlich aufrechterhalten und ihm gegenüber alle menschlichen Verpflichtungen erfüllt haben. Dem Ehegatten ist der Lebensgefährte des Verfolgten gleichzustellen.
§ 4
(1) Eine Anerkennung nach § 2 wird ausgesprochen, sofern die in seinem Absatz 2 unter den Nummern 1 bis 4 und 6 bis 8 aufgeführten Verfolgungsmaßnahmen mindestens drei Monate angedauert haben.
(2) Eine Freiheitsentziehung von weniger als drei Monaten rechtfertigt eine Anerkennung dann, wenn die Betroffenen
a)
dadurch gesundheitliche Schäden erlitten haben oder
b)
nach gelungener Flucht bis zur Beendigung der Kampfhandlungen illegal gelebt haben oder
c)
vor Ablauf von drei Monaten aus der Haft befreit worden sind.
(3) Ein Gesundheitsschaden im Sinne dieses Gesetzes liegt vor bei einem durch die Verfolgung bedingten Grad der Behinderung von mindestens 25 vom Hundert oder einem allgemeinen Grad der Behinderung von mindestens 80 vom Hundert. Zum Nachweis des Grades der Behinderung genügen in der Regel privatärztliche Atteste.
§ 5 weggefallen

2. Abschnitt Ausschließungsgründe

§ 6
Von der Anerkennung sind ausgeschlossen Personen,
1.
die Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen waren oder einen Antrag auf Aufnahme in diese gestellt haben oder
2.
die offen erklärte Anhänger oder Förderer oder Nutznießer des Nationalsozialismus waren oder
3.
die Beihilfe zur Bestrafung oder Verfolgung des durch dieses Gesetz begünstigten Personenkreises während der nationalsozialistischen Herrschaft geleistet haben oder
4.
deren Handlungsweise auf eigennützigen Beweggründen beruhte.
§ 7
In den Fällen des § 6 Nummer 1 kann unter Anlegung des strengsten Maßstabes ausnahmsweise die Anerkennung ausgesprochen werden, wenn der Verfolgte den Nationalsozialismus systematisch und fortgesetzt bekämpft und deswegen eine erhebliche Freiheitsentziehung oder erhebliche gesundheitliche Schäden erlitten hat und wenn nach der Gesamtbeurteilung des Falles der Ausschluß von der Anerkennung eine unbillige Härte wäre.
§ 8 weggefallen
§ 9 weggefallen

TEIL II Versorgung

§ 10

(1) Personen, die nach Teil I des Gesetzes als Verfolgte des Nationalsozialismus oder ihre Hinterbliebenen anerkannt sind, erhalten Versorgung, wenn sie ihren Wohnsitz und ständigen Aufenthalt im Lande Berlin haben. Die Versorgung kann weitergewährt werden, wenn der Versorgungsberechtigte aus zwingenden, in seiner Person liegenden familiären Gründen seinen Wohnsitz und ständigen Aufenthalt an einen anderen Ort verlegt, sofern er zuvor mindestens fünf Jahre im Lande Berlin gelebt hat.
(2) Die Versorgung umfaßt
1.
eine monatliche Rente,
2.
gesundheitliche Versorgung,
3.
soziale Leistungen,
4.
Bestattungsgeld.
(3) Die Leistungen nach diesem Gesetz stellen eine besondere Betreuung des Landes Berlin für die Verfolgten des Nationalsozialismus dar.

