Richtlinien für Heilpädagogische Tagesstätten, Heime und sonstige Einrichtungen für Kinder und Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung
¹Die gesetzliche Voraussetzung für eine von Verbänden, Leistungsträgern und Staat gemeinsam getragene Festlegung auf Mindeststandards in Heilpädagogischen Tagesstätten, Heimen und sonstigen Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung sowie der Auftrag des Staates zu deren Festsetzung für jede Einrichtung und ihrer Überprüfung findet ihre Grundlage im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). ²Der Träger einer nach § 45a SGBVIII definierten Einrichtung bedarf für deren Betrieb der Erlaubnis. ³Zweck des Erlaubnisvorbehaltes für diese Einrichtungen ist die präventive Sicherung von Mindeststandards im pädagogischen und räumlichen Bereich. ⁴Zweck der Aufsicht ist vor allem der Schutz von Kindern und Jugendlichen in diesen Einrichtungen vor Gefahren für ihr Wohlergehen. ⁵Das Kinder- und Jugendhilferecht unterscheidet nicht zwischen Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung. ⁶Dennoch sind in der Praxis unterschiedliche Einrichtungen für diese beiden Zielgruppen entstanden, woraus sich die Notwendigkeit eigener Richtlinien für die Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung ergibt. ⁷Einrichtungen für seelisch behinderte Kinder und von seelischer Behinderung bedrohte Kinder im Vorschulalter unterliegen den von der Jugendhilfe definierten fachlichen Standards. ⁸Für die Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen in den bestehenden Heilpädagogischen Tagesstätten, Heimen und sonstigen Einrichtungen müssen einheitlich geltende Verfahrenswege und Mindeststandards feststehen, die ihnen bayernweit eine Gleichbehandlung gewährleisten und ein vergleichbares, nach unterschiedlichen Bedarfen differenziertes Leistungsangebot sichern. ⁹Im Mittelpunkt der gemeinsamen Bemühungen des Freistaates Bayern, von Verbänden und Einrichtungs- und Leistungsträgern müssen das einzelne Kind, der einzelne Jugendliche mit Behinderung stehen und das Ziel einer Förderung hin zur Selbständigkeit und einer selbstbestimmten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. 1⁰Heilpädagogische Einrichtungen tragen zur Umsetzung von Inklusion bei und erfüllen diesen Auftrag durch vielfältige Angebote. 1¹Die Würde der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen und ihr Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit sind zu achten und zu gewährleisten. ¹2Die Grundrechte und die Rechte, die sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention, der UN-Kinderrechtskonvention und dem Bundeskinderschutzgesetz ergeben, sind unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Entwicklungsstand und Einsichtsfähigkeit zu garantieren. ¹3Das Recht der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen auf gewaltfreie Erziehung ist zu wahren und zu sichern.
1. Rechtliche Grundlagen und Geltungsbereich
¹Diese Richtlinien legen nach Art. 44 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) die Mindestvoraussetzungen für erlaubnispflichtige Einrichtungen nach § 45a SGB VIII fest, die Kinder oder Jugendliche mit Behinderung ganztägig oder für einen Teil des Tages regelmäßig betreuen und daher der staatlichen Aufsicht nach §§ 45 bis 48a SGB VIII unterliegen. ²In diesen Einrichtungen werden auch junge Volljährige bis zum Ende der Schulzeit oder der Ausbildungszeit in Berufsbildungswerken betreut. ³Die zuständigen staatlichen Aufsichtsbehörden streben eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Verbänden, Einrichtungs- und Leistungsträgern an. ⁴Die Leistungsträger werden rechtzeitig vor Erlass einer Betriebserlaubnis beteiligt.
2. Inklusive Bestrebungen
¹Inklusive Bestrebungen sind grundsätzlich zu unterstützen und konzeptionell zu beschreiben. ²Die Zielsetzung der Einrichtungen ist die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung am Leben der Gemeinschaft. ³Dies bedeutet mit dem Blick auf Inklusion auch die Öffnung der Einrichtungen für alle Kinder und Jugendlichen, etwa durch Kooperationsvereinbarung mit weiteren Einrichtungen.
3. Einrichtungen
3.1 Geltungsbereich
¹Zum Geltungsbereich dieser Richtlinien gehören Heilpädagogische Tagesstätten, Heilpädagogische Heime und sonstige Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche. ²Heilpädagogische Tagesstätten, Heime und sonstige Einrichtungen sind konzeptionell eigenständige Einrichtungen. ³Sie bieten Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen mit Behinderung und von Behinderung bedrohten Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen in kleinen Gruppen vor allem individuelle, ganzheitliche heilpädagogische und therapeutische Förderung sowie unterstützende Leistungen zur gleichberechtigten Teilhabe an Bildung und am Leben in der Gemeinschaft. ⁴In diesem Sinn fördern sie die Fähigkeit zur Kommunikation, Mobilität, Eigenbeschäftigung und Freizeitgestaltung sowie den Erwerb und Erhalt lebenspraktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit dem Ziel einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. ⁵Sie legen großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den Personensorgeberechtigten, der Schule und anderen am Förderprozess Beteiligten sowie eine Vernetzung im Sozialraum. ⁶Heilpädagogische Tagesstätten und Heime betreuen zunehmend mehr Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung und tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, psychiatrischen Störungsbildern sowie massiven anhaltenden Verhaltensauffälligkeiten, die ein besonders hohes Schutzbedürfnis vor Selbst- beziehungsweise Fremdgefährdung haben. ⁷Sie bedürfen einer intensiv-pädagogischen Betreuung, gegebenenfalls in Form einer Einzelbetreuung mit entsprechend angepassten konzeptionellen, personellen und räumlichen Angebotsstrukturen.
3.2 Heilpädagogische Tagesstätten
¹Heilpädagogische Tagesstätten nehmen Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche und junge Volljährige auf, die zur Teilhabe an Bildung einer besonderen Betreuung und Förderung tagsüber in einem institutionellen Setting bedürfen und bieten in kleinen Gruppen vor allem individuelle heilpädagogische und therapeutische Förderung sowie unterstützende Leistungen zur gleichberechtigten Teilhabe an Bildung und am Leben der Gemeinschaft. ²Sie unterstützen und ergänzen die Familienerziehung. ³Sie bieten auch in Teilen der Ferien alters- und entwicklungsgemäße Angebote. ⁴Werden an Regelschulen oder Kindertageseinrichtungen in partnerschaftlicher Kooperation Außengruppen von Heilpädagogischen Tagesstätten betrieben, sind Kooperationsvereinbarungen zu treffen und standortspezifische Besonderheiten konzeptionell zu beschreiben. ⁵Die wöchentliche Öffnungszeit der gesamten Einrichtung muss mindestens 15 Stunden umfassen. ⁶Zur Sicherung einer kontinuierlichen Förderung der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen mit Behinderung ist eine regelmäßige Teilnahme sowohl am Gruppengeschehen als auch an Einzelmaßnahmen an mehreren Tagen in der Woche erforderlich.
3.3 Heilpädagogische Heime
¹Heilpädagogische Heime nehmen Kinder, Jugendliche und junge Volljährige auf, die infolge der Art und Schwere ihrer Behinderung und/oder zum Zweck des Schulbesuchs einer besonderen Betreuung und Förderung in unterschiedlichen Wohnformen außerhalb der Familie bedürfen. ²Hierbei sind offen geführte Wohnformen und geschlossen geführte Wohnformen zu unterscheiden.
