Zusammenarbeit von Schule, Berufsberatung und Studienberatung im Sekundarbereich II
I.
Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, die Bundesanstalt für Arbeit und die Hochschulrektorenkonferenz haben am 20. Februar 1992 folgendes Übereinkommen über die Zusammenarbeit von Schule, Berufsberatung und Studienberatung im Sekundarbereich II geschlossen:
„Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder, die Bundesanstalt für Arbeit und die Hochschulrektorenkonferenz stellen übereinstimmend fest:
Die Gemeinsame Empfehlung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, der Bundesanstalt für Arbeit und der Hochschulrektorenkonferenz über die Zusammenarbeit von Schule, Berufsberatung und Studienberatung im Sekundarbereich II vom 20. Februar 1992 ist in gegenseitigem Einvernehmen zustande gekommen.
Die Kultusminister der Länder, die Bundesanstalt für Arbeit und die Hochschulrektorenkonferenz werden die zur Durchführung der Empfehlung erforderlichen Maßnahmen treffen.“
II.
Gemeinsame Empfehlung der Kultusministerkonferenz, der Bundesanstalt für Arbeit und der Hochschulrektorenkonferenz über die Zusammenarbeit von Schule, Berufsberatung und Studienberatung im Sekundarbereich II (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20. Februar 1992)
0. Ausgangslage
Im Bewusstsein ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Maßnahmen, die beim Übergang der Schülerinnen und Schüler der allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen im Sekundarbereich II zum Studium und Beruf erforderlich sind, und auf der Grundlage der geltenden Regelungen und Vereinbarungen auf diesem Gebiet (Anlage) vereinbaren die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, die Bundesanstalt für Arbeit und die Hochschulrektorenkonferenz die folgende ‚Gemeinsame Empfehlung“.
1. Ausgangslage
1.1
Die Situation der Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich II hat sich in den letzten Jahren im Hinblick auf die Gegebenheiten von Bildung und Ausbildung und die sich anschließenden beruflichen Perspektiven und Möglichkeiten verändert.
In der gymnasialen Oberstufe können Schülerinnen und Schüler im Rahmen bestimmter Vorgaben durch ihre Fächerwahl eigene Schwerpunkte setzen.
Das berufliche Ausbildungssystem ist zugleich mit verbesserten qualitativen Angeboten differenzierter geworden.
Der Ausbau der Hochschulen und der Strukturwandel des Arbeitsmarktes sind weitere Merkmale dieser Veränderungen.
Auf dem Arbeitsmarkt sind vor allem die qualifizierten Berufe betroffen. An die Berufsausübung werden weitgehend erhöhte Anforderungen gestellt. Dazu entstehen neue berufliche Tätigkeitsfelder. In vielen Berufen ist die Praxis durch neue Technologien im Wandel begriffen.
Das Übergangsverhalten der Schüler und Hochschulabsolventen tendiert generell nach höherwertigen Berufsabschlüssen und einer Ausweitung der Bildungs- bzw. Ausbildungsphase, insbesondere durch ein Studium.
Die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands tragen dazu bei, berufliche Entscheidungsspielräume zu erweitern.
1.2
Berufswahl und Berufswegplanung vollziehen sich in einem längeren Prozess. Nicht zuletzt im Hinblick auf eine notwendige Verkürzung der Ausbildungszeiten muss alles getan werden, um Orientierungsschwierigkeiten und Informationsdefizite bei den Schülerinnen und Schülern bereits im Vorfeld von Entscheidungen durch qualifizierte Gesprächspartner und objektive Informationsangebote aufzufangen.
1.3
Die bestehenden Aufgaben verlangen ein enges Zusammenspiel der auf diesem Gebiet erbrachten Dienstleistungen und das Zusammenwirken ihrer Träger als Partner.
Die ‚Gemeinsame Empfehlung“ hat in diesem Sinne zum Ziel,
– die spezifischen Leistungen der beratend tätigen Einrichtungen zu verdeutlichen,
– die Verknüpfung der Angebote zur Orientierung und Beratung zu fördern und damit
– die Nutzung der verschiedenen Beratungsangebote zu verbessern.
