Leitfaden für die Tätigkeit örtlicher Einrichtungen organisierter Erster Hilfe (Ersthelfergruppen) in Bayern
Zweckverbände für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung
Hilfsorganisationen
Regierungen
Staatliche Feuerwehrschulen
Durchführende des Rettungsdienstes
Den als Anlage beigefügten Leitfaden für die Tätigkeit örtlicher Einrichtungen organisierter Erster Hilfe (Ersthelfergruppen) in Bayern veröffentlichen wir mit der Bitte um Beachtung.
Dr. Wolf-Dieter Remmele
Ministerialdirigent
1.
Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit von Ersthelfergruppen
1.1
Organisationsrecht
1.1.1
Satzungsrecht der Hilfsorganisationen
1.1.2
Bayerisches Feuerwehrgesetz (BayFwG)
2.
Verhältnis zum öffentlichen Rettungsdienst
3.
Zustimmung des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung zur Alarmierung von örtlichen Einrichtungen der organisierten Ersten Hilfe
4.
Organisation und Einsatz von Ersthelfergruppen
4.1
Organisationsgrad
4.2
Standortauswahl
4.3
Tätigkeitsbereich
4.4
Alarmierungsplanung
4.5
Alarmierung
4.6
Alarmierungswege, BOS-Funk-Nutzung
5.
Personal
5.1
Eignung
5.2
Ausbildung
5.3
Frühdefibrillation
5.4
Fortbildung
6.
Mindestausrüstung der Ersthelfergruppe
7.
Qualitätsmanagement
7.1
Dokumentation, Berichtspflicht
7.2
Ärztliche Qualitätskontrolle
8.
Haftung, Versicherungsschutz
8.1
Unfallversicherung
8.2
Haftpflichtversicherung
9.
Sonderwarneinrichtungen, Sonderrechte
10.
Motorradstreifen
1.
Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit von Ersthelfergruppen
1.1
Organisationsrecht
1.1.1
Satzungsrecht der Hilfsorganisationen
1.1.2
Bayerisches Feuerwehrgesetz (BayFwG)
2.
Verhältnis zum öffentlichen Rettungsdienst
3.
Zustimmung des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung zur Alarmierung von örtlichen Einrichtungen der organisierten Ersten Hilfe
4.
Organisation und Einsatz von Ersthelfergruppen
4.1
Organisationsgrad
4.2
Standortauswahl
4.3
Tätigkeitsbereich
4.4
Alarmierungsplanung
4.5
Alarmierung
4.6
Alarmierungswege, BOS-Funk-Nutzung
5.
Personal
5.1
Eignung
5.2
Ausbildung
5.3
Frühdefibrillation
5.4
Fortbildung
6.
Mindestausrüstung der Ersthelfergruppe
7.
Qualitätsmanagement
7.1
Dokumentation, Berichtspflicht
7.2
Ärztliche Qualitätskontrolle
8.
Haftung, Versicherungsschutz
8.1
Unfallversicherung
8.2
Haftpflichtversicherung
9.
Sonderwarneinrichtungen, Sonderrechte
10.
Motorradstreifen
Die präklinische Hilfeleistung in medizinischen Notfällen erfolgt am Notfallort herkömmlich
– durch Rettungs- und Notarztdienst (organisiert, professionell) auf Grundlage des Rettungsdienstgesetzes,
– andere am Notfallort Anwesende (spontan und auf unterschiedlichem Niveau, in der Regel Laienhilfe) auf Grundlage der allgemeinen Hilfepflicht.
In den letzten Jahren haben sich in zunehmendem Maße Initiativen gegründet, die auf örtlicher Ebene im Vorfeld des Rettungsdienstes organisiert Erste Hilfe leisten. Ziel der Initiativen ist die Verkürzung des sogenannten therapiefreien Intervalls bis zum Eintreffen des öffentlichen Rettungsdienstes. In den örtlichen Einrichtungen organisierter Erster Hilfe (im Folgenden als Ersthelfergruppen bezeichnet) sind in der Regel Mitglieder von Hilfsorganisationen und Feuerwehren tätig. Die Ersthelfergruppen werden auch als „First Responder“ oder „Helfer vor Ort“ bezeichnet.
Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit örtlicher Einrichtungen organisierter Erster Hilfe näher dargestellt und Standards definiert.
1. Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit von Ersthelfergruppen
Das Bayerische Rettungsdienstgesetz enthält in Art. 2 Abs. 15
Von Bedeutung für die Tätigkeit von Ersthelfergruppen sind auch die Aufgabenregelungen über die Aufgaben der Integrierten Leitstellen. Diese können nach Art. 2 Abs. 6 ILSG mit Zustimmung des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung die Alarmierung von örtlichen Einrichtungen organisierter Erster Hilfe übernehmen, soweit ihre originären Aufgaben nicht beeinträchtigt werden.
Für die Tätigkeit und die Organisationsform gibt es in Bayern keine speziellen gesetzlichen Regelungen. Insoweit sind die allgemeinen Rechtsvorschriften zu beachten. Insbesondere besteht keine Verpflichtung zur Installation von Ersthelfergruppen.
1.1 Organisationsrecht
Soweit sich Menschen zur organisierten Ersten Hilfe zusammenschließen, sind unterschiedliche Organisationsformen denkbar. Deshalb gibt es unterschiedliche rechtliche Grundlagen für das gemeinsame Tätigwerden. Am häufigsten anzutreffen ist die organisierte Erste Hilfe in der Trägerschaft einer Hilfsorganisation oder einer Feuerwehr.
1.1.1 Satzungsrecht der Hilfsorganisationen
Rechtliche Grundlage für die Tätigkeit von Ersthelfergruppen in der Trägerschaft von Hilfsorganisationen sind die jeweiligen Satzungen. Erste Hilfe gehört regelmäßig zu den satzungsmäßigen Aufgaben der Hilfsorganisationen.
1.1.2 Bayerisches Feuerwehrgesetz (BayFwG)
Rechtliche Grundlage für die Tätigkeit von Ersthelfergruppen der Feuerwehren ist Art. 4 Abs. 3 BayFwG. Feuerwehren dürfen gemäß Art. 4 Abs. 3 BayFwG zusätzlich zu ihren Pflichtaufgaben auch andere Aufgaben durchführen, wenn ihre Einsatzbereitschaft dadurch nicht beeinträchtigt wird. Voraussetzung für die Übernahme dieser freiwilligen Aufgaben, zu denen auch die Tätigkeit von Ersthelfergruppen gehört, ist es, dass die Gemeinde, die Träger der Feuerwehr ist, eingewilligt hat.
Für die Tätigkeit in Ersthelfergruppen haben Feuerwehrdienstleistende keinen Anspruch auf Freistellung nach Art. 9 Abs. 1 BayFwG, da es sich nicht um eine Pflichtaufgabe der Feuerwehr handelt.
2. Verhältnis zum öffentlichen Rettungsdienst
Ersthelfergruppen ergänzen den öffentlichen Rettungsdienst in Fällen, in denen dies medizinisch sinnvoll erscheint (siehe hierzu unter Nr. 4.4 Alarmierungsplanung).
Entsprechen die Versorgungsstrukturen in einem Rettungsdienstbereich nicht (mehr) dem rettungsdienstlichen Bedarf im Sinn des Art. 7 Abs. 2 BayRDG, ist die Einrichtung von einer oder mehreren Ersthelfergruppen keine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der rettungsdienstlichen Versorgung. Vielmehr ist der zuständige Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung im Rahmen seiner Sicherstellungsverpflichtung gesetzlich verpflichtet, die Versorgungsstrukturen regelmäßig auf ihre Bedarfsgerechtigkeit zu überprüfen und darüber zu entscheiden, welche Strukturmaßnahmen im öffentlichen Rettungsdienst zur Verbesserung nötig sind (vgl. Art. 5 Abs. 1 BayRDG).
