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Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger (HebBO) Vom 9. November 2010

Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger (HebBO) Vom 9. November 2010
Zum 07.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: geändert durch Artikel 6 der Verordnung vom 01.09.2020 (GVBl. S. 683)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger (HebBO) vom 9. November 201028.11.2010
Eingangsformel28.11.2010
§ 1 - Aufgaben und Pflichten28.11.2010
§ 2 - Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes28.11.2010
§ 3 - Anwendung von Arzneimitteln28.11.2010
§ 4 - Schweigepflicht20.09.2020
§ 5 - Dokumentationspflicht20.09.2020
§ 6 - Fortbildungspflicht28.11.2010
§ 7 - Weitere Pflichten bei freiberuflicher Tätigkeit28.11.2010
§ 8 - Anzeige- und Meldepflichten bei freiberuflicher Tätigkeit28.11.2010
§ 9 - Verletzung der Berufspflichten28.11.2010
§ 10 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten28.11.2010
Anlage - Berufsaufgabenbezogene Fortbildungen28.11.2010
Auf Grund des § 1 Absatz 2 des Gesetzes über die Ausübung des Berufs der Hebamme und des Entbindungspflegers vom 22. September 1988 (GVBl. S. 1901), das zuletzt durch Artikel V des Gesetzes vom 17. Dezember 2009 (GVBl. S. 875) geändert worden ist, wird verordnet:

§ 1 Aufgaben und Pflichten

(1) Hebammen und Entbindungspfleger dürfen folgende Tätigkeiten in eigener Verantwortung ausüben:
1.
Aufklärung und Beratung in Fragen der Familienplanung;
2.
Feststellung der Schwangerschaft und Beobachtung der normal verlaufenden Schwangerschaft; Durchführung der zur Beobachtung eines normalen Schwangerschaftsverlaufs notwendigen Untersuchungen;
3.
Veranlassung von Untersuchungen zur möglichst frühzeitigen Feststellung einer Risikoschwangerschaft und Aufklärung über die damit zusammenhängenden Besonderheiten;
4.
Vorbereitung auf die Elternschaft; umfassende Vorbereitung auf die Geburt einschließlich Beratung in Fragen der Hygiene und Ernährung von Mutter und Kind;
5.
Betreuung der Gebärenden während der Geburt und Überwachung des Fötus in der Gebärmutter mit Hilfe geeigneter Mittel;
6.
Durchführung von Normalgeburten bei Schädellage einschließlich eines erforderlichen Scheidendammschnitts, Naht eines unkomplizierten Risses oder Scheidendammschnitts und im Dringlichkeitsfall Durchführung von Beckenendlagengeburten;
7.
Erkennung der Anzeichen von Anomalien bei der Mutter oder beim Kind, die ärztliches Eingreifen erforderlich machen, und Hilfeleistung bei etwaigen ärztlichen Maßnahmen; Ergreifen der notwendigen Maßnahmen bei Abwesenheit einer Ärztin oder eines Arztes, insbesondere manuelle Ablösung der Plazenta;
8.
Untersuchung, Überwachung und Pflege des Neugeborenen; Einleitung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen in Notfällen; Durchführung von Prophylaxe-Maßnahmen und Information an die Sorgeberechtigten über weitere Untersuchungen im Rahmen des Neugeborenen-Screenings, über die Notwendigkeit kinderärztlicher Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten und über Schutzimpfungen;
9.
Pflege der Wöchnerin und Überwachung ihres Zustandes; Beratung und Anleitung zu Pflege und Ernährung des Neugeborenen;
10.
Beratung und Anleitung zum Stillen bis zum Ende der Stillzeit;
11.
Durchführung der von einer Ärztin oder einem Arzt verordneten Behandlung;
12.
Ausstellung von Bescheinigungen im Rahmen der Berufsausübung.
(2) Hebammen und Entbindungspfleger haben Schwangere, Gebärende und Wöchnerinnen über jede beabsichtigte Maßnahme und deren Folgen umfassend aufzuklären.
(3) Hebammen und Entbindungspfleger haben bei ihrer beruflichen Tätigkeit untereinander und mit anderen Gesundheitsberufen kollegial zusammenzuarbeiten.

