Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags Vom 23.3.1970 (BayRS II S. 65) BayRS 1100-4-I (Art. 1–22)
DE - Landesrecht Bayern

Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags Vom 23.3.1970 (BayRS II S. 65) BayRS 1100-4-I (Art. 1–22)

Art. 1 Aufgabe

(1) ¹Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. ²Anträge auf Errichtung von Untersuchungsausschüssen müssen bei ihrer Einreichung die Unterschriften von mindestens einem Fünftel der Mitglieder tragen.
(2) Ein Untersuchungsausschuß wird von Fall zu Fall für einen bestimmten Untersuchungsauftrag eingesetzt.
(3) Die beantragte Untersuchung muß geeignet sein, dem Landtag Grundlagen für eine Beschlußfassung im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeit zu vermitteln.
(4) Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses dürfen nur beraten werden, wenn sie auf der Tagesordnung stehen.

Art. 2 Einsetzung

(1) Aufgabe eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist die Untersuchung von Tatbeständen, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, zur Berichterstattung an die Vollversammlung.
(2) ¹Der Gegenstand der Untersuchung muß bei Erteilung des Untersuchungsauftrags hinreichend umschrieben sein. ²Der Untersuchungsausschuß ist an den ihm von der Vollversammlung erteilten Auftrag gebunden und zu einer Ausdehnung der Untersuchung nicht berechtigt.
(3) Der in einem Minderheitenantrag bezeichnete Untersuchungsgegenstand kann durch Zusatzanträge nur dann erweitert oder ergänzt werden, wenn
der Kern des ursprünglichen Untersuchungsgegenstandes gewahrt bleibt und
dadurch keine wesentliche Verzögerung des Untersuchungsverfahrens eintritt.

Art. 3 Vorsitzende

(1) ¹Die Vollversammlung des Landtags bestellt die Vorsitzenden der Untersuchungsausschüsse sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter. ²Die oder der Vorsitzende und die Stellvertreterin oder der Stellvertreter müssen jeweils verschiedenen Fraktionen angehören und sollen die Befähigung zum Richteramt haben.
(2) Das Vorschlagsrecht für die Vorsitzenden der Untersuchungsausschüsse einer Wahlperiode steht den Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke im Landtag zu; für die Berechtigungsfolge der Fraktionen findet das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers Anwendung.

Art. 4 Ausschussmitglieder

(1) ¹Jeder Untersuchungsausschuss besteht mindestens aus sieben Mitgliedern des Landtags. ²Diese werden von den Fraktionen bestimmt und von der Vollversammlung bestellt. ³Maßgebend hierfür ist die Stärke der Fraktionen; das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers findet Anwendung.
(2) Fraktionen, die bei der Besetzung der Ausschüsse nach Abs. 1 nicht zum Zuge kommen, entsenden je ein weiteres Mitglied.
(3) Die oder der nach Art. 3 bestellte Vorsitzende und die oder der stellvertretende Vorsitzende werden bei der Ausschussbesetzung nach den Abs. 1 und 2 den Fraktionen zugerechnet, denen sie angehören.
(4) Bei der Bestimmung der Mitglieder nach den Abs. 1 und 2 benennen die Fraktionen so viele Stellvertreterinnen und Stellvertreter, wie ihnen Mitglieder nach den Abs. 1 und 2 zustehen.

Art. 5 Ausscheiden von Ausschußmitgliedern

(1) ¹Ausschußmitglieder scheiden aus dem Untersuchungsausschuß aus, wenn sich ergeben hat, daß sie an einer Handlung oder Unterlassung beteiligt waren, die Gegenstand der Untersuchung ist. ²Ob diese Voraussetzung vorliegt, entscheidet der Ausschuß durch Mehrheitsbeschluß der anwesenden Mitglieder. ³Bei dieser Entscheidung darf das betreffende Ausschußmitglied nicht mitwirken.
(2) Die weitergehenden Vorschriften der Strafprozeßordnung (§§ 22ff. StPO
(3) Scheidet nach Absatz 1 ein Ausschußmitglied aus, so kann dessen Fraktion einen weiteren Vertreter bestimmen, Art. 3 Abs. 1 findet Anwendung.

Art. 6 Beschlußfähigkeit

(1) Der Untersuchungsausschuß ist beschlußfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist.
(2) ¹Ist der Untersuchungsausschuß nicht beschlußfähig, so unterbricht der Vorsitzende zunächst die Sitzung auf bestimmte Zeit. ²Ist nach dieser Zeit die Beschlußfähigkeit noch nicht eingetreten, so vertagt er die Sitzung. ³In der nächstfolgenden Sitzung ist der Untersuchungsausschuß beschlußfähig, auch wenn nicht die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl anwesend ist.

