RZVR: Richtlinie zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen
Auf Grund des Art. 5 Abs. 2 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 630-1-F) veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch § 5 des Gesetzes vom 19. März 2020 (GVBl. S. 153) geändert worden ist, erlässt das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat nach Anhörung des Bayerischen Obersten Rechnungshofs:
1. Auflagen bei der Auftragsvergabe im Rahmen von Zuwendungen
¹Jeweils Nr. 3 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur institutionellen Förderung (ANBest-I), der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) und der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K) enthält Auflagen für die Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks. ²Darüber hinaus können gesonderte Regelungen im Zuwendungsbescheid den Zuwendungsempfänger zur Beachtung von Vergabeauflagen verpflichten. ³Zudem können im Fall einer Förderung durch mehrere Zuwendungsgeber andere Nebenbestimmungen (zum Beispiel des Bundes) Anwendung finden (VV Nr. 1.4.3 zu Art. 44 BayHO), die weitergehende Auflagen vorsehen. ⁴Verstößt der Zuwendungsempfänger gegen die für ihn geltenden Vergabeauflagen, so kann die Bewilligungsbehörde gemäß Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes den Zuwendungsbescheid ganz oder teilweise widerrufen und die Zuwendung insoweit zurückfordern. ⁵Ist die Zuwendung danach
mit Auflagen zur Beachtung öffentlicher Vergabevorschriften verbunden (insbesondere bei Bewilligungen vor dem 1. Januar 2023 sowie in den Fällen der Sätze 2 und 3 denkbar), so ist im Falle eines Vergabeverstoßes nach Nr. 2 zu verfahren;
ab 1. Januar 2023 lediglich mit den Auflagen in Nr. 3 ANBest-I, Nr. 3 ANBest-P oder Nr. 3 ANBest-K in der jeweils geltenden Fassung verbunden, so ist im Falle eines Vergabeverstoßes nach Nr. 4 zu verfahren.
2. Verstoß gegen die Auflage zur Beachtung öffentlicher Vergabevorschriften
2.1
¹
Sind die öffentlichen Vergabevorschriften zu beachten, so sind bei allen Vergabeverstößen sind die feststellbaren vermeidbaren Mehrausgaben wegen Nichtbeachtung oder fehlerhafter Anwendung der Vergabegrundsätze (zum Beispiel wegen unvollständiger Leistungsbeschreibung im Sinne des § 7 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen, durch unzutreffende Mengenansätze oder in sonstiger Weise) durch Widerruf des Zuwendungsbescheids in entsprechender Höhe aus der Förderung herauszunehmen. ²Insoweit handelt es sich um die förderrechtlich gebotene Ausscheidung nicht notwendiger und damit nicht zuwendungsfähiger Ausgaben (unwirtschaftliches Verhalten des Zuwendungsempfängers).
2.2
¹Liegt ein schwerer Vergabeverstoß vor, ist grundsätzlich ein Widerruf des Zuwendungsbescheids und die Neufestsetzung (Kürzung) der Zuwendung vorzunehmen. ²Dabei ist davon auszugehen, dass im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Interesse an einer Rückforderung überwiegt. ³Im Interesse eines möglichst einheitlichen Verwaltungsvollzugs und zur gebotenen Gleichbehandlung der Zuwendungsempfänger sind bei schweren Vergabeverstößen (vergleiche Nr. 3) im Regelfall förderrechtliche Konsequenzen dergestalt zu ziehen, dass die Ausgaben für die jeweilige Auftragseinheit (zum Beispiel Teillos oder Fachlos), bei der der Verstoß ermittelt wurde, von der Förderung ausgeschlossen werden. ⁴Würde der Ausschluss der jeweiligen Auftragseinheit, etwa weil VOB-widrig nicht in Teillosen oder nur in großen Teillosen vergeben wurde, zu einem völligen oder sehr weitgehenden Förderausschluss für die Gesamtmaßnahme und damit zu einer erheblichen Härte für den Zuwendungsempfänger führen, kann der Kürzungsbetrag auf 20 bis 25 % der Gesamtzuwendung beschränkt werden. ⁵Es handelt sich hierbei um einen Rahmen, der bei Vorliegen besonderer Gründe sowohl über- als auch unterschritten werden kann.
2.3
Soweit kein schwerer Vergabeverstoß vorliegt, sind keine über die in Nr. 2.1 beschriebenen hinausgehenden förderrechtlichen Konsequenzen zu ziehen.