Ersthelfergruppen dürfen grundsätzlich keine dem öffentlichen Rettungsdienst vorbehaltenen, nach Art. 21 Abs. 1 BayRDG genehmigungspflichtigen Maßnahmen vornehmen. Sie sind nicht Bestandteil des öffentlichen Rettungsdienstes. Dies schließt grundsätzlich die Verrechnung medizinischer Hilfeleistungen gegenüber Hilfeempfängern und Sozialversicherungsträgern aus. Ersthelfergruppen, in denen Ärztinnen/Ärzte mitwirken, die für ihre Leistungen als Ersthelferinnen/Ersthelfer liquidieren möchten, sollen von den Zweckverbänden keine Zustimmung im Sinn von Nr. 3 dieses Leitfadens erhalten, da sonst eine Gemengelage mit dem Notarztdienst entsteht, die dessen Organisation beeinträchtigen kann.
Bei Eintreffen des Rettungsdienstes/Notarztdienstes haben Ersthelfergruppen hilfebedürftige Personen an die Einsatzkräfte des öffentlichen Rettungsdienstes zu übergeben und diese über die geleisteten Maßnahmen der Ersten Hilfe zu informieren. Soweit es erforderlich ist, unterstützen die Ersthelfer die Einsatzkräfte des Rettungsdienstes und den Notarzt nach deren Anleitung. Ein Transport von Patienten durch Ersthelfergruppen ist grundsätzlich unzulässig. Dieser ist dem öffentlichen Rettungsdienst vorbehalten und grundsätzlich genehmigungspflichtig (Ausnahmen von der Genehmigungspflicht regelt Art. 21 Abs. 2 BayRDG). Der Verstoß gegen rettungsdienstliche Genehmigungspflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 54 Abs. 1 Nr. 1 BayRDG dar und kann mit Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
3. Zustimmung des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung zur Alarmierung von örtlichen Einrichtungen der organisierten Ersten Hilfe
Auch wenn die Ersthelfergruppen nicht Bestandteil des organisierten öffentlichen Rettungsdienstes sind, steht ihr Einsatz stets in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erledigung rettungsdienstlicher Aufgaben. Dies folgt bereits aus der Zielsetzung, das therapiefreie Intervall bis zum Eintreffen des öffentlichen Rettungsdienstes zu verkürzen. Die Alarmierung von Ersthelfergruppen ist – unabhängig davon, welche Organisation die Ersthelfergruppe trägt oder stellt – ausschließlich und unmittelbar den Integrierten Leitstellen (bzw. Rettungsleitstellen, wo Integrierte Leitstellen noch nicht errichtet sind) vorbehalten. Dies gilt auch für „First-Responder“-Gruppen der Feuerwehren.
Durch den gesetzlichen Zustimmungsvorbehalt für die Alarmierung durch die Integrierten Leitstellen (Art. 2 Abs. 6 ILSG) wird sichergestellt, dass Ersthelfergruppen nicht ohne Abstimmung mit den zuständigen Aufgabenträgern des Rettungsdienstes unkoordiniert in die Alarmierung aufgenommen werden. Der Zustimmungsvorbehalt gewährleistet die Störungsfreiheit des rettungsdienstlichen Betriebs und die Alarmierungssicherheit.
Ob eine Störung zu erwarten ist, soll der Zweckverband vor seiner Entscheidung unter Beteiligung der Integrierten Leitstelle und des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst prüfen. In diesem Zusammenhang hat der Träger der Ersthelfergruppe eine schriftliche Selbstverpflichtungserklärung über die Anerkennung und Einhaltung der vom Zweckverband auf Grundlage dieses Leitfadens entwickelten Anforderungen vorzulegen.
Durch die Zustimmung erfolgt weder eine Beauftragung der Ersthelfergruppen noch übernehmen der Freistaat Bayern oder der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung eine Verantwortung oder Haftung für deren Tätigkeit. Die Eigenverantwortlichkeit des Projektträgers und die seiner Angehörigen/Mitarbeiter bleiben unberührt.