§ 2 Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes

(1) Hebammen und Entbindungspfleger haben eigenverantwortlich Hilfe bei allen regelrechten Vorgängen der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes zu leisten. Wird die Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes gewünscht, so haben Hebammen und Entbindungspfleger diesem Wunsch zu entsprechen.
(2) Bei Regelwidrigkeiten oder Verdacht auf Regelwidrigkeiten haben Hebammen und Entbindungspfleger erforderlichenfalls die Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes oder die Einweisung in ein Krankenhaus zu veranlassen. Dabei haben Hebammen und Entbindungspfleger den Wunsch der Frau einer Hinzuziehung oder Einweisung zu berücksichtigen. Wird die Hinzuziehung oder Einweisung abgelehnt, haben Hebammen und Entbindungspfleger darauf hinzuwirken, dass eine Ärztin oder ein Arzt hinzugezogen wird oder die Einweisung in ein Krankenhaus erfolgt. Bleibt es bei der Ablehnung, so soll dies schriftlich bestätigt werden.
(3) Übernimmt eine Ärztin oder ein Arzt die Behandlung im Falle einer Regelwidrigkeit oder eines Verdachtes auf eine Regelwidrigkeit, so ist sie oder er gegenüber der Hebamme oder dem Entbindungspfleger weisungsbefugt.
(4) Verstößt eine ärztliche Anweisung gegen die anerkannten Regeln der Geburtshilfe, hat die Hebamme oder der Entbindungspfleger die Ärztin oder den Arzt nachdrücklich darauf hinzuweisen und den Hinweis zu dokumentieren. Erkennt die Ärztin oder der Arzt den Einwand der Hebamme oder des Entbindungspflegers nicht an, hat die Hebamme oder der Entbindungspfleger gegebenenfalls die ärztliche Vorgesetzte oder den ärztlichen Vorgesetzten der Ärztin oder des Arztes zu informieren und auf deren oder dessen Hinzuziehung zu bestehen. Soweit es die geburtshilfliche Situation erlaubt, kann die Hebamme oder der Entbindungspfleger die Durchführung der ärztlichen Anweisung verweigern.

§ 3 Anwendung von Arzneimitteln

(1) Hebammen und Entbindungspfleger dürfen bei ihrer Berufsausübung nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel anwenden.
(2) Hebammen und Entbindungspfleger dürfen folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel, die für die Abgabe an Hebammen und Entbindungspfleger von der Verschreibungspflicht ausgenommen sind, anwenden und verabreichen:
1.
ein betäubungsmittelfreies krampflösendes oder schmerzstillendes Arzneimittel, das zum Einsatz in der Geburtshilfe geeignet ist, bei entsprechender Indikation in der Eröffnungsperiode;
2.
Wehenmittel oder Mutterkornpräparate zur Blutstillung bei der Gefahr oder dem Auftreten von bedrohlichen Blutungen in der Nachgeburtsperiode, falls ärztlicher Beistand oder die Einweisung in ein Krankenhaus nicht rechtzeitig möglich ist;
3.
ein Lokalanästhetikum im Falle einer Dammnaht;
4.
wehenhemmende Mittel zur Überbrückung einer Notfallsituation bis zur Einweisung in ein Krankenhaus.
(3) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger müssen sicherstellen, dass sie Arzneimittel nach Absatz 2 entsprechend dem von ihnen angebotenen Tätigkeitsspektrum jederzeit zur Verfügung haben.

§ 4 Schweigepflicht

(1) Hebammen und Entbindungspfleger haben über die ihnen im Rahmen der Berufsausübung anvertrauten oder sonst bekannt gewordenen Tatsachen zu schweigen. Dazu gehören auch schriftliche oder elektronische Mitteilungen der betreuten Frauen, Aufzeichnungen über die betreuten Frauen und sonstige Untersuchungsbefunde. Die Schweigepflicht gilt nicht gegenüber Ärztinnen und Ärzten sowie Hebammen und Entbindungspflegern für Auskünfte, die für die Behandlung oder Betreuung erforderlich sind.
(2) Hebammen und Entbindungspfleger sind zur Offenbarung befugt, soweit sie von der Schweigepflicht entbunden worden sind oder die Offenbarung zum Schutz eines höherwertigen Rechtsguts erforderlich ist. Gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten bleiben unberührt.

§ 5 Dokumentationspflicht

(1) Hebammen und Entbindungspfleger haben die in Ausübung ihres Berufs getroffenen Feststellungen und Maßnahmen bei Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und Neugeborenen und die Anwendung von Arzneimitteln schriftlich oder elektronisch zu dokumentieren. Die Dokumentation ist so abzufassen, dass die gesamte Tätigkeit während der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbetts und die Versorgung des Neugeborenen nachvollziehbar sind.
(2) Die Dokumentation ist unter Beachtung der beruflichen Schweigepflicht und der Datenschutzvorschriften mindestens zehn Jahre aufzubewahren.
(3) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger haben rechtzeitig dafür Sorge zu tragen, dass die Dokumentation auch nach dem Ende ihrer beruflichen Tätigkeit entsprechend den Anforderungen des Absatzes 2 aufbewahrt wird. Auf Wunsch kann die Dokumentation den betreuten Frauen ausgehändigt werden. Die Aushändigung muss schriftlich bestätigt werden.
(4) Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern oder anderen Speichermedien bedürfen besonderer Sicherungs- und Schutzmaßnahmen, um deren Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige Verwendung zu verhindern.

