Richtlinien für die Umweltbildung an den bayerischen Schulen
Umweltbildung hat in Bayern eine lange Tradition. Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt gehört seit 1984 zu den obersten Bildungszielen der Bayerischen Verfassung. Seit 1990 sind die Richtlinien für die Umwelterziehung an den bayerischen Schulen in Kraft. Durch die Agenda 21, die bei der Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro entwickelt und 2002 in Johannesburg bekräftigt wurde, erhielt die Umweltbildung eine neue Dimension:
Der neue Ansatz der Umweltbildung besteht darin, dass sie das zentrale Anliegen der
Es geht nicht in erster Linie um die Vermittlung eines wünschenswerten Umweltverhaltens oder um moralische Appelle. Zu den
Die Kinder und Jugendlichen sollen Verständnis für die vielfachen, wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Mensch und Umwelt erwerben. Die Entwicklung von problemlösendem, flexiblem Denken geht damit Hand in Hand. Sachwissen bleibt aber folgenlos, wenn die Schülerinnen und Schüler seinen Sinn für ihr persönliches Leben nicht erkennen, sich emotional nicht angesprochen fühlen und sich nicht in die Lage anderer versetzen können. Kreativer und ästhetischer Zugang zu Umwelt und Natur sind ebenso Säulen einer Bildung für Nachhaltigkeit. Umweltbildung hat also den ganzen Menschen mit seinem Gefühl, seinem praktischen Können und seinem Sachverstand im Blick
Hervorgehobenes Ziel ist es, die
Der Einzelne nimmt Umwelt zunächst
Letztlich können sie begreifen, dass die Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung das respektvolle, emotional verankerte Verständnis für Natur und Mitwelt sowie
In der Gestaltung des Schulalltags, im persönlichen Verhalten der Erwachsenen und im zwischenmenschlichen Umgang sollen Schülerinnen und Schüler die
Umweltbildung kann zum
Praktische Tätigkeiten, Vorhaben und Aktionen ermöglichen Schülerinnen und Schülern positive Erlebnisse. Umweltbildung ist ein individueller und gesellschaftlicher Lernprozess. Darin liegen auch Grenzen schulischer Umweltbildung. Deshalb sollten die Lehrkräfte Widerstände von Seiten der Schülerinnen und Schüler akzeptieren, Fehler tolerieren und ein demokratisches Miteinander pflegen. Bildung für nachhaltige Entwicklung bedeutet auch, sich von kurzfristigen Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.
Umweltbildung geschieht auf wechselseitigen
Die im Folgenden aufgeführten
Zur Orientierung und Zuordnung zu den Instrumentarien der Umweltbildung werden folgende
?
Ansätze für ein Umweltaudit (Begriff vgl. 4.3)
?
Untersuchen, forschen, erkunden, entwickeln, recherchieren
Expertengespräche, Zusammenarbeit, Exkursionen...
??Unbekanntes Zeichen (Font: Webdings|Hexcode: F03A)?
Projekt, Aktion, praktisches Lernen; Zukunftswerkstatt
3.1
? Anlegen und Pflegen z.B. einer Hecke, einer Kastenwiese, einer Streuobstwiese; Gestalten eines naturnahen Schulgeländes
? Naturerfahrungsspiele, Sinnesparcours
? Anlegen einer Dia-, einer Bildersammlung; Präsentation von Fundstücken; Leporellos, Installationen; Land-Art; Bau von Naturinstrumenten
??Dichterlesungen; Ausstellungen, Galerien
? Exkursionen und Unterrichtsgänge zu Ökosystemen im Nahraum; (Langzeit-) Beobachtungen, vergleichende Exkursionen
? Ermitteln der Artenvielfalt auf dem Schulgelände; Feststellen der Veränderungen über einen längeren Zeitraum
? Darstellen von Zusammenhängen, Kreisläufen, Wechselwirkungen und Vernetzungen
? Quellenarbeit: Entwicklung von Ökosystemen; vermarktete Natur
? Konkrete Aktionen, z.B. Renaturierung, Pflanz-, Säuberungsaktionen, Dokumentation der Beobachtungen; Patenschaften (Bach, Wald...)
3.2
??Exkursionen
??Erkunden des Heimatortes; Erforschen der früheren Nutzung anhand von alten Flurnamen und Karten
? Planspiele; Zukunftswerkstatt
? Recherchieren in Gemeindegeschichte: Umweltverhalten im Laufe der Geschichte
? Praktika, z.B. in Land- und Forstwirtschaft, Kieswerke o. Ä.; Betriebserkundungen; Expertengespräche (Politiker, Architekten, Landschaftsplaner o. Ä.)