3.3.1 Offen geführte Wohnformen
¹Heilpädagogische Heime sind grundsätzlich offen geführte, in Wohngruppen untergliederte Wohnformen, mit alters- und entwicklungsgemäß ausgerichteten Schutzvereinbarungen beziehungsweise Schutzvorkehrungen zum Verlassen der Einrichtung. ²Sofern eingestreute Kurzzeitplätze vorgehalten werden, sind diese gesondert auszuweisende Bestandteile der Einrichtung.
3.3.2 Geschlossen geführte Wohnformen
¹Geschlossen geführte Heilpädagogische Wohnformen (Heime oder Wohngruppen) sind konzeptionell gesondert zu beschreiben. ²Sie bieten intensiv-pädagogische Betreuung und Förderung für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung und tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, psychiatrischen Störungsbildern sowie massiven anhaltenden Verhaltensauffälligkeiten an, die ein besonders hohes Schutzbedürfnis vor Selbst- beziehungsweise Fremdgefährdung haben. ³Voraussetzung für eine freiheitsentziehende Unterbringung ist eine richterliche Genehmigung. ⁴Individuelle Zielsetzung ist die Verringerung der freiheitsentziehenden Maßnahmen und Überführung in eine offene Wohnform bei gleichzeitiger Option für den Verbleib in der Einrichtung. ⁵Abrupte Beziehungsabbrüche, Wechsel der Einrichtung, der Tagesstruktur beziehungsweise Beschulung sind unter Einbezug des Leistungsträgers zu prüfen, nach Möglichkeit aber zu vermeiden.
3.4 Sonstige Einrichtungen
¹Sonstige Einrichtungen können sich in Gruppengröße, Raum- und Personalbedarf, einschließlich der Leitungsanteile, von Heilpädagogischen Heimen und Heilpädagogischen Tagesstätten unterscheiden. ²Sie haben stets auch einen pädagogischen Auftrag (Zielsetzung) und müssen sich am Alter, an der Art der Behinderung sowie am individuellen Hilfebedarf ausrichten. ³Die strukturellen Anforderungen orientieren sich an der jeweiligen Aufgabenstellung. ⁴Die Vorgaben der Nrn. 13 und 14 gelten insoweit nur eingeschränkt. ⁵Die zuständigen Aufsichtsbehörden führen Betriebserlaubnisverfahren im Rahmen von Einzelfallprüfungen durch. ⁶In Einzelfällen können freiheitsentziehende Maßnahmen erforderlich sein. ⁷Zu den sonstigen Einrichtungen zählen insbesondere:
3.4.1 Kurzzeitwohnen
¹In Kurzzeitwohnen erfolgt Betreuung, Pflege, Unterkunft und Versorgung. ²Der jeweilige Aufenthalt des jungen Menschen soll in der Regel sechs Wochen nicht überschreiten.
³Kurzzeitwohnen kann in folgenden Formen betrieben werden:
– als eigenständige Kurzzeiteinrichtung,
– in Heilpädagogischen Heimen als eingestreute Plätze in bestehenden Wohngruppen,
– oder als eigens dafür ausgewiesene, konzeptionell gefasste Kurzzeitgruppen.
3.4.2 Wohnformen in der Berufsvorbereitung und der Berufsausbildung
Sie stellen eine Wohnmöglichkeit am Ausbildungsort sowie sozialpädagogische Begleitung zur Verfügung.
3.4.3 Wohnformen für intensivpflegebedürftige Kinder, Jugendliche und junge Volljährige
Sie gewährleisten in gleichem Maße qualifizierte Pflege, medizinische Versorgung, Betreuung, Erziehung und Förderung.
4. Ziele
¹Zielsetzung jeder Einrichtung ist eine individuelle, bedarfsgerechte, ganzheitliche, familienunterstützende, familienergänzende oder familienersetzende Förderung, Bildung und Erziehung, Pflege und Betreuung der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen sowie deren Hinführung zu einer selbständigen und selbstbestimmten Lebensführung. ²Dazu gehört vor allem, ihnen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und einen angemessenen Schulbesuch sowie eine Berufsausbildung zu ermöglichen beziehungsweise zu erleichtern. ³Dabei ist auf ein ausgewogenes Verhältnis von Förderung, Erholung und Wohlbefinden zu achten.
5. Qualitätsanforderungen an Träger und Einrichtungen
5.1 Generelle Anforderungen
¹Der Träger einer Einrichtung muss die nach § 45 Abs. 2, 3 und § 47 Abs. 2 SGB VIII vorgegebenen Anforderungen erfüllen. ²Er muss zur pädagogischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Führung der Einrichtung in der Lage sein und das leibliche, geistige und seelische Wohl der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen gewährleisten. ³Sowohl der Träger als auch die Leitung der Einrichtung tragen Verantwortung für die Sicherung der hygienischen Erfordernisse und nehmen ihre Verantwortung unter anderem durch Anleitung und Kontrolle wahr. ⁴Aufgabe des Trägers und der Leitung ist es, einen ausreichenden Schutz sowohl des Personals als auch der Bewohner vor Infektionen zu gewährleisten, indem sie sicherstellen, dass der allgemein anerkannte Stand des Wissens in der Hygiene eingehalten wird.
5.2 Fachliche Konzeption
¹Jede Einrichtung hat eine fachliche Konzeption vorzuweisen, die regelhaft fortzuschreiben ist. ²Darin sind alle Leistungen in Form von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zu beschreiben. ³In der fachlichen Konzeption sind vor allem Aussagen zu treffen zu:
5.2.1 Leitbild und pädagogische Grundhaltung
¹Im Leitbild muss zum Ausdruck kommen, welche Werte und ethischen Prinzipien das Handeln aller in der Einrichtung agierenden Personen prägen und welche Rolle beziehungsweise welcher Auftrag sich für die Mitarbeitenden im Kontext ihrer Tätigkeit daraus ergeben. ²Im Rahmen der Konzeptionsentwicklung und -fortschreibung stellt das Leitbild die Grundlage für das pädagogische und zwischenmenschliche Handeln in der Einrichtung dar.
5.2.2 Partizipation und Beschwerde
¹Die Einrichtungen müssen zur Sicherung der Rechte der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB VIII geeignete Verfahren der Selbstvertretung und Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten innerhalb und außerhalb der Einrichtungen bereitstellen und ein entsprechendes Beschwerdemanagement betreiben. ²Entsprechende Konzepte sind unter weitest gehender Mitwirkung der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen zu erstellen und regelhaft fortzuschreiben.
³Bei allen Maßnahmen sind die Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen ihrer Entwicklung und ihren Fähigkeiten entsprechend zu beteiligen. ⁴So ist die Beteiligung der Betreuten an der Wahl zum Landesheimrat entsprechend zu unterstützen. ⁵Die Einrichtung weist Eltern, Sorgeberechtigte und Angehörige, Personal und Kinder, Jugendliche und junge Volljährige in geeigneter Form auf die Beratungs- und Beschwerdestellen der Regierungen als unabhängige Anlaufstellen sowie bei Konflikten im Zusammenhang mit Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe auf die Ombudsstellen nach § 9a SGB VIII hin.