2. Die Aufgaben von Schule, Berufsberatung und Studienberatung in Fragen der Studien- und Berufswahl
Ausgehend von ihrem jeweiligen Auftrag machen Schule, Berufsberatung und Studienberatung in Fragen der Studien- und Berufswahl im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten ein weit reichendes und differenziertes Beratungs- und Orientierungsangebot.
2.1 Schule
Die Schule berät Schülerinnen und Schüler und deren Eltern in allen Fragen der Schullaufbahn. Sie informiert und berät über schulische Abschlussqualifikationen, über Fächerwahlmöglichkeiten und Schwerpunktbildungen.
Im Rahmen der individuellen Beratung informiert die einzelne Schule auch über schulische Bildungsangebote im eigenen Einzugsbereich und in der Region und berät bei einem ggf. erforderlichen Schullaufbahnwechsel.
Die Schule vermittelt im Rahmen ihres Unterrichtsauftrags sowohl im Sekundarbereich I als auch im Sekundarbereich II grundlegende Kenntnisse über die Wirtschafts- und Arbeitswelt. Diese sind zugleich Grundlagen und Teil der Berufsorientierung. Die Schule vermittelt auch die für eine Studien- und Berufswahl notwendigen allgemeinen Fähigkeiten und Fertigkeiten und bereitet die Schülerinnen und Schüler darauf vor, eigenverantwortlich und sachkundig ihre Entscheidungen zu treffen. Die Inhalte der Hinführung zur Berufs- und Arbeitswelt können Gegenstand des Zusammenwirkens mehrerer
Fächer, Bestandteil einzelner Fächer des Pflicht-, Wahlpflicht- und Wahlbereichs oder eines eigenständigen Faches (hauptsächlich im Sekundarbereich I) sein. Die Schule gibt ferner im Wege besonderer Maßnahmen allgemeine Orientierungshilfen bei der Studien- und Berufswahl. Dabei geht es vor allem um Maßnahmen zur Betriebserkundung, um Betriebspraktika und berufs- und studienkundliche Veranstaltungen, die im Rahmen der Schule vor- und nachbereitet werden. Auch Projekttage, Studientage und Arbeitsgemeinschaften können für entsprechende Orientierungs- und Informationszwecke genutzt werden. Zur Erreichung dieser Ziele sind Kontakte der Schulen zu regionalen Einrichtungen der Wirtschaft hilfreich.
2.2 Berufsberatung
Die Berufsberatung bietet Schülerinnen und Schülern im Sekundarbereich II ein System von Informationen und Hilfen zur Berufswahl an:
In Schulbesprechungen und/oder durch Beteiligung am Unterricht werden grundlegende Kenntnisse über die Berufswahl vermittelt und Anregungen gegeben, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.
In den stationären und mobilen Einrichtungen zur Selbstinformation (BIZ, BIZ-mobil) steht ein breites Angebot an Informationen über die Berufs- und Arbeitswelt zur Verfügung.
Berufskundliche Vortragsveranstaltungen der Berufsberatung vermitteln Informationen sowohl über Berufe, die einen Hochschulabschluss voraussetzen, als auch Berufe mit schulischer und betrieblicher Ausbildung sowie besondere Ausbildungsgänge für Abiturienten.
Zur Vorbereitung der Berufswahl stellt die Berufsberatung eine Reihe von zentralen und regionalen Schriften zur Verfügung.
Die Berufsberatung bietet regelmäßige offene Sprechstunden in den Schulen sowie in den Arbeitsämtern an.
In Gruppenberatungen können Jugendliche mit gleichen oder ähnlichen Interessen und Fragen gemeinsam mit der Berufsberaterin oder dem Berufsberater Lösungen und Antworten erarbeiten.
Terminierte Einzelgespräche mit einer Berufsberaterin oder einem Berufsberater sollen Ratsuchenden helfen, eine verantwortliche Entscheidung zur Berufswahl zu treffen.
