Verhaltensregeln für die Mitglieder des Bayerischen Landtags Vom 9. Dezember 1993 (GVBl. 1994 S. 15) BayRS 1100-1-1-I
Auf Grund des Art. 4a des Bayerischen Abgeordnetengesetzes gibt sich der Bayerische Landtag folgende Verhaltensregeln:
I. Ein Mitglied des Landtags ist verpflichtet, der Präsidentin oder dem Präsidenten aus der Zeit vor seiner Mitgliedschaft im Landtag schriftlich anzuzeigen:
die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit;
Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstands, Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Beirats oder eines sonstigen Gremiums einer Gesellschaft oder eines in einer anderen Rechtsform betriebenen Unternehmens;
Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstands, Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Beirats oder eines sonstigen Gremiums einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts.
Ein Mitglied des Landtags ist zusätzlich verpflichtet, der Präsidentin oder dem Präsidenten schriftlich die folgenden Tätigkeiten und Verträge, die während der Mitgliedschaft im Landtag ausgeübt oder aufgenommen werden bzw. wirksam sind, anzuzeigen:
entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat, die selbstständig oder im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses ausgeübt werden. Darunter fallen z.B. die Fortsetzung einer vor der Mitgliedschaft ausgeübten Berufstätigkeit sowie Beratungs-, Vertretungs-, Gutachter-, publizistische und Vortragstätigkeiten. Die Anzeigepflicht für die Erstattung von Gutachten, für publizistische und Vortragstätigkeiten entfällt, wenn die Höhe der jeweils vereinbarten Einkünfte den Betrag von 1 000 Euro im Monat oder von 10 000 Euro im Jahr nicht übersteigt. Sie entfällt ferner für die Tätigkeit als Mitglied der Staatsregierung;
Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstands, Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Beirats oder sonstigen Gremiums einer Gesellschaft oder eines in einer anderen Rechtsform betriebenen Unternehmens;
Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstands, Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Beirats oder eines sonstigen Gremiums einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts;
Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstands oder eines sonstigen leitenden oder beratenden Gremiums eines Vereins, Verbands oder einer ähnlichen Organisation sowie einer Stiftung mit nicht ausschließlich lokaler Bedeutung;
das Bestehen bzw. der Abschluss von Vereinbarungen, wonach dem Mitglied des Landtags während oder nach Beendigung der Mitgliedschaft bestimmte Tätigkeiten übertragen oder Vermögensvorteile zugewendet werden sollen;
Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften, wenn dadurch ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf ein Unternehmen begründet wird. Die Grenzen der Anzeigepflicht legt die Präsidentin oder der Präsident in den gemäß Nr. I. 4. zu erlassenden Ausführungsbestimmungen fest.
¹Bei einer Tätigkeit und einem Vertrag, die gemäß Nr. I. 2. Buchst. a bis e anzeigepflichtig sind, ist auch die Höhe der jeweiligen Einkünfte anzugeben, wenn diese im Monat den Betrag von 1 000 Euro oder im Jahr den Betrag von 10 000 Euro übersteigen. ²Zugrunde zu legen sind hierbei die für eine Tätigkeit zu zahlenden Bruttobeträge unter Einschluss von Entschädigungs-, Ausgleichs- und Sachleistungen.
Die Präsidentin oder der Präsident erlässt Ausführungsbestimmungen über Inhalt und Umfang der Anzeigepflicht, nachdem dem Präsidium und den Fraktionsvorsitzenden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.
¹Die Anzeigepflicht umfasst nicht die Mitteilung von Tatsachen über Dritte, für die die oder der Abgeordnete gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Verschwiegenheitspflichten geltend machen kann. ²Die Präsidentin oder der Präsident kann in diesen Fällen in den Ausführungsbestimmungen festlegen, dass die Anzeigepflicht so zu erfüllen ist, dass die in Satz 1 genannten Rechte nicht verletzt werden. ³Hierzu kann insbesondere vorgesehen werden, dass statt der Angaben zum Auftraggeber eine Branchenbezeichnung anzugeben ist.