5.2.3 Schutz vor Gewalt
¹Zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen sowie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Einrichtungen ist ein Konzept zum Schutz vor Gewalt vorzuhalten. ²Die Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen sind ihrem Alter und Entwicklungsstand entsprechend an der Erarbeitung zu beteiligen. ³Das Konzept beinhaltet insbesondere Aussagen zu Verhaltensstandards, Schutzmaßnahmen und Verfahrenswegen bei grenzverletzendem Verhalten, zu Deeskalations- und Kriseninterventionsstrategien, zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen und zu Time-Out-Maßnahmen sowie zu Verfahren bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. ⁴Die Sorgeberechtigten sowie die Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen sind ihrem Alter und Entwicklungsstand entsprechend zu informieren. ⁵Das Konzept ist mindestens einmal jährlich zu überprüfen und gegebenenfalls fortzuschreiben.
5.2.4 Weitere konzeptionelle Inhalte
Darüber hinaus sind insbesondere Aussagen von Bedeutung
– zu inklusiven Aspekten, Sozialraumorientierung, Öffnung ins Gemeinwesen,
– zum Umgang mit herausforderndem Verhalten und psychiatrischen Störungsbildern,
– zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen und zu Time-Out-Maßnahmen (siehe auch Nr. 6),
– zur zeitgemäßen Medienpädagogik,
– zur Förderung der Gesundheit, Ernährung und Hygiene (siehe auch Nrn. 17 und 18),
– zu sexualpädagogischen Ansätzen und Methoden,
– zu Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung,
– zur Qualifizierung des Personals und
– zur Zusammenarbeit mit Familien (siehe auch Nr. 8).
6. Freiheitsentziehende Maßnahmen
6.1 Rechtliche Voraussetzungen
¹Freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1631b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dürfen bei Minderjährigen nur dann angewandt werden, wenn die vorherige Zustimmung der Sorgeberechtigten sowie die richterliche Genehmigung gemäß § 1631b Abs. 2 Satz 1 BGB vorliegen oder wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (§ 1631b Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 BGB). ²Maßnahmen zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr sind den Sorgeberechtigten und der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen; die richterliche Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen (§ 1631b Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BGB). ³Bei jungen Volljährigen sind die Regelungen des § 1906 BGB zu beachten. ⁴Vor der Anwendung einer freiheitsentziehenden Maßnahme ist stets zu prüfen, ob Maßnahmen umgesetzt werden können, die weniger einschneidend sind (Alternativenprüfung). ⁵Freiheitsentziehende Maßnahmen dürfen nur angewendet werden, wenn sie im Einzelfall – unter Berücksichtigung der Autonomie und Selbstbestimmung der betroffenen Person – geeignet, notwendig und verhältnismäßig sind.
6.2 Anwendungskonzept und Verfahrensanweisungen
¹Der Träger ist zur Erstellung von Verfahrens- oder Handlungsanweisungen im Rahmen eines separaten Konzepts zur Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen einschließlich der Nutzung von Time-Out-Räumen oder vergleichbaren Räumen verpflichtet. ²Dieses Konzept ist mindestens einmal jährlich zu überprüfen und gegebenenfalls fortzuschreiben.³Die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen ist in jedem einzelnen Fall in Teamsitzungen oder Fallbesprechungen unter Beteiligung der der Struktur und Größe der Einrichtung entsprechenden pädagogischen Leitung laufend zu reflektieren und zu evaluieren. ⁴Überlegungen, ob Veränderungen und Anpassungen der Umfeld- bzw. der Beziehungsgestaltung eine präventive und damit verhaltensstabilisierende Funktion haben könnten, sollten dabei immer ausreichend berücksichtigt werden. ⁵Entsprechende Fachdienste sind zu beteiligen.
6.3 Einwilligung der Personensorgeberechtigten
¹Für jede einzelne freiheitsentziehende Maßnahme muss der Einrichtung bei Kindern und Jugendlichen eine differenzierte, aktuelle schriftliche Einwilligung der Sorgeberechtigten vorliegen. ²Sie hat eine genaue Beschreibung der freiheitsentziehenden Maßnahmen (Art, Ablauf und zeitlicher Umfang) sowie mögliche Alternativen zur Vermeidung einzelner freiheitsentziehender Maßnahmen zu enthalten. ³Die Einwilligungserklärung ist spätestens nach Ablauf eines Jahres zu erneuern. ⁴Die Sorgeberechtigten sind fortlaufend an allen wesentlichen Entscheidungen zu beteiligen. ⁵Maßnahmen zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr sind den Sorgeberechtigten unverzüglich mitzuteilen.
6.4 Schulung, Fortbildung und Supervision
¹Einrichtungen, die freiheitsentziehende Maßnahmen anwenden, müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die rechtlichen Grundlagen, auf Strategien der Vermeidung und eine korrekte Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen vorbereiten. ²Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen fortlaufend an entsprechenden Schulungen, sowie an Fort- und Weiterbildungen teilnehmen und dies dokumentieren können, zum Beispiel zu spezifischen Störungsbildern, zu pädagogischen Handlungsstrategien und zu Deeskalations- und Kriseninterventionsmanagement. ³Zudem ist fortlaufend und bedarfsgerecht Supervision anzubieten.
6.5 Besondere Melde- und Berichtspflicht des Trägers
¹Freiheitsentziehende Maßnahmen, die zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr, angewandt werden, müssen der Aufsichtsbehörde unverzüglich gemeldet werden (§ 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII – Meldung besonderer Vorkommnisse). ²Die Einrichtungen sind zur Führung einer fortlaufenden Übersicht aller durchgeführten freiheitsentziehenden Maßnahmen verpflichtet. ³Dies gilt auch für körpernahe Fixierungen sowie für die nicht altersgemäße Verwendung von umbauten, nicht von innen zu öffnenden Betten. ⁴Fixierungen, die als orthopädische Hilfsmittel eine Teilhabe an der Gemeinschaft ermöglichen, sind davon ausgenommen. ⁵Der von der Aufsichtsbehörde erstellte Meldebogen über freiheitsentziehende Maßnahmen ist einmal jährlich fristgerecht ausgefüllt zu übermitteln.
7. Aufnahme, Förderplanung und Beendigung einer Maßnahme
7.1 Aufnahmevoraussetzungen
¹Die Einrichtung kann grundsätzlich nur Kinder, Jugendliche und gegebenenfalls schulpflichtige junge Volljährige aufnehmen, die zu dem in der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII beschriebenen Personenkreis gehören. ²Der Verlauf einer Hilfe ist als Gesamtprozess zu betrachten, an dessen Ausgestaltung die am Erziehungs- und Förderprozess beteiligten Personen mitwirken. ³Bereits im Vorfeld der Aufnahme sind die Sorgeberechtigten über die konzeptionellen Grundlagen und Leistungen der Einrichtung sowie gegebenenfalls auch über individuell notwendige freiheitsentziehende Maßnahmen zu beraten.