? Gelände untersuchen, z.B. Erosion der alpinen Grasheide in Skigebieten
3.3
??Energieverbrauch vergleichen, z.B. bei verschiedenen Lebensstilen; weltweiter Transport von Nahrungsmitteln; Energieverbrauch messen; Niedrigenergiehaus, -schule
??Bau von Windgeneratoren, Brennstoffzellen, Sonnenkollektoren, Solartrocknungsanlagen; Photovoltaikanlagen, Solarkocher; Beobachtungen am Energiefahrrad
? Ermitteln des Energieverbrauchs im Betrieb Schule; Erarbeiten von Einsparmaßnahmen
? Entwickeln von umweltfreundlichen Verkehrskonzepten (auch in Zusammenarbeit mit Agenda-Gruppen)
? Untersuchungen, z.B. an verschiedenen Gewässern
? Vergleichen landwirtschaftlicher (ebenso: forstwirtschaftlicher) Produktionsweisen und ihrer Auswirkungen
? Verschiedene Belastungen im Schulgelände analysieren, Maßnahmen zu deren Reduktion erarbeiten
? Auswerten von lokalen und überregionalen Immissionsstatistiken, von Fachexpertisen der UN und anderer Organisationen, z.B. zum Klimaschutz, zur Wüstenbildung, zum Artensterben; Waldzustandsbericht
3.4
??Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern; Bürgerrechte, Bürgerbegehren; Volksbegehren, Volksentscheid; Petitionen; Kooperation der Schule mit kommunalen Gruppen der Agenda 21 (auch in Teilbereichen)
? Recherchieren: „Umwelt “ in den EU-Gesetzen, im Grundgesetz, in der Bayerischen Verfassung, in einschlägigen Bundes- und Landesgesetzen (z.B. Immissionsschutzgesetz, Abfallgesetze, Naturschutzgesetz), Verordnungen (z.B. Trinkwasserverordnung) und technischen Anleitungen (z.B. TA-Luft, TA-Boden); Rote Listen
? Vergleichen der Aufgaben verschiedener staatlicher Organe, z.B. von Kommunen, Land, Bund, EU, UN, von NGOs (Nichtregierungsorganisationen)
3.5
??Vergleichen und Werten von Bedürfnissen und Gewohnheiten im täglichen Leben, z.B. hinsichtlich Ressourcenverbrauch, Haushaltsführung, Ernährung, Hygiene, Gesundheit, Wahl und Nutzung von Verkehrsmitteln, Gestaltung von Freizeit (Sport) und Ferien (sanfter Tourismus); Entwickeln von Konzepten zur Verhaltensänderung
? Planen von Klassenfahrten, Schulfesten usw. am Prinzip der Nachhaltigkeit
? Reflektieren des persönlichen Verhaltens, z.B. hinsichtlich des Konsumverhalten, von Lebensstilen und Trends
? Bewerten der Aufgabe und der Verantwortung der Medien; Einfluss der Gruppe; Interessen der Wirtschaft
3.6
? Darstellen am Beispiel von Gebrauchsgegenständen („Meine Jeans “)
? Vergleichen von Abfallkonzepten und Vermarktungsstrategien (Kauf von regionalen Produkten); Problematik des weltweiten Mülltourismus
??Schülerfirma
? exemplarisch eine (ggf. stark vereinfachte) Ökobilanz durchführen, z.B. Vergleichen von Papiersorten oder Möglichkeiten zum Händetrocknen auf Schultoiletten
??Betrieb erkunden: Umweltschutz im Betrieb; Umweltarbeitsplätze („Umweltschutz schafft Arbeitsplätze. “); Kooperation mit zertifizierten Firmen
? Untersuchen von Waren-, Nahrungsmittelverkehr und -handel, Vergleichen von Transportwegen und Lagerkosten, Energieaufwand, Einsatzvielfalt nachwachsender Rohstoffe; fairer Welthandel
3.7
? Entwickeln technischer Lösungsansätze durch Schüler, z.B. Untersuchen von Isolationsmaterialien, einer Regenwassernutzungsanlage, einer Minisortieranlage für schulische Abfälle
? Kennenlernen von Techniken zur Minimierung von Schadstoffen
? Untersuchungen von Lärm, Energie, Wasserverbrauch, Verkehrsaufkommen in der Schule; Entwickeln von Verbesserungsvorschlägen
??Expertengespräche; Pressedokumentationen, Besuch von Umweltmessen
3.8
??Miteinander und voneinander lernen; interkulturelle Begegnungen mit Mitschülern; Vorträge, Internet, E-Mail-Kontakte; Patenschaften, Kontakte mit UNESCO-Schulen
? Mit Quellen arbeiten: UN-Resolutionen, z.B. Fragen wie Klimaschutz, Menschenrechte, Bevölkerungsentwicklung, Situation der Frauen; Möglichkeiten der Umsetzung – Beschlüsse vor Ort (global denken – lokal handeln); Bedeutung im Alltag
? Projekte, z.B.: „Armut erlebbar machen “ (Vergleich: Deutschland – Entwicklungsland); „Der Alltag eines Kindes hier und anderswo “ (Kinderarbeit, Menschenhandel...), „Was geschieht mit unseren Spenden? “ (Geld, Kleider, Nahrungsmittel, Medikamente; Auswirkungen im Empfängerland)
? Recherchieren, mit Quellen arbeiten; Wertmaßstäbe vergleichen
? Quellenarbeit: Nord-Süd-Gefälle; Aufgaben der Entwicklungshilfe, Hilfen vor Ort
