Empfehlungen zu Erziehung und Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten
Nachstehend werden in Ergänzung zu den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen in der Bundesrepublik Deutschland (KM-Bekanntmachung vom 16. September 1994, KWMBl I S. 458) die von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland am 16. Juni 2000 beschlossenen Empfehlungen zu Erziehung und Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten bekannt gemacht:
1 Ziele und Aufgaben
1.1 Allgemeines
Die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten erfordert eine Erziehung und einen Unterricht, die sich auf alle Entwicklungsbereiche beziehen. Für eine aktive Lebensbewältigung in größtmöglicher sozialer Integration und für ein Leben in weitgehender Selbstständigkeit und Selbstbestimmung sind spezielle Eingliederungs- und Lernangebote erforderlich.
Sonderpädagogische Förderung hilft Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten bei ihrer Bewältigung von Schul- und Alltagssituationen und strebt als Bestandteil von umfassenden Eingliederungsmaßnahmen an, dass sie Zurückgezogenheit überwinden und Bildungsangebote annehmen können.
Einschränkungen und Störungen in der Einheit von Wahrnehmung und Motorik sowie in der Kommunikation bei Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten haben erhebliche Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und die Beziehungen zum sozialen Umfeld. Durch besondere Zuwendung können diese Kinder und Jugendlichen ihre Aktivitäten und Interessen erweitern, Sprache zur Interaktion nutzen sowie sich für andere Menschen, Sachverhalte und Gegenstände öffnen und Gemeinsamkeit erleben.
Sonderpädagogische Förderung hat zudem die Aufgabe, diesen Kindern und Jugendlichen zur Begegnung und Auseinandersetzung mit sich selbst, mit eigenen Wünschen und Vorstellungen in Familie, Schule, Freizeit, Beschäftigung und Arbeit sowie in der Gemeinschaft und in der Gesellschaft zu verhelfen. Die Kinder und Jugendlichen mit autistischem Verhalten sollen erfahren, dass sowohl in der menschlichen Begegnung als auch im Umgang mit Natur und Kultur ein erfülltes Leben möglich ist. Die Förderung soll anknüpfend an die individuellen Voraussetzungen zu einer selbstbestimmten Gestaltung des Lebens und zur individuellen Entfaltung in der Gemeinschaft sowie zur Wahrnehmung von Rechten und zur Erfüllung von Pflichten in der Gesellschaft beitragen.
Sonderpädagogische Förderung unterstützt und begleitet Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten, die in ihrer geistigen Entwicklung schwer beeinträchtigt, aber auch hochbegabt sein können. Ihre Förderung ist Aufgabe aller Schulformen. Die Unterschiedlichkeit der Ausprägung der autistischen Verhaltensweisen erfordert eine individuelle Ausrichtung der pädagogischen Maßnahmen. Erziehungsziele, unterrichtliche Inhalte und Methoden müssen an der Individualität und an den pädagogischen Bedürfnissen des einzelnen Kindes oder Jugendlichen anknüpfen.
Das soziale Handeln von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten ist stark beeinträchtigt; von Beginn der Förderung an müssen deshalb tragfähige Beziehungen aufgebaut werden. Das bedingt eine verstehende Haltung und Einstellung der schulischen Bezugspersonen, konsequente und verlässliche Rahmenbedingungen sowie ein intensives Einbeziehen der Eltern und der betreuenden Personen. Auf diese Weise ist es möglich, dass die Kinder und Jugendlichen mit autistischem Verhalten entwicklungsfördernde Beziehungen zu Personen und Sachen aufnehmen, sie annehmen und somit Strukturen des sozialen Handelns aufbauen können.
Die behutsame und Ängste überwindende Gestaltung der pädagogischen Situation mit anregenden und an der jeweiligen Erlebniswelt anknüpfenden Angeboten für das Kind oder den Jugendlichen steht im Vordergrund der anfänglichen unterrichtlichen und erzieherischen Bemühungen, die bei Bedarf als Einzelmaßnahmen beginnen können. Auf diesem Wege werden Möglichkeiten eröffnet, die den Kindern und Jugendlichen dazu verhelfen, in sinnbezogenen Aktivitäten durch Förderung der Wahrnehmung, der Motorik und der Sprache kognitive Strukturen sowie Bewegungs- und Interaktionsmuster zu entfalten. Dabei sind ein einfühlsames und verständnisvolles Verhalten der Lehrkräfte ebenso notwendig wie das Schaffen eines Raumes der Geborgenheit, in den sich das Kind oder der Jugendliche zeitweise zurückziehen und dort möglichst selbst entscheiden kann, neue Erfahrungen auch mit anderen machen zu wollen. So werden Hilfen zur Entwicklung der individuell erreichbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten gegeben.
1.2 Pädagogische Ausgangslage
Bei Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten liegt eine tiefgreifende Entwicklungsstörung vor. Ihre Lebenssituation ist durch sensorische, motorische, emotionale und soziale Probleme erschwert. Von zentraler Bedeutung sind Beeinträchtigungen von Wahrnehmung und Motorik.