Die Zustimmung erfolgt schriftlich gegenüber der Integrierten Leitstelle und dem Träger der Ersthelfergruppe. Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung regelt darin verbindlich, von welchem Standort aus, für welches Einsatzgebiet und für welche Tätigkeiten die Ersthelfergruppe von der Integrierten Leitstelle eingesetzt werden kann. Er stützt seine Entscheidung maßgeblich auf die dokumentierten Einsatzdaten des Rettungsdienstes. Von der Festlegung eines fixen Standortes kann zugunsten der Festlegung (nur) des Einsatzgebiets abgesehen werden, wenn die Alarmierungssicherheit gewährleistet ist. Sie ist mit dem Hinweis zu versehen, dass die Zustimmung jederzeit widerruflich ist für den Fall, dass die Ersthelfergruppe das Funktionieren des öffentlichen Rettungsdienstes/Notarztdienstes beeinträchtigt oder ihre Aufgabe nicht sachgerecht erfüllt. Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst wird durch eine Kopie des Zustimmungsschreibens unterrichtet. Beschwerden über die Tätigkeit von Ersthelfergruppen prüft der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung.
4. Organisation und Einsatz von Ersthelfergruppen
4.1 Organisationsgrad
Organisierte Erste Hilfe liegt nur vor, wenn der Träger über einen gewissen Organisationsgrad verfügt und nachhaltig, planmäßig und auf Dauer in der Ersten Hilfe tätig wird. Die Übernahme der Alarmierung einer Ersthelfergruppe durch die Integrierte Leitstelle setzt voraus, dass der Einsatz der Ersthelfergruppe für die Integrierte Leitstelle planbar und zuverlässig sein muss, das heißt, dass eine Ersthelfergruppe zu feststehenden Zeiten einsatzbereit und alarmierbar sein muss. Aus planerischer Sicht ist eine 24-stündige Einsatzbereitschaft wünschenswert. Mit dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung kann auch eine kürzere Bereitschaft verbindlich vereinbart werden. Die Hilfeleistung erfolgt möglichst im Zwei-Helfer-System.
Sind in einem Bereich mehrere Ersthelfergruppen tätig, so hat der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung bei der Zustimmung darauf zu achten, dass die Zeiten der Einsatzbereitschaft aufeinander abgestimmt sind. Alternativ besteht die Möglichkeit, dass mehrere Träger von Ersthelfergruppen im Rahmen einer Kooperation gemeinsam eine Ersthelfergruppe aufstellen. Aus Gründen der Stammdatenversorgung für die Integrierte Leitstelle ist die Ersthelfergruppe dann jedoch fest einem Fachdienst (Rettungsdienst oder Feuerwehr) zuzuordnen.
4.2 Standortauswahl
Die Standortwahl durch den Träger der Ersthelfergruppe ist grundsätzlich mit dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung, dessen Zustimmung für die Alarmierung notwendig ist, und der Integrierten Leitstelle abzustimmen. Die unmittelbare Nähe zu einer Rettungswache schließt einen Standort für eine Ersthelfergruppe nicht zwingend aus, weil die dort stationierten Rettungsmittel im Einzelfall auch anderweitig im Einsatz gebunden sein können.
4.3 Tätigkeitsbereich
Der Tätigkeit der Ersthelferinnen/Ersthelfer soll grundsätzlich auf folgende medizinische Hilfeleistungen beschränkt werden:
– Beurteilung der Vitalfunktionen,
– Behandlung von Vitalfunktionsstörungen,
– sonstige Erste-Hilfe-Maßnahmen.
Daneben können im Zusammenhang mit der medizinischen Hilfeleistung stehende organisatorische Maßnahmen (wie z.B. das Absichern der Einsatzstelle, qualifizierte Rückmeldung an die Integrierte Leitstelle, Transport einer Rettungshubschrauberbesatzung zur Einsatzstelle) durchgeführt werden. Eine Alarmierung nur für organisatorische Hilfemaßnahmen erfolgt nicht.
