GesUVV: Vollzug des § 62 des Asylgesetzes; Gesundheitsuntersuchung
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege bestimmt im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration zum Vollzug des § 62 des Asylgesetzes (AsylG) Folgendes:
1. Gesundheitsuntersuchung
1.1
¹Ausländer im Sinne von § 1 AsylG, die in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber zu wohnen haben, werden von der unteren Behörde für Gesundheit, Veterinärwesen, Ernährung und Verbraucherschutz (im Folgenden: Gesundheitsamt) ärztlich untersucht, in deren Bezirk die Unterkunft liegt. ²Die Untersuchung erfolgt spätestens am dritten Tag nach der Aufnahme und Registrierung des Ausländers in der Aufnahmeeinrichtung. ³Diese Gesundheitsuntersuchung kann auch durch Kooperationen des Gesundheitsamtes mit Dritten sichergestellt werden.
1.2
Vor der Gesundheitsuntersuchung wird den Betroffenen ein in mehreren Sprachen verfügbares Merkblatt über die Gesundheitsuntersuchung und die damit einhergehende Datenerhebung sowie ihren Erhebungszweck durch das Gesundheitsamt ausgehändigt.
1.3
¹Bei einer Weiterverlegung des Asylbewerbers in eine Gemeinschaftsunterkunft oder eine dezentrale Unterkunft sind die infektionsschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten. ²Sie darf erst nach abgeschlossener Untersuchung nach Nr. 2.2 sowie Freigabe durch das Gesundheitsamt und soll erst nach Durchführung der restlichen Untersuchungen nach Nr. 2 erfolgen.
1.4
¹Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 10 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister (AZR-Gesetz) sind im Kerndatensystem des Ausländerzentralregisters Daten zur Durchführung der Gesundheitsuntersuchung nach § 62 Abs. 1 AsylG und zur Untersuchung auf Vorliegen einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose nach § 36 Abs. 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), jeweils mit Ort und Datum, und gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 11 AZR-Gesetz Daten zur Durchführung von Impfungen mit Art, Ort und Datum der jeweiligen Impfung, elektronisch zu speichern. ²Die Gesundheitsämter sind zur unverzüglichen Übermittlung der entsprechenden Daten an die Registerbehörde nach § 6 Abs. 1 AZR-Gesetz verpflichtet. ³Gemäß § 18c AZR-Gesetz sind auf Ersuchen diese Daten an die für den öffentlichen Gesundheitsdienst zuständigen Behörden zur Prüfung, ob die erforderliche Gesundheitsuntersuchung und Impfungen durchgeführt wurden, zu übermitteln. ⁴Das Verfahren zur Umsetzung wird gesondert geregelt.
2. Untersuchungsumfang
Die Gesundheitsuntersuchung nach § 62 AsylG umfasst:
2.1
Eine körperliche Untersuchung auf Anzeichen einer übertragbaren Krankheit.
2.2
Eine Untersuchung zum Ausschluss einer Tuberkulose der Atmungsorgane.
¹Bei Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, ist eine Röntgenuntersuchung durchzuführen. ²Bei Minderjährigen bis zum vollendeten 15. Lebensjahr oder Schwangeren kommt anstatt der Röntgenuntersuchung ein anderes geeignetes Verfahren, z.B. Interferon-Gamma-Release-Assay (IGRA), zur Anwendung. ³Bei Personen, die das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist diese Untersuchung routinemäßig nicht erforderlich. ⁴Sollte bei Minderjährigen bis zum vollendeten 15. Lebensjahr bei dem geeigneten Verfahren ein positives Ergebnis festgestellt werden, sind weitere ärztliche Untersuchungen zum Ausschluss einer Tuberkulose einzuleiten. ⁵Bestehen bei einer Schwangeren tuberkuloseverdächtige Beschwerden, ist auch bei negativem IGRA umgehend eine weitere diagnostische Abklärung durch die behandelnde Ärztin bzw. den behandelnden Arzt erforderlich. ⁶Gleiches gilt, wenn mit ursprünglich negativem IGRA zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. nach der Entbindung, klinische Anhaltspunkte für eine ansteckungsfähige Tuberkulose auftreten. ⁷Die Gesundheitsämter veranlassen die notwendigen Schutzmaßnahmen gemäß §§ 28 ff. IfSG. ⁸Die Befundung soll zeitlich unmittelbar im Anschluss an die Untersuchung sichergestellt werden.