Ausprägung und Intensität des autistischen Verhaltens sind bei Kindern und Jugendlichen unterschiedlich. Dafür werden vielfältige, insbesondere neurologische Ursachen angenommen. Autistisches Verhalten ist in seinem jeweiligen Erscheinungsbild nicht unveränderbar, sondern durch Erziehung, Unterricht, Förderung und Therapie langfristig beeinflussbar. Die Anregung von Veränderungsprozessen geschieht unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsentwicklung und des individuellen Förderbedarfs.
Sonderpädagogische Förderung knüpft grundsätzlich an die individuelle Ausgangslage des einzelnen Kindes und Jugendlichen an. Um die oft schwer zugänglichen tatsächlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Stärken dieser Kinder und Jugendlichen zu erkennen, ist eine begleitende Diagnostik unverzichtbar. Differenzierte Förderangebote müssen dabei dem jeweiligen Entwicklungsstand sowie dem Erleben und Verhalten der Kinder oder Jugendlichen angepasst werden.
Autistisches Verhalten steht im Zusammenhang mit Beeinträchtigungen
– der kommunikativen Aufnahme-, Verarbeitungs- und Darstellungsfähigkeit,
– der Fähigkeit, ein Gegenüber zu erkennen und sich auf Beziehungen einzulassen,
– der Fähigkeit, Kommunikationsangebote zu verstehen,
– der Bereitschaft, Kommunikation und Interaktion zuzulassen und herzustellen,
– der Selbsteinschätzung und des Zutrauens,
– der Selbstbehauptung und der Selbstkontrolle,
– der Fähigkeit, sich auf Anforderungen einzustellen,
– des situations-, sach- und sinnbezogenen Lernens,
– der Durchhaltefähigkeit im Lernprozess,
– der Übernahme von Handlungsmustern,
– der selbstständigen Aufgabengliederung, der Planungsfähigkeit und des sachangemessenen und zielgerichteten Handlungsvollzugs.
Sonderpädagogische Förderung erschließt bei Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten durch sinnbezogene Aktivitäten konkrete sprachliche und kommunikative Handlungsmöglichkeiten. Es wird dabei vorrangig die weitgehende Gebundenheit des Lernenden an das Vorhandensein von Empathie und Halt gebenden Beziehungen berücksichtigt. Zudem sind die Notwendigkeit der Herausbildung kommunikativer Strategien, der Abbau von Ängsten und Irritationen vor allem im Blick auf Veränderungen und Abweichungen von Gewohntem sowie der Aufbau von Vertrauen, von Motivation und Offenheit für Neues zu beachten.
2 Förderbedarf
2.1 Besonderer pädagogischer Förderbedarf
Auf Grund ihrer veränderten Entwicklungs- und Lerngegebenheiten bedürfen Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten im Unterricht besonderer pädagogischer Unterstützung. Unterricht wird dem besonderen Förderbedarf entsprechend eigens bestimmt und angepasst. Dabei werden die sich aus dem autistischen Verhalten und der besonderen Unterrichtssituation ergebenden Belastungen beachtet. Für die Kinder und Jugendlichen müssen annehmbare, auf die persönliche Erlebniswelt bezogene Körper- und Sinneserfahrungen sowie angemessene kognitive Lernangebote eröffnet werden. Es bedarf personenbezogener Anlässe, um Wahrnehmung aufzubauen und Emotionalität zu entfalten, Anpassungsbereitschaft zu fördern und Kommunikation in vielfältigen Ausdrucksformen einzuüben.
2.2 Sonderpädagogischer Förderbedarf
Bei den meisten Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten besteht sonderpädagogischer Förderbedarf. Dieser kann für das einzelne Kind oder den einzelnen Jugendlichen durch das Zusammenwirken physiologischer, psychischer, erzieherischer und sozialer Faktoren bedingt sein. Es sind deshalb medizinisch-therapeutische, psychologische, pädagogische, soziale sowie pflegerische und technische Hilfen notwendig, ggf. mit der Unterstützung durch außerschulische Maßnahmeträger. Hierbei ist eine Abstimmung der verschiedenen Maßnahmen und Hilfen erforderlich, die es in ein pädagogisches Förderkonzept einzuarbeiten gilt. Erkenntnisse aus der bisherigen Förderung, gegebenenfalls Informationen über weitere Funktionsbeeinträchtigungen und Bedingungen des Umfelds bestimmen den individuellen sonderpädagogischen Förderbedarf.
Die Kinder und Jugendlichen mit autistischem Verhalten sind auf interaktive Zusammenhänge angewiesen, die durch soziale und emotionale Signale erfahrbar sind und durch Reaktionen auf Emotionen anderer Menschen geübt werden können. Sie benötigen eine Förderung, die Anlässe schafft, Wahrnehmung und Emotionalität zu entwickeln sowie Anpassungsbereitschaft anzubahnen und Kommunikation in vielfältigen Ausdrucksformen einzuüben.
Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten benötigen Menschen, die ihre individuellen Ausdrucksformen verstehen und die durch die Vermittlung von geeigneten Kommunikationsformen und durch angemessenen Umgang vertrauensvolle Beziehungen zu ihnen aufnehmen können. Dabei sind für die Bezugspersonen Kenntnisse über Ursachen, Erscheinungsformen und Auswirkungen des Autismus notwendig. Die Bezugspersonen zeigen den Kindern und Jugendlichen den Weg in die Umwelt und zu Menschen und Dingen auf und begleiten sie dabei. Von den Bezugspersonen ist daher auch bei scheinbarer Unnahbarkeit und aggressivem Verhalten, bei Distanzlosigkeit und gesteigertem Bewegungsdrang immer die Bereitschaft zur Zuwendung gefordert. Sensibilität für spezifische Ausdrucksformen, Vertrauen und Respektieren des Andersseins ermöglichen es dem Kind oder dem Jugendlichen, sich der Umwelt zu öffnen und mit ihr in Kontakt zu treten.
Aus dem sonderpädagogischen Förderbedarf von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten erwächst ein komplexes Aufgabenfeld der Förderung, das die Entwicklung der körperlichen und geistigen, der emotionalen und sozialen sowie der kommunikativen Fähigkeiten in allen Teilbereichen einschließt. Zu diesen Aufgaben gehören vor allem:
– Förderung der sensorischen Wahrnehmung und ihrer Verarbeitung in den Bereichen des Hörens, des Sehens, des Riechens, des Schmeckens, des Tastens, des Berührens, des Fühlens von Temperatur und Schmerz,
– Förderung der Körperwahrnehmung und der Wahrnehmung des Körperschemas sowie der Vorstellung vom eigenen Körper im Raum,
– Förderung der Grob- und Feinmotorik,
– Förderung der Selbstständigkeit und des sozialen Verhaltens,
– Aufbau von Verständnis für Mimik und Gestik und deren Gebrauch,
– Entwicklung von sozial-emotionaler Beziehungsfähigkeit, vor allem durch Aufbau von sozialem Handeln sowie Abbau von unangemessenem Kontaktverhalten,
– Entwicklung der Imitationsfähigkeit und des Beachtens gemeinschaftsbezogener Regeln,
– Entwicklung des sprachlichen Handelns einschließlich manueller Formen,
– Förderung von Interessen und Neigungen, von Freude und Erfolgserleben,
– Entwicklung von Handlungsfähigkeit durch Abbau von Ruhelosigkeit und gesteigertem Bewegungsdrang sowie durch Aufbau von Konzentration und Ausdauer,
– Minderung von Angstreaktionen und Angstzuständen sowie Entwicklung von Fähigkeiten zum Erkennen realer Gefahren,
– Lösen von Stereotypien und starrem Festhalten an nichtfunktionalen Gewohnheiten sowie an Ritualen und Beschäftigungen, Verminderung von selbstverletzendem Verhalten.
Der sonderpädagogische Förderbedarf kann bei Erziehung und Unterricht auch ergänzende medizinisch-therapeutische Hilfen erfordern. Diese müssen in ein pädagogisches Gesamtkonzept eingebettet und in enger Zusammenarbeit mit den Eltern und den Diensten der unterschiedlichen Maßnahmeträger geleistet werden.
3 Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs
Die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs umfasst die Erhebung des individuellen Förderbedarfs unter Berücksichtigung der Entwicklungs- und Lerngeschichte sowie die Entscheidung über den Bildungsgang und den Förderort. Die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs findet in der Verantwortung von Schule und Schulaufsicht statt, die entweder selbst über sonderpädagogische Kompetenz verfügen oder fachkundige Beratung hinzuziehen. Lernausgangslage und Lernentwicklung bei Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten werden durch eine begleitende Diagnostik geklärt. Der auf den sonderpädagogischen Förderbedarf bezogene individuelle Förderplan wird in interdisziplinärer Zusammenarbeit unter Beteiligung der Eltern erstellt und fortgeschrieben. Die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs findet auf der Grundlage landesrechtlicher Regelungen statt.
3.1 Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfs
Vielfältige Erscheinungsformen und häufig nicht erkennbare Ursachen erschweren die Diagnostik autistischen Verhaltens. In jedem Fall werden die Ergebnisse der Diagnostik anderer Fachdisziplinen berücksichtigt. Die Annahme autistischen Verhaltens beruht auf einer fachärztlichen Diagnose, auf freier und gebundener Verhaltensbeobachtung und auf einer Anamnese und Exploration, bei denen Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Therapeutinnen und Therapeuten einbezogen werden.
