Tätigkeit der Polizei im Sprengstoffwesen
DE - Landesrecht Bayern

Tätigkeit der Polizei im Sprengstoffwesen

Für ihre Tätigkeit im Sprengstoffwesen hat die Polizei Folgendes zu beachten:

1.  Sprengstoffrechtliche Vorschriften

Das Sprengstoffrecht ist – abgesehen von den Vorschriften des Bergrechts und über die Beförderung gefährlicher Güter – im Wesentlichen in folgenden Rechtsvorschriften geregelt:

1.1 

Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz – SprengG)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2002 (BGBl I S. 3518), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 67 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl I S. 3154)

1.2 

Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1991 (BGBl I S. 169), zuletzt geändert durch Art. 20 des Gesetzes vom 25. Juli 2013 (BGBl I S. 2749)

1.3 

Zweite Verordnung zum Sprengstoffgesetz (2. SprengV)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2002 (BGBl I S. 3543), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 26. November 2010 (BGBl I S. 1643)

1.4 

Dritte Verordnung zum Sprengstoffgesetz (3. SprengV)
vom 23. Juni 1978 (BGBl I S. 783), geändert durch Art. 21 des Gesetzes vom 25. Juli 2013 (BGBl I S. 2749)

1.5 

Kostenverordnung zum Sprengstoffgesetz (SprengKostV)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1991 (BGBl I S. 216), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 15. Juni 2005 (BGBl I S. 1626)

1.6 

Verordnung über gewerbeaufsichtliche Zuständigkeiten (ZustV-GA)
vom 9. Dezember 2014 (GVBl S. 555, BayRS 805-2-A/U)

1.7 

Verordnung über die Zuständigkeit der Hauptzollämter zur Verfolgung und Ahndung bestimmter Ordnungswidrigkeiten nach dem Waffengesetz und dem Sprengstoffgesetz (WaffGHZAOWiV) vom 1. Juni 1976 (BGBl I S. 1616), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970, ber. 2003 S. 1957); im Übrigen gilt die Verordnung über Zuständigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht (ZuVOWiG).

1.8 

Darüber hinaus sind die Vorschriften der PDV 100 „Führung und Einsatz der Polizei “, der PDV 403 „Sprengen “ und die Leitfäden 371 „Eigensicherung “ sowie 450 „Gefahren durch chemische, radioaktive und biologische Stoffe “ zu beachten.

2.  Befreiung der Polizei von sprengstoffrechtlichen Vorschriften

Das Sprengstoffgesetz und die darauf beruhenden Vorschriften gelten (mit Ausnahme von § 6a der 1. SprengV – Verwenden markierter Sprengstoffe) nicht für Polizeivollzugsbeamte (Art. 1 PAG, vgl. § 1 Abs. 4 Nr. 1 SprengG). Sie sind ferner nicht anzuwenden, soweit Bedienstete des Bayerischen Landeskriminalamts zur Erfüllung ihrer Dienstaufgaben explosionsgefährliche Stoffe herstellen, bearbeiten oder verarbeiten, wiedergewinnen, aufbewahren, verwenden, vernichten, erwerben, überlassen, befördern oder einführen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 der 1. SprengV).
Gefahrgutrechtliche Vorschriften bleiben hiervon unberührt.

3.  Sicherheitsvorkehrungen der Polizei

3.1 

Soweit die Polizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit explosionsgefährlichen Stoffen oder diesen gleichgestellten Stoffen oder Gegenständen umgeht oder Verkehr betreibt oder solche Stoffe oder Gegenstände befördert, soll sie die Anforderungen möglichst erfüllen, die das Sprengstoffrecht an den Umgang und Verkehr mit solchen Stoffen und an die Beförderung solcher Stoffe stellt. Bei der Beförderung sind die Bestimmungen der Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit Eisenbahnen und auf Binnengewässern (Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt – GGVSEB) und des Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) in der jeweils geltenden Fassung zu beachten. Die darin enthaltenen Freistellungen nach Abschnitt 1.1.3 ADR für innerstaatliche Beförderungen auch in Verbindung mit Anlage 2 zur GGVSEB gelten auch für die Polizei unter den dort genannten Bedingungen und unter Berücksichtigung der Vorgaben des Schreibens des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 30. Oktober 2013 (Az.: IC4-3635-110) für entsprechende Beförderungen. Sachliche Anforderungen nach dem Sprengstoffrecht stellen insbesondere § 24 SprengG und §§ 14 bis 16 und § 18 der 1. SprengV, § 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Anhang, §§ 3 und 4 der 2. SprengV dar. Die Polizei darf jedoch von diesen sachlichen Anforderungen abweichen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Einzelfall nötig ist.