§ 11 weggefallen

1. Abschnitt Rentenversorgung

1. PrV-Rente
§ 12
(1) Verfolgte des Nationalsozialismus, die nach § 2 oder § 31 anerkannt sind, haben Anspruch auf Rentenversorgung, wenn sie als Männer das fünfundsechzigste, als Frauen das sechzigste Lebensjahr vollendet haben.
(2) Anspruch auf Rentenversorgung haben ferner Verfolgte, die das in Absatz 1 bestimmte Lebensalter noch nicht erreicht haben, wenn und solange sie nicht nur vorübergehend erwerbsunfähig sind. Als erwerbsunfähig gilt, wer infolge von Krankheit, Gebrechen oder Schwäche außerstande ist, durch eine Tätigkeit, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihm unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufes zugemutet werden kann, die Hälfte dessen zu erwerben, was gesunde Personen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung durch Arbeit zu verdienen pflegen.
§ 13
(1) Die monatliche Rente setzt sich zusammen aus einer Grundrente von 419,63 Euro und einer Ausgleichsrente für Alleinstehende von 960,51 Euro, für Verheiratete oder bei bestehender Lebenspartnerschaft von 1 135,33 Euro. Sind beide Ehepartner oder Lebenspartner als Verfolgte anerkannt, so erhält jeder eine Grundrente von 419,63 Euro und eine Ausgleichsrente von 1 135,33 Euro.
(2) Rentenberechtigte Verfolgte, die blind, hochgradig sehbehindert, gehörlos oder hilflos im Sinne des Gesetzes über Pflegeleistungen in der jeweils geltenden Fassung sind, erhalten eine Pflegezulage in Höhe der jeweiligen Sätze des § 2 Abs. 2 bis 4 des Gesetzes über Pflegeleistungen. Die §§ 3 und 4 des Gesetzes über Pflegeleistungen finden entsprechende Anwendung.
(3) Rentenberechtigte Verfolgte, die die Anspruchsvoraussetzungen des Gesetzes über Pflegeleistungen nicht erfüllen, jedoch so hilflos sind, daß sie ohne fremde Hilfe und Pflege nicht bestehen können, erhalten eine Pflegezulage entsprechend der Pflegegeldstufe I des Gesetzes über Pflegeleistungen. Sie wird nicht gewährt, wenn und soweit der Berechtigte eine Pflegezulage oder sonstige Kosten für notwendige Pflege auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften erhält.
(4) Rentenberechtigte Verfolgte, die sich auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz in stationärer Altenpflege befinden, erhalten ein Taschengeld von monatlich 152,88 Euro; § 19 gilt entsprechend.
§ 13a
Die Grundrente nach § 13 Abs. 1 bleibt gemäß § 77 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes in der Fassung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, 2975), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 6. August 1998 (BGBl. I S. 2005) geändert worden ist, als Einkommen bei der Gewährung der Sozialhilfe unberücksichtigt.
§ 14
(1) Eine auf Grund der Vorschriften über die Entschädigung der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung gewährte Rente ist auf die Grund- und Ausgleichsrente des Rentenberechtigten voll anzurechnen; von einer nach den Vorschriften über die Versorgung der Opfer des Krieges gewährten Rente ist die Ausgleichsrente nur auf die Ausgleichsrente des Rentenberechtigten voll anzurechnen. Eine auf Grund der Vorschriften über die Versorgung der Opfer des Krieges gewährte Hinterbliebenenrente wird jedoch nur auf die Hinterbliebenenrente nach diesem Gesetz angerechnet.
(2) Sonstiges Nettoeinkommen der Rentenberechtigten ist auf die Ausgleichsrente anzurechnen, soweit es bei einem Alleinstehenden einen Freibetrag von 347,51 Euro, bei einem Verheirateten oder bei bestehender Lebenspartnerschaft einen Freibetrag von 691,41 Euro übersteigt. Das Gleiche gilt für sonstiges Nettoeinkommen eines nicht nach diesem Gesetz rentenberechtigten Ehegatten oder Lebenspartners, soweit es einen Freibetrag von 691,41 Euro übersteigt. Haben beide Ehegatten oder Lebenspartner sonstiges Einkommen, so steht ihnen gemeinsam ein Freibetrag von 691,41 Euro zu. Sind beide Ehepartner oder Lebenspartner nach diesem Gesetz rentenberechtigt, so ist das nach der Anrechnung verbleibende sonstige Nettoeinkommen des einen Ehegatten oder Lebenspartners auf die Ausgleichsrente des anderen anzurechnen.
