Neufassung des Düsseldorfer Abkommens zwischen den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens
Auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Hamburg wurde am 28. Oktober 1964 die nachstehende Neufassung des Abkommens zwischen den Ländern zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens unterzeichnet. Die Bayerische Staatsregierung hat dem Abkommen am 17. November 1964 zugestimmt.
Die Neufassung des Düsseldorfer Abkommens lässt in einer Reihe von Fällen mehrere Wege offen. Soweit das Abkommen den bestehenden bayerischen Vorschriften nicht ohnehin entspricht, treten seine einzelnen Bestimmungen erst auf Grund gesetzlicher Regelung oder mit weiteren Verlautbarungen des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus in Kraft.
Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus
I. A. Dr. Alfred Theobald
Wortlaut des Abkommens:
Das Land Baden-Württemberg, vertreten durch den Ministerpräsidenten,
Herrn Kurt Georg Kiesinger,
der Freistaat Bayern, vertreten durch den Ministerpräsidenten,
Herrn Dr. h. c. Alfons Goppel,
das Land Berlin, vertreten durch den Senator für Bundesangelegenheiten,
Herrn Klaus Schütz,
die Freie Hansestadt Bremen, vertreten durch den Präsidenten des Senats,
Herrn Bürgermeister Willy Dehnkamp,
die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Präsidenten des Senats,
Herrn Ersten Bürgermeister Dr. Paul Nevermann,
das Land Hessen, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Herrn Dr. h. c Dr. e. h. Georg
August Zinn,
das Land Niedersachsen, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Herrn
Dr. Georg Diederichs,
das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Ministerpräsidenten,
Herrn Dr. Franz Meyers,
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Herrn
Dr. h. c. Peter Altmeier,
das Saarland, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Herrn Dr. Franz Josef Röder,
und
das Land Schleswig-Holstein, vertreten durch den Ministerpräsidenten,
Herrn Dr. Helmut Lemke,
schließen zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens nachstehendes Abkommen:
Das Schuljahr beginnt an allen Schulen am 1. August und endet am 31. Juli des folgenden Kalenderjahres.
(1) Die Schulpflicht beginnt für alle Kinder, die bis zum Beginn des 30. Juni eines Jahres das sechste Lebensjahr vollendet haben, am 1. August desselben Jahres.
(2) Die Vollzeitschulpflicht endet nach neun Schuljahren. Die Ausdehnung auf ein zehntes Schuljahr ist zulässig.
(1) Die Ferien werden in erster Linie nach pädagogischen Gesichtspunkten festgesetzt.
(2) Ihre Gesamtdauer während eines Schuljahres beträgt 75 Werktage.
(3) Aus besonderen Gründen von der Unterrichtsverwaltung für schulfrei erklärte Tage, die außerhalb der Ferien liegen, werden nicht mitgerechnet.
(4) Die Sommerferien sollen in der Zeit zwischen dem 1. Juli und dem 10. September liegen. Sie werden regional gestaffelt. Über die Festsetzung der Sommerferientermine in den einzelnen Ländern trifft die Ständige Konferenz der Kultusminister für jedes Jahr eine Vereinbarung.
(5) Weitere zusammenhängende Ferienabschnitte liegen zur Oster- und Weihnachtszeit. Die Unterrichtsverwaltung kann einen kürzeren Ferienabschnitt zu Pfingsten und im Herbst festsetzen sowie einzelne bewegliche Ferientage zur Berücksichtigung besonderer örtlicher Verhältnisse zulassen.
(1) Die für alle Schüler gemeinsame Unterstufe trägt die Bezeichnung „Grundschule".
(2) Die auf der Grundschule aufbauenden Schulen tragen die Bezeichnung „Hauptschule", „Realschule" oder „Gymnasium".
(3) Grundschule und Hauptschule können auch die Bezeichnung „Volksschule" tragen.
(4) Ein für alle Schüler gemeinsames 5. und 6. Schuljahr kann die Bezeichnung „Förder- oder Beobachtungsstufe" tragen.
Schulen für Kinder und Jugendliche mit körperlicher, seelischer oder geistiger Behinderung tragen die Bezeichnung „Sonderschulen".
(1) Schulen, die in den in § 10 näher bezeichneten Formen eine über die Hauptschule hinausgehende allgemeine Bildung vermitteln, tragen die Bezeichnung „Realschule".
(2) Schulen, die Berufstätige in Abendkursen zum Realschulabschluss führen, tragen die Bezeichnung „Abendrealschule".
Schulen, die am Ende der Klasse 12 zur Fachhochschulreife führen, tragen die Bezeichnung „Fachoberschule".