4.4 Alarmierungsplanung
Die Alarmierung einer Ersthelfergruppe ist nur sinnvoll, wenn dadurch ein medizinisch relevanter Zeitvorteil bis zum Eintreffen des gleichzeitig alarmierten öffentlichen Rettungsdienstes erreicht werden kann. Die planerische Festlegung, in welchen Fällen und welchen Regionen des Rettungsdienstbereichs ein medizinisch relevanter Zeitvorteil zu erwarten ist, erfolgt durch den Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung im Rahmen der Alarmierungsplanung. Auf dieser Grundlage entscheidet die Integrierte Leitstelle unter Berücksichtigung des Meldebildes und der konkreten Umstände des Einzelfalls über den Einsatz der Ersthelfergruppen. Eine generalisierende Festlegung auf eine bestimmte Minutenfrist ist problematisch. In bestimmten Fällen (z.B. Herzstillstand, Kammerflimmern) kann jede Minute Zeitvorsprung für die Rettung eines Menschenlebens von Bedeutung sein, während in anderen Fällen (keine unmittelbare vitale Gefährdung) auch ein längeres Zuwarten auf den Rettungsdienst ohne die Gefahr medizinischer Nachteile für den Patienten möglich ist.
Medizinisch sinnvoll erscheint eine Verkürzung des therapiefreien Intervalls durch Einsatz von Ersthelfergruppen insbesondere bei Patienten in akut lebensbedrohlichen Situationen. Einen Anhaltspunkt bietet insoweit der bayerische Notarztindikationenkatalog. Der Einsatz von Ersthelfern ist danach vor allem sinnvoll, wenn nach dem Meldebild eine der folgenden Zustandsbeschreibungen für den Notfallpatienten oder eine der folgenden Notfallbeschreibungen zutrifft:
– Bewusstlosigkeit,
– ausgeprägte oder akute zunehmende Atemnot, Zyanose, Atemstillstand,
– Kreislaufstillstand, Verdacht auf Kammerflimmern, Vernichtungsschmerz,
– Sturz aus großer Höhe,
– Polytrauma,
– schwere äußere Blutung.
Soweit sich bei der Notrufabfrage über den Zustand des Patienten kein klares Bild ermitteln lässt, kann ein Einsatz von Ersthelfern auch bei Notfallsituationen, die erfahrungsgemäß eine der vorstehend genannten Störungen der Vitalfunktionen wahrscheinlich machen, sinnvoll sein.
Ersthelfergruppen sollen nicht zu Einsätzen, die voraussichtlich mit einem hohen Gefährdungspotential für die Helfer verbunden sind (z.B. Amoklagen, CBRNE-Gefahren), alarmiert werden.
Insgesamt sollte das Einsatzspektrum der Ersthelferinnen/Ersthelfer nicht überspannt werden, um eine die ehrenamtliche Ausübung überfordernde Belastung bei der erforderlichen Ausbildung zu vermeiden.
Aus Gründen der Stammdatenversorgung für die Integrierte Leitstelle ist die Ersthelfergruppe fest einem Fachdienst (Rettungsdienst oder Feuerwehr) zuzuordnen.
4.5 Alarmierung
Wird ein Ersthelfer eingesetzt, alarmiert die Integrierte Leitstelle grundsätzlich die am schnellsten verfügbare Ersthelfergruppe. Die Alarmierung erfolgt ausschließlich durch die Integrierte Leitstelle nach Maßgabe der Alarmierungsplanung anhand des Meldebilds. Die Ersthelfergruppen unterliegen im Einsatz den Weisungen der Integrierten Leitstelle. Die Zustimmung des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung zur Alarmierung einer Ersthelfergruppe bedeutet nicht, dass diese einen Anspruch darauf hat, alarmiert zu werden.
4.6 Alarmierungswege, BOS-Funk-Nutzung
Ersthelfergruppen werden ausschließlich und unmittelbar von der zuständigen Integrierten Leitstelle alarmiert. Ersthelfergruppen als solche gehören nicht zu den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Deshalb alarmiert die Integrierte Leitstelle sie grundsätzlich über öffentliche Netze (z.B. über Mobilfunk). Etwas anderes gilt, wenn der Träger der Ersthelfergruppe ein Berechtigter im Sinn der BOS-Funkrichtlinie ist. In diesen Fällen erfolgt die Alarmierung der Ersthelfergruppe vorrangig über BOS-Meldeempfänger. Soweit der Träger der Ersthelfergruppe zusätzlich über eine Frequenzzuteilung für den analogen BOS-Funk durch die Bundesnetzagentur verfügt, dürfen auch die im Rahmen der Ersthelfertätigkeit eingesetzten Fahrzeuge des Trägers mit BOS-Funkgeräten ausgerüstet werden. Die Nutzung des digitalen BOS-Funks bleibt zukünftigen Regelungen vorbehalten.