7.2 Aufnahme
¹Das Aufnahmeverfahren ist in der Konzeption der Einrichtung zu beschreiben. ²Der Aufnahme sollen eine differenzierte Anamnese und eine interdisziplinäre Diagnose vorausgehen, die alle Entwicklungsbereiche sowie den medizinischen, pflegerischen, sozio-emotionalen und gegebenenfalls psychiatrischen Behandlungsbedarf umfasst. ³Auf der Grundlage des voraussichtlich zu erwartenden Hilfebedarfs ist die Aufnahme in die Einrichtung gemeinsam mit den Sorgeberechtigten und dem zuständigen Leistungsträger vorzubereiten.⁴Für die (Wieder-)Aufnahme von Kindern und Jugendlichen mit massiv anhaltenden Verhaltensauffälligkeiten nach einem stationären Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein Aufnahmeprozedere zu erarbeiten, das einen umfassenden Informationsaustausch sicherstellt.
7.3 Förderplanung und Ausgestaltung der Hilfe
¹Ausgehend von den im Gesamtplanverfahren gemäß § 117 SGB IX erarbeiteten Zielsetzungen erstellt die Einrichtung in Kooperation mit den Sorgeberechtigten und anderen am Förderprozess beteiligten Stellen individuelle Förderpläne. ²Die Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen sind entsprechend ihrem Alter und ihrer Entwicklung daran zu beteiligen. ³Grundsatz der Förderplanung ist die individuelle Förderung einer ganzheitlichen Entwicklung. ⁴Alle hierfür wesentlichen Bereiche der Betreuung, Erziehung, Bildung, Förderung und Pflege sind zu berücksichtigen. ⁵Die Förderpläne enthalten Aussagen über den Verlauf des Hilfeprozesses sowie über die bisher erreichten Wirkungen der Hilfe und Überlegungen über mögliche weitere Perspektiven. ⁶Es werden konkrete Ziele, ihre zeitliche Realisierbarkeit sowie Methoden des Handelns beschrieben. ⁷Der Förderplan ist im interdisziplinären Team unter Einbindung des Fachdienstes, der pädagogischen Leitung sowie der Sorgeberechtigten in geeigneten Abständen, mindestens einmal jährlich zu überprüfen und fortzuschreiben. ⁸Soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, sind individuelle Notfall-, Deeskalations- beziehungsweise Kriseninterventionspläne vorzuhalten. ⁹In eigenständigen Einrichtungen und Gruppen im Rahmen des Kurzzeitwohnens sollen bereits bestehende Fördermaßnahmen an Werktagen weitergeführt werden, sofern die Leistungsberechtigten tagsüber nicht in anderen Fördereinrichtungen betreut werden. 1⁰Individuelle Notfall-, Deeskalations- beziehungsweise Kriseninterventionspläne sind bedarfsgerecht vorzuhalten.
7.4 Ablösung und Beendigung
¹Die Einrichtung plant und begleitet nach Möglichkeit und Bedarf gemeinsam mit dem Kind, Jugendlichen und jungen Volljährigen, den Sorgeberechtigten, dem gesetzlichen Betreuer und dem zuständigen Leistungsträger die Beendigung einer Maßnahme sowie den Übergang in eine neue Lebenssituation. ²Insbesondere bei einem Wechsel in eine andere Betreuungsform ist mit Zustimmung der Sorgeberechtigten dafür Sorge zu tragen, dass alle notwendigen Informationen zum bisherigen Lebensweg und der bisherigen Förder- und Betreuungsplanung umfassend zur Verfügung gestellt werden. ³Datenschutzrechtliche Bestimmungen sind zu beachten.
8. Zusammenarbeit der Einrichtung mit den Personensorgeberechtigten
8.1 Stellenwert und Ziele
¹Der Zusammenarbeit mit den Sorgeberechtigten kommt ein besonderer Stellenwert zu und soll von Wertschätzung und gegenseitigem Vertrauen bestimmt sein. ²Durch begleitende Beratung seitens der Einrichtung soll eine dem Wohl der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen förderliche und auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden. ³Rechte und Pflichten der Sorgeberechtigten bleiben durch die Betreuung in einer Einrichtung unberührt, soweit keine gerichtlichen Einschränkungen vorliegen. ⁴Die Zusammenarbeit mit den Sorgeberechtigten ist ein wesentlicher Bestandteil der Konzeption und der Arbeit in der Einrichtung. ⁶Sie beginnt bereits mit dem Aufnahmewunsch. ⁷Dem Bedürfnis der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen auf Umgang mit ihren Elternteilen sowie mit Geschwistern und Personen, zu denen eine besondere Beziehung besteht, ist Rechnung zu tragen.
8.2 Beteiligung
¹Die Personensorgeberechtigten sind an allen wesentlichen Entscheidungen zu beteiligen und regelmäßig in den Verlauf der Hilfe einzubinden. ²Fragen der Erziehung, Pflege, Förderung und Teilhabe sind mit den Personensorgeberechtigten gemeinsam zu beraten, abzustimmen und nachvollziehbar zu dokumentieren. ³Die Personensorgeberechtigten sollen aktiv an der Förderplanung und ihrer Fortschreibung beteiligt werden sowie die Möglichkeit zur Teilnahme an Förderplangesprächen erhalten.
8.3 Akteneinsicht
¹Die Einrichtungen haben den Personensorgeberechtigten die Einsicht in alle personenbezogenen Unterlagen zu gewähren. ²Davon ausgeschlossen sind jene Teile, die Informationen über Dritte enthalten.
8.4 Beirat
Für jede Einrichtung, ausgenommen Kurzzeitwohneinrichtungen, soll ein Beirat beziehungsweise eine Sprecherin oder ein Sprecher aus dem Kreis der Personensorgeberechtigten und/oder gesetzlichen Betreuerinnen und Betreuer zur Beratung der Einrichtung eingesetzt werden.
9. Kooperation
¹Zur Sicherung der individuellen Betreuung, Erziehung, Bildung, Förderung und Pflege ist eine enge Kooperation der Einrichtung mit Kindertageseinrichtungen, Schulvorbereitenden Einrichtungen, Schulen, Ausbildungsstätten, Ärzten, Therapeuten, Kliniken, Diensten, Beratungsstellen und dem zuständigen Leistungsträger sowie mit anderen Behörden, insbesondere den Jugendämtern, aufzubauen und zu pflegen. ²Hierbei kommt dem Informationsmanagement hinsichtlich der Förder- und Betreuungsplanung ein zentraler Stellenwert zu.
10. Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten
¹Jede Einrichtung hat nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung Aufzeichnungen über den Betrieb und deren Ergebnisse zu machen sowie eine mindestens fünfjährige Aufbewahrung der einrichtungsbezogenen Aufzeichnungen sicherzustellen (§ 47 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). ²Die Qualitätssicherung ist bezogen auf Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Einrichtung so zu dokumentieren, dass der ordnungsgemäße Betrieb jederzeit festgestellt werden kann. ³Der Personaleinsatz ist durch gruppenbezogene Dienstpläne nachvollziehbar und dokumentenecht zu dokumentieren. ⁴Auszuweisen ist das eingesetzte Personal unter Angabe des Namens, der beruflichen Qualifikation, der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und der Funktion. ⁵Für jede betreute Person ist eine Individualakte zu führen, die Folgendes enthält:
– Stammdatenblatt,
– Förderplanung mit Angaben zur Umsetzung und Evaluation,
– Fachdienstleistungen,
– Aufzeichnungen über medizinische oder zahnärztliche Versorgung sowie die Verabreichung von Medikamenten sowie
– weitere notwendige personenbezogene Unterlagen (zum Beispiel Pflegeplanung, Einwilligungserklärungen der Personensorgeberechtigten, Gutachten, Gerichtsbeschlüsse, Deeskalations- oder Kriseninterventionspläne, Verdacht auf und Hinweise zu Kindeswohlgefährdung sowie Dokumentation der Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen).
