Förderrichtlinie für die Gewährung von Zuwendungen für parteinahe politische Stiftungen und Vereine
¹Politische Bildung dient der Vermittlung von Kenntnissen und Grundhaltungen für das Agieren der Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum. ²Dabei geht es zunächst einmal um die Aneignung von Faktenwissen über politische Systeme und Ordnungen, internationale und globale Zusammenhänge, zeitgeschichtliche Ereignisketten und einzelne Politikfelder. ³Neben der Vermittlung von Fakten steht mit ebenso großer Gewichtigkeit die Vermittlung von Haltungen, Einstellungen und Verfahren. ⁴Grundsätzlich geht es hier darum, Identifikation mit der pluralen, demokratischen Ordnung auf allen Ebenen – von der Kommune bis zur Europäischen Union – aufzubauen und sicherzustellen sowie die dazu notwendigen Voraussetzungen und Einstellungen näherzubringen. ⁵Gerade im Hinblick auf die Vermittlung von werteorientierten politischen Grundeinstellungen und die Ausgestaltung politischer Kultur kommt den parteinahen politischen Stiftungen und Vereinen eine besondere Bedeutung zu. ⁶Die Förderung dieser von den Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängigen Institutionen, die sich selbständig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit der politischen Bildungsarbeit widmen, liegt im staatlichen Interesse. ⁷Eine derartige staatliche Förderung gibt es daher sowohl auf Bundesebene als auch in allen Ländern. ⁸Voraussetzung hierfür ist, dass die parteinahen politischen Stiftungen und Vereine auch in der Praxis die gebotene Distanz zu den Parteien wahren. ⁹Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
1¹Insbesondere dürfen die Stiftungen und Vereine nicht in den Wettbewerb der Parteien eingreifen und geldwerte Leistungen an nahestehende Parteien, Wahlkampfhilfe, Kreditgewährung, An- und Verkauf von Mitgliederzeitungen, Verbreitung von Werbematerial, Anzeigen, Einsatz von Personal, geschlossene Schulungsveranstaltungen für aktiv am Wahlkampf Beteiligte, Meinungsumfragen, soweit sie sich an einem aktuellen Informationsbedürfnis vor Wahlen orientieren, sowie Spenden tätigen. ¹2Der Freistaat Bayern gewährt daher gemäß Art. 23 und 44 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) nach Maßgabe dieser Richtlinie und der Verwaltungsvorschriften zu Art. 23 und 44 BayHO Zuwendungen zur Förderung der politischen Bildungsarbeit dieser parteinahen politischen Stiftungen und Vereine. ¹3Ein Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung besteht nicht. ¹4Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus als Bewilligungsbehörde entscheidet im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen.
1. Rechtsgrundlage und Zuwendungszwecke
¹Nachfolgende Ziele sollen durch die Förderung der politischen Bildungsarbeit erreicht werden: ²Parteinahe politische Stiftungen und Vereine sollen
– das Interesse der Bevölkerung Bayerns an politischer Gestaltung auf kommunaler, Landes-, Bundes- und Europaebene aufgreifen und weiter steigern,
– die Informationsdichte erhöhen und dabei eine Vielfalt an politischen Themen abdecken und
– Beiträge zum politischen Austausch und zur politischen Kultur insgesamt leisten.
³Zur Beurteilung der Zielerreichung im Wege einer Erfolgskontrolle sind folgende Indikatoren zu erfassen:
¹Tatsächlich stattgefundene Veranstaltungen pro Jahr. ²Als Veranstaltungen gelten Seminare, Tagungen, Informationstage, Podiumsdiskussionen, Konferenzen, Lesungen, Vorträge, Podcasts und Ähnliches mit jeweils mindestens sechs Teilnehmenden.
Teilnehmerzahl jeder durchgeführten Veranstaltung und aller Veranstaltungen insgesamt.
