RPR: Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zur Prävention von politischer und religiös begründeter Radikalisierung
¹Die Errungenschaften unserer freiheitlichen-demokratischen Gesellschaft prägen maßgeblich den hohen Lebenswert im Freistaat Bayern. ²Demokratie, Pluralismus, Meinungsfreiheit, Toleranz und Gleichberechtigung sind die Grundpfeiler unseres friedlichen Zusammenlebens und damit auch Leitbild für die Radikalisierungsprävention. ³Um dieses friedliche Zusammenleben zu sichern, verfolgen wir in Bayern einen ganzheitlichen Ansatz im Kampf gegen Extremismus. ⁴Unabhängig davon, ob rechts- oder linksextremistisch, islamistisch oder phänomenübergreifend antisemitisch: Durch zielgruppenspezifische und flächendeckende Präventionsarbeit setzen wir bereits bei der Verhinderung von Radikalisierung an. ⁵In enger Abstimmung mit den anderen Maßnahmen zur Prävention und den Maßnahmen zur Deradikalisierung in Bayern soll so Extremismus auf vielfältigen Wegen so früh wie möglich bekämpft werden. ⁶Auf dieser Basis hat der Freistaat Bayern verschiedene modellhafte Fördermöglichkeiten zur Prävention von Radikalisierung etabliert. ⁷Der Freistaat Bayern gewährt auch zukünftig nach Maßgabe dieser Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen (insbesondere der Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 der Bayerischen Haushaltsordnung – BayHO) Zuwendungen für Maßnahmen zur Prävention von politischer und religiös begründeter Radikalisierung. ⁸Die Förderung erfolgt ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
1. Zweck der Zuwendung
¹Prävention zielt auf ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander und will möglichst bereits den Einstieg der vorwiegend jungen Menschen in eine radikale Ideologie verhindern. ²Prävention hilft, Probleme zu vermeiden, bevor sie entstehen. ³Prävention soll Menschen immun gegen extremistische Botschaften machen und die Gefahr verringern, dass Menschen sich zum Beispiel dem Islamismus, dem Rechts- oder Linksextremismus oder dem Antisemitismus zuwenden, die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und womöglich sich selbst oder andere gefährden. ⁴Prävention sollte möglichst phänomenspezifisch ausgerichtet sein. ⁵Dies unterscheidet die Prävention von universellen Ansätzen wie der Sozial- und Integrationspolitik oder Maßnahmen der Demokratie- und Wertebildung, wenngleich das Eine ohne das Andere nicht sinnvoll wäre und gegenseitige Überschneidungen nicht immer vermeidbar sind. ⁶Auch wenn Radikalisierung als Prozess nicht zwangsläufig in Gewalt mündet, gefährdet jeglicher Extremismus die Prinzipien des demokratischen Zusammenlebens und damit den Zusammenhalt unserer Gesellschaft: Die Vielfalt der Lebensstile, Pluralismus und freie Meinungsbildung sind mit extremistischen Weltbildern unvereinbar. ⁷Radikalisierungsprävention ist somit unabhängig von der Verhinderung von Gewalt nötig, um insbesondere junge Menschen nicht für das demokratische Gemeinwesen zu verlieren. ⁸Zweck der Förderung ist es,
– Maßnahmen beziehungsweise Projekte zu etablieren, deren Wirkung gegen jegliche Form von Radikalisierung und Antisemitismus gerichtet ist,
– modellhafte Maßnahmen auszuprobieren und deren Wirkweise zu erforschen,
– sogenannte „Best-Practice-Beispiele“ zu identifizieren und im Rahmen einer Projektförderung zu unterstützen.
⁹Institutionelle Förderungen sind nach dieser Richtlinie nicht möglich. 1⁰Zudem können Maßnahmen und Projekte, deren Schwerpunkt die allgemeine Demokratieförderung ist oder die Deradikalisierung als inhaltlichen Schwerpunkt setzen, grundsätzlich nicht gefördert werden. 1¹Für präventive Maßnahmen im Bereich der Radikalisierung wird mit dieser Richtlinie ein einheitliches Förderinstrument geschaffen, welches die zur Verfügung stehenden kommunalen Angebote und diejenigen auf Bundes- beziehungsweise EU-Ebene ergänzt.
2. Aufgaben und Ziele
¹Ziel der Maßnahme ist es,
– zur Stärkung des vielfältigen, gewaltfreien und demokratischen Miteinanders beizutragen (zum Beispiel durch allgemeine oder phänomenspezifische, insbesondere niedrigschwellig wirkende Präventionsangebote),
– Radikalisierungen entgegenzuwirken,
– Zielgruppen für Anzeichen einer Radikalisierung beziehungsweise Anwerbestrategien zu sensibilisieren und insbesondere Jugendliche und ihr soziales Umfeld gegen extremistische Ansprache immun zu machen.