11. Allgemeine Meldepflichten
Die rechtlichen Bestimmungen zu den Meldepflichten gemäß § 47 Abs. 1 SGB VIII sind zu beachten.
12. Betreuungsformen
12.1 Formen der Betreuung
Die Betreuung erfolgt in der Regel im Gruppensetting oder bei Bedarf in weiteren Betreuungsformen.
12.2 Betreuung im Gruppensetting
¹Die Betreuung der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen findet in der Regel in alters- und geschlechtsgemischten Gruppen statt. ²Die Gruppe bietet dabei ein heilpädagogisches Milieu und bildet den Ort, der stabile Beziehungsangebote, emotionale Zugehörigkeit, Halt und Orientierung vermittelt. ³Die Gruppe ist primärer Erfahrungsraum für das Erproben und Stabilisieren sowie die Entfaltung neuer selbständiger, eigenverantwortlicher und am sozialen Kontext der Gruppe orientierter Handlungsweisen. ⁴Die Gruppen sind in ihrer Größe, Zusammensetzung und Personalausstattung am individuellen Hilfebedarf der Gruppenmitglieder zu orientieren. ⁵Ein häufiger Wechsel der Bezugspersonen ist zu vermeiden.
12.3 Weitere Betreuungsformen
¹Für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige, für die das Leben und die Kontakte in einem Gruppensetting im Sinne von Nr. 12.1 massive und andauernde krisenhafte Anspannungs- und Erregungszustände verursachen und für die Rückzugsmöglichkeiten innerhalb des Gruppenkontextes nicht ausreichen, sollen im Rahmen der Binnendifferenzierung der Einrichtungen alternative Betreuungssettings (zum Beispiel Einzelsettings, Kleingruppe oder ähnliches) geschaffen werden, um ihre Entwicklungspotentiale nutzen zu können. ²Eine Integration in ein Gruppensetting ist möglichst anzubahnen. ³Basierend auf den konzeptionellen Grundlagen des Trägers und einer Bedarfsfeststellung des Leistungsträgers für dieses Betreuungsangebot legt die Aufsichtsbehörde unter Mitwirkung des Leistungsträgers die Mindeststandards zum Schutz des Kindeswohls bezüglich der räumlichen, personellen und inhaltlichen Erfordernisse fest.
13. Hilfsbedarfsgruppen
13.1 Kategorien vergleichbaren Hilfebedarfs
¹Mit dem Ziel einer bedarfsgerechten Unterscheidung von Personalbedarf, Gruppengrößen und den gruppenübergreifenden, nicht-medizinischen Fachdiensten nach Nrn. 14.2 und 15.3, werden drei Kategorien vergleichbaren Hilfebedarfs gebildet. ²Die Hilfebedarfsgruppen 1, 2 und 3 stellen einen steigenden Hilfebedarf dar. ³Den einzelnen Hilfebedarfsgruppen sind unterschiedliche Gruppengrößen, Mindestpersonalberechnungsgrößen und nicht medizinisch-therapeutische Fachdienststunden zugeordnet. ⁴In fachlich begründeten Einzelfällen legt die Aufsichtsbehörde höhere Mindeststandards fest. ⁵Die Einrichtungen können ihre tatsächlichen Gruppen mit Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen aus allen drei Hilfebedarfsgruppen zusammensetzen. ⁶Je nach Zusammensetzung variieren die Berechnungen für die personelle Ausstattung, Gruppengröße und den oben benannten Fachdienst der tatsächlichen Gruppe.
13.2 Hilfebedarfsgruppe 1
¹Sie umfasst Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit wesentlicher körperlicher oder geistiger Behinderung oder von wesentlicher körperlicher oder geistiger Behinderung bedrohte Kinder, Jugendliche und junge Volljährige. ²Die tatsächlichen Gruppen umfassen in diesem Fall in Heilpädagogischen Tagesstätten acht bis höchstens zwölf Plätze, in Heilpädagogischen Heimen höchstens zehn Plätze. ³Die Mindestpersonalberechnungsgröße liegt bei zwei Stellen. ⁴Der tatsächliche Personalbedarf bezieht die Betreuungszeiten mit ein. ⁵Der gruppenübergreifende nicht-medizinisch-therapeutische Fachdienst beträgt mindestens eine Wochenstunde pro betreute Person.
13.3 Hilfebedarfsgruppe 2
¹Sie umfasst Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit wesentlicher körperlicher oder geistiger Behinderung oder von wesentlicher körperlicher oder geistiger Behinderung bedrohte Kinder im Vorschulalter, die einen erhöhten Förder-, Betreuungs- und Pflegebedarf aufweisen. ²Ein erhöhter Förder-, Betreuungs- und Pflegebedarf besteht, wenn etwa zwei oder mehrere der Behinderungen, Verhaltensauffälligkeiten, geistige Behinderung oder wesentliche Körperbehinderungen vorliegen. ³Dies gilt auch bei Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen, deren Behinderung und/oder Pflegebedarf so erheblich ist oder bei Kindern im Vorschulalter, deren Verhaltensauffälligkeit so erheblich ist, dass der Umfang des Förder-, Betreuungs- und Pflegebedarfes dem des vorgenannten Personenkreises entspricht. ⁴Die tatsächlichen Gruppen umfassen in diesem Fall in Heilpädagogischen Tagesstätten acht bis höchstens zehn Plätze, in Heilpädagogischen Heimen höchstens acht Plätze. ⁵Die Mindestpersonalberechnungsgröße liegt bei zwei bis zweieinhalb Stellen. ⁶Der tatsächliche Personalbedarf bezieht die Betreuungszeiten mit ein. ⁷Der gruppenübergreifende nicht-medizinisch-therapeutische Fachdienst beträgt mindestens ein bis eineinhalb Wochenstunden pro betreute Person.
13.4 Hilfebedarfsgruppe 3
¹Sie umfasst Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit wesentlicher körperlicher oder geistiger Behinderung oder von wesentlicher körperlicher oder geistiger Behinderung bedrohte Kinder im Vorschulalter, die aufgrund ihres erhöhten Förder-, Betreuungs- und Pflegebedarfes oder anhaltender Verhaltensauffälligkeit einer besonders intensiven Betreuung, Förderung und Pflege bedürfen. ²Die tatsächlichen Gruppen umfassen in diesem Fall in Heilpädagogischen Tagesstätten und in Heilpädagogischen Heimen höchstens sechs Plätze. ³Die Mindestpersonalberechnungsgröße liegt bei zweieinhalb bis drei Stellen. ⁴Der tatsächliche Personalbedarf bezieht die Betreuungszeiten mit ein. ⁵Der gruppenübergreifende nicht-medizinisch-therapeutische Fachdienst beträgt mindestens eineinhalb bis zwei Wochenstunden pro betreute Person.
