Staatsvertrag über die gemeinsame Nutzung eines Fernseh- und eines Hörfunkkanals auf Rundfunksatelliten Vom 12. Mai 1986 (Art. 1–16)
DE - Landesrecht Bayern

Staatsvertrag über die gemeinsame Nutzung eines Fernseh- und eines Hörfunkkanals auf Rundfunksatelliten Vom 12. Mai 1986 (Art. 1–16)

Das Land Baden-Württemberg,
der Freistaat Bayern und
das Land Rheinland-Pfalz
schließen nachstehenden Staatsvertrag:

Artikel 1 Nutzung eines Fernsehkanals

(1) Die vertragsschließenden Länder kommen überein, Vergabe und Nutzung eines Kanals für Fernsehzwecke durch private Anbieter auf einem von der Deutschen Bundespost zur Verfügung gestellten Rundfunksatelliten gemeinsam zu regeln.
(2) Das Programm wird für die vertragsschließenden Länder ausgestrahlt.
(3) Die studiotechnische Abwicklung des Programms soll im Gebiet der vertragsschließenden Länder erfolgen.
(4) ¹Zur Verbreitung des Programms wird der Anbieter nach Maßgabe landesrechtlicher Regelungen auch an der Nutzung verfügbarer drahtloser terrestrischer Fernsehfrequenzen beteiligt. ²Erreicht der Versorgungsgrad des über Rundfunksatelliten ausgestrahlten Programms einschließlich der kabelgebundenen Versorgung 70 v. H. der Rundfunkteilnehmer der vertragsschließenden Länder, kann die Beteiligung widerrufen werden.

Artikel 2 Ausschreibung des Kanals

(1) ¹Die nach Landesrecht zuständigen Stellen (Landesstellen) schreiben die Vergabe des Kanals in ihrem Hoheitsgebiet in dem für öffentliche Bekanntmachungen bestimmten Mitteilungsblatt gleichzeitig aus. ²Die Ausschreibungsfrist beträgt vier Wochen.
(2) ¹Alle innerhalb dieser Frist eingegangenen Anträge werden von jeder Landesstelle darauf überprüft, ob nach ihrem Landesrecht die persönlichen Voraussetzungen als Anbieter erfüllt werden. ²Anträge, welche nach einem Landesrecht diese Voraussetzungen nicht erfüllen, werden von den Landesstellen zurückgewiesen.

Artikel 3 Vorschlagsverfahren

(1) ¹Die nach Artikel 2 Abs. 2 nicht zurückgewiesenen Anträge werden unverzüglich einer gemeinsamen Kommission zur Erstellung eines Vorschlags zugeleitet. ²Diese besteht aus je drei Vertretern der Landesstellen.
(2) ¹Die gemeinsame Kommission schlägt spätestens acht Wochen nach Ablauf der Ausschreibungsfrist unter Beachtung des Artikels 5 einen Antragsteller für die Vergabe und Nutzung des Kanals sowie die Ablehnung der übrigen Anträge vor. ²Die Wahl kann zugunsten mehrerer Antragsteller getroffen werden, wenn diese in einer Gemeinschaft verbunden sind. ³Die gemeinsame Kommission hat auf die Bildung einer Gemeinschaft mit dem Ziel eines koordinierten Gesamtprogramms hinzuwirken, wenn andernfalls das Gesamtangebot den Voraussetzungen der Meinungsvielfalt nach Artikel 7 Abs. 1 nicht entsprechen würde.
(3) ¹Die Vorschläge der gemeinsamen Kommission bedürfen einer Mehrheit von sieben Stimmen. ²Sie werden den Landesstellen vorgelegt.

Artikel 4 Auswahlverfahren

(1) Die Landesstellen beschließen über die Vorschläge der gemeinsamen Kommission.
(2) Weicht einer der Beschlüsse von den Vorschlägen der gemeinsamen Kommission ab, so hat diese unverzüglich den Landesstellen neue Vorschläge zu unterbreiten.

Artikel 5 Auswahlgrundsätze

(1) Der Antragsteller muß die Gewähr dafür bieten, daß er als Anbieter die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Grundsätze des Artikels 7 Abs. 2 und 4 sowie der Artikel 8 und 9 beachtet.
(2) ¹Bei der Auswahl ist der Antragsteller zu berücksichtigen, der für die Erfüllung der nachfolgenden Anforderungen die bessere Gewähr bietet:
Meinungsvielfalt nach Artikel 7 Abs. 1,
ein Programm mit vielfältigen Nutzungsinhalten, in welchem die einzelnen Programmsparten angemessen berücksichtigt werden,
organisatorische, technische, personelle und finanzielle Ausstattung zur Sicherstellung der Durchführung des Programms.
²Darüber hinaus können der zeitliche Umfang des Programms, der täglich nicht unter fünf Stunden liegen darf, und der Grad der Rücksichtnahme auf die programmlichen Interessen lokaler/regionaler Anbieter bei terrestrischer Verbreitung berücksichtigt werden.
(3) Zur Feststellung dieser Anforderungen können von den Antragstellern Auskünfte und Unterlagen verlangt werden.