Veranstaltungen sollen insbesondere zu folgenden Themenbereichen durchgeführt werden:
Demokratie, Verfassung, Grundrechte,
Kommunalpolitik, Innenpolitik,
Kulturpolitik,
Schul-, Bildungs- oder Jugendpolitik,
Sozial-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Finanzpolitik,
Nachhaltigkeit, Klima, Umwelt sowie
europäische und internationale Politik.
Publikationen (auch online) sowie
erstelltes und ausgereichtes Informationsmaterial.
⁴Veranstaltungen, die mit online-Formaten abgehalten werden, können unter folgenden Voraussetzungen berücksichtigt werden:
Die Veranstaltung wird von einer Dozentin oder einem Dozenten geleitet, die oder der mit den Teilnehmenden kommuniziert;
die Teilnehmenden sind digital präsent (z. B. Anwesenheit in einem virtuellen Raum oder Teilnahme an einem Webinar);
die Veranstaltung findet als Gruppenprozess statt (auch Gruppenarbeitseinheiten, bei denen die Dozentin oder der Dozent nicht anwesend sind, können berücksichtigt werden, wenn sie im Programm der Veranstaltung ausgewiesen sind);
die Interaktion zwischen der Dozentin oder dem Dozenten und den Teilnehmenden ist möglich und
der Gesamtumfang derartiger Veranstaltungen darf grundsätzlich höchstens 50 v. H. der Veranstaltungen einer Einrichtung der politischen Bildung betragen.
⁵Satz 3 Buchst. a gilt für Veranstaltungen, die mit online-Formaten abgehalten werden, entsprechend.
2. Gegenstand und Förderung
¹Gefördert wird die politische Bildungsarbeit der Zuwendungsempfänger.
²Nicht förderfähig sind:
Veranstaltungen, die ganz oder überwiegend der allgemeinen Erwachsenenbildung, der beruflichen Fortbildung oder Umschulung dienen,
Veranstaltungen, die außerhalb Bayerns durchgeführt werden,
Maßnahmen, welche die gebotene Distanz zu der den Zuwendungsempfängern jeweils nahestehenden Partei verletzen.
³Soweit ein Zuwendungsempfänger auch nicht förderfähige Veranstaltungen und Maßnahmen durchführt, sind diese von der förderfähigen politischen Bildungsarbeit organisatorisch und finanziell abzugrenzen. ⁴Einzelne durchgeführte politische Bildungsreisen im Rahmen der auf Bayern bezogenen politischen Bildungsarbeit sind förderfähig. ⁵Die Veranstaltungen müssen jeder oder jedem Interessierten offenstehen und von geeigneten Kräften durchgeführt werden.
3. Zuwendungsempfänger
¹Die Zuwendungen werden an im Freistaat Bayern mehrjährig mit einer eigenen Geschäftsstelle ansässige und existente parteinahe politische Stiftungen und Vereine verausgabt. ²Die Zuwendungsempfänger müssen ihren Tätigkeitsschwerpunkt in Bayern haben. ³Führt ein Zuwendungsempfänger in nicht unbeträchtlichem Umfang Bildungsveranstaltungen außerhalb Bayerns durch, so entfällt der Anspruch auf eine Förderung.
4. Zuwendungsvoraussetzungen
4.1
¹Zuwendungen werden ausschließlich an solche parteinahen politischen Stiftungen und Vereine gezahlt, die rechtlich und tatsächlich von der ihnen jeweils nahestehenden Partei unabhängig sind und ihre Aufgaben selbständig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit wahrnehmen sowie in ihrer Bildungsarbeit Zielvorstellungen verfolgen, die verfassungskonform sind und einer dauerhaften Grundströmung entsprechen. ²Die Stiftungen und Vereine müssen sich in ihren Bildungsinhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung bekennen.
4.2
Gefördert werden nur parteinahe politische Stiftungen und Vereine, die ein gewisses Maß an in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht nachhaltiger Präsenz aufweisen; dies wird in der Regel durch ein mehr als fünfjähriges verfassungsgemäßes Wirken und Handeln der Stiftung bzw. des Vereins dokumentiert.