(3) Als sonstiges Einkommen gelten alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle; ausgenommen sind die Grundrente nach den Vorschriften über die Versorgung der Opfer des Krieges und Einkünfte, die auf Grund freiwilliger Beitragsleistungen erworben sind.
2. Hinterbliebenenrente, Sterbegeld
§ 15
(1) Hinterbliebene (§ 3) haben Anspruch auf Rentenversorgung und nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 und 3 Anspruch auf Pflegezulage, wenn und solange sie als Hinterbliebene eines Verfolgten anerkannt sind.
(2) Verwitwete Ehegatten von anerkannten Verfolgten, die nicht selbst als Hinterbliebene von Verfolgten nach diesem Gesetz anerkannt sind, haben Anspruch auf Rentenversorgung, sofern die Ehe mindestens fünf Jahre bestanden hat; § 10 Abs. 1 gilt entsprechend. Satz 1 gilt für Lebenspartner entsprechend.
§ 16
Voll- und Halbwaisen, die nach dem 8. Mai 1945 geboren und Hinterbliebene eines Verfolgten sind, erhalten Versorgung bis zum Eintritt der Volljährigkeit oder, wenn sie sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Schul- oder Berufsausbildung befinden, bis zur Beendigung dieser Ausbildung, jedoch längstens bis zur Vollendung ihres 27. Lebensjahres.
§ 17
(1) Die monatliche Rente beträgt
1.
für Witwen (Witwer) 1 049,00 Euro,
2.
für Voll- oder Halbwaisen 525,24 Euro,
3.
beim Zusammentreffen von Ansprüchen nach vorstehenden Nummern 1 und 2 höchstens 100 vom Hundert des vollen Rentenanspruchs des Verstorbenen nach § 13 Abs. 1.
(2) Die Vorschriften des § 14 finden entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass sonstige Nettoeinkünfte auf die Hinterbliebenenrenten anzurechnen sind, soweit sie bei Witwen (Witwern) einen Freibetrag von 260,65 Euro, bei Voll- oder Halbwaisen einen Freibetrag von 131,77 Euro übersteigen.
(3) Auf die Gewährung der Hinterbliebenenrente besteht kein Anspruch, wenn und soweit eine Rente nach anderen als Sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften gewährt werden kann.
§ 18
(1) Beim Tode einer nach § 2 anerkannten und im Zeitpunkt ihres Todes nach diesem Gesetz rentenberechtigten Person wird ein Sterbegeld in Höhe des Dreifachen der ihr für den Sterbemonat nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 und des § 14 zustehenden Rentenleistungen gewährt. Die Vorschriften des § 21 finden insoweit keine Anwendung.
(2) Anspruchsberechtigt sind in nachstehender Reihenfolge der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder. Voraussetzung für die Gewährung der Leistung ist, daß der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder mit dem Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben.
3. Beginn, Änderung, Ruhen und Beendigung der Rentenversorgung, Übertragung des Anspruchs
§ 19
(1) Die Zahlung der Rente beginnt in dem Monat, in dem die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, frühestens mit dem Monat, in dem der Antrag (§ 32) gestellt wird.
(2) Hinterbliebenenrenten werden von dem auf den Sterbetag des Verfolgten folgenden Monat ab gewährt.
(3) Die Renten werden in Monatsbeträgen festgesetzt und monatlich im voraus gezahlt.
§ 20
(1) Zugunsten des Rentenberechtigten kann ein unanfechtbar gewordener Bescheid jederzeit geändert oder aufgehoben und durch einen neuen Bescheid ersetzt werden.
(2) Bescheide über Rechtsansprüche können zuungunsten des Rentenberechtigten durch neuen Bescheid nur geändert oder aufgehoben werden, wenn ihre tatsächliche oder rechtliche Unrichtigkeit außer Zweifel steht.
(3) Eine Minderung oder Entziehung der Grundrente tritt, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, mit Ablauf des Monats ein, der auf die Zustellung des die Änderung aussprechenden Bescheides folgt; dies gilt auch für die Ausgleichsrente, wenn der Rentenbezieher nicht mehr erwerbsunfähig im Sinne der Vorschrift des § 12 Abs. 2 ist. Im übrigen tritt eine Minderung oder Entziehung der Ausgleichsrente oder der Hinterbliebenenrenten, in den Fällen des § 14 Abs. 1 auch der Grundrente, mit Ablauf des Monats ein, in dem die Voraussetzungen für die bis dahin gewährten Bezüge weggefallen sind; werden anrechnungsfähige andere Bezüge nachgezahlt, so ist der Zeitpunkt des rückwirkenden Einsetzens der Nachzahlung maßgebend. Abweichend von den Vorschriften des Satzes 1 tritt eine Minderung oder Entziehung der Grund- und Ausgleichsrente oder der Hinterbliebenenrente mit Wirkung von dem Zeitpunkt des Einsetzens der Rente ein, wenn die Unrichtigkeit des durch Berichtigungsbescheid aufgehobenen Bescheides (Absatz 2) darauf beruht, daß der Rentenempfänger Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat.