Artikel 6 Zulassung, Genehmigung, Widerruf

(1) ¹Die Landesstellen erteilen nach dem für sie vorgeschriebenen Verfahren die nach Landesrecht erforderliche Zulassung oder Genehmigung für die Dauer von 15 Jahren. ²Unbeschadet der landesrechtlichen Bestimmungen kann die Zulassung oder Genehmigung auch widerrufen werden, wenn das Programm aus Gründen, die der Anbieter zu vertreten hat, länger als einen Monat nicht gesendet wird.
(2) Solange in mindestens einem der vertragsschließenden Länder eine Zulassung oder Genehmigung vorliegt, kann die Ausstrahlung für dieses Land erfolgen.

Artikel 7 Ausgewogenheit, allgemeine Programmgrundsätze

(1) ¹Das Programm darf nicht einseitig einzelne politische, religiöse, weltanschauliche oder andere gesellschaftliche Meinungsrichtungen berücksichtigen. ²Es trägt zusammen mit den übrigen im Geltungsbereich des Staatsvertrags verbreiteten inländischen Rundfunkprogrammen dazu bei, daß die bedeutsamen politischen, religiösen, weltanschaulichen oder anderen gesellschaftlichen Meinungsrichtungen angemessen zum Ausdruck kommen. ³Es trägt ferner zur Unterrichtung, Bildung und Kultur sowie Unterhaltung bei.
(2) ¹Das Programm darf sich nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und gegen die Völkerverständigung richten. ²Die Menschenwürde, die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer sowie Ehe und Familie sind zu achten.
(3) ¹Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts können zur Übertragung religiöser Sendungen besondere Sendezeiten eingeräumt werden. ²Politische Parteien können Sendezeiten für Wahlwerbung nur entsprechend § 5 Abs. 1 bis 3 des Parteiengesetzes erhalten.
(4) ¹Alle Nachrichten und Berichte haben Sachlichkeit zu wahren und sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. ²Noch nicht ausreichend verbürgte Nachrichten und Berichte dürfen nur mit einem erkennbaren Vorbehalt versehen veröffentlicht werden. ³Entstellungen durch Verzerrung der Sachverhalte sind zu unterlassen. ⁴Die Personen oder Stellen, die durch eine Nachricht oder einen Bericht wesentlich betroffen werden, sollen vor der Verbreitung nach Möglichkeit gehört werden. ⁵Berichterstattung und Kommentar sind zu trennen. ⁶Kommentare sind als solche zu kennzeichnen.

Artikel 8 Verbotene Sendungen, Jugendschutz

(1) Sendungen sind verboten, wenn sie
zum Rassenhaß aufstacheln oder grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,
den Krieg verherrlichen,
pornographisch sind,
offensichtlich geeignet sind, Kinder oder Jugendliche sittlich erheblich zu gefährden.
(2) ¹Unzulässig sind auch Sendungen, die geeignet sind, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen oder zu gefährden, es sei denn, der Anbieter trifft auf Grund der Sendezeit Vorsorge, daß Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersklassen die Sendungen üblicherweise nicht wahrnehmen. ²Der Anbieter darf Sendungen, die für Jugendliche bis sechzehn Jahren ungeeignet sind, nur zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr und Sendungen, die für Jugendliche bis achtzehn Jahren ungeeignet sind, nur zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr verbreiten.
(3) In den Anwendungsgrundsätzen nach Artikel 13 verständigen sich die Landesstellen auch darüber, inwieweit die Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und die Einstufungen der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft zugrundegelegt werden.

Artikel 9 Werbung

(1) ¹Werbung ist als solche zu kennzeichnen und vom übrigen Programm zu trennen. ²Sie darf 20 v. H. der täglichen Sendezeit nicht überschreiten. ³Sie darf nur in Blöcken verbreitet werden; eine Sendung, deren Dauer 60 Minuten übersteigt, darf einmal Werbeeinschaltungen enthalten.
(2) Werbung, die sich auch an Kinder oder Jugendliche richtet, darf nicht deren Unerfahrenheit mißbräuchlich ausnutzen.
(3) Werbung darf das übrige Programm inhaltlich nicht beeinflussen.
(4) ¹Werbung im Sinn dieser Bestimmung sind nicht Sendungen, die von einem Dritten (Sponsor) finanziert werden, ohne daß ihr Inhalt in einem Zusammenhang mit dessen wirtschaftlichem Interesse steht. ²Der Sponsor muß genannt werden.