13.5 Besondere Hilfebedarfe
¹Für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige, die erhebliches selbst- und/oder fremdgefährdendes Verhalten und/oder die herausfordernde Verhaltensweisen auf sozio-emotionaler Ebene und/oder objektaggressive Verhaltensweisen zeigen, beziehungsweise für die ein richterlicher Beschluss zur Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen vorliegt, die also einen individuellen Förderbedarf haben, der nicht in den oben genannten Hilfebedarfsgruppen und Standards erfasst ist, legt die Aufsichtsbehörde erforderlichenfalls abweichende Standards fest. ²Entscheidende Kriterien sind in diesem Kontext auch die Häufigkeit, die Dauer und die Intensität der Verhaltensweisen. ³Die Leistungsträger werden hierzu rechtzeitig beteiligt.
14. Personal
14.1 Anforderungen, Aufgaben und Personalbemessung
¹Zur Erziehung, Förderung und Bildung sowie für die Betreuung und Pflege der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen muss ausreichend Personal vorhanden sein, das die persönliche und fachliche Eignung für seine Aufgaben besitzt. ²Dies setzt eine positive Grundhaltung, Empathie und fachliche Kenntnisse voraus. ³Die Personalbemessung richtet sich nach den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen und den Erfordernissen jeder einzelnen Einrichtung. ⁴Der Träger legt zusammen mit der Konzeption einen Vorschlag für die Personalausstattung vor. ⁵Diese werden von der Aufsichtsbehörde geprüft und in Verbindung mit den Vorgaben dieser Richtlinien als Ausgangsbasis für die Festlegung einrichtungsspezifischer Mindeststandards in der Betriebserlaubnis verwendet. ⁶Der tatsächliche Stellenbedarf errechnet sich aus den Betreuungszeiten, der Anzahl der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen und deren Einteilung in die Hilfebedarfsgruppen, unter Berücksichtigung der vereinbarten jährlichen Arbeitszeit, des Fortbildungsbedarfs und durchschnittlicher Ausfallzeiten durch Krankheit. ⁷Mittelbar zur Betreuung erforderliche Tätigkeiten, wie insbesondere Vor- und Nachbereitung, Zusammenarbeit mit den Personensorgeberechtigten, Teamarbeit und Supervision, und Fortbildungen und die Vernetzungsarbeit im Sozialraum sind im notwendigen Umfang zu berücksichtigen. ⁸Die erforderlichen Festlegungen der Personalbemessung werden im Rahmen der Betriebserlaubnis gemäß § 45 SGB VIII auf der Grundlage der fachlichen Konzeption getroffen. ⁹Der Einrichtungsträger muss sicherstellen, dass die Vorgaben des § 72a SGB VIII eingehalten werden. 1⁰Ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) oder ein Europäisches Führungszeugnis nach § 30b BZRG ist von Personen, die Kinder und Jugendliche beaufsichtigen, betreuen, erziehen, ausbilden oder einen vergleichbaren Kontakt zu ihnen haben, vor Beginn der Tätigkeit sowie in regelmäßigen Abständen von längstens fünf Jahren dem Träger vorzulegen.
14.2 Pädagogische Leitung
¹Die pädagogische Leitung der Einrichtung ist für die qualifizierte Umsetzung der Inhalte dieser Richtlinien verantwortlich. ²Aufgaben und Funktionen der Geschäftsführung und der Verwaltung sowie des Fachdienstes sind hierbei nicht inbegriffen. ³Der Leitungsaufwand bemisst sich
– in Heilpädagogischen Heimen anteilig bis zu einer viertel Stelle pro Gruppe für die erste bis vierte Gruppe, ab der fünften Gruppe anteilig eine zehntel Stelle,
– in Heilpädagogischen Tagesstätten eine fünftel Stelle pro Gruppe von der ersten bis fünften Gruppe, ab der sechsten Gruppe anteilig eine zwanzigstel Stelle.
⁴Weitere Leitungsanteile sind abhängig von der Zweckbestimmung sowie der Organisationsstruktur, insbesondere vom Personalumfang und der Anzahl der Gruppen. ⁵Synergieeffekte sind zu berücksichtigen.
14.3 Gruppenübergreifender Fachdienst
¹Die Aufgaben des gruppenübergreifenden Fachdienstes umfassen insbesondere die diagnostische, gegebenenfalls auch pflegerische Abklärung, die psychologische, therapeutische, heil- und sozialpädagogische Förderung, die Unterstützung der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen und des Personals bei der Entwicklung und Umsetzung fachlicher Konzepte (vergleiche Nr. 5) sowie die Zusammenarbeit mit Familienangehörigen. ²Zusätzlich ermöglicht die Einrichtung eine im Bedarfsfall erforderliche medizinisch-therapeutische Versorgung (zum Beispiel Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie) der Betreuten und unterstützt deren Durchführung.
14.4 Gruppendienst
¹Ab der Anwesenheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen ist sicherzustellen, dass mindestens eine Fachkraft in jeder Gruppe verantwortlich tätig ist. ²Qualifikation und Zahl der weiteren pädagogischen und pflegerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten sich nach dem Hilfebedarf der Zielgruppe. ³Das Verhältnis der Fachkräfte zu den Hilfskräften im Gruppendienst darf generell einen Schlüssel von zwei zu eins nicht unterschreiten. ⁴Das Verhältnis qualifizierter Hilfskräfte zu weiteren Hilfskräften sollte sich an dieser Quote orientieren. ⁵Der Dienstplan ist entsprechend zu gestalten. ⁶Bei der Personaleinsatzplanung ist sicherzustellen, dass Ausfälle unverzüglich bedarfsgerecht ausgeglichen werden.
14.5 Nachtdienst
¹In der Regel ist die Betreuung während der Nachtruhe durch Fachkräfte zu leisten. ²Dies kann in Form von Nachtwache und/oder Nachtbereitschaft erfolgen. ³Mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde kann für die Nachtbetreuung eine Hilfskraft eingesetzt werden, wenn eine Fachkraft in Rufbereitschaft vorgehalten wird. ⁴Werden in der Nacht freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen angewendet, sind grundsätzlich Nachtwachen erforderlich. ⁵Der Umfang und die Ausgestaltung der nächtlichen Betreuung sind abhängig vom Hilfebedarf, den räumlichen Bedingungen und der Organisationsstruktur.
14.6 Team, Supervision, Fort- und Weiterbildung
¹Regelmäßige Teambesprechungen, Supervision, Fort- und Weiterbildung sind zentrale Beiträge zur Qualitätsentwicklung einer Einrichtung. ²Der Träger hat sicher zu stellen, dass jede Fach- und Hilfskraft entsprechend ihrer Aufgabenstellung eingearbeitet sowie fort- und weitergebildet wird. ³Für Einrichtungen, die freiheitsentziehende Maßnahmen anwenden, wird auf Nr. 6 verwiesen. ⁴Insbesondere die zum Einsatz kommenden pädagogischen Interventionen gegenüber den Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen sind in regelmäßigen Abständen zu thematisieren, zu hinterfragen und zu reflektieren. ⁵Hierzu sind geeignete Einrichtungs- und Kommunikationsstrukturen vorzuhalten. ⁶Die differenzierte Einarbeitung ist sicher zu stellen.
15. Berufliche Qualifizierung
15.1 Einsatz von Personal
Grundsätzlich sind Fach- und Hilfskräfte so einzusetzen, dass sie entsprechend ihrer Ausbildung und ihrer Berufserfahrung die ihnen übertragenen Aufgaben, Tätigkeiten und Funktionen bei der ganzheitlichen Förderung, Bildung und Erziehung, Pflege und Betreuung in Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung eigenverantwortlich und qualifiziert wahrnehmen können.