? Kennenlernen von Problemen im Alltag: Flucht, Kriege, Rohstoffmangel
3.9
? Natur erfahren, Natur begreifen, staunen
? Diskutieren über den Umgang mit Tieren, z.B. Haltung, Transport
? Abwägen von Machbarkeit und Verantwortung in Wissenschaft und Forschung; moderne Technologien
? Erntedank feiern
??Philosophieren mit Schülerinnen und Schülern: Mensch als Einzelperson und soziales Wesen, seine Geschichtlichkeit; Neugier, Forscherdrang, Wert- und Sinnorientierung, natürliche und virtuelle Welten
? Hinterfragen der Nachhaltigkeit von Moden, Trends, Statussymbolen, Freizeitaktivitäten, Konsumgewohnheiten; die intakte Natur in der Werbung; Idole, Stars; Untersuchungen in der Klasse; Ergebnisse von Jugendstudien
? Güterabwägung; Verantwortung; Motto: „Gut leben statt viel haben “; Ziel- und Interessenkonflikte bei der Umsetzung von Zielen einer nachhaltigen Entwicklung
4.1 Didaktisch-methodische Prinzipien
Umweltbildung im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung verwendet Methoden, die vernetzte Zusammenhänge realitätsnah und aus verschiedenen Sichtweisen begreifbar machen. Im Geist der Agenda 21 geht Umweltbildung neue Wege;
Zur Gestaltungskompetenz gehören Fähigkeiten wie einen Sachverhalt zu analysieren und zu bewerten und danach zu handeln. Sie gehört zu jenen Qualifikationen, mit denen die Kinder und Jugendlichen ihr Leben im Rahmen von Gemeinschaften aktiv mitgestalten und daran teilhaben können.
Diese Kompetenzen erfordern Zusammenarbeit und Auseinandersetzung mit dem jeweils Anderen. Es gehören dazu also
Um die Motivation der Schülerinnen und Schüler aufzugreifen und zu erhalten, sollte Umweltbildung von der konkreten Erfahrungswelt ausgehen
Umweltbildung braucht handlungsorientiertes Lernen. Durch das Erleben nachhaltiger Prozesse, durch Handeln und Lernen vor Ort kann der Einzelne erfahren, dass er wichtiges Mitglied einer Gemeinschaft ist, und erhält so eine positive Rückmeldung über sein Engagement.
Im
4.2 Alters- und schulartspezifische Aspekte
Umweltbildung in der
4.3 Konkrete Wege der Umweltbildung in der Schule
Eine Bildung für nachhaltige Entwicklung sollte Schülerinnen und Schüler ermutigen und befähigen, sich aktiv um Belange zu kümmern, die sie etwas angehen. Besonders geeignet sind
In jeder Schulart bieten sich Chancen für
Das
Bei
Mehrtägige
5.1 Umweltbildung als Teil innerer Schulentwicklung
Die Schule und das gesamte Schulleben sind Felder, in denen ökologisches, ökonomisches und soziales Lernen und Handeln im Sinne einer zeitgemäßen schulischen Umweltbildung und auch der Agenda 21 eingeübt und vorbereitet werden.
Im Rahmen ihrer inneren Entwicklung geben sich die Schulen ein
5.2 Umweltbildung als schulische Gemeinschaftsaufgabe
Die Entwicklung eines Umweltbildungskonzepts und seine Verankerung im Schulprogramm und -profil kann nur gelingen, wenn die
An jeder Schule soll eine
Voraussetzung für das Gelingen schulischer Umweltbildung ist auch, dass sich alle Beteiligten wie die Schulleitung, die Lehrkräfte, die Schüler und Eltern, zu einem
5.3 Kooperationsnetz Umweltbildung
Umweltbildung ist über die Schule hinaus eine wichtige
Das örtliche Umfeld bietet vielfältige Möglichkeiten der aktiven Teilhabe, insbesondere im Rahmen von kommunalen Initiativen der Agenda 21 oder bei Projekten zur kinder- und jugendfreundlichen Gestaltung der Gemeinde.
Vertreter der Schule sollen den Kontakt zu solchen Einrichtungen suchen und pflegen, um den Schülerinnen und Schülern dieses erweiterte Handlungsfeld der Umweltbildung zu erschließen.
Die Schulen sollen
Um den Erfahrungsaustausch zwischen den Schulen zu fördern, ist es von Nutzen,
Kontakte mit Umweltschulen in Europa, mit UNESCO- und Globe-Schulen dienen der Entwicklung internationaler Partnerschaften und fördern das Verständnis für ökologische und soziale Anliegen in anderen Ländern.
5.4 Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinien
In allen künftigen
Inhalte und Methoden der Umweltbildung sollen in allen Phasen der
Die
Diese Bekanntmachung tritt am 1. Februar 2003 in Kraft. Gleichzeitig wird die Bekanntmachung über Richtlinien für die Umwelterziehung an den bayerischen Schulen vom 30. Mai 1990 (KWMBl I S. 173) aufgehoben.
Erhard
Ministerialdirektor
KWMBl I 2003 S. 61
Feedback