Bei der Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erstellt eine Sonderschullehrkraft ein Gutachten, in dem im Rahmen einer Person-Umfeld-Analyse der Entwicklungsverlauf im soziokulturellen Umfeld dargestellt wird. Dabei wird der individuelle Entwicklungsstand in Bezug auf Kognition, Emotionalität und Sozialkompetenz einschließlich der Kommunikation und des Spracherwerbs erfasst. Außerdem werden die Ergebnisse der medizinischen Diagnostik werden zudem berücksichtigt. Einbezogen werden ebenso die Beschreibung des Umfeldes und seine Veränderungsmöglichkeiten wie der räumliche Bedarf, die technisch-materielle Ausstattung sowie der therapeutische, sozialpädagogische und pflegerische Bedarf.
Für die schulische Förderung bedeutsame Informationen beziehen sich auf:
– Wahrnehmungsverarbeitung und sensomotorische Koordination,
– die Nahsinne Schmecken, Riechen und Tasten, die Fernsinne Sehen und Hören sowie die Tiefensinne Gleichgewicht, Wärme, Empfinden von Muskelspannung und Schmerz,
– Orientierung im Raum und hinsichtlich des eigenen Körpers,
– Bewegungsfähigkeit beim Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen,
– Bewegungsfähigkeit beim Greifen, Halten, Loslassen,
– Raumvorstellung und zeitliche Strukturen,
– emotionale Befindlichkeit und Ausdrucksfähigkeit,
– Durchhaltevermögen und Ausdauer,
– Aneignungsweisen und Handlungskompetenzen,
– lebenspraktische Fertigkeiten,
– körperliche und gesundheitliche Gegebenheiten,
– Interessen, Neigungen und Spielverhalten,
– spezifische Verhaltensweisen wie Stereotypien, Rituale, Ängste, zweckentfremdeter Gebrauch von Gegenständen,
– Lern- und Leistungsverhalten.
Im sonderpädagogischen Gutachten werden die Stellungnahmen der an der Diagnose und Förderung des Kindes oder des Jugendlichen beteiligten Personen berücksichtigt. Es wird der Schulaufsicht mit einer Empfehlung zur Entscheidung über die besonderen oder die sonderpädagogischen Fördermaßnahmen vorgelegt. Bei dieser Entscheidung finden Beachtung:
– Ergebnisse der Beratung mit den Eltern, ggf. mit dem Kind oder Jugendlichen und anderen Beteiligten,
– Fördermöglichkeiten der allgemeinen Schule oder der Sonderschule,
– Art und Umfang des Förderbedarfs,
– Verfügbarkeit des erforderlichen Personals,
– Vorhandensein technischer und apparativer Hilfsmittel sowie spezieller Lehr- und Lernmittel,
– baulich-räumliche Voraussetzungen.
3.2 Entscheidung über den Bildungsgang und den Förderort
Auf der Grundlage der Empfehlung und unter Einbeziehung der Eltern, bei Volljährigkeit der Schülerin oder des Schülers, entscheiden Schule und Schulaufsicht über den Bildungsgang und den Förderort.
Für Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten gibt es keine eigene Schulart. Die sonderpädagogische Förderung kann in allgemeinen Schulen oder in Sonderschulen
4 Erziehung und Unterricht
Ziele und Inhalte von Erziehung und Unterricht gehen vom Entwicklungsstand, der Lebenssituation und dem Lernverhalten der Kinder und Jugendlichen mit autistischem Verhalten sowie dem jeweiligen Lerngeschehen aus. Erziehung und Unterricht sollen Möglichkeiten zur Selbstentfaltung eröffnen, damit sich die Betroffenen als handelnde Personen erfahren. Dabei sind Erziehung und Unterricht vor allem in den Bereichen zu verwirklichen, in denen die Kinder und Jugendlichen ihre Umwelt erfahren, soziale Beziehungen aufbauen und Fähigkeiten für eine sinngebende Lebensgestaltung entwickeln können.
Die Lernsituationen und Hilfen sollen dazu beitragen, dass die Kinder und Jugendlichen mit autistischem Verhalten sich selbst im Bezug zu ihrer Umwelt erleben, von stereotypen Verhaltensweisen zur sachgerechten und zweckbezogenen Eigentätigkeit gelangen und realistische Beziehungen zur Umwelt entwickeln. Der Unterricht bietet Gelegenheiten, die Isolation zu mildern oder aufzuheben, entwicklungsförderliche Beziehungen mit Personen und zu Gegenständen einzugehen sowie Formen des individuellen und sozialen Handelns aufzubauen.
Es werden Lernsituationen geschaffen, die geeignet sind, Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen unter Anerkennung individueller Leistungsmöglichkeiten und Lerngrenzen zu stärken und Handlungsangebote auszuschöpfen und zu erweitern. Erziehung und Unterricht gelingen am besten auf der Grundlage einer verlässlichen Beziehung und wechselseitigen Vertrauensbildung. Die Halt gebenden Beziehungen und die Glaubwürdigkeit der Lehrkräfte sowie der Mitschülerinnen und Mitschüler sind wichtige Voraussetzungen für neue Lernerfahrungen.