Art. 7 Vorbereitende Untersuchung

(1) ¹Bei Beginn seiner Tätigkeit beschließt der Untersuchungsausschuß, ob eine vorbereitende Untersuchung durch einen Unterausschuß durchgeführt werden soll. ²Eine solche vorbereitende Untersuchung kann auch im Verlauf der Ermittlungen beschlossen werden.
(2) Aufgabe der vorbereitenden Untersuchung ist die Sammlung und Gliederung des Untersuchungsstoffs, insbesondere die Beschaffung der einschlägigen Akten und Unterlagen und, soweit erforderlich, die Anhörung von Zeugen.
(3) Über die einzelnen Untersuchungshandlungen sind Protokolle aufzunehmen.

Art. 8 Zusammensetzung des Unterausschusses

Dem Unterausschuß müssen mindestens der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses und ein Mitglied der antragstellenden Gruppe angehören.

Art. 9 Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen

(1) ¹Der Untersuchungsausschuß verhandelt grundsätzlich öffentlich. ²Auf Verlangen von zwei Dritteln der anwesenden Ausschußmitglieder wird jedoch die Öffentlichkeit ausgeschlossen. ³Die Öffentlichkeit wird weiter ausgeschlossen, wenn und solange es die Staatsregierung zur Begründung eines Antrags auf Ausschluß der Öffentlichkeit verlangt. ⁴Der Untersuchungsausschuß entscheidet darüber, ob und in welcher Art die Öffentlichkeit über solche Verhandlungen unterrichtet werden soll.
(2) Sollen Beratungsgegenstände oder Teile hiervon der Geheimhaltung unterliegen, so bedarf es hierzu eines besonderen Beschlusses.
(3) Die Beratungen über das prozessuale Vorgehen des Untersuchungsausschusses und über die Beschlußfassung sind nicht öffentlich.

Art. 10 Protokollierung

¹Die Verhandlungen im Untersuchungsausschuß einschließlich der Beratungen über das prozessuale Vorgehen und die Beschlußfassung werden von Stenographen wortgetreu aufgenommen. ²In dem Protokoll ist auch die jeweilige Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses festzuhalten.

Art. 11 Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuß oder ersuchte Behörden

(1) ¹Der Untersuchungsausschuß erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise. ²Die Strafprozeßordnung
(2) ¹Die Gerichts- und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, Ersuchen des Untersuchungsausschusses um Beweiserhebung Folge zu leisten. ²Der Rechts- und Amtshilfe soll sich der Untersuchungsausschuß nur im Rahmen der Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes
(3) Über die Untersuchungshandlungen durch die ersuchten Behörden sind Protokolle aufzunehmen.

Art. 12 Einzelne Beweise

(1) Über die Erhebung einzelner Beweise und das Beweiserhebungsverfahren einschließlich Art und Zeitpunkt der Beweiserhebung entscheidet der Untersuchungsausschuß durch Beschluß der Mehrheit der anwesenden Mitglieder.
(2) Unabhängig von Absatz 1 sind Beweise zu erheben, wenn dies von einem Fünftel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt wird und der Antrag und die beantragte Beweiserhebung zulässig sind.
(3) ¹Lehnt die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses einen Beweisantrag oder eine beantragte Beweiserhebung in der Sitzung, die der Antragstellung folgt, durch Beschluß als unzulässig ab, ist der Beweisantrag der Vollversammlung des Landtags zur Entscheidung vorzulegen. ²Gegen dessen Entscheidung kann ein Fünftel der Mitglieder des Landtags den Bayerischen Verfassungsgerichtshof anrufen.

Art. 13 Rechtsstellung von Betroffenen

(1) ¹Auch die von der parlamentarischen Untersuchung betroffene Person ist grundsätzlich als Zeuge zu vernehmen. ²Geht aus dem Untersuchungsauftrag aber eindeutig hervor, daß sich die Untersuchung ausschließlich oder ganz überwiegend gegen eine bestimmte Person richtet, so darf diese Person nicht als Zeuge vernommen werden. ³Ob diese Voraussetzung vorliegt, hat der Untersuchungsausschuß in jedem einzelnen Fall zu prüfen; sie ist insbesonders gegeben, wenn die Untersuchung mit dem Ziele eingeleitet ist, die Beschlußfassung des Parlaments über eine Anklage gegen Mitglieder der Staatsregierung oder gegen Abgeordnete (Art. 59 und 61 der Verfassung
(2) Stellt der Untersuchungsausschuß fest, daß eine Person hiernach nicht als Zeuge vernommen werden darf, so ist sie nach Art eines Beschuldigten anzuhören.

Art. 14 Zeugenvernehmung

(1) Die durch den Untersuchungsausschuß zu vernehmenden Zeugen sind vor ihrer Vernehmung gemäß den §§ 55 und 57 StPO
(2) Abgeordnete oder Mitglieder der Staatsregierung sind in entsprechender Anwendung des § 55 StPO darauf hinzuweisen, daß sie auch die Auskunft auf solche Fragen verweigern können, bei deren wahrheitsgemäßer Beantwortung sie sich der Gefahr einer Abgeordneten- oder Ministerklage aussetzen würden.
(3) Die Vorschriften der §§ 53 und 53a StPO über weitere Zeugnisverweigerungsrechte finden Anwendung.
(4) ¹Der Untersuchungsausschuß kann Betroffene, Zeugen und Sachverständige zur Geheimhaltung verpflichten. ²Diese sind über die Geheimhaltungspflicht und über die Strafbarkeit eines Verstoßes hiergegen zu belehren.

