VollzugsBekKUR
DE - Landesrecht Bayern

VollzugsBekKUR: Kommunales Unternehmensrecht; Hinweise zur Anwendung von Art. 87 GO, Art. 75 LKrO und Art. 73 BezO

An
die
Gemeinden
die
Landkreise
die
Bezirke
die
Verwaltungsgemeinschaften
die
Zweckverbände
die
selbstständigen Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts
nachrichtlich an
die
Regierungen
die
Landratsämter
Durch das Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftrechts und anderer kommunalrechtlicher Vorschriften vom 24. Juli 1998 (GVBl S. 424) wurde das bisherige kommunale Wirtschafrecht in ein kommunales Unternehmensrecht umgewandelt (Art. 86 bis 96 GO, Art. 74 bis 84 LKrO und Art. 72 bis 81a BezO, jeweils in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998, GVBl S. 796). Das neue Recht hat die ordnungspolitische Balance zwischen kommunaler und privater Wirtschaft nicht verschoben. Von grundlegender Bedeutung für die Abgrenzung zwischen beiden Bereichen sind die Vorschriften über die allgemeine Zulässigkeit von Unternehmen und Beteiligungen in den Art. 87 GO, Art. 75 LKrO und Art. 73 BezO. Zu ihrem Vollzug werden folgende Hinweise gegeben (Hinweise zur GO gelten entsprechend für die LKrO und die BezO):

1.  Wesentliche Erweiterungen

Nach Art. 87 Abs. 1 GO sind wesentliche Erweiterungen gemeindlicher Unternehmen nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig. Wesentlich sind grundsätzlich alle Erweiterungen, die von der Satzung des Unternehmens nicht gedeckt sind und deswegen deren Änderung voraussetzen. Im Hinblick auf die häufig anzutreffende weite Formulierung des Unternehmensgegenstands sind darüber hinaus grundsätzlich folgende Erweiterungen als wesentlich anzusehen:
– Übernahme neuer Geschäftsfelder
– Übergang von der Deckung des kommunalen Eigenbedarfs zu Leistungen (auch) an Dritte
– Auslastung vorhandener Kapazitäten durch neue Leistungsangebote
– Überschreitung des Gemeindegebiets; diese ist zwar schon gemäß Art. 87 Abs. 2 und 3 GO an die Voraussetzungen des Absatzes 1 gebunden, als wesentliche Erweiterung unterliegt sie aber auch der Anzeigepflicht gemäß Art. 96 Satz 1 Nr. 1 GO.

2.  Öffentlicher Zweck

Zu den Voraussetzungen für die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung eines Unternehmens (Eigenbetrieb, selbstständiges Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts oder Unternehmen in den Rechtsformen des Privatrechts) gehört, dass ein öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO). Alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen eine Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen, entsprechen keinem öffentlichen Zweck (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GO). Im Einzelnen ist Folgendes zu beachten:

2.1 

Der Begriff der Tätigkeit ist ziel- und zweckgerichtet zu verstehen. Zum Beispiel können Grünpflege oder Gebäudeinstandsetzung als Tätigkeiten nicht abstrakt beurteilt werden, sondern es muss unterschieden werden, ob der städtische Gartenbaubetrieb oder der Bauhof für den Eigenbedarf tätig wird oder seine Leistungen Dritten anbietet (s. u. Nr. 2.4 Satz 4).

2.2 

Jede einzelne Tätigkeit ist darauf zu untersuchen, ob sie einem öffentlichen Zweck dient oder unter das Verbot ausschließlich oder überwiegend gewinnstrebender Tätigkeiten fällt. Dass die Mehrzahl der Tätigkeiten eines Unternehmens einem öffentlichen Zweck dient, rechtfertigt nicht die übrigen Tätigkeiten, bei denen das nicht der Fall ist.

2.3 

Unschädlich ist es, wenn die Kommunen mit einer Tätigkeit, die von einem öffentlichen Zweck erfordert wird, daneben auch einen Ertrag zu erwirtschaften versuchen.

2.4 

Das Verbot ausschließlich oder überwiegend gewinnorientierter Tätigkeiten hindert die Gemeinde nicht an einer möglichst wirtschaftlichen Vermögensnutzung (Art. 95 Abs. 1 GO). Es entspricht daher dem Rentabilitätsgebot, wenn Gemeinden die Auslastung der Kapazität vorhandener Anlagen durch Leistungen verbessern, die nicht zu ihren originären Aufgaben gehören (z.B. Annahme von Fremdmüll zur besseren Auslastung einer kommunalen Müllverbrennungsanlage) und die auch nicht Gegenstand kommunaler Zusammenarbeit sind. Weil solche Tätigkeiten aber für sich betrachtet – also ohne das Zusatzargument des Rentabilitätsgebots – keinem öffentlichen Zweck dienen, sind sie nur dann zulässig, wenn die Gemeinde dem Rentabilitätsgebot nicht auf andere Weise, insbesondere durch eine Verringerung der Kapazität, Rechnung tragen kann. Daher sind z.B. Leistungen eines gemeindlichen Bauhofs oder einer kommunalen Kfz-Werkstatt gegenüber Dritten grundsätzlich unzulässig.