Diese Kinder und Jugendlichen benötigen vor allem zu Beginn der schulischen Förderung vertraute Bezugspersonen, feste Gruppen und klare Strukturen, um die individuelle Förderung sowie die Förderung in einer Gruppe zum Tragen zu bringen. Sie brauchen Bezugspersonen, die sie in ihren individuellen Ausdrucksformen annehmen und verstehen und ihnen Wege in die Umwelt und den Zugang zu anderen Menschen aufzeigen und sie dabei unterstützen. Wesentliche Voraussetzung für das Miteinander im Unterricht ist, dass die Lehrkräfte versuchen, das Phänomen Autismus für sich und andere zu erklären. Die Prinzipien der Individualisierung und Differenzierung, der Selbsttätigkeit, der Wiederholung und Übung, der Praxisnähe, der Kontinuität, der Ganzheitlichkeit sowie der Einsatz von entsprechenden Lehr-, Lern- und Arbeitsmitteln haben im Unterricht besondere Bedeutung. Die dafür notwendige sächliche und auch personelle Ausstattung erfolgt nach in den Ländern geltenden Regelungen.
Der Unterricht für Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten orientiert sich am jeweilig festgelegten Bildungsgang. Die Bildungsinhalte müssen mit Blick auf den Entwicklungsstand und die Lernvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen vermittelt werden. Die Lehrkräfte berücksichtigen dabei die pädagogisch bedeutsamen Auswirkungen des autistischen Verhaltens, z.B. Vorlieben, Abneigungen, Angstverhalten, Stereotypien vor allem bei Bewegung und Spiel, insbesondere Alltagsrituale, Wahrnehmungsauffälligkeiten, Eigenart bei Spracherwerb und Sprachgebrauch, besondere emotionale Sensibilität und soziale Charakteristika.
Die Anforderungen des Unterrichts sind differenziert und überschaubar auf den Entwicklungsstand zu beziehen, Unterforderung ebenso wie Überforderung zu vermeiden. Im Unterricht bedarf es einer Strukturierung in individuelle Lernschritte und Sinneinheiten. Veränderungen des Lerntempos, des Umfangs des Lernstoffs, der Unterrichtsmethoden sowie des Einsatzes von Unterrichtsmaterialen erfolgen so, dass sie vom Kind oder Jugendlichem angenommen und bewältigt werden können. Für die meisten Kinder und Jugendlichen mit autistischem Verhalten sind besondere räumliche Ausstattungen bereitzustellen. An ihrem vertrauten Lernplatz erleben sie Sicherheit, haben sie Möglichkeiten zum Rückzug in reizärmere Bereiche und können sie den noch nicht beeinflussbaren Zwängen der eigenen Arbeitsweise nachkommen.
Die Kinder und Jugendlichen mit autistischem Verhalten sind angewiesen auf einen geordneten, klar strukturierten und zwischen den Lehrkräften abgestimmten Unterricht. Mithilfe eindeutiger Lernvorgaben für die zu bearbeitenden Lerninhalte und unter Berücksichtigung des individuellen Lerntaktes und Zeitrahmens ist der Unterrichtsverlauf zu planen. Im Unterricht sind die Hilfen zur Kontaktaufnahme und zur Verständigung sowie für das Handeln von nachhaltiger Bedeutung. Bei der Abfolge der Anforderungen und der Lernschritte ist darauf zu achten, dass Problemverhalten und Fehlleistungen auf der Grundlage sorgfältiger Analysen vermindert werden. Die Lernsituationen sind so zu entwickeln, dass sich unmittelbar erfahrbare Lernerfolge ergeben.
Die Kinder und Jugendlichen müssen lernen, möglichst in einem Raum der Geborgenheit selbst entscheiden zu können, neue Erfahrungen zu machen, Vorstellungen auszubilden, intentionale Handlungen und nahe Perspektiven zu entwickeln. Dazu bedarf es der Unterstützung und Korrektur, der anhaltenden Anregung und Ermutigung durch die Lehrkräfte.
Im Unterricht sind je nach Bedarf Fördermaßnahmen anzubieten für
– die Wahrnehmung,
– die Motorik,
– das sprachliche Handeln,
– die Fähigkeit, Umwelt zu strukturieren,
– die lebenspraktischen Fertigkeiten,
– das Verständnis für Handlungsabläufe,
– das soziale Handeln und
– die Kulturtechniken.
Mündliche, schriftliche und praktische Aufgaben können wechselseitig ersetzt, die Bearbeitungszeit kann verlängert werden. Unterschiedliche Formen unterstützender Kommunikation können notwendig werden, um Nachteile aus Art und Schwere der Beeinträchtigung auszugleichen. Hierbei können Hilfen anderer Maßnahmeträger erforderlich sein.