(4) Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch nach den Vorschriften des Absatzes 3 nicht besteht, sind zurückzuzahlen. Dies gilt nicht, wenn eine Überzahlung von der Verwaltungsbehörde, welche die Leistungen gewährt hat, zu vertreten ist, es sei denn, daß der Empfänger beim Empfang der Leistungen wußte oder wissen mußte, daß sie ihm nicht oder nicht in dieser Höhe zustanden. Der Einwand der nicht mehr vorhandenen Bereicherung ist ausgeschlossen. Soweit die Überzahlung auf einer wesentlichen, insbesondere einer rückwirkenden Änderung der Verhältnisse beruht, kann von dem Erstattungsverlangen abgesehen werden, wenn die Erstattung eine besondere Härte für den Rentenberechtigten bedeutet oder wenn daraus in unverhältnismäßigem Umfange Kosten oder Verwaltungsaufwand entstehen.
(5) Für eine Erhöhung der Renten gilt § 19 entsprechend.
§ 21
(1) Das Recht auf Rentenzahlung ruht, solange der Berechtigte auf Grund strafgerichtlicher Anordnung in einer Anstalt oder Einrichtung untergebracht ist und keine Unterhaltspflichten bestehen.
(2) Tritt das Ruhen des Rechts auf Rentenversorgung im Laufe eines Kalendermonats bis zum dritten Tage vor dem Zahltage ein, so wird die Zahlung mit dem Ende dieses Monats eingestellt, tritt es nach diesem Zeitpunkt ein, so wird die Zahlung mit dem Ende des folgenden Monats eingestellt. Lebt das Recht auf Rentenversorgung im Laufe eines Kalendermonats bis zum dritten Tage vor dem Zahltage wieder auf, so beginnt die Zahlung mit dem Ersten dieses Monats, lebt es nach diesem Zeitpunkt wieder auf, so beginnt die Zahlung mit dem Ersten des folgenden Monats.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 kann die bisher bezogene Rente ganz oder teilweise weitergezahlt werden. Sie ist jedoch mindestens in Höhe eines nach § 21 Abs. 3 des Bundessozialhilfegesetzes zu gewährenden Taschengeldes weiterzuzahlen.
§ 22
(1) Das Recht auf Rentenzahlung erlischt
1.
mit dem Tode des Berechtigten,
2.
bei Empfängern von Witwen-(Witwer-)renten, wenn sie sich wieder verheiraten oder eine Lebenspartnerschaft begründen,
3.
bei Voll- und Halbwaisen, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen des § 16 nicht mehr erfüllen,
4.
bei rechtskräftiger Zurücknahme der Anerkennung als Verfolgter des Nationalsozialismus mit Wirkung von dem Zeitpunkt, in dem die Zurücknahme der Anerkennung ausgesprochen worden ist,
5.
wenn der Berechtigte seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt nicht mehr im Lande Berlin hat; § 10 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Die Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 findet entsprechende Anwendung.
§ 23
Rentenempfängern, deren Anspruch auf Gewährung einer Rente nach § 22 Abs. 1 Nummer 5 erlischt, weil sie ihren Wohnsitz in das Ausland verlegen (Auswanderer), kann eine einmalige Beihilfe bis zum dreifachen Monatsbetrag ihrer Rente gewährt werden. Dasselbe gilt für Empfänger von Witwen-(Witwer-)renten, deren Anspruch auf Gewährung einer Rente nach § 22 Abs. 1 Nummer 2 erlischt.
§ 24
(1) Stirbt nach der Wiederverheiratung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft einer Witwe, die vor der Wiederverheiratung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft eine Witwenrente bezogen hat, der Ehemann oder Lebenspartner, so kann ihr eine Witwenbeihilfe gewährt werden. Entsprechendes gilt für den Witwer.
(2) Die Witwen-(Witwer-)beihilfe darf zwei Drittel der Rente nicht übersteigen.
§ 25
Die Abtretung, Verpfändung oder Pfändung der Rente ist ausgeschlossen. Im Falle des § 20 Abs. 4 Satz 1 kann gegen Rentenansprüche des Berechtigten bis zu deren Hälfte mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen aufgerechnet werden.