4.3
¹Die Förderung setzt außerdem die Anerkennung als „ihr nahe stehend“ durch den bayerischen Landesverband einer politischen Partei, die im Jahr der Förderung des Zuwendungsempfängers sowie in der dem Förderjahr vorhergehenden Legislaturperiode im Landtag in Fraktionsstärke vertreten ist, voraus. ²Jeder Landesverband einer solchen Partei kann nur eine Einrichtung als „ihr nahe stehend“ im Sinne der Förderfähigkeit anerkennen.
4.4
Die Förderfähigkeit der bereits vor Inkrafttreten dieser Richtlinie in der Förderung befindlichen Zuwendungsempfänger wird von den Nrn. 4.2 und 4.3 nicht berührt.
4.5
Die Zuwendung entfällt, wenn die Partei nach Nr. 4.3, der der Zuwendungsempfänger nahesteht, in drei aufeinanderfolgenden Legislaturperioden im Landtag nicht mehr in Fraktionsstärke vertreten ist.
5. Art und Umfang, Höhe der Zuwendung
5.1
Die Zuwendungen werden als institutionelle Förderung in Form einer Festbetragsfinanzierung zu den zuwendungsfähigen Ausgaben gewährt.
5.2
Zuwendungsfähige Ausgaben sind
Personalausgaben für dauerhaft tätige Mitarbeiter des Zuwendungsempfängers sowie für Zeit- und Aushilfskräfte,
Ausgaben für den laufenden Geschäftsaufwand, einschließlich Mieten und Nebenkosten für vom Zuwendungsempfänger genutzte Räume,
Ausgaben im Zusammenhang mit der Durchführung von dem Zuwendungszweck dienenden Seminaren, Tagungen und sonstigen Veranstaltungen, einschließlich Honoraren für Referenten oder Tagungsleiter,
Reisekosten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zuwendungsempfängers, sowie Zuschüsse zu Reisekosten an Teilnehmerinnen und Teilnehmer für vom Zuwendungsempfänger organisierte oder durchgeführte Exkursionen oder Bildungsreisen sowie
Ausgaben für investive Aufwendungen für dem Zuwendungszweck dienliche Gerätschaften.
5.3
¹Der dem einzelnen Zuwendungsempfänger gewährte Festbetrag zur Deckung der zuwendungsfähigen Ausgaben bemisst sich für jedes Haushaltsjahr als Anteil der für Zuwendungen insgesamt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel wie folgt:
²Die Anteile bemessen sich im Verhältnis der prozentualen Verteilung der bei den jeweils letzten vier Wahlen zum Landtag für diese Fraktionen abgegebenen gültigen Gesamtstimmen. ³Bei dieser Berechnung bleiben Gesamtstimmen, die für Fraktionen abgegeben wurden, die keinem geförderten Zuwendungsempfänger nahestehen, oder für Parteien, die nicht im Landtag in Fraktionsstärke vertreten sind, außer Betracht. ⁴Nr. 4.5 bleibt unberührt.
⁵Maßgeblich für die Berechnung sind die zu Beginn des jeweiligen Haushaltsjahres vorliegenden Wahlergebnisse.
5.4
¹Bei dieser Bemessung der Anteile werden die vier SPD-nahen politischen Stiftungen und Vereine (Gesellschaft für Politische Bildung – Akademie Frankenwarte, Georg-von-Vollmar-Akademie, Franken-Akademie-Schloss Schney und Bayerisches Seminar für Politik) wie eine behandelt. ²Über die Aufteilung des auf die der SPD nahestehenden politischen Stiftungen und Vereine entfallenden Zuwendungsanteils entscheiden diese unter Federführung der Georg-von-Vollmar Akademie selbst. ³Die Entscheidung über die Aufteilung ist dem Staatsministerium spätestens am 1. August des Förderjahres mitzuteilen.