3.2 

Hat die Polizei explosionsgefährliche Stoffe zu verwahren, so hat sie diese möglichst in einem polizeieigenen Sprengstofflager aufzubewahren oder, wenn ein solches nicht zur Verfügung steht, in einem Sprengstoff- oder Munitionslager der Bundeswehr, der Bundespolizei, der Sprengkommandos (Nr. 5.2 der Bekanntmachung über die Abwehr von Gefahren durch Kampfmittel vom 15. April 2010, AllMBl S. 136) oder in einem Sprengstofflager, für das eine Genehmigung nach § 17 SprengG oder eine weiter geltende Genehmigung nach altem Recht erteilt worden ist. Die polizeieigenen Sprengstofflager müssen den Vorschriften der 2. SprengV, des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV und der aufgrund § 2 Abs. 2 der 2. SprengV erlassenen Sprengstofflager-Richtlinien entsprechen; hierzu wird insbesondere auf die
– Richtlinie für das Zuordnen explosionsgefährlicher Stoffe zu Lagergruppen (SprengLR 010) – BArBl 6/1978
– Richtlinie Bauweise und Einrichtung der Lager für Sprengstoffe und Zündmittel (SprengLR 210) – BArBl 9/1978
– Richtlinie Diebstahlsicherung der Lager für Explosivstoffe und Gegenstände mit Explosivstoff (SprengLR 230) – BArBl 2/1980
– Richtlinie Aufbewahrung sonstiger explosionsgefährlicher Stoffe (SprengLR 300) – BArBl 11/1991
hingewiesen.
Werden polizeieigene Sprengstofflager eingerichtet, so soll das Gewerbeaufsichtsamt im Wege der Amtshilfe gehört werden.

3.3 

Kleine Mengen identifizierter und handhabungssicherer explosionsgefährlicher Stoffe oder Gegenstände darf die Polizei selbst aufbewahren, wenn sie die Vorkehrungen und Mengenregelungen im Sinn der Nr. 4 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV sinngemäß beachtet.
Als identifizierte und handhabungssichere explosionsgefährliche Stoffe oder Gegenstände sind bei der Pyrotechnik insbesondere sowohl zugelassene als auch in Deutschland nicht zugelassene oder konformitätsbewertete, aber industriell hergestellte und original verpackte pyrotechnische Gegenstände anzusehen sowie Schwarz- oder Treibladungspulver in verschlossenen Originalgebinden. Nicht zugelassene oder konformitätsbewertete Pyrotechnik ist grundsätzlich in die höchste Lagergruppenkategorie einzuordnen, sofern keine anderweitige Klassifizierung möglich ist. Als handhabungsunsichere explosionsgefährliche Stoffe sind dagegen alle Initialsprengstoffe anzusehen, selbst wenn diese in Originalgebinden verpackt sind. Im Zweifelsfall ist das Bayerische Landeskriminalamt um Fachberatung zu ersuchen.

3.4 

Nicht identifizierte oder sonst handhabungsunsichere (z.B. nicht zur Beförderung geeignete) explosionsgefährliche Stoffe oder Gegenstände oder mutmaßlich explosionsgefährliche Stoffe und Gegenstände sind möglichst am Fundort zu belassen. Auf die Grundsätze der Eigensicherung wird besonders hingewiesen (siehe Nr. 6.5 Leitfaden 371, Nrn. 1 und 2 Leitfaden 450). Für weitere gefahrenabwehrende Maßnahmen ist die Technische Sondergruppe des Bayerischen Landeskriminalamts zu verständigen.

3.5 

Für aufgefundene Kampfmittel gilt ferner die Bekanntmachung über die Abwehr von Gefahren durch Kampfmittel vom 15. April 2010 (AllMBl S. 136).

3.6 

Bewahrt die Polizei explosionsgefährliche Stoffe oder Gegenstände in einem Lager eines Dritten vorübergehend auf, so ist dem Lagerverwalter eine Aufstellung über Art und Menge der aufbewahrten Stoffe und Gegenstände zu übergeben und ihm die Übergabe und Übernahme zu bescheinigen.

3.7 

Vor der Vernichtung explosionsgefährlicher Stoffe und Gegenstände, die Beweismittel in Strafverfahren sind, soll das Einverständnis der Staatsanwaltschaft eingeholt werden. Von diesem Grundsatz kann bei gefahrenabwehrenden Maßnahmen der Technischen Sondergruppe des Bayerischen Landeskriminalamts abgewichen werden, wenn eine sichere Handhabung oder ein sicherer Transport explosionsgefährlicher Stoffe nicht gewährleistet werden kann. Vor einer eventuellen Vernichtung ist eine beweissichere Dokumentation sicherzustellen.

3.8 

Von einem Gericht eingezogene oder sonst zur Vernichtung freigegebene explosionsgefährliche Stoffe und Gegenstände sind, soweit das Bayerische Landeskriminalamt sie nicht benötigt, zu vernichten.