5. Personal
5.1 Eignung
Ersthelfer müssen über die für die Tätigkeit erforderliche Reife, körperliche und gesundheitliche Eignung verfügen und sollen mindestens 18 Jahre alt sein. Über die gesundheitliche Eignung soll sich der Träger der Ersthelfergruppe ein ärztliches Attest vorlegen lassen. Bei Helfern, die hauptamtlich als Einsatzpersonal im öffentlichen Rettungsdienst oder bei der Feuerwehr tätig sind, wird die Eignung grundsätzlich vermutet.
Ersthelfer sollen sich zur Verschwiegenheit verpflichten.
5.2 Ausbildung
Als Ersthelfer darf nur eingesetzt werden, wer eine der Aufgabe entsprechende Grundqualifikation nachweisen kann. Die Ausbildung soll in erster Linie die Kenntnisse und Handlungskompetenzen für das oben genannte Einsatzspektrum vermitteln. In jedem Fall gehören zu den Pflichtinhalten der Ausbildung das Erkennen und Beurteilen der Vitalfunktionen, die Basisreanimation einschließlich der Anwendung automatisierter externer Defibrillatoren (AED), einfaches Atemwegsmanagement und Beatmung mit Hilfsmitteln, Sauerstoffapplikationstechniken sowie Maßnahmen der Blutstillung und Lagerung und der Immobilisation der Halswirbelsäule. In der Ausbildung sollte der Schwerpunkt auf Praxistraining und Fallbeispiele gelegt werden.
Die Ausbildungsdauer im Rahmen der Grundqualifikation muss mindestens 48 Stunden umfassen. Eine Vertiefung auf 80 Stunden oder mehr wird empfohlen, insbesondere wenn die Ersthelfergruppe häufiger zum Einsatz kommt. Empfehlungen für Ausbildungsprogramme (48 bzw. 80 Stunden) sind in den Anlagen 1 und 2 enthalten.
Aktive Rettungssanitäter oder Rettungsassistenten benötigen grundsätzlich keine zusätzliche medizinische Ausbildung.
5.3 Frühdefibrillation
Die Ausbildung für Frühdefibrillation und die Anwendung automatisierter externer Defibrillatoren (AED) muss unter ärztlicher Aufsicht entsprechend den Grundsätzen der Bundesarbeitsgemeinschaft „Erste Hilfe“ zur Frühdefibrillation durch Laien und den Empfehlungen der Bundesärztekammer zur Defibrillation mit automatisierten externen Defibrillatoren (AED) durch Laien sowie der Stellungnahme der Bundesärztekammer zur ärztlichen Verantwortung für die Aus- und Fortbildung von Nichtärzten in der Frühdefibrillation erfolgen. Weiterhin sind die Vorschriften des Medizinproduktegesetzes (MPG) und der Medizinprodukte-Betreiber-Verordnung (MPBetreibV) zu berücksichtigen.
5.4 Fortbildung
Eine regelmäßige Fortbildung mit Praxistraining von mindestens vier Stunden pro Halbjahr muss gewährleistet sein. Die Regelungen für die Fortbildung für die Anwendung von AED bleiben davon unberührt.
6. Mindestausrüstung der Ersthelfergruppe
Entsprechend den Einsatzindikationen der Ersthelfergruppen sind vor allem die Ausrüstungsgegenstände, die für die Behandlung von Störungen der Vitalfunktionen innerhalb der ersten Minuten zwingend erforderlich sind, nötig. Zu den häufigsten und zeitkritischsten außerklinischen Notfällen zählt der Herzstillstand. Automatisierte externe Defibrillatoren (AED) gehören deshalb zur Mindestausstattung. Die medizinische Ausstattung soll sich an der Ausstattung eines Notfall-Sanitätskoffers (DIN 13155) orientieren und neben dem Verbandsmaterial mindestens ein Produkt zur Immobilisierung der Halswirbelsäule, Sauerstoffapplikationsmöglichkeiten und Beatmungshilfen einschließlich einer Absaugpumpe umfassen.