15.2 Pädagogische Leitungskräfte
¹Für die pädagogische Leitung der Einrichtung sind in der Regel geeignete pädagogische Fachkräfte oder nach Einzelfallprüfung entsprechend wissenschaftlich ausgebildete Fachkräfte einzusetzen. ²Eine mehrjährige Berufserfahrung in einer einschlägigen sozial- oder heilpädagogischen Einrichtung ist erforderlich.
15.3 Pädagogische und pflegerische Fachkräfte
Fachkräfte müssen eine einschlägige Berufsausbildung oder ein einschlägiges Studium abgeschlossen haben, wodurch ihnen Kenntnisse und Fähigkeiten zur selbständigen, eigenverantwortlichen Wahrnehmung der ausgeübten Funktion und Tätigkeit vermittelt wurden.
15.3.1 Pädagogische Fachkräfte
sind insbesondere und nicht abschließend:
– diplomierte beziehungsweise staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Absolventinnen und Absolventen mit Bachelor of Arts (B.A.) Studiengang Soziale Arbeit,
– staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher,
– staatlich anerkannte Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (B.A.) oder Studiengang Frühpädagogik/“Erziehung und Bildung im Kindesalter“,
– Diplom-Pädagoginnen und Diplom-Pädagogen, Absolventinnen und Absolventen (B.A., M.A.) Studiengang Pädagogik oder Erziehungswissenschaften außerschulische Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen,
– staatlich geprüfte oder anerkannte Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger,
– Heilpädagoginnen und Heilpädagogen (mit staatlicher Anerkennung oder Studienabschluss),
– andere Kräfte mit einrichtungsorientierter Ausbildung (zum Beispiel SOS-Kinderdorfeltern, Waldorf-, Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen, Konduktorinnen und Konduktoren in den jeweiligen Einrichtungen).
15.3.2 Pflegerische Fachkräfte
sind insbesondere und nicht abschließend:
– Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger,
– Pflegerische Fachkräfte mit abgeschlossener generalistischer Ausbildung zur Pflegefachfrau/-mann,
– Pflegefachkraft mit psychiatrischer Zusatzausbildung.
15.4 Gruppenübergreifende Fachdienste
¹Solche sind insbesondere und nicht abschließend:
– diplomierte beziehungsweise staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Absolventinnen und Absolventen mit Bachelor of Arts (B.A.) Studiengang Soziale Arbeit,
– Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten,
– Diplom-Psychologinnen und Diplom-Psychologen, Master of Science Studiengang Psychologie,
– Diplom-Pädagoginnen und Diplom-Pädagogen, (B.A., M.A.) Studiengang Pädagogik oder Erziehungswissenschaften,
– Sonderpädagoginnen und -pädagogen (B.A., M.A.),
– staatlich anerkannte Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (B.A.), Studiengang Frühpädagogik/“Erziehung und Bildung im Kindesalter“ (B.A.),
– Heilpädagoginnen und Heilpädagogen (mit staatlicher Anerkennung oder Studienabschluss),
– Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten mit Diplom (B.A., M.A.), Studiengänge „Elementare Musikpädagogik und Rhythmik“,
– Konduktorinnen und Konduktoren in den entsprechenden Einrichtungen,
– Pflegefachkräfte und B.sc. Nursing.
²Fachkräfte mit Zusatzausbildung entsprechend der Einrichtungskonzeption sind unter anderem
– Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger sowie
– staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher.
³Zusätzlich medizinisch-therapeutische Fachkräfte, wie zum Beispiel
– Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten,
– Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten,
– Logopädinnen und Logopäden,
– Sprachheiltherapeutinnen und Sprachheilpädagoginnen B.A. / M.A. und Sprachheiltherapeuten und Sprachheilpädagogen B.A. / M.A.
15.5 Qualifizierte Hilfskräfte
¹Qualifizierte Hilfskräfte sind insbesondere staatlich geprüfte
– Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger,
– Heilerziehungspflegehelferinnen und Heilerziehungspflegehelfer,
– Krankenpflegehelferinnen und Krankenpflegehelfer
– Sozialbetreuerinnen und Sozialbetreuer sowie
– Erzieherinnen und Erzieher im Anerkennungsjahr.
²Weitere Qualifikationen entsprechend der Einrichtungskonzeption können nach vorheriger Zustimmung der Aufsichtsbehörde im Gruppendienst eingesetzt werden.
15.6 Weitere Hilfskräfte
Weitere Hilfskräfte sind insbesondere
– Praktikantinnen und Praktikanten,
– Helferinnen und Helfer im freiwilligen sozialen Jahr und Bundesfreiwilligendienst,
– Personen, die einen sozialpädagogischen oder heilerzieherischen Beruf anstreben und angelernte Hilfskräfte.
15.7 Im Ausland erworbene Berufsqualifikationen und Sprachniveau
¹Bewerberinnen und Bewerber mit einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation sollen eine Gleichwertigkeitsanerkennung bei der jeweiligen zuständigen Anerkennungsbehörde beantragen. ²Die zuständige Aufsichtsbehörde entscheidet, ob mit der Ausbildung die angestrebte Tätigkeit, gegebenenfalls befristet auch vor Abschluss des Anerkennungsverfahrens, wahrgenommen werden kann. ³Bei Bewerberinnen und Bewerbern nicht deutschsprachiger Herkunft ist ein Sprachniveau von mindestens B2 gemäß des Europäischen Reverenzrahmens nachzuweisen.
16. Bau und Ausstattung
16.1 Bauplanung und Teilhabe
¹Bereits bei der Planung von Einrichtungen soll für eine bestmögliche Teilhabe der betreuten Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen in das bestehende Gemeinwesen Sorge getragen werden. ²Bauliche Maßnahmen sind vorab mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abzustimmen.
16.2 Gebäude, Raumstruktur und Raumausstattung
¹Die Gebäude, die dazugehörigen Anlagen, das Raumprogramm und die Ausstattung der Einrichtung müssen baulich und funktional so beschaffen sein, dass sie den individuellen und behinderungsspezifischen Bedarfen der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen und der Zweckbestimmung auf Grundlage der fachlichen Konzeption entsprechen. ²Die Bestimmungen für barrierefreies Bauen und ausreichende Abstellflächen für Heil- und Hilfsmittel sind zu berücksichtigen. ³Für Spiel und Sport sind ausreichende Freiflächen im Außenbereich zu schaffen oder müssen zugänglich sein. ⁴Eine zeitgemäße Medienausstattung einschließlich Internetanschluss ist zu gewährleisten.
16.3 Heilpädagogische Heime
¹Die Räume für eine Gruppe sind als eigenständige Wohneinheit so zu gestalten, dass sie den Wohn-, Freizeit-, Ernährungs-, Schlaf- und Hygienebedürfnissen der dort lebenden Personen entsprechen. ²Entsprechend der fachlichen Konzeption ist eine ausreichende Zahl geeigneter Einzelzimmer vorzuhalten. ³Mehrbettzimmer sind in der Regel mit nicht mehr als zwei Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen zu belegen, ab Schulalter nur von einem Geschlecht. ⁴Als Orientierungshilfe für die Erstellung eines Raumprogramms wird auf die jeweils geltenden Richtlinien für die Investitionsförderung von Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung hingewiesen.