Die Anzeigen sind innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Erwerb der Mitgliedschaft im Landtag sowie nach Eintritt von Änderungen oder Ergänzungen während der Wahlperiode bei der Präsidentin oder dem Präsidenten einzureichen.
II. Mitglieder des Landtags, die gegen Entgelt gerichtlich oder außergerichtlich für den Freistaat Bayern auftreten, haben der Präsidentin oder dem Präsidenten die Übernahme der Vertretung anzuzeigen, wenn das Honorar einen in den Ausführungsbestimmungen der Präsidentin oder des Präsidenten festgelegten Mindestbetrag übersteigt.
Mitglieder des Landtags, die gegen Entgelt zur Besorgung fremder Angelegenheiten gerichtlich oder außergerichtlich gegen den Freistaat Bayern auftreten, haben der Präsidentin oder dem Präsidenten die Übernahme der Vertretung anzuzeigen, wenn das Honorar einen in den Ausführungsbestimmungen der Präsidentin oder des Präsidenten festgelegten Mindestbetrag übersteigt.
Nrn. II. 1. und II. 2. gelten entsprechend bei gerichtlichem oder außergerichtlichem Auftreten insbesondere für oder gegen landesunmittelbare Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts.
III. ¹Die Angaben gemäß Nr. I. 1. Buchst. a und Nr. I. 2. Buchst. a bis f werden auf der Internetseite des Landtags veröffentlicht. ²Die Angaben gemäß Nr. I. 3. über Einkünfte werden in der Form veröffentlicht, dass bezogen auf jeden einzelnen veröffentlichten Sachverhalt jeweils eine von zehn Einkommensstufen ausgewiesen wird. ³Die Stufe 1 erfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte einer Größenordnung von 1 000 bis 3 500 Euro, die Stufe 2 Einkünfte bis 7 000 Euro, die Stufe 3 Einkünfte bis 15 000 Euro, die Stufe 4 Einkünfte bis 30 000 Euro, die Stufe 5 Einkünfte bis 50 000 Euro, die Stufe 6 Einkünfte bis 75 000 Euro, die Stufe 7 Einkünfte bis 100 000 Euro, die Stufe 8 Einkünfte bis 150 000 Euro, die Stufe 9 Einkünfte bis 250 000 Euro und die Stufe 10 Einkünfte über 250 000 Euro. ⁴Regelmäßige monatliche Einkünfte werden als solche gekennzeichnet. ⁵Werden innerhalb eines Kalenderjahres unregelmäßige Einkünfte zu einer Tätigkeit angezeigt, wird die Jahressumme gebildet und die Einkommensstufe mit der Jahreszahl veröffentlicht.
IV. ¹Für die Ausübung des Mandats darf ein Mitglied des Landtags keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder andere Vermögensvorteile annehmen. ²Unzulässig ist insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Landtag erwartet wird. ³Unzulässig ist ferner die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Landtags gewährt wird. ⁴Die Entgegennahme von Spenden bleibt davon unberührt.
¹Nach Nr. IV. 1. unzulässige Zuwendungen oder Vermögensvorteile oder ihr Gegenwert sind dem Haushalt des Freistaates Bayern zuzuführen, soweit der Erhalt der Zuwendung oder des Vermögensvorteils nicht länger als drei Jahre zurückliegt. ²Der Anspruch auf Zuführung in den Haushalt wird durch einen Verlust der Mitgliedschaft im Landtag nicht berührt.
V. Ein Mitglied des Landtags hat über Geldspenden und geldwerte Zuwendungen aller Art, die ihm für seine politische Tätigkeit zur Verfügung gestellt werden, gesondert Rechnung zu führen.
Eine Spende, deren Wert in einem Kalenderjahr 5 000 Euro übersteigt, ist unter Angabe des Namens und der Anschrift der Spenderin oder des Spenders sowie der Gesamthöhe der Präsidentin oder dem Präsidenten anzuzeigen.