²Dabei sollen die Maßnahmen die Bereiche der politischen Radikalisierung (zum Beispiel Links- und Rechtsextremismus), der religiös begründeten Radikalisierung (zum Beispiel Salafismus) wie auch phänomenübergreifende Ausprägungen (zum Beispiel Antisemitismus) abdecken. ³Ziel der Projektförderung ist es darüber hinaus, die vorhandenen lokalen Präventionsstrukturen miteinander zu vernetzen und zu enger Kooperation zu bringen. ⁴Hierdurch lassen sich Synergien generieren und Perspektiven zur Verselbstständigung der Maßnahmen erreichen.
3. Gegenstand der Förderung
Gefördert wird im Rahmen des Zuwendungszwecks nach Maßgabe der Nr. 1 die projektbezogene Durchführung von Maßnahmen zur Radikalisierungsprävention.
4. Zuwendungsempfänger
Zuwendungsempfänger sind rechtsfähige Träger, die über die erforderliche Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit zur Durchführung dieser Maßnahmen verfügen, beziehungsweise deren bisherige Tätigkeit eine erfolgreiche Erfüllung des Förderzwecks erwarten lässt.
5. Art und Umfang der Förderung
Im Rahmen von Veröffentlichungen und in öffentlicher Kommunikation im Zusammenhang mit dem Förderprogramm sowie in direkter Kommunikation mit Antragstellern ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Zuwendungen aus dem Programm freiwillige Leistungen darstellen und nur insoweit bewilligt werden können, als dafür Haushaltsmittel zur Verfügung stehen und deshalb ein Zuwendungsantrag unter Umständen wegen Überzeichnung des Förderprogramms nicht bewilligt werden kann.
5.1 Art der Förderung
Die Zuwendung wird als Anteilfinanzierung im Rahmen einer Projektförderung gewährt.
5.2 Zuwendungsfähige Ausgaben
¹Zuwendungsfähig sind projektbezogene Personal- und Sachausgaben. ²Im geförderten Projekt eingesetztes Eigenpersonal darf nicht bessergestellt werden als vergleichbare Bedienstete des Freistaates Bayern (Besserstellungsverbot). ³Grundlage für die Prüfung (Vergleichsberechnung) des Besserstellungsverbots bilden die Eingruppierungsmerkmale des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und die darauf basierenden Personalausgabenhöchstsätze des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat.
⁴Die Tätigkeitsbereiche des Eigenpersonals im Projekt sind grundsätzlich mit nachstehender Eingruppierung nach dem TV-L vergleichbar:
– Projektleiterinnen und Projektleiter, Projektkoordinatorinnen und Projektkoordinatoren, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen oder ähnliches Personal (entsprechend Entgeltgruppen E 8 bis 11 TV-L);
– Dozentinnen und Dozenten, Lehrkräfte oder ähnliches Personal (entsprechend E 5 bis 9 TV-L);
– Verwaltungs- und Sachbearbeitungskräfte, Buchhaltungskräfte oder ähnliches Personal (entsprechend E 3 bis 8 TV-L).
⁵Eine Vergleichsprüfung mit einer Einstufung in Entgeltgruppen über E 11 TV-L ist im begründeten Einzelfall möglich. ⁶Zur Abgeltung der Verwaltungsausgaben (insbesondere nicht direkt zuordenbare, aber projektbezogene Ausgaben) kann anstelle einer Spitzabrechnung eine Pauschale in Höhe von bis zu 10 % der gesamten zuwendungsfähigen Personal- und Sachausgaben angesetzt werden. ⁷Die Entscheidung des Zuwendungsempfängers hinsichtlich Pauschale oder Spitzabrechnung ist für den jeweiligen Bewilligungszeitraum (siehe Nr. 9.1) bindend.
5.2.1
¹Für Personal, dessen Beschäftigung im Projekt für eine geringere als die vergleichbare regelmäßige tarifliche Arbeitszeit nach TV-L vereinbart ist (Teilzeitkräfte), wird der Teil der Personalausgaben als zuwendungsfähig anerkannt, der dem Verhältnis der vereinbarten zur vergleichbaren regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht. ²Gleiches gilt, wenn zuwendungsfähiges Personal auch in anderen Bereichen oder Maßnahmen des Zuwendungsempfängers eingesetzt wird.
5.2.2
Die Förderung von Personalausgaben entfällt, solange eine Stelle nicht besetzt ist oder wegen Krankheit, Elternzeit oder Ähnlichem ein tariflicher oder gesetzlicher Entgeltanspruch nicht oder nicht mehr besteht.
5.3 Höhe der Förderung
Die Förderung beträgt bis zu 90 % der nach Nr. 5.2 ermittelten zuwendungsfähigen Ausgaben.
6. Eigenanteil
¹Bei allen Maßnahmen ist ein angemessener Eigenanteil in Höhe von mindestens 10 % der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben vom Zuwendungsempfänger aufzubringen. ²Nicht zuwendungsfähige Ausgaben müssen durch Eigen- oder Drittmittel aufgebracht werden. ³Geldspenden sowie Bußgeldzuweisungen können als Eigenmittel anerkannt werden.