(1) Schulen, die am Ende der 13. Klasse zur allgemeinen Hochschulreife oder zu einer fachgebundenen Hochschulreife führen, tragen die Bezeichnung „Gymnasium". Sie kann durch einen Zusatz ergänzt werden, der den Schultyp angibt.
(2) Schulen, die Berufstätige in Abendkursen zur allgemeinen Hochschulreife oder zu einer fachgebundenen Hochschulreife führen, tragen die Bezeichnung „Abendgymnasium".
(3) Institute zur Erlangung der Hochschulreife tragen die Bezeichnung „Kolleg."
Die Klassen werden vom ersten Grundschuljahr aufsteigend von Klasse 1 bis 13 durchgezählt.
(1) Die Hauptschule schließt an die Grundschule an und endet mit der 9. Klasse. Eine 10. Klasse ist zulässig.
(2) Es wird eine Fremdsprache, in der Regel Englisch, gelehrt. Sie beginnt in der 5. Klasse.
(1) Die Organisationsformen der Realschule sind:
a) die Normalform,
b) die Aufbauform.
(2) Es wird eine Pflichtfremdsprache, in der Regel Englisch, gelehrt. Eine zweite Fremdsprache kann als Wahlfach gelehrt werden.
(3) Die Realschule der Normalform ist sechs- oder vierklassig. Die vierklassige Form setzt lehrplanmäßigen Unterricht in einer Fremdsprache in der 5. und 6. Klasse voraus.
(4) Für Schüler der Hauptschule schließt die Realschule in Aufbauform spätestens an die 7. Klasse an, wenn Kenntnisse in einer Fremdsprache nicht vorausgesetzt werden.
(5) Die Realschule endet mit der 10. Klasse.
(6) Der Übergang in die Realschule wird durch ein Aufnahmeverfahren geregelt.
(1) Die Fachoberschule umfasst die Klassen 11 und 12. Sie vermittelt eine praktische Ausbildung und eine wissenschaftlich-theoretische Bildung.
(2) Es wird eine Pflichtfremdsprache gelehrt. Eine zweite Fremdsprache kann als Wahlfach gelehrt werden.
(3) Die Fachoberschule gliedert sich in verschiedene Schultypen. Die Unterrichtspläne der einzelnen Schultypen müssen den Bestimmungen der Vereinbarungen der Kultusminister der Länder über die gegenseitige Anerkennung der Fachoberschulreifezeugnisse entsprechen.
(1) Für Bewerber mit dem Abschlusszeugnis der Realschule oder einer gleichwertigen Vorbildung ohne Lehre dauert der Besuch der Fachoberschule zwei Jahre. Mindestens die Hälfte dieser Zeit dient der wissenschaftlich-theoretischen Bildung.
(2) Bei Bewerbern
1. mit dem Abschlusszeugnis der Hauptschule und dem Abschlusszeugnis einer Berufsaufbauschule oder
2. mit dem Abschlusszeugnis der Realschule oder einer gleichwertigen Vorbildung, die eine Lehre mit dem vorgeschriebenen berufsbegleitenden Unterricht in einem Beruf absolviert haben, kann diese Ausbildung bis zur Dauer eines Jahres auf den Besuch der Fachoberschule angerechnet werden.
(1) Die Organisationsformen des Gymnasiums sind:
a) die Normalform,
b) die Aufbauform.
(2) Das Gymnasium der Normalform ist neun- und siebenklassig. Die siebenklassige Form setzt lehrplanmäßigen Unterricht in einer Fremdsprache in der 5. und 6. Klasse voraus.
(3) Für Schüler der Hauptschule schließt das Gymnasium in Aufbauform spätestens an die 7. Klasse an, wenn Kenntnisse in einer Fremdsprache nicht vorausgesetzt werden.
(4) Für Schüler der Realschule schließt das Gymnasium in Aufbauform spätestens an die 10. Klasse an und dauert dann mindestens drei Jahre. Es setzt Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache nicht voraus.
(5) Der Übergang in das Gymnasium wird durch ein Aufnahmeverfahren geregelt.
Unbeschadet der in § 13 Buchst, c) eröffneten Möglichkeit der Einführung einer dritten Fremdsprache ab Klasse 9 gliedert sich das Gymnasium von der 11. Klasse ab in verschiedene Schultypen. Die Unterrichtspläne der einzelnen Schultypen müssen den Bestimmungen der Vereinbarungen der Kultusminister der Länder über die gegenseitige Anerkennung der Reifezeugnisse entsprechen.