Spenden sind, soweit sie in einem Kalenderjahr einzeln oder bei mehreren Spenden derselben Spenderin oder desselben Spenders zusammen den Wert von 10 000 Euro übersteigen, von der Präsidentin oder dem Präsidenten unter Angabe ihrer Höhe und Herkunft auf den Internetseiten des Landtags zu veröffentlichen.
Für Spenden an ein Mitglied des Landtags finden § 25 Abs. 2 und 4 des Parteiengesetzes entsprechende Anwendung.
¹Geldwerte Zuwendungen
aus Anlass der Wahrnehmung interparlamentarischer oder internationaler Beziehungen,
zur Teilnahme an Veranstaltungen zur politischen Information, zur Darstellung der Standpunkte des Landtags oder seiner Fraktionen oder als Repräsentantin oder Repräsentant des Landtags
gelten nicht als Spenden im Sinn dieser Vorschrift; sie sind jedoch entsprechend Nr. V. 2. anzuzeigen und nach Maßgabe von Nr. V. 3. zu veröffentlichen. ²Näheres zu den geldwerten Zuwendungen legt die Präsidentin oder der Präsident in den Ausführungsbestimmungen fest (Nr. I. 4.).
¹Geldwerte Zuwendungen, die ein Mitglied des Landtags als Gastgeschenk in Bezug auf sein Mandat erhält, müssen der Präsidentin oder dem Präsidenten angezeigt und ausgehändigt werden; das Mitglied kann beantragen, das Gastgeschenk gegen Bezahlung des Gegenwerts an die Staatsoberkasse Bayern zu behalten. ²Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der materielle Wert des Gastgeschenks einen Betrag nicht übersteigt, der in den Ausführungsbestimmungen der Präsidentin oder des Präsidenten festgelegt wird (Nr. I. 4.).
Die Präsidentin oder der Präsident entscheidet im Benehmen mit dem Präsidium über die Verwendung angezeigter Gastgeschenke und rechtswidrig angenommener Spenden.
VI. Hinweise auf die Mitgliedschaft im Landtag in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten sind unzulässig.
VII. Ein Mitglied des Landtags, das entgeltlich mit einem Gegenstand beschäftigt ist, der in einem Ausschuss des Landtags zur Beratung ansteht, hat als Mitglied dieses Ausschusses vor der Beratung eine Interessenverknüpfung offenzulegen, soweit sie nicht aus den gemäß Nr. III veröffentlichten Angaben ersichtlich ist.
VIII. ¹In Zweifelsfragen ist das Mitglied des Landtags verpflichtet, sich durch Rückfragen bei der Präsidentin oder dem Präsidenten über den Inhalt seiner Pflichten nach diesen Verhaltensregeln zu vergewissern. ²Auf Verlangen erhält das Mitglied des Landtags die Antwort auf seine Rückfrage schriftlich.
IX. ¹Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitglied des Landtags seine Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, holt die Präsidentin oder der Präsident zunächst dessen Stellungnahme ein und leitet eine Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein. ²Sie oder er kann von dem betroffenen Mitglied ergänzende Auskünfte zur Erläuterung und Aufklärung des Sachverhalts verlangen und die Vorsitzende oder den Vorsitzenden der Fraktion, der dieses Mitglied angehört, um Stellungnahme bitten.
¹Ergibt sich nach der Überzeugung der Präsidentin oder des Präsidenten, dass ein minder schwerer Fall bzw. leichte Fahrlässigkeit vorliegt, z.B. Überschreitung von Anzeigefristen, wird das betreffende Mitglied ermahnt. ²Ansonsten teilt die Präsidentin oder der Präsident das Ergebnis der Überprüfung dem Präsidium und den Vorsitzenden der Fraktionen mit. ³Das Präsidium stellt nach Anhörung des betroffenen Mitglieds fest, ob ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln vorliegt. ⁴Die Feststellung des Präsidiums, dass ein Mitglied des Landtags seine Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, wird unbeschadet weiterer Sanktionen nach Art. 4a Abs. 2 des Bayerischen Abgeordnetengesetzes als Drucksache veröffentlicht. ⁵Die Feststellung, dass eine Verletzung nicht vorliegt, wird auf Wunsch des Mitglieds des Landtags veröffentlicht.