2. Abschnitt Gesundheitliche Versorgung, soziale Leistungen, Bestattungsgeld

1. Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und Heilbehandlung
§ 26
(1) Die gesundheitliche Versorgung umfaßt:
a)
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
b)
Heilbehandlung.
(2) Anspruch auf gesundheitliche Versorgung haben für sich und ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen
a)
alle Verfolgten des Nationalsozialismus, die auf Grund der Vorschriften des Ersten Abschnittes eine Rente beziehen;
b)
Verfolgte, denen infolge der Anwendung der Vorschriften des § 14 Abs. 1 eine Rente nicht gezahlt wird, soweit sie nicht Ansprüche auf Gewährung gleichartiger Leistungen auf Grund der in § 14 Abs. 1 genannten gesetzlichen Vorschriften haben.
(3) Anspruch auf gesundheitliche Versorgung haben auch die in §§ 15 und 16 aufgeführten Hinterbliebenen. Die Vorschriften der §§ 21 und 22 finden entsprechende Anwendung.
(4) Anspruch auf gesundheitliche Versorgung besteht nicht, wenn und soweit Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und Heilbehandlung nach anderen Vorschriften gewährt wird oder gewährt werden kann.
§ 27
(1) Die Heilbehandlung umfaßt ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arzneien und anderen Heilmitteln sowie die Ausstattung mit Zahnersatz, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern.
(2) Die Heilbehandlung kann auch in einem Krankenhaus oder einer sonst geeigneten Anstalt gewährt werden.
(3) Der Umfang der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und der Heilbehandlung richtet sich mindestens nach der Leistung, die der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im Lande Berlin seinen Versicherten gewährt.
§ 27 a
Hat ein nach diesem Gesetz Versorgungsberechtigter nach anderen gesetzlichen Vorschriften Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm durch die Krankheit erwachsen ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf das Land Berlin über, als nach diesem Gesetz Krankenversorgung zu gewähren ist. Der Übergang des Anspruchs kann nicht zum Nachteil des Versorgungsberechtigten geltend gemacht werden.
2. Soziale Leistungen
§ 28
Den nach Teil I Anerkannten können, soweit erforderlich und soweit ihnen nicht gegen andere Stellen solche Ansprüche zustehen, soziale und gesundheitliche Leistungen einschließlich Verschickungen gewährt werden.
3. Bestattungsgeld
§ 29
(1) Beim Tode eines nach § 26 Abs. 2 oder 3 Anspruchsberechtigten über 14 Jahre wird ein Bestattungsgeld in Höhe des vollen Bestattungsgeldes nach § 36 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I S. 21/GVBl. S. 433), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juni 1990 (BGBl. I S. 1211/GVBl. S. 1475), zuzüglich 25 vom Hundert dieses Betrages gewährt. Bei Anspruchsberechtigten bis zu 14 Jahren wird die Hälfte des vollen Bestattungsgeldes nach § 36 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes zuzüglich 25 vom Hundert dieses Betrages gewährt. Ein nach anderen gesetzlichen Vorschriften gewährtes Bestattungsgeld ist anzurechnen. Die Vorschrift des § 26 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung.
(2) Vom Bestattungsgeld werden zunächst die Kosten der Bestattung bestritten und an den gezahlt, der die Bestattung besorgt hat. Dies gilt auch, wenn die Kosten der Bestattung aus öffentlichen Mitteln bestritten worden sind. Bleibt ein Überschuß, so sind nacheinander der Ehegatte, der Lebenspartner, die Kinder, der Vater, die Mutter, die Stiefeltern, die Pflegeeltern, der Großvater, die Großmutter, die Geschwister und die Geschwisterkinder bezugsberechtigt, wenn sie mit dem Verstorbenen zur Zeit des Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. Fehlen solche Berechtigte, so wird der Überschuß nicht ausgezahlt.
§ 30
Im Falle des Todes eines anerkannten Verfolgten des Nationalsozialismus, der nicht anspruchsberechtigt im Sinne des § 26 Abs. 2, jedoch zur Zeit seines Ablebens bedürftig war, kann dem, der die Bestattung besorgt, eine Beihilfe bis zur Höhe des Bestattungsgeldes (§ 29 Abs. 1) für die Bestattung gewährt werden.

