Zusammenarbeit zwischen Schulen und Erziehungsberatungsstellen in Bayern
In übereinstimmenden Beschlüssen vom 1. September 1981 und vom 4. Dezember 1981 haben die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder und die Jugendministerkonferenz eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Jugendhilfe insbesondere auf den Gebieten der Schulberatung und der Erziehungsberatung angeregt. Zur Weiterentwicklung der dazu in der Praxis bereits vorhandenen Ansätze werden folgende Feststelllungen getroffen und Empfehlungen gegeben:
A. Allgemeines
Schule und Jugendhilfe treffen sich – bei aller Unterschiedlichkeit der Aufgaben und Gestaltungsformen – in dem gemeinsamen Ziel, die Erziehung der Kinder und Jugendlichen unter Berücksichtigung des elterlichen Erziehungsrechts zu fördern und ihnen zu helfen, sich ihren Fähigkeiten und Begabungen entsprechend zu entwickeln. Von daher ergeben sich verschiedene Berührungspunkte und Möglichkeiten gegenseitiger Unterstützung. Vor allem bei der Beratung von Eltern und Schülern in Erziehungsfragen ist eine Zusammenarbeit zwischen den Schulen und den Beratungsdiensten der Jugendhilfe in vielen Fällen wünschenswert.
Die Schule bietet im Rahmen ihrer Aufgaben ein vielfältiges Beratungssystem an. Jeder Schule und jedem Lehrer obliegt es, die Schüler im Zusammenwirken mit den Erziehungsberechtigten bestmöglich zu fördern; dies schließt umfangreiche Informations- und Beratungspflichten ein (Art. 35 Abs. 1 und 2, Art. 38 Abs. 1 und Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayEUG). Zur Beratung in Fragen der Schullaufbahn sowie bei Lernschwierigkeiten und in der Schule auftretenden Verhaltensauffälligkeiten ist an jeder Schule ein Beratungslehrer bestellt. Die Aufgaben zentraler Beratungsstellen für alle Schularten erfüllen die staatlichen Schulberater (Art. 55 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayEUG; KMBek über die Schulberatung an den Schulen vom 19. April 1973, KMBl S. 525, zuletzt geändert durch KMBek vom 16. Dezember 1983, KMBl I 1984 S. 57).
In Fällen von Lern- und Leistungsstörungen sowie bei Verhaltensauffälligkeiten, denen mit den pädagogischen Möglichkeiten der Schule nicht hinreichend zu begegnen ist, kann auch schulpsychologische Beratung in Anspruch genommen werden. (Richtlinien für die schulpsychologische Beratung wurden mit KMS vom 5. April 1984 Az.: II/9 – 8/ 18 152 erlassen).
Schüler mit besonderen Erziehungsbedürfnissen, lernbehinderte oder in anderer Weise behinderte Schüler, die in anderen Schularten nicht ausreichend gefördert werden können, erhalten in den entsprechenden Schulen für Behinderte eine besondere schulische und erzieherische Betreuung, die den individuellen Bedürfnissen und Beeinträchtigungen Rechnung zu tragen sucht.
Der Jugendhilfe kommt die spezifische Aufgabe zu, Eltern, Kindern und Jugendlichen Hilfestellung zu geben, wenn Schwierigkeiten oder Störungen im Entwicklungsprozess oder aktuelle Konflikte auftreten, die von den Betroffenen allein nicht mehr bewältigt werden können. Für diesen Fall bieten die Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen – im Folgenden Erziehungsberatungsstellen genannt – psychodiagnostische Klärung, Beratung und therapeutische Hilfen an.
Eine nähere Beschreibung der Aufgaben der Erziehungsberatungsstellen enthält die Bekanntmachung des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 14. September 1979 (AMBl S. 185).
Die in Bayern bestehenden Erziehungsberatungsstellen sind in der
Das gemeinsame Anliegen, die Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu fördern und die Familien darin zu unterstützen, sowie die Beobachtung, dass in der Praxis der Erziehungsberatung nicht selten auch schulische Probleme zur Sprache kommen, legen eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Erziehungsberatungsstellen nahe. Dabei ist zu beachten, dass Schule und Erziehungsberatung auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen beruhen, je eigenen pädagogischen Aufgaben verpflichtet sind und dazu spezifische Organisationsformen und Arbeitsweisen entwickelt haben. Eigenart und Eigenständigkeit der beiden Bereiche sollen durch die Zusammenarbeit nicht beeinträchtigt werden.
Die Zusammenarbeit setzt allgemein voraus, dass zwischen den Schulen und den Erziehungsberatungsstellen Kontakte hergestellt und Informationen über Fragen von gemeinsamem Interesse ausgetauscht werden.
Im Einzelfall kommt eine Zusammenarbeit dann in Betracht, wenn Erziehungsberatungsstellen mit Verhaltensauffälligkeiten oder Lern- und Leistungsstörungen bei Schülern befasst werden, die in der Schule offenbar wurden und / oder erkennbar mit schulischen Problemen in Zusammenhang stehen.
Die Zusammenarbeit im Einzelfall setzt voraus, dass alle Beteiligten, insbesondere die Erziehungsberechtigten und die beteiligten Lehrer, sich damit einverstanden erklären. Im Übrigen ist zu beachten, dass sowohl die Lehrer als auch die Mitarbeiter der Erziehungsberatungsstellen über die persönlichen Angelegenheiten der Schüler und Erziehungsberechtigten Verschwiegenheit zu wahren haben (Art. 62 Abs. 2 BayEUG, Art. 69 BayBG, § 14 LDO, § 203 Abs. 1 Nr. 4 StGB).