7. Qualitätsmanagement
7.1 Dokumentation, Berichtspflicht
Jeder Einsatz ist zu dokumentieren und auszuwerten. Empfohlen werden dafür insbesondere der Dokumentationsbogen „Helfer vor Ort“ des Bayerischen Roten Kreuzes, das Einsatzprotokoll „First Responder“ des Landesfeuerwehrverbandes Bayern oder das Einsatzprotokoll, das ÄLRD gemeinsam mit INM und ANR entwickelt haben. Einsätze müssen in der Ersthelfergruppe grundsätzlich nachbesprochen werden.
Die Ersthelfergruppen berichten einmal jährlich zusammenfassend an den Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung über ihre Tätigkeit.
7.2 Ärztliche Qualitätskontrolle
Die Tätigkeit der Ersthelfergruppen wird durch den Ärztlichen Leiter Rettungsdienst begleitet. Er berät den Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung bei der Frage, ob eine Zustimmung zur Alarmierung einer Ersthelfergruppe erteilt werden soll und überprüft auf Grundlage der Einsatzdaten regelmäßig, ob das Einsatzgebiet der Ersthelfergruppe aus fachlicher Sicht (noch) richtig festgelegt ist. Zu den Aufgaben des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst gehört es, die Aus- und Fortbildungskonzepte und deren Umsetzung durch die Ersthelfergruppen zu überwachen und die Durchführung eines Qualitätsmanagements, das sich vor allem auf die Auswertung der Dokumentation stützt, zu überprüfen. Einsatznachbesprechungen sollen mit allen Mitgliedern einer Ersthelfergruppe geführt werden, da dies nach aller Erfahrung den höchsten Fortbildungsnutzen bringt.
8. Haftung, Versicherungsschutz
Die Haftung für Schäden bei der Leistung von Erster Hilfe richtet sich nach den allgemeinen Regelungen des Zivilrechts. Die Frage der Haftung für die Tätigkeit der organisierten Ersten Hilfe ist jedoch – soweit ersichtlich – gerichtlich noch nicht entschieden worden. Es wird daher empfohlen, dass der Träger einer Ersthelfergruppe eine Versicherung abschließt und hierüber dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung eine Bestätigung vorlegt.
8.1 Unfallversicherung
Ersthelferinnen und Ersthelfer sind für ihre Tätigkeit gesetzlich unfallversichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII).
8.2 Haftpflichtversicherung
Soweit Ersthelfergruppen von Hilfsorganisationen oder Feuerwehren getragen werden, muss die jeweilige Organisation für einen entsprechenden Haftpflichtversicherungsschutz Sorge tragen. Bei Ersthelfergruppen, die als rechtlich unselbstständige Vereinigung organisiert sind, besteht grundsätzlich ein Haftpflichtversicherungsschutz durch die Bayerische Ehrenamtsversicherung. Dieser ist jedoch gegenüber anderweitig bestehenden Versicherungen nachrangig. Der Versicherungsschutz für das eingesetzte Kraftfahrzeug muss auch den Einsatz des Fahrzeugs im Rahmen der Tätigkeit der organisierten Ersten Hilfe umfassen.