Für Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten kann auf Antrag die Schulbesuchszeit durch die Schulbehörde im Rahmen landesrechtlicher Regelungen verlängert werden, wenn zu erwarten ist, dass das angestrebte Bildungsziel erreicht wird.
5 Formen und Orte sonderpädagogischer Förderung
Die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten erfolgt in unterschiedlichen Förderformen und an unterschiedlichen Förderorten, eigene Schulen gibt es für sie nicht. Zunehmend werden Formen der gemeinsamen Erziehung und Unterrichtung an unterschiedlichen Lernorten erprobt.
Zu Beginn der schulischen Bildung kann Einzelförderung notwendig sein. Diese ist dann angezeigt, wenn angemessene individuelle Lern- und Arbeitsverhaltensweisen aufgebaut werden, um in einer Gruppen- oder Klassensituation bestehen zu können. In besonders begründeten Fällen können Einzelmaßnahmen auch im Hausunterricht durchgeführt werden. Frühförderung, aber auch beschäftigungs- und arbeitsorientierende Maßnahmen sowie lebensbegleitende Hilfen haben einen hohen Stellenwert.
5.1 Sonderpädagogische Förderung durch vorbeugende Maßnahmen
Frühe Hilfen sind für die Entwicklung von Kindern mit autistischem Verhalten von besonderer Bedeutung. Um zusätzliche Entwicklungsverzögerungen und Fehlentwicklungen zu verhindern, zu mindern oder weitergehende Auswirkungen zu vermeiden, muss das autistische Verhalten so früh wie möglich erkannt werden. Die Förderung der Wahrnehmung, der Motorik, des emotionalen Erlebens, der Kommunikation, der Selbstständigkeit und der sozialen Kompetenz ist grundlegende Aufgabe der vorschulischen Erziehung. Sie zielt auf die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit und folgt in der gemeinsamen Tätigkeit von Kind und Erzieherperson dem Prinzip des Lernens durch Handeln.
Hierzu gehört es auch, situative und soziale Voraussetzungen zu schaffen, welche die Angebote in den nachfolgenden Bereichen in einem für das Kind sinnvollen und ganzheitlichen Zusammenhang verbinden:
– Bewegungswahrnehmung, -planung und -handlung, sensomotorische Koordination,
– Orientierung hinsichtlich des eigenen Körpers, der Raumvorstellung und der Zeitstrukturen,
– selbstständige Fortbewegungsmöglichkeit,
– selbstständiges Handeln,
– Kommunikation, Sprache und Sprechen,
– nichtlautsprachliche Ausdrucksmöglichkeiten,
– Spiel- und Sozialverhalten,
– emotionale Entwicklung,
– geistige Entwicklung,
– Aufbau des Selbstbewusstseins.
Alle Angebote sind in kindgerechte Spiel-, Erlebnis- und Bewegungsaktivitäten einzubeziehen. Dabei hängt die Wirksamkeit früher Förderung von der Art der Vermittlung ab. Frühe Förderung muss sich daher auf die Interaktion konzentrieren.
Erfolgreiche Frühförderung beruht auf engem und vertrauensvollem Zusammenwirken der Eltern mit allen beteiligten Personen und Institutionen. Das können sein: Ärzte, Therapeuten, Gesundheitsämter, sozialpädiatrische Zentren, Frühförderstellen, Kliniken, sonderpädagogische Beratungsstellen, Kindergärten, Sonderkindergärten, schulvorbereitende Einrichtungen und andere Träger von Maßnahmen. In diesem Zusammenhang nehmen die Eltern eine gleichberechtigte Rolle neben den Fachleuten ein.
Frühförderung von Kindern mit autistischem Verhalten ist Bestandteil der allgemeinen Angebote im Kleinkind- und Vorschulalter. In den einzelnen Ländern gibt es dafür unterschiedlichen Bezeichnungen und Zuständigkeiten.
5.2 Sonderpädagogische Förderung im gemeinsamen Unterricht
Kinder und Jugendlichen mit autistischem Verhalten sollen weitgehend in den gemeinsamen Unterricht einbezogen werden. Durch Beobachtungslernen können alle Kinder und Jugendlichen ihre Verhaltensmuster in Sprache und in Kommunikation, in Bewegung und im Umgang miteinander erweitern und differenzieren. Die Lehrpläne der allgemein bildenden und der berufsbildenden Schulen sind Grundlage für den Unterricht. Die Leistungsbewertung erfolgt nach den in den einzelnen Ländern geltenden Regelungen.
Im gemeinsamen Unterricht werden die didaktischen Grundsätze des Unterrichts, vor allem Individualisierung und Differenzierung, welche die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten prägen, verwirklicht. Darüber hinaus sind in Unterrichtsvorhaben für die gesamte Schulklasse Ziele aufzunehmen, die sich aus den individuellen Lebenssituationen ergeben und das soziale Miteinander fördern. Die Interessen und Bedürfnisse der gesamten Lerngruppe sind zu berücksichtigen.
