VerPBG: Vereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung über die Beteiligung des Landtags durch die Staatsregierung (Vereinbarung zum Parlamentsbeteiligungsgesetz – VerPBG) Vom 3./4. September 2003 (GVBl S. 670) BayRS 1100-6-1-S
In Ausführung von Art. 2 des Gesetzes über die Unterrichtung des Landtags durch die Staatsregierung (Parlamentsinformationsgesetz – PIG) vom 25. Mai 2003 (GVBl S. 324, BayRS 1100-6-S) schließen der Bayerische Landtag – vertreten durch den Präsidenten des Bayerischen Landtags – und die Bayerische Staatsregierung – vertreten durch den Bayerischen Ministerpräsidenten – folgende Vereinbarung über die Unterrichtung des Landtags durch die Staatsregierung:
I. Vorhaben der Landesgesetzgebung
Das federführende Staatsministerium unterrichtet den Landtag über Gesetzentwürfe der Staatsregierung, sobald sie den kommunalen Spitzenverbänden, sonstigen Verbänden, Organisationen oder Körperschaften nach Abschluss des Ressortanhörungsverfahrens zur Anhörung zugeleitet werden.
Der Landtag sichert zu, dass die zur Verfügung gestellten Gesetzentwürfe nicht zum Gegenstand von Initiativen aus der Mitte des Landtags oder von Beratungen im Parlament gemacht werden.
II. Beabsichtigte Rechtsverordnungen, die der Zustimmung des Landtags bedürfen
Die für Vorhaben der Landesgesetzgebung vereinbarten Regelungen aus Abschnitt I gelten entsprechend.
III. Beabsichtigte Staatsverträge
Will die Staatsregierung einen Staatsvertrag abschließen, so unterrichtet das federführende Staatsministerium den Landtag mindestens vier Wochen vor Unterzeichnung des Staatsvertrags.
Die Unterrichtung erfolgt schriftlich; sie enthält den voraussichtlichen Text des Staatsvertrags und stellt seinen wesentlichen Gegenstand und die für und gegen seinen Abschluss sprechenden Gründe dar.
¹Der Landtag informiert die Staatsregierung sobald wie möglich, wenn sich auf Grund der Unterrichtung Einwände ergeben, die zu einer Verweigerung der Zustimmung (Art. 72 Abs. 2 der Verfassung) führen könnten. ²Ist dem Landtag eine Befassung innerhalb von vier Wochen nach Eingang nicht möglich, so wird die Staatsregierung hiervon sowie über die weitere Terminplanung unterrichtet. ³In diesen Fällen soll die Frist entsprechend verlängert werden, soweit keine überwiegenden Interessen des Freistaates Bayern entgegenstehen.
Erfolgt eine Stellungnahme des Landtags, so wird die Staatsregierung diese bei ihrer Entscheidung berücksichtigen; dies gilt auch für Stellungnahmen, die erst nach Ablauf der in Nr. 3 genannten Frist eingehen, soweit es nach Verfahrensstand noch möglich ist.
Für die beabsichtigte Kündigung eines Staatsvertrags gilt Nr. 1 entsprechend.
IV. Beabsichtigte Verwaltungsabkommen
Die für Staatsverträge vereinbarten Regelungen aus Abschnitt III gelten sinngemäß für Verwaltungsabkommen, die von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind oder im Landeshaushalt zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen von jeweils über eine Million Euro führen würden.
V. Angelegenheiten der Landesplanung
Das federführende Staatsministerium unterrichtet den Landtag frühzeitig über Vorhaben, die für die Entwicklung des Staatsgebiets oder größerer Teile desselben raumbedeutsam sind.
Hinsichtlich des Landesentwicklungsprogramms gilt Abschnitt II (Art. 14 Abs. 3 BayLplG).
VI. Bundesratsangelegenheiten
¹Das federführende Staatsministerium unterrichtet den Landtag unverzüglich, wenn beim Bundesrat Gesetzesinitiativen eingegangen sind,
mit denen im Weg einer Verfassungsänderung Kompetenzen der Länder auf den Bund oder Kompetenzen des Bundes auf die Länder verlagert werden sollen oder
die unbeschadet von a) für den Freistaat Bayern von erheblicher landespolitischer einschließlich finanzieller Bedeutung sind.
²Dies gilt entsprechend, wenn Entschließungsanträge oder andere Initiativen von vergleichbarer politischer Bedeutung beim Bundesrat eingegangen sind.
¹Soweit die Staatsregierung entsprechende Gesetzesinitiativen, Verordnungsanträge oder Entschließungsanträge im Bundesrat einbringt, leitet die Staatskanzlei dem Landtag den Text der Initiative spätestens gleichzeitig mit der Übermittlung an den Bundesrat zu. ²Die Fristen des § 23 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind zu berücksichtigen.
Erfolgt eine Stellungnahme des Landtags durch die Vollversammlung oder in eilbedürftigen Angelegenheiten eine vorläufige Stellungnahme des federführenden Ausschusses, so wird die Staatsregierung diese bei ihrer Entscheidung über ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat berücksichtigen.
Das federführende Staatsministerium unterrichtet den Landtag über Erlass, Änderung und Aufhebung sowie den Inhalt von Ermächtigungen im Sinn des Art. 80 Abs. 4 des Grundgesetzes.
¹Will das federführende Staatsministerium von einer Ermächtigung im Sinn des Art. 80 Abs. 4 des Grundgesetzes durch Erlass eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung Gebrauch machen, so teilt es dies dem Landtag umgehend mit. ²Wenn dabei die Grundzüge der beabsichtigten Regelung noch nicht hinreichend benannt werden können, erfolgt hierüber so bald wie möglich eine weitere Benachrichtigung des Landtags.