Art. 15 Fragerecht

(1) Zeugen und Sachverständige werden zunächst durch den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vernommen.
(2) ¹Sodann hat der Vorsitzende den übrigen Ausschußmitgliedern zu gestatten, Fragen zu stellen. ²Der Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückweisen.
(3) Über die Zulässigkeit von Fragen des Vorsitzenden sowie über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung von Fragen der übrigen Ausschußmitglieder entscheidet auf Antrag eines Ausschußmitglieds der Untersuchungsausschuß durch Beschluß der Mehrheit der anwesenden Mitglieder.

Art. 16 Vereidigung

(1) Der Untersuchungsausschuß entscheidet über die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen.
(2) Zeugen sollen nur vereidigt werden, wenn der Untersuchungsausschuß eine Vereidigung wegen der Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für notwendig hält.
(3) Von der Vereidigung eines Zeugen ist in entsprechender Anwendung des § 60 Nr. 2 StPO
(4) Bei Abgeordneten oder Mitgliedern der Staatsregierung ist in entsprechender Anwendung des § 60 Nr. 2 StPO von der Vereidigung auch dann abzusehen, wenn der Verdacht besteht, daß sie sich eines Verhaltens schuldig gemacht haben, das die Erhebung einer Abgeordneten- oder Ministerklage rechtfertigen könnte.

Art. 17 Aktenvorlage

¹Akten der Gerichts- und Verwaltungsbehörden sind dem Untersuchungsausschuß auf Beschluß der Mehrheit der Ausschußmitglieder vorzulegen. ²Soweit es sich um Verschlußsachen handelt, d.h. um Angelegenheiten, die im staatlichen Interesse durch besondere Sicherheitsmaßnahmen vor Unbefugten geheimgehalten werden müssen, gilt die Geheimschutzordnung des Bayerischen Landtags.

Art. 18 Aussagepflicht der Beamten

(1) Soll ein Beamter vor einem Untersuchungsausschuß über Angelegenheiten aussagen, die unter seine Amtsverschwiegenheit fallen, so bedarf es dazu der Genehmigung seines Dienstvorgesetzten.
(2) ¹Der Beamte darf sich nicht auf seine Pflicht zur Verschwiegenheit berufen, wenn der Ministerrat auf Ersuchen des Untersuchungsausschusses den Beamten von seiner Verschwiegenheitspflicht entbindet. ²Der Untersuchungsausschuß hat vor einem solchen Ersuchen die oberste Aufsichtsbehörde über die Verweigerungsgründe zu hören.

Art. 19 Verlesen von Protokollen und Schriftstücken

(1) Die Protokolle über Untersuchungshandlungen ersuchter Gerichts- und Verwaltungsbehörden sind vor dem Ausschuß zu verlesen.
(2) ¹Ebenso sind Schriftstücke, die als Beweismittel dienen, zu verlesen. ²Von dem Verlesen kann Abstand genommen werden, wenn die Schriftstücke allen Ausschußmitgliedern zugänglich gemacht worden sind und die Mehrheit der anwesenden Ausschußmitglieder auf das Verlesen verzichtet.

Art. 20 Sitzungspolizei

(1) Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Ausschußvorsitzenden.
(2) Zeugen, Sachverständige und Zuhörer, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung ergangenen Anordnungen nicht entsprechen, können auf Beschluß des Ausschusses aus dem Sitzungssaal entfernt werden.
(3) Der Untersuchungsausschuß kann außerdem gegen Zeugen, Sachverständige und Zuhörer, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, unbeschadet einer strafgerichtlichen Verfolgung, eine Ordnungsstrafe in Geld bis zur Höhe von fünfhundert Euro verhängen.

Art. 21 Zwischenbericht, Schlußbericht

(1) Der Landtag kann während der Untersuchung jederzeit vom Untersuchungsausschuß einen Bericht über den Stand des Verfahrens verlangen.
(2) ¹Nach Abschluß der Untersuchung erstattet der Untersuchungsausschuß dem Landtag einen Bericht in schriftlicher Form. ²Der Bericht darf keine Anträge enthalten.
(3) ¹Die Anfertigung eines Entwurfs für den Schlußbericht obliegt dem Vorsitzenden. ²Über die endgültige Abfassung entscheidet der Untersuchungsausschuß mit Mehrheit der anwesenden Mitglieder.
(4) ¹Jedes Mitglied des Untersuchungsausschusses hat das Recht, seine abweichende Meinung in gedrängter Form auf dem Bericht des Untersuchungsausschusses zu vermerken. ²Einzelheiten dieser abweichenden Meinung sowie ihre Begründung müssen jedoch aus dem Minderheitenbericht klar erkennbar sein.

Art. 22 Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am 1. Februar 1970 in Kraft
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