Artikel 10 Verlautbarungspflicht

¹Der Anbieter hat der Bundesregierung und den drei Landesregierungen für amtliche Verlautbarungen unverzüglich angemessene Sendezeiten einzuräumen, wenn dies wegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. ²Der Anbieter kann Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.

Artikel 11 Aufzeichnungspflicht, Kennzeichnung

(1) ¹Der Anbieter hat das Programm in Bild und Ton vollständig aufzuzeichnen und mindestens zwei Monate lang aufzubewahren. ²Danach kann der Anbieter die Aufzeichnung löschen, wenn ihm nicht zuvor eine Beanstandung oder Beschwerde mitgeteilt worden ist.
(2) ¹Jeder Programmbeitrag muß den Namen des Anbieters erkennen lassen. ²Seine Anschrift sowie die Namen der für die Programmbeiträge zu bestellenden verantwortlichen Personen sind am Ende der täglichen Sendezeit anzugeben.

Artikel 12 Anwendung ergänzenden Landesrechts

(1) ¹Soweit dieser Staatsvertrag keine Regelungen enthält, sind die landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden. ²Die Artikel 7 bis 10 enthalten abschließende Regelungen.
(2) Trägerschaft und Verantwortung des Programms richten sich nach dem jeweiligen Landesrecht.
(3) ¹Maßnahmen zum Vollzug des Staatsvertrags und des ergänzenden Landesrechts der drei Länder trifft gegenüber den Anbietern jeweils eine der Landesstellen im Einvernehmen mit den beiden anderen. ²Die Zuständigkeit wechselt im Turnus von zwei Jahren ab Beginn der Ausstrahlung in der Reihenfolge Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz. ³Unberührt bleiben eigenständige Maßnahmen, die die Bayerische Landeszentrale für neue Medien im Einzelfall auf Grund ihrer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft und öffentlichen Verantwortung trifft.

Artikel 13 Zusammenarbeit

¹Zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis werden die drei Landesstellen in Fragen der allgemeinen Programmgrundsätze, des Jugendschutzes und der Werbung gemeinsame Anwendungsgrundsätze vereinbaren. ²Die Landesstellen arbeiten auch hinsichtlich der Nutzung der terrestrischen Fernsehfrequenzen (Artikel 1 Abs. 4) zusammen.

Artikel 14 Hörfunk, Videotext

(1) ¹Wer eine Zulassung oder Genehmigung nach Artikel 6 hat, ist berechtigt, auf dem Kanal auch Videotext und außerhalb der Fernsehzeiten Hörfunk zu verbreiten. ² Artikel 7, 8, 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 bis 4, Artikel 10, 11 und 12 gelten entsprechend.
(2) ¹Der Bayerische Rundfunk, der Süddeutsche Rundfunk und der Südwestfunk werden ermächtigt und verpflichtet, ein gemeinsames Hörfunkprogramm kultureller Zielsetzung über Rundfunksatelliten zu veranstalten. ²Hierzu wird einer der auf das Land Baden-Württemberg entfallenden Hörfunkkanäle zur digitalen Übertragung in Stereoqualität genutzt. ³Die Federführung für das Programm hat der Südwestfunk.

Artikel 15 Kündigung

(1) ¹Jedes Land kann mit einer Frist von zwölf Monaten zum Ende des auf den Ablauf der Zulassung oder Genehmigung folgenden Jahres den Staatsvertrag kündigen. ²Zwischen den übrigen Ländern bleibt der Staatsvertrag in Kraft. ³Kündigt ein Land, kann jedes andere innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Kündigung erklären, daß es sich dieser anschließt.
(2) ¹Wird in einem Land die Zulassung oder Genehmigung vorzeitig unwirksam, so kann dieses Land den Staatsvertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende kündigen. ²Diese Kündigung läßt die nach diesem Staatsvertrag erteilten Zulassungen oder Genehmigungen in den anderen Ländern unberührt. ³Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(3) ¹ Artikel 14 Abs. 2 kann von jedem der vertragsschließenden Länder mit halbjähriger Kündigungsfrist zum Ende eines Kalenderjahres, erstmals zum 31. Dezember 1990, gekündigt werden. ²Absatz 1 Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.

Artikel 16 Inkrafttreten

Dieser Staatsvertrag tritt eine Woche nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
Rolandseck, den 12. Mai 1986
Lothar Späth
Franz Josef Strauß
Dr. Bernhard Vogel
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