Zu den Angeboten der Berufsberatung gehören ferner:
– Vermittlung von Ausbildungsstellen und Nachweis schulischer Berufsausbildung,
– Vermittlung von Praktikantenstellen für Vorpraktika,
– finanzielle Förderung der Ausbildung.
Inhaltlich geht es bei der Berufsberatung vor allem um Folgendes:
– Fragen der schulischen Bildung, soweit sie für die Berufswahl und berufliche Entwicklung von Bedeutung sind,
– Voraussetzungen für die Berufswahl,
– Eignungsfragen, allgemeine Probleme der Berufswahl,
– Bildungs- bzw. Ausbildungswege,
– Berufe mit Hochschulabschluss und Berufe mit schulischer und betrieblicher Ausbildung sowie besondere Ausbildungswege.
2.3 Studienberatung
Die Studienberatung der Hochschule erstreckt sich auf folgende Leistungen:
– generelles Angebot der Beratung und Information zur Studienwahl, Durchführung und Vermittlung von Orientierungshilfen,
– Überblick über Hochschulen und Hochschularten, Studienmöglichkeiten in Deutschland und allgemeine Informationen über das Studium im Ausland,
– Information über Studiengänge, -inhalte und -schwerpunkte, Praktika vor und während des Studiums, Studiendauer und Zulassungsverfahren,
– Informationsbegegnungen von Vertretern der Hochschulen mit Vertretern der zur Hochschulreife führenden Schulen des Einzugsbereichs,
– Informationsveranstaltungen der allgemeinen Studienberatung sowie der Fachstudienberatung der Hochschulen für Fachlehrer und Kursteilnehmer der Oberstufe,
– Veranstaltungen der Studienberatung der Hochschulen und der Beratungslehrer/Oberstufenberater der Schulen des Einzugsbereichs zur gegenseitigen Information und zur Weiterentwicklung ihres Beratungskonzeptes,
– Versorgung der Schulen des Einzugsbereichs mit Informationsmaterialien über das Studienangebot der Hochschulen,
– Durchführung von Informations- und Beratungsveranstaltungen der Hochschulen in Schulen ihres Einzugsbereichs (Vortragsreihen, Mitwirkung bei studienkundlichen Projekten, bei Elternabenden, Klassen- und Schulveranstaltungen),
– Durchführung von Informations- und Beratungsveranstaltungen an den Hochschulen (Tag der Offenen Tür, Abituriententag, Schnupperstudium, Schülerorientierungswoche während unterrichtsfreier Zeiten, Klassenbesuche in der Hochschule, studienkundliche Vortragsreihen).
3. Die Zusammenarbeit der Partner
3.1
Schule, Berufsberatung und Studienberatung arbeiten bei der Studien- und Berufswahl eng zusammen, um ihre Angebote so zu koordinieren und zu verknüpfen, dass sie sich für die Zielgruppen zu einer möglichst hohen Wirksamkeit ergänzen.
3.2
Zu diesem Zweck werden die Partner dieser Empfehlung auf den jeweiligen Ebenen
– Planungen rechtzeitig abstimmen,
– relevante Informationen austauschen und
– Möglichkeiten zur Verbesserung der Zusammenarbeit nutzen.
3.3
Im Einzelnen werden für die Kooperationspartner folgende Schwerpunkte der Zusammenarbeit gesehen:
3.3.1
Schule und Berufsberatung
– Schule und Berufsberatung nutzen Möglichkeiten und Formen einer kooperativen Berufswahlvorbereitung.
– Die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen (BIZ, BIZ-mobil) wird von Schule und Berufsberatung gefördert.
– Lehrer und Berufsberater führen in Einzelfällen gemeinsame Gespräche mit Schülerinnen und Schülern, wenn die Erziehungsberechtigten und Schüler dem nicht widersprochen haben.
– Lehrer und Berufsberater nehmen gegenseitig an Veranstaltungen teil, soweit gemeinsam berührende Themen behandelt werden.