5.5
¹In den Zuwendungsbescheiden ist darauf hinzuweisen, dass die Zuwendung nur zur Deckung der zuwendungsfähigen Ausgaben im Rahmen der politischen Bildungsarbeit verwendet werden darf. ²Sinken die tatsächlichen Ausgaben unter die Höhe der bewilligten Zuwendung, so rechtfertigt dies die teilweise Rückforderung. ³Eine entsprechende Auflage bzw. auflösende Bedingung ist in die Nebenbestimmungen der Zuwendungsbescheide aufzunehmen.
5.6
¹Eine Weiterleitung der Zuwendung an Dritte ist ausgeschlossen. ²Ausnahmen hiervon kann die Bewilligungsbehörde im Zuwendungsbescheid vorsehen.
6. Verfahren
6.1 Antragsverfahren
¹Der Antrag auf Förderung in einem Haushaltsjahr ist durch den Zuwendungsempfänger bis zum Ablauf des vorhergehenden Haushaltsjahres, spätestens drei Monate nach Verabschiedung des jeweiligen Haushaltes schriftlich beim Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Staatsministerium) einzureichen. ²Er muss Angaben zu sämtlichen in dieser Richtlinie erheblichen Voraussetzungen der Gewährung der Zuwendung enthalten. ³Dem Antrag ist ein vom zuständigen Organ des Zuwendungsempfängers bestätigter Haushalts- und Wirtschaftsplan für den Bewilligungszeitraum beizufügen.
6.2 Anforderungs- und Auszahlungsverfahren
¹Die Zuwendungen werden vom Zuwendungsempfänger durch Mittelabruf beim Staatsministerium angefordert, wenn und soweit sie innerhalb von drei Monaten nach der Auszahlung für fällige Zahlungen benötigt werden. ²Die Auszahlung erfolgt durch das Staatsministerium.
6.3 Verwendungsnachweisverfahren
¹Die Verwendung der Zuwendung ist innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Haushaltsjahres, für das sie gewährt wurde, nachzuweisen. ²Der Sachbericht muss auch Angaben zu den vom Zuwendungsempfänger durchgeführten Veranstaltungen im Rahmen des Zuwendungszwecks einschließlich der Anzahl der jeweiligen Teilnehmenden enthalten (Erfolgskontrolle). ³Bei Veranstaltungen soll der Nachweis der Teilnehmerzahl durch Teilnehmerlisten geführt werden. ⁴Bei gebührenpflichtigen Veranstaltungen kann der Nachweis auch über die Anmeldung und Bezahlung der Teilnahmegebühr erfolgen. ⁵Für Veranstaltungen, die mit online-Formaten abgehalten werden, ergibt sich die Anzahl der Teilnehmenden aus
der Anzahl der Personen, die sich angemeldet haben, oder
der Anzahl der Personen, die teilgenommen haben.
⁶Der Nachweis der Anzahl der Teilnehmenden ist entweder durch geeignete Auswertungen der aufgezeichneten Daten des verwendeten digitalen Formats zu führen oder durch die schriftliche Bestätigung der Dozentin oder des Dozenten bzw. des Veranstalters zu erbringen.
6.4 Prüfungsrechte
¹Das Staatsministerium prüft den Verwendungsnachweis in eigener Verantwortung. ²Die Prüfungsrechte des Obersten Rechnungshofes gemäß Art. 91 BayHO bleiben hiervon unberührt.
6.5 Zu beachtende Vorschriften
¹Soweit nicht in dieser Förderrichtlinie Abweichungen zugelassen worden sind, gelten für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheids und die Rückforderung der gewährten Zuwendung die VV zu Art. 44 BayHO sowie die ANBest-I. ²Letztere sind dem jeweiligen Bewilligungsbescheid beizufügen.
7. Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Förderrichtlinie tritt am 1. Januar 2022 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2024 außer Kraft.
Stefan Graf
Ministerialdirektor
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