Richtlinien über die internationale Fahndung nach Personen, insbesondere der Fahndung nach Personen im Schengener Informationssystem (SIS) und auf Grund eines Europäischen Haftbefehls
Die internationale Fahndung nach Personen kann im SIS, durch INTERPOL und durch gezielte Mitfahndungsersuchen an andere Staaten veranlasst werden. Die Regelungen für die Fahndung zur Strafverfolgung gelten für die Strafvollstreckung entsprechend. Voraussetzung der internationalen Fahndung ist die nationale Fahndung im Informationssystem der Polizei (INPOL).
International sind Ausschreibungen zur
Festnahme zwecks Auslieferung, insbesondere auf Grund eines Europäischen Haftbefehls (vgl. unter II.)
Aufenthaltsermittlung von Zeugen und Beschuldigten (vgl. unter III.)
verdeckten Registrierung bzw. polizeilichen Beobachtung (vgl. unter IV.)
möglich.
Das SIS ist ein computergestütztes Fahndungssystem, das als Ausgleichsmaßnahme zum Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen der Schengen-Staaten errichtet wurde. Durch einen einheitlichen, grenzüberschreitenden Fahndungsraum soll ein mögliches Sicherheitsdefizit durch den Grenzabbau so gering wie möglich gehalten werden. Eine Beschränkung der Fahndung auf einen oder mehrere Staaten ist im SIS technisch nicht möglich (vgl. aber II. B. Nr. 11 Abs. 2).
Soweit eine Fahndung im SIS nicht möglich ist, erfolgt die internationale Fahndung durch INTERPOL. Sie kann auf Staaten oder Fahndungsräume (vgl. Vordruck Nr. 40a RiVASt) beschränkt werden. Bei der Entscheidung über die Fahndung sowie bei der Festlegung des Raumes, in dem gefahndet werden soll, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Nr. 13 RiVASt zu beachten.
Staaten, die INTERPOL nicht angehören (vgl. Länderteil RiVASt), werden vom Bundeskriminalamt um Mitfahndung ersucht, wenn die betreibende Behörde dies ausdrücklich verlangt und Anhaltspunkte vorliegen, dass sich die gesuchte Person in diesem Staat aufhält.
Das Ersuchen um internationale Fahndung ist unter Verwendung des Vordrucks Nr. 40a RiVASt und des Vordrucks für den Europäischen Haftbefehl (Vordruck Nr. 40 RiVASt) in deutscher Sprache sowie, falls in dem betreffenden Bundesland erforderlich, des Vordrucks KP 21/24 auf dem jeweils vorgesehenen Geschäftsweg über das Landeskriminalamt oder das Bundespolizeipräsidium an das Bundeskriminalamt zu richten. Der Europäische Haftbefehl soll gleichzeitig in elektronischer Form übermittelt werden. Eine beglaubigte Mehrfertigung des nationalen Haftbefehls oder des vollstreckbaren Straferkenntnisses sowie Identifizierungsunterlagen, soweit erforderlich und nicht im Europäischen Haftbefehl enthalten, sind beizufügen (vgl. Nr. 41 Abs. 1 RiStBV).
In das Formular des Europäischen Haftbefehls ist eine verkürzte und auf das Wesentliche beschränkte Sachverhaltsdarstellung aufzunehmen, die eine halbe DIN-A4-Seite nicht überschreiten soll. Auf Anlagen soll nicht Bezug genommen werden.
In dringenden Fällen übermittelt die verfahrensleitende Justizbehörde gleichzeitig mit der Einleitung der nationalen Fahndung das Ersuchen um internationale Fahndung unter Hinweis auf die besondere Dringlichkeit unmittelbar dem Bundeskriminalamt und zugleich dem zuständigen Landeskriminalamt oder dem Bundespolizeipräsidium.
Bei der Einleitung der Fahndung ist im Vordruck Nr. 40a RiVASt der Fahndungsraum zu bezeichnen. Unter der Voraussetzung der Nr. 41 Abs. 2 RiStBV ist zumindest im Fahndungsraum I zu fahnden. Bei der Ausweitung des Fahndungsraums ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Die Löschung der Fahndung soll erst nach der Übernahme der gesuchten Person durch die deutschen Behörden veranlasst werden.
Wird bei bestehender Interpolfahndung die nationale Fahndung zurückgenommen oder endet die nationale Fahndung durch Fristablauf, ist das Bundeskriminalamt gemäß Nr. 6 RiVASt unverzüglich unter Angabe des Löschungsgrundes zu unterrichten, damit von dort aus die bestehende internationale Fahndung widerrufen werden kann.
Bei den im Formular des Europäischen Haftbefehls (vgl. Vordruck Nr. 40 RiVASt) bezeichneten Deliktsgruppen ist die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen. Im Übrigen kann von der beiderseitigen Strafbarkeit ausgegangen werden, wenn keine anderweitigen Erkenntnisse vorliegen. Fehlt die beiderseitige Strafbarkeit in einem oder mehreren Staaten oder beabsichtigt die ausschreibende Behörde in einem oder mehreren Staaten im Falle der Festnahme die Auslieferung nicht zu betreiben, so hat sie hierauf in ihrem Anschreiben nach Vordruck 40a RiVASt ausdrücklich hinzuweisen.
Eine Ausschreibung im SIS gemäß Art. 95 SDÜ ist auch bei fehlender beiderseitiger Strafbarkeit zulässig. In diesen Fällen werden die betroffenen Vertragsstaaten durch die SIRENE Deutschland parallel zur Einstellung ins SIS entsprechend unterrichtet, so dass diese Staaten von der Möglichkeit der Kennzeichnung gemäß Art. 95 Abs. 3 und 5 SDÜ bzw. Art. 94 Abs. 4 SDÜ Gebrauch machen können. In den betroffenen an das SIS angeschlossenen Staaten erfolgt in diesen Fällen automatisch eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung.