VII. Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, den Regionen, anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen
¹Das federführende Staatsministerium unterrichtet den Landtag schriftlich über die wesentlichen Ergebnisse der Fachministerkonferenzen, soweit sie zur Veröffentlichung freigegeben und für den Freistaat Bayern von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind. ²Gleiches gilt für die Staatskanzlei im Hinblick auf die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenzen.
Unabhängig von Nr. 1 wird die Staatsregierung den Landtag auch über sonstige Ereignisse im Rahmen der unter diesen Abschnitt fallenden Zusammenarbeit informieren, die für den Freistaat Bayern von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind.
VIII. Angelegenheiten der Europäischen Union
Die Staatsregierung berücksichtigt für die Unterrichtung nach den tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auch Erkenntnisse aus nicht vom Bundesrat umgedruckten Dokumenten der Europäischen Union und der Bundesregierung.
Die Pflicht der Staatsregierung zur Unterrichtung des Landtags kann auch durch das federführende Staatsministerium erfüllt werden.
Die Unterrichtung erfolgt in der Regel schriftlich oder in elektronischer Form.
Die Unterrichtung gemäß Art. 2 Abs. 2 bis 4 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes (PBG) erfolgt in der Regel durch einen einheitlichen Berichtsbogen.
¹Weicht die Staatsregierung von einer Stellungnahme des Landtags nach Art. 5 Abs. 2 oder 3 PBG ab, so teilt sie die maßgeblichen Gründe nach der Sitzung des Bundesrats mit.
²Nach Möglichkeit unterrichtet die Staatsregierung schon vor der Sitzung über ein beabsichtigtes abweichendes Stimmverhalten.
IX. Informations- und Kommunikationstechnik
¹Leistungen des Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung können gemäß Art. 2 des Gesetzes im Rahmen vorhandener Kapazitäten vom Landtag und seinen Fraktionen in Anspruch genommen werden. ²Soweit hierfür zusätzlich Aufwendungen entstehen, werden sie nach Maßgabe von Art. 61 Abs. 2 der Bayerischen Haushaltsordnung erstattet.
X. Anwendung und Auslegung der Vereinbarung
Landtag und Staatsregierung werden diese Vereinbarung im Geist interorganfreundlichen Verhaltens anwenden und auslegen.
Dabei wird die Staatsregierung das Interesse des Landtags einbeziehen,
nach einer Unterrichtung auch von maßgeblichen Änderungen gegenüber dem übermittelten Sachstand zu erfahren; dies gilt sinngemäß, wenn die abschließende Entscheidung der Staatsregierung wesentlich von einer zuvor mitgeteilten eigenen Position oder einem Beschluss des Landtags zu dieser Unterrichtung abweicht;
auch dann eine Information zu erhalten, wenn Gegenstände von erheblicher landespolitischer Bedeutung über die vereinbarten Fallgruppen hinaus Belange des Landtags wesentlich berühren.
Der Landtag wird bei Auslegung der Vereinbarung einbeziehen,
dass die Staatsregierung hinsichtlich Art, Zeitpunkt und Inhalt der Unterrichtung die jeweiligen tatsächlichen und verfahrensökonomischen Möglichkeiten berücksichtigen muss; dies schließt ein, dass grundsätzlich alle Mitglieder der Staatsregierung Gelegenheit haben müssen, vor einer Mitteilung an den Landtag über den Unterrichtungsgegenstand informiert zu werden;
dass die Staatsregierung auch unabhängig vom Vorliegen einer Stellungnahme beschließen kann, wenn besondere Eilbedürftigkeit besteht; dies gilt auch und im Besonderen in Angelegenheiten der Europäischen Union. Die Gründe für die besondere Eilbedürftigkeit sind innerhalb von vier Wochen darzulegen.
Soweit in dieser Vereinbarung festgelegt ist, dass die Staatsregierung eine Stellungnahme des Landtags berücksichtigt, bedeutet dies keine rechtliche Bindung der Staatsregierung, wohl aber deren Verpflichtung, der Stellungnahme des Landtags in ihrer Meinungsbildung besonderes Gewicht beizumessen.
¹Fragen oder Vorhalte von Mitgliedern des Landtags bezüglich der Anwendung oder Auslegung dieser Vereinbarung werden auf Antrag einer Fraktion im Ältestenrat beraten. ²Sie sollen anschließend – falls erforderlich – im Einvernehmen zwischen Landtag und Staatsregierung geklärt werden.
Landtag und Staatsregierung sind sich darin einig, die Möglichkeiten der modernen Informations- und Kommunikationstechnik zu nutzen.
¹Landtag und Staatsregierung werden ab der 15. Legislaturperiode jeweils in der Mitte einer Legislaturperiode prüfen, ob auf Grund der konkreten Erfahrungen eine Veränderung dieser Vereinbarung angezeigt scheint. ²Unberührt bleibt eine gemeinsame Überprüfung bei entsprechendem Anlass.
XI. In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten
Diese Vereinbarung tritt mit Wirkung vom 15. September 2003 in Kraft.
Mit Ablauf des 14. September 2003 treten außer Kraft:
– der Schriftwechsel zwischen dem Bayerischen Ministerpräsidenten und dem Präsidenten des Bayerischen Landtags von 1971 (LT-Drs. 7/391) über die Unterrichtung des Landtags bzw. seiner Abgeordneten von Referenten- oder Ressortentwürfen,
– das Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten an den Präsidenten des Bayerischen Landtags vom 30. März 1979 betreffend die Verbesserung der Information des Landtags über die Vorbereitung von Staatsverträgen, Verwaltungsabkommen und die Ergebnisse von Fachministerkonferenzen und grenzüberschreitenden Gremien.
München, den 3. September 2003
Dr. Edmund Stoiber
München, den 4. September 2003
Johann Böhm
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