9. Sonderwarneinrichtungen, Sonderrechte
Aufgrund einer Regelung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie vom 8. Oktober 2003 (Az.: 7320 a 52 - VII/6a - 4 598) ist es unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, dass Einsatzfahrzeuge von Ersthelfergruppen auf Grundlage einer Ausnahmegenehmigung mit Sonderwarneinrichtungen (Kennleuchten für blaues Blinklicht und Einsatzhorn) ausgerüstet werden (§ 70 Abs. 1 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Nr. 2, § 55 Abs. 3 StVZO). So muss sich dabei insbesondere das Fahrzeug in der alleinigen Verfügungsgewalt des Trägers der Ersthelfergruppe befinden. Außerdem dürfen Fahrzeuge, die nicht in der Trägerschaft einer Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Durchführenden des Rettungsdienstes stehen, nur dauerhaft mit Sonderwarneinrichtung ausgestattet werden, wenn diese Fahrzeuge ausschließlich zu Fahrten eingesetzt werden, die dem Dienst der örtlichen Einrichtungen organisierter Erster Hilfe zuzuordnen sind. Ansonsten ist das blaue Blinklicht bzw. eine technische Einheit aus blauem Blinklicht und Einsatzhorn schnell abnehmbar auszuführen und abzunehmen, wenn das Fahrzeug außerhalb des Dienstes der organisierten Ersten Hilfe benutzt wird. Zuständig für die Erteilung der Ausnahmegenehmigungen sind die Regierungen. In Zweifelsfällen können die Regierungen das Führen eines Fahrtenbuchs verlangen. Die Sonderwarneinrichtungen dürfen nur im Rahmen des § 38 StVO verwendet werden, d.h. wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
Die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Sonderrechten richtet sich nach der Vollzugsbekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 10. September 2012 (AllMBl S. 676).
10. Motorradstreifen
Eine Sonderform der Einrichtungen organisierter Erster Hilfe stellen die Motorradstreifen der Hilfsorganisationen dar. Auf sie findet dieser Leitfaden keine Anwendung. Die Integrierten Leitstellen alarmieren Motorradstreifen in geeigneten Fällen.
Ausbildung 48 Unterrichtsstunden (UE)
Erste-Hilfe-Ausbildung
16 UE
Herz-Kreislauf-System – Funktion, Störungen, Erkrankungen
2 UE
Atmungssystem – Funktion, Störungen, Erkrankungen
1 UE
Bewusstsein (Nervensystem) – Störungen, Erkrankungen
1 UE
Bewegungsapparat, Traumatologie
1 UE
Organisation, Einsatztaktik
2 UE
Atemwegsmanagement, Sauerstoff-Applikationstechniken, Beatmung
2 UE
Cardiopulmonale Reanimation inkl. automatisierte externe Defibrillation
1 UE
Rettungstechniken, Immobilisation der HWS, Lagerung und Blutstillung
2 UE
Atemwegsmanagement
1 UE
Sauerstoff-Applikationstechniken
1 UE
Beatmung mit Hilfsmitteln
2 UE
Cardiopulmonale Reanimation inkl. automatisierte externe Defibrillation
4 UE
Rettungstechniken
1 UE
Immobilisation der Halswirbelsäule, Lagerung
2 UE
Blutstillung
1 UE
8 UE
Ausbildung 80 Unterrichtsstunden (UE)
Erste-Hilfe-Ausbildung
16 UE
Herz-Kreislauf-System – Funktion, Störungen, Erkrankungen
4 UE
Atmungssystem – Funktion, Störungen, Erkrankungen
4 UE
Bewusstsein (Nervensystem) – Störungen, Erkrankungen
3 UE
Blut und Gefäßsystem, Haut, andere Organsysteme
2 UE
Bewegungsapparat, Traumatologie
3 UE
Atemwegsmanagement, Sauerstoff-Applikationstechniken, Beatmung
2 UE
Cardiopulmonale Reanimation inkl. automatisierte externe Defibrillation
2 UE
Rettungstechniken, Immobilisation und Lagerung
1 UE
Blutstillung, Wund- und Verbrennungsversorgung
1 UE
Organisation, Einsatztaktik, rechtliche Grundlagen, Hygiene
4 UE
Atemwegsmanagement
3 UE
Sauerstoff-Applikationstechniken inkl. Vorbereiten der Intubation
2 UE
Beatmung mit Hilfsmitteln
3 UE
Cardiopulmonale Reanimation inkl. automatisierte externe Defibrillation
4 UE
Rettungstechniken, Immobilisation und Lagerung
4 UE
Blutstillung, Wund- und Verbrennungsversorgung
2 UE
Vorbereiten von Medikamenten und Infusionen
2 UE
Lernzielkontrolle
4 UE
14 UE
Feedback