16.4 Heilpädagogische Tagesstätten
¹Für Gruppenräume sind je 4 m² Bodenfläche pro Platz, mindestens jedoch 30 m², sowie ein Nebenraum mit 15 m² vorzusehen. ²Für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit besonderem Raumbedarf (zum Beispiel für Rollstühle) sind zusätzlich 2 m² pro Platz hinzuzurechnen. ³Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten sind vorzuhalten. ⁴Für Mädchen und Jungen ab dem Schulalter sind getrennte Sanitärräume bereitzustellen.
⁵Für den Betrieb einer Heilpädagogischen Tagesstätte sind eigene Gruppenräume vorzuhalten. ⁶Grundsätzlich sind 4 m² pro Platz und ein geeigneter Nebenraum mit 15 m² pro Gruppe vorzuhalten. ⁷Für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit besonderem Raumbedarf (zum Beispiel für Rollstühle) sind zusätzlich 2 m² pro Platz hinzuzurechnen. ⁸Räume unter 30 m² die konzeptionell begründbar als Gruppenräume genutzt werden sollen, erfordern die Zustimmung der Aufsichtsbehörde. ⁹Fachdienst- und Ruheräume sowie Rückzugsmöglichkeiten sind vorzuhalten.
16.5 Baurechtliche Hinweise, Sicherheitsmaßnahmen und Unfallschutz
¹Die Gebäude müssen den geltenden baurechtlichen Vorschriften sowie den Bestimmungen zum baulichen Brandschutz entsprechen. ²Der Träger hat für die regelmäßige Überprüfung der Brandschutzanlagen, den vorbeugenden und organisatorischen Brandschutz sowie die sonstigen Sicherheitsvorkehrungen zur Verhütung von Unfällen, Vermeidung von Verbrühungen und der Verbreitung von Infektionskrankheiten sowie zur Verhütung und Beseitigung von Gefahren entsprechend den gesetzlichen Vorschriften Sorge zu tragen.
17. Ernährung
¹Die Ernährung muss vollwertig und abwechslungsreich sein und dem jeweiligen Alter und dem Gesundheitszustand der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen entsprechen. ²Die lebensmittelrechtlichen Bestimmungen sind einzuhalten.
18. Gesundheit, Hygiene und Infektionsschutz
¹Jede Einrichtung hat für ein gesundheitsförderliches Lebensumfeld Sorge zu tragen. ²Eine entsprechend in Erster Hilfe ausgebildete Kraft muss in der Einrichtung jederzeit zur Verfügung stehen. ³Gefahrstoffe und Arzneimittel sind für die Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen unzugänglich aufzubewahren, es sei denn der Zugriff auf Arzneimittel ist im Einzelfall für die Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen geboten (Verweis auf Gefahrstoffverordnung und Arzneimittelverordnung).
⁴In allen für die Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen zugänglichen Räumen und im Außenbereich der Einrichtung sind die gesetzlichen Bestimmungen des Gesundheitsschutzgesetzes zu beachten (Beispiel.: Rauchverbot nach Art. 3 des Gesundheitsschutzgesetzes).
⁵In der stationären Betreuung sind die medizinische und zahnmedizinische Versorgung zu gewährleisten. ⁶Bei Bedarf bemüht sich die Einrichtung auch um die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung.
⁷Es wird empfohlen, dass der Träger der Einrichtung zu seiner Unterstützung einen Hygienebeauftragten mit entsprechender Fortbildung benennt. ⁸Zu den Aufgaben eines Hygienebeauftragten gehören unter anderem:
– Erstellung und Aktualisierung des einrichtungsinternen Hygieneplanes,
– Förderung einer breiten Akzeptanz der Hygienemaßnahmen bei den Mitarbeitenden,
– Durchführung und Dokumentation von Hygienebelehrungen,
– Kontakt zum Gesundheitsamt.
⁹Sowohl der Träger als auch die Leitung der Einrichtung tragen Verantwortung für die Sicherung der hygienischen Erfordernisse und nehmen diese unter anderem durch Anleitung und Kontrolle wahr. 1⁰Aufgabe des Trägers und der Leitung ist es, einen ausreichenden Schutz sowohl des Personals als auch der betreuten Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen vor Infektionen zu gewährleisten, indem sie sicherstellen, dass der allgemein anerkannte Stand des Wissens in der Hygiene eingehalten wird. 1¹Die gesetzlichen Bestimmungen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten sowie die hygienischen Anforderungen an das Personal im Umgang mit Lebensmitteln sind zu beachten.
19. Befugnisse der Aufsichtsbehörde
¹Die Befugnisse der Aufsichtsbehörde ergeben sich aus den Bestimmungen der §§ 45 bis 48 in Verbindung mit § 85 Abs. 4 SGB VIII, § 104 SGB VIII, der Art. 45, 46 und 47 AGSG und aus den Vorgaben dieser Richtlinien. ²Die Prüfung der Zuverlässigkeit des Einrichtungsträgers für den Betrieb der Einrichtung ist eine Voraussetzung zur Erteilung einer Betriebserlaubnis. ³Gegenstand der Prüfung ist auch die Einhaltung der Grundsätze eines ordnungsgemäßen Dokumentationswesens sowie einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung. ⁴Wurde dem Träger eine Betriebserlaubnis erteilt, kann die Aufsichtsbehörde auch an Ort und Stelle überprüfen, ob die Voraussetzungen für deren Erteilung weiterbestehen. ⁵Die Aufsichtsbehörde darf zur Prüfung der Gewährleistung des Kindeswohls in der Einrichtung sämtliche relevanten Unterlagen und Dokumente einfordern. ⁶Dabei liegt es im Ermessen der Aufsichtsbehörde, ob diese im Original vor Ort in der Einrichtung eingesehen werden oder in welcher Form diese unter Einhaltung des Datenschutzes auszuhändigen sind. ⁷Der Träger hat insbesondere alle für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und ist verpflichtet, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. ⁸Örtliche Prüfungen können jederzeit angemeldet und unangemeldet erfolgen, möglichst einmal jährlich. ⁹Bei der örtlichen Prüfung soll der Träger entsprechend mitwirken. 1⁰Der Einrichtungsträger ist zur transparenten Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde verpflichtet. 1¹Zur Gewährleistung des Wohls der Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen können nachträgliche Auflagen erteilt werden. ¹2Werden Mängel festgestellt und werden diese nach Beratung der Aufsichtsbehörde über die Möglichkeiten zur Beseitigung der Mängel nicht behoben, kann die Aufsichtsbehörde nachträgliche Auflagen erteilen (zum Beispiel einen Aufnahmestopp verhängen) oder die Betriebserlaubnis aufheben. ¹3Die Aufsichtsbehörde kann Tätigkeitsuntersagungen aussprechen sowie Bußgeldbescheide erlassen.
20. Inkrafttreten, Außerkrafttreten, Übergangsfristen
¹Diese Bekanntmachung tritt am 1. Januar 2023 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2027 außer Kraft. ²Die Leistungserbringer (Träger) können mit der zuständigen Aufsichtsbehörde unter Beteiligung des zuständigen Leistungsträgers einrichtungsspezifische Übergangsfristen für die Umsetzung der Neuerungen vereinbaren.
Dr. Markus Gruber
Ministerialdirektor
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