7. Mehrfachförderung
¹Eine Komplementärförderung mit Mitteln der Kommunen, des Bundes, der Europäischen Union oder anderer Stellen des Freistaates ist möglich, sofern es sich dabei um inhaltlich gleichartige Fördermaßnahmen handelt. ²Gewähren vorgenannte Stellen ebenfalls Zuwendungen und übersteigt die Gesamtzuwendung dadurch 90 % der zuwendungsfähigen Ausgaben, so ist die Förderung vorrangig nach dieser Richtlinie zu kürzen.
8. Bagatellförderung
Eine Förderung wird in der Regel nur gewährt, wenn die beantragten zuwendungsfähigen Ausgaben für den Bewilligungszeitraum (vgl. Nr. 9.1) 25 000 € überschreiten (Bagatellgrenze).
9. Antrags- und Bewilligungsverfahren
¹Anträge nach dieser Richtlinie (insbesondere Förder- beziehungsweise Änderungsanträge, Auszahlungsanträge und Verwendungsnachweise) sind unter Verwendung der bei der Bewilligungsbehörde erhältlichen Vordrucke zu erstellen. ²Alle Anträge sind bei der Regierung von Mittelfranken, Sachgebiet 15, Marienstraße 21, 90402 Nürnberg, einzureichen, die über diese entscheidet (Bewilligungsbehörde). ³Zusätzlich ist ein Abdruck der Anträge grundsätzlich in digitaler Form an das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales – Referat VI2 Radikalisierungsprävention – zu übersenden.
9.1 Bewilligungszeitraum
Bewilligungszeitraum ist grundsätzlich die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember eines Jahres.
9.2 Antragstellungsverfahren
¹Bei allen Maßnahmen ist ein entsprechender Antrag auf Zuwendung vor Beginn des Bewilligungszeitraums, grundsätzlich spätestens zwei Monate vor Beginn des Bewilligungszeitraums, zu stellen. ²Dem Antrag sind neben der ausführlichen Projektbeschreibung eine Beschreibung der Struktur- (zum Beispiel Kooperationsvereinbarungen, Personal-, Raum- und Sachmittelausstattung, Personalwirtschaft), Prozess- und Ergebnisqualität (zum Beispiel Darlegung des Zugangs zur Zielgruppe, quantitative und qualitative Zielmarken), eine Verpflichtung zur Dokumentation und Evaluation sowie eine grobe Skizze zum Evaluationsvorhaben entsprechend den Angaben im jeweiligen Antragsvordruck beizufügen. ³Auf der Grundlage des gestellten Antrags und der im Rahmen des Prüfverfahrens gegebenenfalls mitgeteilten Änderungen erlässt die Bewilligungsbehörde einen Zuwendungsbescheid. ⁴Dieser steht unter dem Vorbehalt etwaiger Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse nach Bescheiderlass. ⁵Die Bewilligungsbehörde kann bei Vorliegen der Voraussetzungen der Verwaltungsvorschrift Nr. 1.3.3 zu Art. 44 BayHO auf Antrag die Einwilligung zum vorzeitigen Vorhabenbeginn erteilen.
9.3 Abschlagszahlungen
Die Abschlagszahlungen richten sich nach Nr. 1.4 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) beziehungsweise Nr. 1.3 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K).
10. Verwendungsnachweis
¹Die Bewilligungsbehörde prüft die Verwendungsnachweise in eigener Zuständigkeit und Verantwortung. ²Der Nachweis über die Verwendung der staatlichen Zuwendung, der aus einem Sachbericht und einem zahlenmäßigen Nachweis besteht, ist grundsätzlich spätestens sechs Monate nach Ende des Bewilligungszeitraums vorzulegen, sofern seitens der Bewilligungsbehörde kein abweichender Termin festgelegt wird. ³Der Nachweis der Verwendung der staatlichen Zuwendung nach dieser Richtlinie ist unter Verwendung der bei der Bewilligungsbehörde erhältlichen Vordrucke zu erstellen. ⁴Dem Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales ist ein Abdruck des Sachberichtes zum Verwendungsnachweis grundsätzlich in digitaler Form zu übersenden.
11. Prüfungsrecht
Der Bayerische Oberste Rechnungshof ist gemäß Art. 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayHO berechtigt, bei den Zuwendungsempfängern zu prüfen.
12. Datenschutz
¹Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Verordnung (EU) 2016/679 (EU-Datenschutzgrundverordnung – DSGVO) einzuhalten. ²Die Bewilligungsbehörde ist Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO. ³Die Verpflichtungen aus der DSGVO (insbesondere die Betroffenenrechte und die Informationspflichten gemäß Art. 13 folgende DSGVO) werden von der Bewilligungsbehörde erfüllt.
13. Inkrafttreten, Außerkrafttreten
¹Diese Bekanntmachung tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2023 in Kraft. ²Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft.
Dr. Markus Gruber
Ministerialdirektor
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