Das Aufgabenfeld der sonderpädagogischen Lehrkräfte im gemeinsamen Unterricht bezieht sich im Wesentlichen auf
– die Förderung der Bewegungs-, Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit,
– die Förderung der kognitiven, emotionalen, sozialen und kommunikativ-sprachlichen Entwicklung,
– die Vernetzung mit anderen Diensten,
– die Aufstellung und Fortschreibung der Förderpläne.
Zu den Aufgaben aller Lehrkräfte gehören in diesem Zusammenhang
– die Kooperation mit einander und die Berücksichtigung sonderpädagogischer Belange im Unterricht,
– die Förderung des gemeinsamen Lebens und Lernens in der Schule,
– die Förderung der Kontakte zu Nichtbehinderten und zu anderen Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen,
– die Förderung der Zusammenarbeit mit den Personen der Schule, die für Unterricht und Erziehung aller Kinder und Jugendlichen Verantwortung tragen,
– die Zusammenarbeit mit den Eltern und den Trägern von Maßnahmen.
5.3 Sonderpädagogische Förderung in Sonderschulen
Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten, deren Förderung in einer allgemeinen Schule nicht ausreichend gewährleistet werden kann, besuchen Sonderschulen mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten. Sonderschulen verfügen in der Regel über die konzeptionellen, personellen, baulich-räumlichen und sächlichen Voraussetzungen für eine ganzheitliche Lern- und Entwicklungsförderung. Sie beziehen im Einzelfall Hilfen anderer Maßnahmeträger ein. Unterricht und Erziehung werden auf die jeweiligen Bedürfnisse des einzelnen Kindes oder Jugendlichen abgestimmt und im pädagogischen Gesamtangebot für die Klasse verwirklicht.
Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten können teils in allgemeinen Schulen, teils in Sonderschulen unterrichtet werden. Für sie bietet die Sonderschule zur Vorbereitung und Ergänzung des gemeinsamen Unterrichts die notwendige sonderpädagogische Unterstützung. Dies bedingt ein enges Zusammenwirken von allgemeinen Schulen und Sonderschulen.
5.4 Sonderpädagogische Förderung in kooperativen Formen
Zusammenarbeit kann in unterschiedlichen Formen erfolgen, von gemeinsamen Vorhaben wie Feste, Feiern, Schulleben, Projekte bis hin zum gemeinsamen Unterricht. Kooperative Formen der Förderung erschließen allen Beteiligten Möglichkeiten zur wechselseitigen Annäherung und zur Erfahrung von mehr Selbstverständlichkeit im Umgang miteinander. Die Begegnungen von Kindern und Jugendlichen kooperierender Schulen oder Klassen lassen soziale Beziehungen und Verständnis füreinander entstehen. Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten sammeln Erfahrungen über den Raum von Familie und Sonderschule hinaus. Sie machen Erfahrungen in der gemeinsamen Umgebung, die eine Teilhabe am Leben im Rahmen der gesellschaftlichen Eingliederung und der Freizeitgestaltung erleichtern. Vielfach können die förderlichen Aspekte des gemeinsamen Unterrichts auch in kooperativen Formen zur Geltung kommen.
5.5 Sonderpädagogische Förderung im Rahmen von sonderpädagogischen Förderzentren
Sonderpädagogische Förderzentren können als regionale und überregionale Einrichtungen den Förderschwerpunkt autistisches Verhalten einbeziehen. Sie können sonderpädagogische Förderung in präventiven, integrativen, teilstationären, stationären und kooperativen Formen möglichst wohnortnah und fachgerecht sicherstellen.
5.6 Sonderpädagogische Förderung im berufsbildenden Bereich, beim Übergang in die Beschäftigungs- und Arbeitswelt sowie in das Erwachsenenleben
Der Übergang aus der allgemein bildenden Schule in die Beschäftigungs- und Arbeitswelt oder in das Studium bedarf intensiver individueller Vorbereitung. Erforderlich ist eine enge Zusammenarbeit der Schule mit den Eltern, der Arbeitsverwaltung, den Betrieben, den Werkstätten für Behinderte, den beruflichen Schulen, den Kammern, den Fachdiensten zur beruflichen Eingliederung und anderen Einrichtungen, die sich der Aufgabe der Eingliederung dieser Personengruppe annehmen. Auf die Förderung durch die allgemein bildende Schule folgt daher eine praxisorientierte Förderung als Vorbereitung auf die Berufs- und Arbeitswelt. Hierzu ist es notwendig, stets neue Formen der Qualifizierung zu erproben.
Sonderpädagogische Förderung in Sonderschulen, im gemeinsamen Unterricht und durch Kooperation mit beruflichen Schulen zielt, wie auch für alle Schülerinnen und Schüler gültig, auf die Vorbereitung auf das Erwachsenenleben, auf Beschäftigung und Beruf. Projekte und Praktika mit entsprechender fachpädagogischer Begleitung dienen der Eingliederung.