2.3
Eine serologische Untersuchung zum Ausschluss einer Infektion mit HIV I und II sowie Hepatitis B bei Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.
2.4
Anlassbezogene Stuhluntersuchung nach folgender Maßgabe:
Untersuchung auf Erreger der TPE-Ruhr-Gruppe.
Bei Asylbewerbern aus einem Herkunftsland mit hoher Prävalenz erfolgt eine Zusatzuntersuchung auf Darmparasiten und weitere Erreger aus der eingesandten Probe. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) bestimmt die Länder hoher Prävalenz aufgrund epidemiologischer Erkenntnisse. Ist die Zusatzuntersuchung aus epidemiologischen Gründen nicht erforderlich, wird dies auf dem Befundbogen der Stuhluntersuchung mitgeteilt.
Falls die Untersuchung, insbesondere wegen nicht ausreichenden Materials oder erfolgloser Testung im Labor, nicht durchgeführt werden kann und der Asylbewerber zwischenzeitlich weiterverlegt wurde, holt das nun zuständige Gesundheitsamt die Untersuchung nach.
3. Untersuchungsstelle
Die Laboruntersuchungen nach Nr. 2 erfolgen am LGL.
4. Befund- und Ergebnismitteilung
4.1
Das LGL teilt die Untersuchungsbefunde unverzüglich und unter Beachtung des Datenschutzes elektronisch verschlüsselt dem zuständigen Gesundheitsamt mit.
4.2
¹Das Ergebnis der Untersuchung gemäß § 62 Abs. 1 AsylG ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 AsylG der Unterbringungsbehörde mitzuteilen. ²Nach den Grundsätzen des Datenschutzes, der Verhältnismäßigkeit, der Datenvermeidung und Datensparsamkeit sowie angesichts der strengen Zweckbindung der sensiblen Gesundheitsdaten sind dabei nur diejenigen Daten zu übermitteln, die zur Erreichung des mit § 62 AsylG verfolgten Zwecks erforderlich sind. ³Demnach sind als „Ergebnis“ der Gesundheitsuntersuchung im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 1 AsylG nicht einzelne Untersuchungsbefunde, sondern das zusammengefasste Ergebnis der Untersuchung sowie die daraus ggf. resultierenden Konsequenzen zu verstehen. ⁴Das Gesundheitsamt teilt der Unterbringungsbehörde bei Hinweis auf eine Infektionskrankheit empfohlene Schutzmaßnahmen mit. ⁵Die Unterbringungsbehörde wird gebeten, diese umzusetzen.
4.3
¹Die Ergebnisse aus der Gesundheitsuntersuchung gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 AsylG sind dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unter Beachtung des Datenschutzes mitzuteilen. ²Wird bei der Untersuchung der Verdacht oder das Vorliegen einer meldepflichtigen Krankheit nach § 6 IfSG oder eine Infektion mit einem Krankheitserreger nach § 7 IfSG festgestellt, ist das Ergebnis der Untersuchung dem BAMF mitzuteilen. ³Der Begriff „Ergebnis“ entspricht der Definition unter Nr. 4.2. ⁴Dieses ist an die zuständige Stelle des BAMF zu übermitteln.