§ 6 Fortbildungspflicht

(1) Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, sich sowohl über die für ihre Berufsausübung geltenden Vorschriften als auch über die aktuellen Entwicklungen und Erkenntnisse der Hebammenkunde und der medizinischen Wissenschaft zu unterrichten und sie zu beachten.
(2) Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, an Fortbildungsmaßnahmen im Umfang von 45 Stunden in einem Zeitraum von jeweils drei Jahren teilzunehmen. Die Erfüllung der Fortbildungspflicht ist dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin auf Verlangen nachzuweisen.
(3) Geeignete Fortbildungsmaßnahmen sind insbesondere Veranstaltungen, Kongresse, Tagungen und Qualitätszirkel, die sich auf das ausgeübte oder angestrebte Tätigkeitsspektrum der Hebamme oder des Entbindungspflegers in den Gebieten der Schwangerschaftsbetreuung, der Geburtshilfe (einschließlich Notfällen und Reanimation in der Geburtshilfe) und der Wochenbettpflege beziehen und die in der Anlage aufgeführten Themen zum Gegenstand haben.

§ 7 Weitere Pflichten bei freiberuflicher Tätigkeit

Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind zusätzlich verpflichtet,
1.
die für die Berufsausübung erforderlichen Instrumente, Arzneimittel und Materialien bereitzuhalten und die Instrumente zu warten,
2.
sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu versichern,
3.
sich an Maßnahmen der externen Qualitätssicherung für außerklinische Geburtshilfe zu beteiligen (z. B. Teilnahme an bundes- oder landesweiten Perinatalerhebungen),
4.
sich grundsätzlich gegenseitig zu vertreten,
5.
die von ihnen betreuten Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen über ihre Erreichbarkeit, die Vertretungsregelung und die Inanspruchnahme anderer Dienste im Bedarfsfall aufzuklären,
6.
die Praxis durch ein Schild zu kennzeichnen, das den Namen, die Berufsbezeichnung, die Sprechzeiten, die Telefonnummer und gegebenenfalls die Art der Berufstätigkeit angibt, und
7.
berufsunwürdige Werbung zu unterlassen.

§ 8 Anzeige- und Meldepflichten bei freiberuflicher Tätigkeit

(1) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin den Beginn und das Ende ihrer Tätigkeit unter Nachweis ihrer Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung anzuzeigen.
(2) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, der für den Tätigkeitsort zuständigen Amtsärztin oder dem insoweit zuständigen Amtsarzt die notwendigen Auskünfte zu erteilen und Einblick in die fallbezogenen Aufzeichnungen zu gewähren, wenn eine von ihnen betreute Schwangere, Gebärende oder Wöchnerin oder ein Neugeborenes verstorben oder eine Totgeburt eingetreten ist oder wenn Hinweise auf eine Verletzung der Berufspflichten vorliegen. Sonstige Melde- und Anzeigepflichten bleiben unberührt.
(3) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, der für das Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung auf deren Aufforderung anonymisierte Auskünfte für medizinalstatistische Zwecke zu erteilen.

§ 9 Verletzung der Berufspflichten

Eine schuldhafte Verletzung der in dieser Verordnung festgelegten Berufspflichten kann unter den Voraussetzungen des § 3 Absatz 2 des Hebammengesetzes vom 4. Juni 1985 (BGBl. I S. 902), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 24. Juli 2010 (BGBl. I S. 983) geändert worden ist, zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Hebamme“ oder „Entbindungspfleger“ durch die zuständige Behörde führen.

§ 10 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft. Gleichzeitig tritt die Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger vom 26. November 1989 (GVBl. S. 2102) außer Kraft.
Berlin, den 9. November 2010
Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Katrin Lompscher

Anlage

(zu § 6 Absatz 3)
Berufsaufgabenbezogene Fortbildungen
Schwangerschaft
-
CTG / Herztonüberwachung
-
Schwangerenvorsorge (insbesondere Labor, Mutterschaftsrichtlinien, Bakteriologie)
-
Geburtsvorbereitung
-
Schwangerschaftserkrankungen
-
Beratung zu Fragen der Pränataldiagnostik
-
Infektionen (z. B. HIV, Hepatitis B und C)
Geburtshilfe
-
Gebärpositionen
-
Einstellungs- und Haltungsanomalien, Optimierung der Kindslage
-
Manuelle Diagnostik
-
Notfallmanagement in der Schwangerschaft und in der Geburtshilfe (Reanimation, Blutungen, Präeklampsie, Embolie, Infektionen etc.)
-
Risikomanagement und -einschätzung
-
Reanimation
-
Notfälle in der Schwangerschaft und der Geburtshilfe
Wochenbett
-
Stillberatung, -förderung und -anleitung
-
Säuglingsernährung
-
Säuglingspflege
-
Wochenbettbetreuung
-
Krisenhafte Zustände nach der Geburt
-
Pathologie und Physiologie des Neugeborenen
-
Prophylaxen, Impfungen
-
Rückbildungs- und Beckenbodengymnastik
-
Kinderschutz (z. B. Erkennen von Misshandlungen)
Bereichsübergreifende Fortbildungen
-
Dokumentation
-
Hygiene
-
Arzneimittel
-
Ernährung
-
Kommunikation und Beratung
-
Verhütung und Familienplanung
-
Suchtmittelprävention
-
Arbeitsschutz und Brandschutz
-
Qualitätssicherung
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