4.  Heranziehung besonders ausgebildeter Beamter und von Fachbehörden

Werden polizeiliche Maßnahmen im Sprengstoffwesen erforderlich, so sollen sich die Polizeibeamten, die nicht besonders im Sprengstoffwesen ausgebildet sind, darauf beschränken, gefährdete Personen und Sachgüter, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, aus dem Gefahrenbereich zu entfernen und den Gefahrenbereich abzusperren.
Für weitere Maßnahmen stehen besonders ausgebildete Sprengstoffermittler und Entschärfer des Bayerischen Landeskriminalamts zur Verfügung. Außerhalb der regulären Dienstzeiten können diese über den Kriminaldauerdienst beim Bayerischen Landeskriminalamt angefordert werden.
Im Übrigen hat die Polizei je nach Zuständigkeit das Gewerbeaufsichtsamt oder das Bergamt zu unterrichten (vgl. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZustV-GA).

5.  Überwachung der Beförderung explosionsgefährlicher Stoffe

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2, Abs. 2 ZuVOWiG, Nr. 27.4 der Anlage zur ZustV-GA und § 40 Abs. 1 Nr. 6 der Verordnung über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustVVerk) ist neben den Gewerbeaufsichtsämtern, Bergämtern, Landratsämtern und Gemeinden auch die Polizei für die Überwachung der Verbringung/Beförderung explosionsgefährlicher Stoffe und ihnen gleichgestellter Stoffe und Gegenstände zuständig. Sie hat daher die Befugnisse nach §§ 8 und 9 des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter (GGBefG) und kann sich die in § 23 SprengG aufgeführten Urkunden, die bei der Beförderung explosionsgefährlicher Stoffe mitzuführen sind, vorlegen lassen, prüfen, ob die Beförderungsvorschriften beachtet werden, Anordnungen nach § 8 GGBefG und § 32 SprengG über die Beförderung treffen und Ordnungswidrigkeiten im Sinn des § 37 GGVSEB in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GGBefG und im Sinn des § 10 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 GGBefG verfolgen. Anordnungen sollen im Sprengstoffwesen nicht besonders ausgebildete Polizeibeamte nur dann treffen, soweit sie fachlich nicht überfordert werden oder der Zeitverzug bei der Hinzuziehung von Fachkräften oder Fachbehörden die Gefahrenlage in besonderem Maße verschärfen würde. Gleiches gilt hinsichtlich der Vorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter (insbesondere hinsichtlich der Zusammenpack- und Zusammenladeverbote).

6.  Unterrichtungspflichten

Der Polizei obliegt es, Anzeigen nach § 26 Abs. 1 SprengG der nach Nr. 27.3 der Anlage zur ZustV-GA zuständigen Überwachungsbehörde (Gewerbeaufsichtsamt, Bergamt, Kreisverwaltungsbehörde) unverzüglich mitzuteilen.
Trifft die Polizei Maßnahmen nach Nr. 5 dieser Bekanntmachung oder stellt sie sonst Zuwiderhandlungen gegen sprengstoffrechtliche Vorschriften fest, so hat sie die zuständige Überwachungsbehörde nach Nr. 27.4 der Anlage zur ZustV-GA über Feststellungen zu unterrichten, die für diese Behörde von Interesse sein können.
Erlangt die Polizei Kenntnis von einer Straftat nach § 308 StGB oder, soweit explosionsgefährliche Stoffe in Betracht kommen, nach § 310 StGB oder nach § 40 SprengG oder von dem Verdacht einer solchen Straftat oder von dem Diebstahl, der Unterschlagung, dem Abhandenkommen explosionsgefährlicher Stoffe oder Gegenstände, so hat sie das Bayerische Landeskriminalamt sofort zu benachrichtigen (vgl. Art. 7 Abs. 3 Nr. 1 POG). Besondere Vorschriften über Meldungen (Richtlinien für den Nachrichtenaustausch bei Waffen- und Sprengstoffsachen und Tatmittelmeldedienst für Spreng- und Brandvorrichtungen) bleiben unberührt.

7.  Schlussbestimmungen

7.1 

In Nr. 4.3 der Dienstvorschrift für die Behandlung von Verwahrstücken bei staatlichen Polizeidienststellen (DVVstP) vom 23. August 1995 (AllMBl S. 707), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 12. November 2001 (AllMBl S. 676), wird die Angabe „8. Dezember 1995 (AllMBl 1996 S. 3) “ durch die Angabe „5. Februar 2015 (AllMBl S. 76) “ ersetzt.

7.2 

Diese Bekanntmachung tritt am 1. März 2015 in Kraft.

7.3 

Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über die Tätigkeit der Polizei im Sprengstoffwesen vom 8. Dezember 1995 (AllMBl 1996 S. 3) tritt mit Ablauf des 28. Februar 2015 außer Kraft.
Helmut Schütz
Ministerialdirektor
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