TEIL III Härtefälle

§ 31

Die Senatsverwaltung für Inneres kann in Fällen, in denen sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes besondere Härten ergeben, die Entschädigungsbehörde anweisen, eine Anerkennung nach Teil I auszusprechen und Leistungen nach Teil II ganz oder teilweise zu gewähren.

TEIL IV Verfahren

§ 32

Die Anerkennung nach Teil I und die Leistungen nach Teil II dieses Gesetzes werden nur auf Antrag gewährt.

§ 33

Für das Verfahren finden die Vorschriften des 9. Abschnittes des BEG entsprechende Anwendung.

§ 34

Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist zulässig, wenn sie für die Anerkennung als Verfolgte oder als Hinterbliebene von Verfolgten nach Teil I dieses Gesetzes oder für die Versorgung nach Teil II dieses Gesetzes erforderlich ist.

TEIL V Übergangs- und Schlußvorschriften

§ 35

(1) Eine auf Grund des Gesetzes über die Anerkennung als politisch, rassisch oder religiös Verfolgte vom 20. März 1950 (VOBl. I S. 93) ausgesprochene Anerkennung gilt als Anerkennung im Sinne des ersten Abschnittes des Teils I dieses Gesetzes.
(2) Soweit Entscheidungen über die Anerkennung nach den Vorschriften des Gesetzes vom 20. März 1950 unanfechtbar sind, bewendet es dabei. Dies gilt nur, soweit die Vorschrift des Gesetzes vom 20. März 1950, auf der die Entscheidung beruht, unverändert in dieses Gesetz übernommen worden ist.

§ 35 a

(1) Bei der Senatsverwaltung für Inneres wird ein Beirat gebildet. Er setzt sich aus sechs von der Arbeitsgemeinschaft der Vertretungen politisch, rassisch und religiös Verfolgter des Nationalsozialismus zu benennenden Mitgliedern zusammen.
(2) Der Beirat berät die Verwaltung in grundsätzlichen Angelegenheiten dieses Gesetzes und bei zweifelbehafteten Ablehnungen von Anerkennungen und Leistungen nach diesem Gesetz. Er kann verlangen, daß ihm solche Fälle vor der Entscheidung vorgetragen werden. Das gilt auch, wenn die Verwaltung bei Gerichtsurteilen zugunsten von Antragstellern den Gerichtsweg weiter beschreiten will.

§ 36

Die Durchführungsvorschriften zu diesem Gesetz erläßt die Senatsverwaltung für Inneres als oberste Landesbehörde (§ 184 Abs. 2 BEG), zu Teil II (Versorgung) im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Finanzen.

§ 37

Dieses Gesetz tritt mit dem Ersten des Monats in Kraft, der auf seine Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin folgt.
*)
Fußnoten
*)
Diese Vorschrift betrifft das Inkrafttreten des Gesetzes vom 13. April 1956 (GVBl. S. 388).
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