Wenn der Fahndungserfolg durch eine gezielte, örtlich begrenzte Fahndung erzielt werden kann, bleibt es unbenommen, bilateral Fahndungsersuchen um vorläufige Festnahme auf der Grundlage der im Auslieferungsrecht vorgesehenen Verfahrenswege ohne Ausschreibung im SIS zu stellen. Eine Ausschreibung im SIS kann gleichwohl in Betracht kommen, um möglichen unerwarteten Bewegungen der gesuchten Person zuvorzukommen oder eine Beschleunigung der Bearbeitung des Ersuchens zu erreichen.
Die Pflicht zur Überprüfung, Änderung und gegebenenfalls Löschung der Ausschreibung (Art. 105, 106 SDÜ) obliegt der ausschreibenden Stelle. Diese hat bei der alle drei Jahre erforderlichen Überprüfung, ob die nationale Fahndung zu verlängern ist, auch die SIS-Fahndung auf deren Aktualität zu überprüfen. Besteht nur eine nationale Fahndung, so ist bei deren Überprüfung immer auch zu überlegen, ob zusätzlich eine SIS-Fahndung zu veranlassen ist.
Das Ersuchen um internationale Fahndung im SIS zur Aufenthaltsermittlung gemäß Art. 98 SDÜ ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 an die für die Dateneingabe zuständige Polizeidienststelle zu übersenden.
Die ausschreibende Stelle unterrichtet bei Erledigung der Ausschreibung die für die Eingabe zuständige Polizeidienststelle, andernfalls erfolgt die Löschung der Ausschreibung durch Fristablauf.
Das Ersuchen um internationale Fahndung zur Aufenthaltsermittlung in Staaten, die nicht am SIS angeschlossen sind, ist unter Mitteilung der im Vordruck IKPO Nr. 2 vorgesehenen Angaben über das jeweilige Landeskriminalamt bzw. das Bundespolizeipräsidium an das Bundeskriminalamt zu richten.
Wird die nationale Fahndung zurückgenommen oder endet die nationale Fahndung durch Fristablauf, ist dem Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt bzw. dem Bundespolizeipräsidium gemäß Nr. 6 RiVASt unverzüglich mitzuteilen, dass von dort aus die bestehende internationale Fahndung zu widerrufen ist.
Soll sowohl in den Staaten, die am SIS angeschlossen sind, als auch darüber hinaus bis hin zu einer weltweiten Fahndung eine internationale Fahndung durchgeführt werden, so ist dieses Ersuchen unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 sowie Mitteilung der im Vordruck IKPO Nr. 2 vorgesehenen Angaben an die für die Dateneingabe zuständige Polizeidienststelle zwecks Weiterleitung über das jeweilige Landeskriminalamt bzw. das Bundespolizeipräsidium an das Bundeskriminalamt zu richten. Die Unterabschnitte A und B gelten entsprechend.
Das Ersuchen um internationale Fahndung im SIS zur verdeckten Registrierung gemäß Art. 99 Abs. 2 SDÜ zum Zwecke der Strafverfolgung ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 an die für die Dateneingabe zuständige Polizeidienststelle zu übersenden. Die Entscheidung für die Einleitung einer internationalen Fahndung zur verdeckten Registrierung obliegt der zuständigen Justizbehörde und fällt nicht in die Anordnungskompetenz von § 163e StPO.
Die ausschreibende Stelle unterrichtet bei Erledigung der Ausschreibung die für die Eingabe zuständige Polizeidienststelle, andernfalls erfolgt die Löschung der Ausschreibung durch Fristablauf.
Das Ersuchen um internationale Fahndung zur polizeilichen Beobachtung in Staaten, die nicht am SIS angeschlossen sind, ist unter Mitteilung der im Vordruck IKPO Nr. 3 vorgesehenen Angaben über das jeweilige Landeskriminalamt bzw. das Bundespolizeipräsidium an das Bundeskriminalamt zu richten.
Wird die nationale Fahndung zurückgenommen oder endet die nationale Fahndung durch Fristablauf, ist dem Bundeskriminalamt gemäß Nr. 6 RiVASt unverzüglich mitzuteilen, dass von dort aus die bestehende internationale Fahndung zu widerrufen ist.
Soll sowohl in den Staaten, die am SIS angeschlossen sind, als auch darüber hinaus bis hin zu einer weltweiten Fahndung eine internationale Fahndung durchgeführt werden, so ist dieses Ersuchen unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 sowie Mitteilung der im Vordruck IKPO Nr. 3 vorgesehenen Angaben an die für die Dateneingabe zuständige Polizeidienststelle zwecks Weiterleitung über das jeweilige Landeskriminalamt bzw. das Bundespolizeipräsidium an das Bundeskriminalamt zu richten. Die Unterabschnitte A und B gelten entsprechend.
Wird die verfolgte Person im Rahmen einer Nacheile aufgegriffen, muss der zuständigen ausländischen Behörde innerhalb von sechs Stunden (wobei die Stunden zwischen Mitternacht und neun Uhr nicht mitzählen) ein Ersuchen um vorläufige Festnahme zugehen (Art. 41 Abs. 6 SDÜ).
Im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern werden die bundeseinheitlich geltenden neuen Fahndungsrichtlinien mit Wirkung vom 1. März 2009 für den Freistaat Bayern in Kraft gesetzt. Mit Ablauf des 28. Februar 2009 wird das JMS vom 13. September1993 (9362 - II - 235/92) aufgehoben.
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