4.4 Befundmitteilung zwischen Gesundheitsämtern in Zusammenwirken mit der Unterbringungsbehörde bei Verlegung
Jeder positive Befund der Gesundheitsuntersuchung nach § 62 AsylG ist bei jeder Verlegung der Asylbewerberin bzw. des Asylbewerbers aus oder innerhalb der Aufnahmeeinrichtung oder einer Folgeeinrichtung durch das bisher zuständige Gesundheitsamt unter Beachtung des Datenschutzes an das jeweils neu zuständige Gesundheitsamt weiterzuleiten. Hierfür unterrichtet die Unterbringungsbehörde das Gesundheitsamt möglichst frühzeitig über eine beabsichtigte Verlegung und teilt ihm den neuen Aufenthaltsort mit. Dies hat nur bei den Asylsuchenden zu erfolgen, bei denen das Gesundheitsamt gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 AsylG die Unterbringungsbehörde über einen Hinweis, Verdacht auf eine bzw. Nachweis einer übertragbaren Krankheit informiert hat, die Gesundheitsuntersuchung nach § 62 AsylG noch unvollständig ist oder noch nicht alle Befunde vorliegen (siehe Nr. 1).
Auf dem Befund ist durch das durchführende Gesundheitsamt zu vermerken, dass und ob eine Aufklärung über Art der Erkrankung, Übertragungswege, Behandlungsmöglichkeiten und notwendige Schutzmaßnahmen durchgeführt wurde.
4.5 Befundmitteilung an die betroffene Asylbewerberin bzw. an den betroffenen Asylbewerber
Jeder positive Befund wird der betroffenen Person durch das zuständige Gesundheitsamt eröffnet.
Es erfolgt eine mündliche Aufklärung, ggf. unter Beiziehung eines Sprachmittlers unter Beachtung des Datenschutzes, über Art der Erkrankung, Übertragungswege und notwendige Schutzmaßnahmen.
Sollte eine mündliche Aufklärung nicht möglich sein, ist die Asylbewerberin bzw. der Asylbewerber in verständlicher Weise schriftlich aufzuklären.
Der Asylbewerberin bzw. dem Asylbewerber wird der positive Befund in Kopie und ggf. Informationsmaterial ausgehändigt mit der Empfehlung, ggf. eine behandelnde Ärztin bzw. einen behandelnden Arzt aufzusuchen und diese bzw. diesen über den Befund in Kenntnis zu setzen.
Die Asylbewerberin bzw. der Asylbewerber ist darauf hinzuweisen, dass sie bzw. er bei Verschlechterung der Erkrankung Kontakt zum Gesundheitsamt aufnehmen soll.
5. Unbegleitete Minderjährige (uM)
¹Jugendhilfeeinrichtungen, in denen auf Veranlassung der Jugendhilfe uM untergebracht werden, stellen Gemeinschaftsunterkünfte im Sinne des § 36 Abs. 4 IfSG dar. ²Anlässlich der Unterbringung in derartigen Einrichtungen werden uM auf Veranlassung der Jugendhilfe zeitnah und unter Beachtung der Altersgrenzen von demjenigen Gesundheitsamt, in dessen Bezirk die jeweilige Einrichtung liegt, auf übertragbare Krankheiten untersucht.
5.1
¹Die Untersuchung umfasst eine Untersuchung zum Ausschluss einer Tuberkulose der Atmungsorgane entsprechend Nr. 2.2. ²Das Gesundheitsamt stellt an die Leitung der entsprechenden Einrichtung ein ärztliches Zeugnis nach § 36 Abs. 4 Satz 1 IfSG aus.
5.2
Auf Veranlassung des für den uM zuständigen und verantwortlichen Jugendamtes (§§ 42 und 42a SGB VIII) sind darüber hinaus für die in Bayern verbleibenden, nicht verteilungsfähigen uM sowie ggf. aus anderen Ländern nach Bayern verteilte uM die Untersuchungen nach den Nrn. 2.1, 2.3 und 2.4 durch das örtlich zuständige Gesundheitsamt durchzuführen.
5.3 Befundmitteilung an die Jugendämter
¹Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII hat das Jugendamt die Krankenhilfe des Minderjährigen sicherzustellen. ²Dem Jugendamt ist daher im Rahmen seines verfassungsrechtlichen Schutzauftrags (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) und seiner Vertretungskompetenz gemäß § 42a Abs. 3 SGB VIII der Untersuchungsbefund unter Beachtung des Datenschutzes mitzuteilen. ³Die örtlich beteiligten Kreisverwaltungsbehörden und Jugendämter benennen im Interesse eines vereinfachten Austauschs jeweils einen Ansprechpartner.