¹Bestehen Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung gegen ein Mitglied des Präsidiums oder gegen eine Fraktionsvorsitzende oder einen Fraktionsvorsitzenden, nimmt das betroffene Mitglied des Landtags an Sitzungen im Rahmen dieses Verfahrens nicht teil. ²Anstelle einer oder eines betroffenen Fraktionsvorsitzenden wird die Stellvertreterin oder der Stellvertreter gemäß Nr. IX. 1. angehört und gemäß Nr. IX. 2. unterrichtet. ³Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Präsidentin oder der Präsident die Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, hat die Stellvertreterin oder der Stellvertreter nach den Vorschriften der Nrn. IX. 1. und IX. 2. zu verfahren.
¹Das Präsidium kann gegen das Mitglied des Landtags, das seine Anzeigepflicht verletzt hat, nach erneuter Anhörung ein Ordnungsgeld festsetzen. ²Die Höhe des Ordnungsgelds bemisst sich nach der Schwere des Einzelfalls und nach dem Grad des Verschuldens. ³Es kann bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festgesetzt werden. ⁴Die Präsidentin oder der Präsident führt die Festsetzung aus. ⁵Auf Wunsch des betreffenden Mitglieds kann eine Ratenzahlung vereinbart werden. ⁶Art. 26 Sätze 2 bis 4 des Bayerischen Abgeordnetengesetzes gelten entsprechend.
¹In Fällen der unzulässigen Annahme von Geld oder geldwerten Zuwendungen (Nr. IV) leitet die Präsidentin oder der Präsident nach Anhörung des betroffenen Mitglieds eine Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein. ²Dabei ist bei der Prüfung auf Vorliegen einer angemessenen Gegenleistung im Sinn von Nr. IV. 1. Satz 3 auf die Verkehrsüblichkeit abzustellen; hilfsweise ist entscheidend, ob Leistung und Gegenleistung offensichtlich außer Verhältnis stehen. ³Die Präsidentin oder der Präsident kann von dem Mitglied ergänzende Auskünfte zur Erläuterung und Aufklärung des Sachverhalts verlangen und die Vorsitzende oder den Vorsitzenden der Fraktion, der dieses Mitglied angehört, um Stellungnahme bitten. ⁴Ergibt sich nach der Überzeugung der Präsidentin oder des Präsidenten, dass eine unzulässige Zuwendung nach Nr. IV. 1. vorliegt, wird das Ergebnis der Überprüfung dem Präsidium und den Vorsitzenden der Fraktionen mitgeteilt. ⁵Das Präsidium stellt nach Anhörung des betroffenen Mitglieds fest, ob ein Verstoß gegen Nr. IV. 1. vorliegt. ⁶Die Präsidentin oder der Präsident macht den Anspruch gemäß Nr. IV. 2. Satz 1 im Wege eines Verwaltungsakts geltend. ⁷Die Feststellung, dass ein Mitglied des Landtags seine Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, wird unbeschadet weiterer Sanktionen nach Art. 4a Abs. 2 des Bayerischen Abgeordnetengesetzes als Drucksache veröffentlicht. ⁸Die Feststellung, dass eine Verletzung nicht vorliegt, wird auf Wunsch des Mitglieds des Landtags veröffentlicht. ⁹Nr. IX. 3. gilt entsprechend.
X. Die Verhaltensregeln treten mit Wirkung vom 1. Januar 1994 in Kraft.
München, den 9. Dezember 1993
Dr. Wilhelm Vorndran
Feedback