Die im Folgenden aufgezeigten Möglichkeiten und Formen der Zusammenarbeit sind als Hinweis und Empfehlungen zu verstehen. Es muss dem fachlichen Urteil der Beteiligten überlassen bleiben, inwieweit und in welcher Weise sie im Einzelfall eine Zusammenarbeit für zweckdienlich erachten.
B. Hinweise und Empfehlungen für die Schulen
1. Allgemeine Formen der Zusammenarbeit
1.1
Auf schulischer Seite stehen als Ansprechpartner für die Erziehungsberatungsstellen in Abstimmung mit dem Schulleiter in erster Linie die Beratungslehrer, die Schuljugendberater und die Schulpsychologen zur Verfügung. Ihnen obliegt es, Kontakte herzustellen, Informationen zu vermitteln sowie Eltern und Lehrer im Einzelfall auf die Möglichkeit der Beratung und therapeutischer Hilfen durch Erziehungsberatungsstellen hinzuweisen.
1.2
Die Schule kann Mitarbeiter aus Erziehungsberatungsstellen zu Informationsveranstaltungen für Eltern einladen; die Anregung hierzu kann auch vom Elternbeirat oder von Klassenelternsprechern ausgehen.
1.3
Die Schule kann Mitarbeitern von Erziehungsberatungsstellen Gelegenheit geben, insbesondere an Elternsprechtagen Beratungsgespräche in Räumen der Schule anzubieten.
1.4
Zu Elternveranstaltungen im Rahmen der Schule über schulische Erziehungsprobleme können auf Wunsch der Beteiligten auch Mitarbeiter von Erziehungsberatungsstellen eingeladen werden.
1.5
Der Schulleiter kann nach Maßgabe der Schulordnung Mitarbeitern einer Erziehungsberatungsstelle Gelegenheit geben, durch Informationsbesuche im Unterricht einen allgemeinen Eindruck vom Schulalltag zu gewinnen. Mit den betroffenen Lehrern sind solche Informationsbesuche abzustimmen.
1.6
Im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für die Lehrämter kann den Studienreferendaren und Lehramtsanwärtern Gelegenheit gegeben werden, die Arbeit der Erziehungsberatungsstellen kennen zu lernen. Neben Informationsbesuchen und Hospitationen in Erziehungsberatungsstellen können z.B. Referate von Mitarbeitern der Erziehungsberatungsstellen bei Seminarveranstaltungen angeboten werden.
2. Zusammenarbeit im Einzelfall
2.1
Lehrer, insbesondere Beratungslehrer und Schulpsychologen, sollen in geeigneten Fällen, wenn Hilfen durch eine Erziehungsberatungsstelle, insbesondere therapeutische Hilfen, angezeigt erscheinen, die Eltern auf diese Möglichkeit hinweisen und erforderlichenfalls die nötigen Kontakte vermitteln.
2.2
Ist bei der Schule bekannt, dass ein Schüler von einer Erziehungsberatungsstelle behandelt wurde oder wird, so kann es im Einzelfall hilfreich sein, bei der Erziehungsberatungsstelle einen fachlichen Rat oder eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen. Voraussetzung ist die Zustimmung der Erziehungsberechtigten.
2.3
Durch Absprachen mit der behandelnden Erziehungsberatungsstelle soll nach Möglichkeit sichergestellt werden, dass Doppeltestungen von Schülern und parallele Beratungsarbeit vermieden werden. Das Verfahren zur Feststellung der Sonderschulbedürftigkeit bleibt unberührt.
C. Hinweise und Empfehlungen für die Erziehungsberatungsstellen
1. Allgemeine Formen der Zusammenarbeit
Um den allgemeinen Informationsaustausch und die gegenseitige Verständigung zu fördern, empfiehlt es sich für die Erziehungsberatungsstellen,
– regelmäßige Kontakte mit Beratungslehrern, Schuljugendberatern, Schulpsychologen und staatlichen Schulberatern zu pflegen;
– offene Gesprächskreise einzurichten und dazu neben Eltern und anderen an Erziehungsfragen Interessierten (z.B. Kinderärzten, Erziehern, Fachkräften der sozialen Dienste) insbesondere auch Schulleiter und Lehrer einzuladen;
– in Absprache mit den Schulleitern Vorträge oder andere Informationsveranstaltungen für Lehrer anzubieten, in denen die Arbeit der Erziehungsberatungsstellen dargestellt wird;
– Möglichkeiten wahrzunehmen, im Rahmen der Ausbildung und Fortbildung von Lehrern über die Arbeit der Erziehungsberatungsstellen zu berichten.
2. Zusammenarbeit im Einzelfall
2.1
Wenn ein Kind wegen Lern- und Leistungsstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten in einer Erziehungsberatungsstelle untersucht und behandelt wird, ist es ratsam, mit der Schule Verbindung aufzunehmen und mit den Lehrern Gespräche zu führen, sofern die Erziehungsberechtigten zustimmen. In besonderen Fällen können Lehrer, die sich dazu bereit erklären, auch an Beratungsgesprächen in der Erziehungsberatungsstelle beteiligt werden.
2.2
Erhalten Schüler durch eine Erziehungsberatungsstelle längerfristige heilpädagogische oder psychotherapeutische Hilfen, so ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Klassleiter oder einem Lehrer, der das besondere Vertrauen des Schülers hat, besonders angezeigt. Voraussetzung ist, dass die Erziehungsberechtigten damit einverstanden sind.
2.3
Lehrern soll ferner die Möglichkeit geboten werden, Fragen, die sich im Umgang mit schwierigen Schülern ergeben, von sich aus mit Mitarbeitern der Erziehungsberatungsstelle zu erörtern.
I. A.
I. A.
J. Hoderlein
Amm
Ministerialdirektor
Ministerialdirigent
KWMBl I 1989, S. 162
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