5.4 Befundmitteilung zwischen Gesundheitsämtern in Zusammenwirken mit dem Jugendamt sowie Unterbringungsbehörde bei Verlegung
¹Jeder positive Befund im Hinblick auf eine übertragbare Krankheit ist bei jeder Verlegung des uM aus der Gemeinschaftsunterkunft bzw. -einrichtung oder einer Folgeeinrichtung vom zuständigen Jugendamt an das neu zuständige Jugendamt oder die neu zuständige Unterbringungsbehörde (insbesondere bei Verlegung nach Erreichen der Volljährigkeit) zu übermitteln. ²Dieses leitet die Befundmitteilung an das jeweils neu zuständige Gesundheitsamt weiter. ³Die Bestimmungen des Datenschutzes sind jeweils zu beachten.
6. Infektionsschutzrechtliche Maßnahmen
Das Gesundheitsamt führt erforderliche infektionsschutzrechtliche Ermittlungen gemäß IfSG durch und veranlasst notwendige Schutzmaßnahmen.
7. Kosten
7.1
¹Die anfallenden Kosten für die Untersuchungen trägt grundsätzlich der jeweils zuständige Sozialhilfe- bzw. Jugendhilfeträger. ²Im Hinblick darauf, dass die Kosten für die Untersuchungen vom Freistaat Bayern (Regierungen) aus Landesmitteln (Einzelplan 10) zu erstatten sind (Art. 8 Abs. 1 und 3 des Aufnahmegesetzes – AufnG), wird von einer Erhebung der bei den staatlichen Gesundheitsämtern und dem LGL anfallenden Gebühren und Auslagen abgesehen (§ 4 der Verordnung über die Benutzungsgebühren der Gesundheitsverwaltung – GGebO). ³Auf Kostenmitteilungen wird verzichtet.
7.2
Kostenregelungen kommunaler Behörden des öffentlichen Gesundheitsdienstes bleiben hiervon unberührt.
7.3
¹Sofern es in Erfüllung der Aufgaben nach den vorstehenden Nummern aus Kapazitätsgründen in Einzelfällen erforderlich ist, dass mit Kooperationsvertrag ausgewählte externe Ärztinnen bzw. Ärzte oder Kliniken Untersuchungen durchführen, sind die hierfür anfallenden Kosten aus Mitteln des Einzelplans 10 zu erstatten. ²Die erforderlichen Mittel sind vor Vertragsabschluss beim Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration anzufordern.
8. Datenschutz bei Übermittlung von Daten aus der Gesundheitsuntersuchung an behandelnde Ärztinnen und Ärzte
¹Grundsätzlich muss die Asylbewerberin bzw. der Asylbewerber einwilligen, wenn die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt Gesundheitsdaten von den Gesundheitsämtern erhalten will. ²Die Ärztin bzw. der Arzt darf also grundsätzlich nur mit Einwilligung seiner Patientinnen bzw. Patienten beim Gesundheitsamt anfragen. ³Das Erheben von Gesundheitsdaten ohne Einwilligung der Betroffenen ist gemäß § 28 Abs. 7 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes unter anderem dann zulässig, wenn dies zum Zweck der Gesundheitsvorsorge oder Behandlung erforderlich ist und die Verarbeitung dieser Daten durch ärztliches Personal oder durch sonstige Personen erfolgt, die einer entsprechenden Geheimhaltungspflicht unterliegen.
9. Inkrafttreten, Außerkrafttreten
¹Diese Bekanntmachung tritt am 1. Mai 2017 in Kraft und gilt unbefristet. ²Mit Ablauf des 30. April 2017 tritt die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz zum Vollzug des § 62 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBl I S. 1361); Gesundheitsuntersuchungen vom 7. Juni 2002 (AllMBl. S. 452) außer Kraft.
Ruth Nowak
Ministerialdirektorin
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