Für die Sprachenfolge in den Gymnasien der Normalform, die zur allgemeinen Hochschulreife führen, gelten folgende Bestimmungen:
a) Der Unterricht in der ersten Fremdsprache beginnt in der 5. Klasse. Die erste Fremdsprache ist eine lebende Fremdsprache oder Latein. Die Erfordernisse der Einheitlichkeit des Schulwesens in der Bundesrepublik Deutschland und der Durchlässigkeit zwischen den Schulformen sind zu berücksichtigen;
b) der Unterricht in der zweiten Fremdsprache beginnt in der 7. Klasse. Zweite Fremdsprache können sein: Latein, Französisch und Englisch;
c) frühestens von der 9. Klasse ab kann eine dritte Fremdsprache gelehrt werden. Für Schüler, die das Reifezeugnis des altsprachlichen Schultyps erwerben wollen, beginnt der pflichtmäßige Griechischunterricht in der 9. Klasse. Dafür können sich nur Schüler entscheiden, die Latein als erste oder zweite Fremdsprache gelernt haben.
(1) In den zur allgemeinen Hochschulreife führenden Aufbauformen der Gymnasien für Schüler der Hauptschule ist Englisch in der Regel erste Fremdsprache. Die zweite Fremdsprache beginnt spätestens in der 9. Klasse.
(2) In den zur allgemeinen Hochschulreife führenden Aufbauformen der Gymnasien für Schüler der Realschule wird der Unterricht in der ersten Pflichtfremdsprache fortgesetzt. Der Pflichtunterricht in der zweiten Fremdsprache setzt mit Beginn dieser Aufbauform des Gymnasiums ein.
(3) Eine dritte Fremdsprache kann in diesen Aufbauformen nur als freiwillige Arbeitsgemeinschaft von der 11. Klasse ab gelehrt werden.
(1) Soweit ungeachtet dieser Vereinheitlichung beim Schulwechsel Härtefälle eintreten, sind nach näherer Weisung der Unterrichtsverwaltungen Übergangshilfen zu geben. Dabei kann auch auf ein Prüfungsfach verzichtet werden, wenn gleichzeitig die Anforderungen in einem anderen Fach erhöht werden.
(2) Für Schüler, die nicht in einer dritten Fremdsprache als Pflichtfach unterrichtet worden sind, wird beim Schulwechsel in ein anderes Land von der 10. Klasse ab auf die dritte Fremdsprache als Pflichtfach verzichtet.
Pädagogische Versuche, die von der in diesem Abkommen vereinbarten Grundstruktur des Schulwesens abweichen, bedürfen der vorherigen Empfehlung der Kultusministerkonferenz.
(1) Die in den Ländern ausgestellten Reifezeugnisse und sonstigen Abschlusszeugnisse von Schulen, die Gegenstand dieses Abkommens sind, werden anerkannt. Die Erteilung der Zeugnisse erfolgt nach Richtlinien der Kultusministerkonferenz.
(2) Dasselbe gilt von Zeugnissen über Erweiterungsprüfungen zur Reifeprüfung.
(1) Die nach Maßgabe der Empfehlungen der Kultusministerkonferenz durchgeführten Lehramtsprüfungen werden von den vertragsschließenden Ländern gegenseitig anerkannt.
(2) Die zweiten Lehramtsprüfungen aller vertragsschließenden Länder werden gegenseitig anerkannt.
(1) Für die Zeugnisse aller Lehramtsprüfungen werden folgende Noten festgesetzt:
Als Gesamturteile
„mit Auszeichnung bestanden"
„gut bestanden"
„befriedigend bestanden"
„bestanden"
Als Urteile für die einzelnen Fächer
„sehr gut"
„gut"
„befriedigend"
„ausreichend"
„mangelhaft"
„ungenügend"
(2) Für die Zeugnisse aller Schulen werden folgende Noten festgesetzt:
„sehr gut"
„gut"
„befriedigend"
„ausreichend"
„mangelhaft"
„ungenügend"
Soweit die Durchführung dieses Abkommens nach dem innerstaatlichen Recht eines Landes eine gesetzliche Regelung erfordert, werden die beteiligten Regierungen unverzüglich auf den Erlass entsprechender gesetzlicher Bestimmungen hinwirken.
Die Länder werden sich gegenseitig über die Durchführung dieses Abkommens unterrichten.
Dieses Abkommen kann frühestens nach Ablauf von fünf Jahren mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr jeweils zum 31. Juli des folgenden Jahres durch Erklärung gegenüber den beteiligten Ländern gekündigt werden.
Hamburg, den 28. Oktober 1964
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