2.4
¹
Bei Verstößen innerhalb von mit EU-Mitteln finanzierten oder kofinanzierten Maßnahmen im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung (zum Beispiel ELER, ESF, EFRE, EMFF) sind abweichend davon die von der EU-Kommission festgelegten Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der EU im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung finanzierte Ausgaben anzuwenden sind, ab der Förderperiode 2014 bis 2020 zu beachten. ²Soweit es die EU-Kommission zulässt, kann für Auftragsvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte davon abgewichen werden; werden in diesen Fällen keine besonderen Regelungen getroffen, finden die Nrn. 2.1 bis 2.3 oder die Nr. 4 Anwendung.
3. Schwere Vergabeverstöße
¹Schwere Vergabeverstöße liegen insbesondere vor
bei Direktaufträgen, Freihändigen Vergaben oder Verhandlungsvergaben ohne die dafür notwendigen vergaberechtlichen Voraussetzungen,
bei einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs (zum Beispiel lokale Begrenzung des Bieterkreises) sowie vorsätzliches oder fahrlässiges Unterlassen einer vergaberechtlich erforderlichen europaweiten Bekanntmachung,
bei Übergehen oder Ausscheiden des wirtschaftlichsten Angebots durch grob vergaberechtswidrige Wertung,
bei vorsätzlichen Verstößen gegen Grundsätze nach § 2 Abs. 1 und 2 VOB/A, § 2 Abs. 1 und 2 der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) oder § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB),
bei Vergabe an einen Generalübernehmer, sofern dies nicht zugelassen ist, oder
bei fehlender oder fehlerhafter Dokumentation mit der Folge, dass die ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens nicht nachgewiesen werden kann.
²Bei Vorliegen dieser Tatbestände ist im Regelfall und soweit nicht die Umstände des Einzelfalls eine mildere Beurteilung erfordern (alle Umstände und Gesichtspunkte, auch etwaige Entlastungsmomente, sind in die Beurteilung einzubeziehen), förderrechtlich nach Maßgabe der Nr. 2 zu verfahren.
4. Verstoß gegen die Auflagen nach Nr. 3 ANBest-I, Nr. 3 ANBest-P oder Nr. 3 ANBest-K in der ab 1. Januar 2023 jeweils geltenden Fassung
4.1
¹Ab 1. Januar 2023 wird in der jeweils geltenden Fassung der allgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest-I, ANBest-P, ANBest-K) dem Zuwendungsempfänger grundsätzlich lediglich auferlegt, Aufträge an fachkundige und leistungsfähige Anbieter nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen zu vergeben. ²Soweit die Beachtung weitergehender Vergabebestimmungen nicht ausdrücklich zur Auflage gemacht wird (vergleiche insoweit Nr. 1 Satz 2 und 3), ist ein Verstoß gegen die Auflagen in den Nrn. 3 der Allgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest-I, ANBest-P, ANBest-K) in der Regel als schwerer Vergabeverstoß zu werten mit der Folge, dass die in Nr. 2.2 beschriebenen förderrechtlichen Konsequenzen zu ziehen sind.
4.2
¹Im Geltungsbereich ANBest-K ist die Zuwendung mit der Auflage verbunden, dass ein Direktauftrag nur nach Maßgabe der für die Kommunen geltenden Vergabegrundsätze vergeben werden darf. ²Ein Verstoß hiergegen ist (in direkter Anwendung der Nr. 3 Satz 1 Buchst. a) als schwerer Vergabeverstoß zu werten.
4.3
¹Ein Verstoß gegen die für nichtkommunale Zuwendungsempfänger geltenden Vergabeauflagen kann nur darauf beruhen, dass
ein Direktauftrag oberhalb der zulässigen Wertgrenze vergeben wurde oder ungerechtfertigter Weise nicht mindestens drei geeignete Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden,
ein Auftrag an einen Generalübernehmer vergeben worden ist,
die Vergabe nicht nach den in Nr. 3 der Allgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest-I, ANBest-P, ANBest-K) festgehaltenen wettbewerblichen Gesichtspunkten oder wirtschaftlichen Bedingungen erfolgt ist, oder
mangels entsprechender Dokumentation die ordnungsgemäße Vergabe nicht nachgewiesen werden kann.
²Derartige Verstöße würden in Fällen der Nr. 1 Satz 5 Buchst. a als schwere Vergabeverstöße gewertet (vergleiche Nr. 3 Satz 1 Buchst. a, c bis f), sodass auch hier nichts anderes gelten kann.
5. Inkrafttreten, Außerkrafttreten
¹Diese Bekanntmachung tritt mit Wirkung vom 1. März 2021 in Kraft. ²Mit Ablauf des 28. Februar 2021 tritt die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen über die Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen vom 23. November 2006 (FMBl. S. 228, StAnz. Nr. 49) außer Kraft. ³Abweichend von den Sätzen 1 und 2 sind für alle bereits bekanntgemachten oder in anderer Art begonnen Vergabeverfahren die Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen in der am 28. Februar 2021 geltenden Fassung anzuwenden.
Harald Hübner
Ministerialdirektor
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