2.5 

Der Gesetzgeber hat die Formulierung des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GO über die keinem öffentlichen Zweck entsprechenden Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche bewusst weit gefasst, um auch derartige Aktivitäten der Kommunen außerhalb kommunaler Unternehmen zu erfassen und auszuschließen.

2.6 

Die Entscheidung über die Annahme eines öffentlichen Zwecks unter Berücksichtigung der vorstehenden Nummern unterliegt einer Beurteilungsprärogative der Kommunen (BVerwGE 39, 334).

2.7 

Auch die Beteiligung der Gemeinde an einem Unternehmen ist gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GO an einen öffentlichen Zweck gebunden. Dieser muss die Beteiligung als solche erfordern, dagegen müssen weder der Gesellschaftszweck insgesamt noch alle Unternehmensgegenstände von einem öffentlichen Zweck getragen sein. Das ergibt sich schon daraus, dass eine Beteiligungsgesellschaft ihrem Wesen nach nicht nur den Interessen eines einzelnen Gesellschafters dient. Es ist daher denkbar, dass eine Gesellschaft mehrere Unternehmensgegenstände hat, von denen nur ein Teil von öffentlichen Zwecken eines kommunalen Gesellschafters getragen wird. Die Kommune kann sich allerdings an der Gesellschaft nur mit dem Anteil beteiligen, der zur Erfüllung „ihres“ öffentlichen Zwecks erforderlich ist; das ist im Gesellschaftsvertrag zu verankern. Die Situation ist ähnlich wie im Fall der Beteiligung der Kommune an einem gebietsüberschreitend tätigen Unternehmen (Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GO).

3.  Subsidiarität

Für die Zulässigkeit der Errichtung, Übernahme oder wesentlichen Erweiterung von Unternehmen im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge liegen, gelten erhöhte Anforderungen. Zum einen müssen die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 GO, also vor allem der öffentliche Zweck, vorliegen. Das bedeutet z.B., dass kommunale Wirtschaftsförderung grundsätzlich nur in indirekter Form einem öffentlichen Zweck entspricht. Zum anderen kommen die besonderen Voraussetzungen der Subsidiaritätsklausel des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GO hinzu, der öffentliche Zweck muss also nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt werden oder erfüllt werden können. Zu Tätigkeiten außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge gehören in der Regel
– die kommunale Fremdenverkehrsförderung
– die kommunale Wirtschaftsförderung
– Tätigkeiten zur Erhöhung der Kapazitätsauslastung kommunaler Anlagen (s. o. Nr. 2.4)
– Annextätigkeiten.

4.  Privatisierung

Nach Art. 61 Abs. 2 Satz 2 GO soll die Gemeinde Aufgaben in geeigneten Fällen daraufhin untersuchen, ob und in welchem Umfang sie durch nichtkommunale Stellen, insbesondere durch private Dritte oder durch Heranziehung Dritter, mindestens ebenso gut erledigt werden können (Privatisierungsklausel). Die Gemeinden sollen diese Prüfung mindestens alle fünf Jahre durchführen und das Ergebnis der Rechtsaufsichtsbehörde schriftlich mitteilen. Steht die Gemeinde vor einer Entscheidung über die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung eines Unternehmens im Sinne von Art. 86 GO, kommt die Prüfung in Frage, ob sie (bei freiwilligen Aufgaben) die Aufgabe überhaupt behalten oder (bei freiwilligen und bei Pflichtaufgaben) Dritte zur Durchführung heranziehen soll. Gerade bei Bildungseinrichtungen, Versorgungseinrichtungen, Verkehrsunternehmen und Entsorgungseinrichtungen soll untersucht werden, ob durch Privatisierungen das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verwirklicht werden kann. Dabei sind auch mögliche Verbesserungen des Angebots zu berücksichtigen.

5.  Rechtsaufsicht

5.1 

Nach Art. 96 GO sind der Rechtsaufsichtsbehörde die Errichtung, Übernahme und wesentliche Erweiterung sowie die Änderung der Rechtsform oder der Aufgaben gemeindlicher Unternehmen, die unmittelbare und mittelbare Beteiligung an Unternehmen, die gänzliche oder teilweise Veräußerung gemeindlicher Unternehmen oder Beteiligungen und die Auflösung von Kommunalunternehmen anzuzeigen. Die Rechtsaufsichtsbehörde prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die ihr angezeigten Maßnahmen vorliegen und berät die Gemeinden in Rechtsfragen. In den Fällen des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GO hat sie grundsätzlich eine Stellungnahme der zuständigen Kammern der Wirtschaft oder der sonst betroffenen Kammern sowie der örtlichen bzw. regionalen Verbandsorganisationen der Wirtschaft einzuholen.

5.2 

Die Rechtsaufsichtsbehörde stellt die Einhaltung der Anzeigepflicht nach Art. 96 GO durch regelmäßige Stichproben sicher (z.B. durch Einsicht in den Haushaltsplan oder Beteiligungsbericht).

5.3 

Die Tätigkeit der von den Kammern und Verbänden der bayerischen Wirtschaft und den bayerischen kommunalen Spitzenverbänden unter Beteiligung der Staatsministerien des Innern und für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie eingerichteten „Clearingstelle“ berührt die Funktion der Rechtsaufsicht nicht.

6. 

Die Hinweise gelten entsprechend für Zweckverbände und Verwaltungsgemeinschaften.
Poxleitner
Ministerialdirigent
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