– Schule und Berufsberatung unterstützen sich gegenseitig bei der Herausgabe von Schriften, die der Vorbereitung der Berufswahl dienen.
3.3.2
Schule und Studienberatung
– Schule und Hochschule stimmen sich wegen der Versorgung mit Informationsmaterialien zur Studienwahl und der Nutzung dieser Materialien ab.
– Die Hochschulen bieten den Schulen Informationsveranstaltungen in der Schule oder in der Hochschule an.
– Die Schule ermöglicht den Schülern und Schülerinnen die Teilnahme an Informationsveranstaltungen der Hochschule. Mehrtägige Veranstaltungen sollen während unterrichtsfreier Zeiten angeboten werden.
– Schule und Hochschule nutzen die regionalen Möglichkeiten einer kooperativen Studienwahlvorbereitung. Dazu halten Schule und Hochschule auf verschiedenen Ebenen Kontakt miteinander.
– Die Hochschule ermöglicht Schülerinnen und Schülern nach vorheriger Abstimmung die punktuelle Teilnahme an einzelnen Hochschulveranstaltungen.
3.3.3
Schule, Berufsberatung und Studienberatung
– Studienberatung und Berufsberatung sprechen ihre Aktivitäten und Angebote an den Schulen ab bzw. informieren sich gegenseitig.
– Studienberatung und Berufsberatung führen, soweit dies erforderlich erscheint, in Zusammenarbeit mit den Schulen gemeinsame Veranstaltungen zur Studien- und Berufswahl durch.
– Studienberatung und Berufsberatung versorgen sich gegenseitig mit der Schule zur Verfügung gestelltem Informationsmaterial.
4. Zur Umsetzung der Empfehlung
Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, die Bundesanstalt für Arbeit und die Hochschulrektorenkonferenz werden
– diese Empfehlung in ihrem Zuständigkeitsbereich verbreiten,
– die Folgerungen aus der Empfehlung für die geltenden Vereinbarungen/Absprachen auf regionaler und örtlicher Ebene prüfen,
– die Umsetzung der Empfehlung zum Gegenstand eines regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustauschs machen.
– Arbeitsförderungsgesetz §§ 25-32
– Hochschulrahmengesetz § 14
– Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung (Beschluss der KMK vom 5. Februar 1971 = Beschluss-Nr. 889)
– Übereinkommen zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung vom 12. Februar 1971
– Beratung in Schule und Hochschule (Beschluss der KMK vom 14. September 1973 = Beschluss-Nr. 889.1)
– zur Studienberatung (Empfehlung des 119. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz, Bonn-Bad Godesberg, 28./29. Juni 1976)
– Verkürzung der Studienzeiten (Beschluss der KMK über vorrangige Maßnahmen zur Verkürzung der Studienzeiten - 239. Plenarsitzung am 23./24. Juni 1988 in Wiesbaden -)
– Empfehlungen zur Arbeit in der gymnasialen Oberstufe gemäß Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II - Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 7. Juli 1972 in der Fassung vom 11. April 1988 (Beschluss der KMK vom 2. Dezember 1977 in der Fassung vom 19. Dezember 1988 = Beschluss-Nr. 177)
– Veröffentlichung ‚Studien- und Berufswahl‘ (letzter Stand: 1991/1992), herausgegeben von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung und der Bundesanstalt für Arbeit.“
III.
Übereinkommen und Gemeinsame Empfehlung werden hiermit bekannt gemacht. Sie sind im Bereich des Freistaates Bayern ab sofort zu beachten.
Die Vereinbarungen über Richtlinien für die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung in Bayern vom 8. Dezember 1972 (KMBl 1973 S. 137) und über die Zusammenarbeit von Studienberatung und Berufsberatung an den Hochschulen des Freistaates Bayern vom 24. Oktober 1974 (KMBl I 1975 S. 215) gelten unverändert weiter.
I. A. Dr. Kaiser
Ministerialdirigent
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