Über Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit und Beruf hinaus soll die Vorbereitung auf das Erwachsenenleben die Jugendlichen befähigen,
– Freundschaft und Partnerschaft aufzubauen,
– sich allmählich von der Familie zu lösen und für sich möglichst selbstbestimmte Lebens- und Wohnformen zu finden,
– sich in der Öffentlichkeit angemessen zu verhalten sowie öffentliche Einrichtungen in Anspruch zu nehmen,
– Freizeit- und Erholungsangebote auszuwählen und zu nutzen,
– sich gegenüber der Natur verantwortungsbewusst zu verhalten.
6 Zusammenarbeit
Die besondere Situation der Kinder und Jugendlichen mit autistischem Verhalten macht eine Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen und eine wechselseitige Verknüpfung der Förderangebote und -hilfen notwendig. Alle Bemühungen sind darauf auszurichten, die Lebensqualität für diese Kinder und Jugendlichen zu steigern. Die Erkenntnisse und Erfahrungen der Eltern hinsichtlich des Erlebens und Verhaltens des Kindes oder Jugendlichen auch außerhalb der Schule sind in die Förderung einzubeziehen. Andererseits müssen die Eltern über wichtige Entwicklungen der Kinder und Jugendlichen in der Schule informiert werden. Sorgfältige Beobachtung und genaue Beurteilung der Entwicklungsprozesse durch die Lehrkräfte tragen dazu bei, das autistische Verhalten besser zu verstehen und daraus angemessene Schlussfolgerungen für die Förderung zu ziehen. Gegenseitiger Austausch von Beobachtungen, Erfahrungen und Informationen über die Entwicklung verhilft zu einer ganzheitlichen und kontinuierlichen Förderung.
Bei Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten ist eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Eltern und dem Personal von Frühförderung, Kindergärten, Schulen, Ganztagsbetreuung, Heimen und Selbsthilfegruppen, Therapiezentren sowie der medizinischen Dienste erforderlich. An der Zusammenarbeit sind über die Schule hinaus unterschiedliche Maßnahmeträger beteiligt wie:
– Gesundheits-, Sozial- und Jugendämter,
– Arbeitsämter, Betriebe und Kammern,
– außerschulische Sport-, Freizeit- und Bildungseinrichtungen.
7 Einsatz und Qualifikation des Personals
Unterricht und Erziehung für Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten verlangen spezifische Kompetenzen der Lehrkräfte, die der kognitiven, sprachlichen, sensorischen, motorischen, emotionalen und sozialen Entwicklung entsprechen müssen. Die Lehrkräfte benötigen Kenntnisse und Fähigkeiten, um die Erlebniswelt und Verhaltensweisen autistischer Menschen zu erkennen und zu verstehen. Unabdingbar sind das Wissen über Schweregrade und Ausprägungen autistischen Verhaltens und die Fähigkeit zur lautsprachlichen, nichtlautsprachlichen und unterstützenden Kommunikation. In die notwendig interdisziplinär angelegte Aus- und Fortbildung sind Erfahrungen aus der Förderung und Erkenntnisse der einschlägigen Wissenschaftsdisziplinen einzubeziehen.
Der Unterricht für Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten ist grundsätzlich Aufgabe der Lehrkräfte aller Schulen. Die Eignung für diese Aufgabe setzt Aufgeschlossenheit und Befähigung für die besonderen Herausforderungen des Förderschwerpunktes autistisches Verhalten voraus. In pädagogisch-psychologischer und didaktisch-methodischer Hinsicht müssen die Belange autistischer Kinder und Jugendlicher berücksichtigt werden. Regelmäßige Teilnahme an - ggf. auch länderübergreifenden - Fortbildungsveranstaltungen ist notwendig.
Zur Erfüllung der besonderen Aufgaben von Erziehung und Unterricht sind unverzichtbar:
– Wissen über Erscheinungsbilder des Autismus und deren mögliche Auswirkungen auf die psychosoziale Entwicklung,
– Befähigung zu einer pädagogisch ausgerichteten Diagnostik,
– Kompetenz zur Einschätzung der Belastbarkeit von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten,
– Anwendung didaktischer Grundsätze auf der Basis entwicklungspsychologischer Erkenntnisse und methodischer Maßnahmen unter dem besonderen Aspekt des Unterrichts von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten,
– Kenntnisse und Erfahrungsaustausch über spezielle Lehr-, Lern- und Arbeitsmittel sowie Medien,
– Informationen über Zielsetzungen und Wirkungen verschiedener Therapien und Interventionen,
– Befähigung zu Gesprächsführung, Beratung und Zusammenarbeit,
– Befähigung, Beziehungen trotz erschwerter Bedingungen anzubahnen und aufrecht zu erhalten,
– Strategien zur Aufarbeitung psychischer Belastungen der Lehrkräfte.
I.A. Erhard
Ministerialdirektor
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