Deutschland im Unterricht
An die Stelle der Ausführungen zur fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsaufgabe „Deutsche Frage “ im Lehrplan für das bayerische Gymnasium vom 2. August 1990 (KWMBl I So.-Nr. 3 S. 195) tritt folgender Text:
Mit dem 3. Oktober 1990 ist die staatliche Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit Wirklichkeit geworden. Damit gelang es erstmals in der neueren Geschichte, die Fragen nach der Abgrenzung von Staatsgebiet und Staatsvolk, nach einer freiheitlichen und demokratischen Verfassung, einer ausgewogenen föderativen Struktur und einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn im Zusammenhang zu beantworten und so wesentliche Grundlagen für eine Zukunft in Frieden und Freiheit zu schaffen. Der staatsrechtlichen Einheit muss das Zusammenwachsen im Inneren in Verbindung mit der friedlichen Einigung Europas folgen.
Eine Betrachtung der „deutschen Frage “ in ihrer geschichtlichen Entwicklung macht deutlich, dass eine Lösung dieser Frage nur im Rahmen der föderativen Ordnung in Deutschland und einer auf den Frieden und die europäische Einigung ausgerichteten Politik möglich war.
Die Beschäftigung mit der Geschichte der Teilung sowie mit den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen im geteilten Deutschland ist notwendig, um Verständnis für die jeweilige Lebenssituation und die damit verbundenen Einstellungen in den zusammenwachsenden Teilen Deutschlands zu wecken sowie die Bereitschaft zu fördern, an der Bewältigung der Aufgaben mitzuwirken, die sich im Zusammenhang mit der Herstellung vergleichbarer Lebensverhältnisse ergeben.
Es ist Aufgabe der Schule, den Jugendlichen bei ihrer Persönlichkeitsbildung und der Bestimmung ihres Verhältnisses zu Staat und Gesellschaft Hilfe zu leisten. Beim Nachdenken über ein nationales Selbstverständnis müssen historische und kulturelle Entwicklungen, ideengeschichtliche und religiöse Prägungen beachtet werden. Die Reflexion über die eigene Nation im Verhältnis zu anderen Nationen führt zu Fragen nach der Loyalität des Bürgers zum durch die Verfassung legitimierten Staat, nach gemeinsamen Grundwerten und nach der Legitimation eigenstaatlicher Interessen bei gleichzeitiger Anerkennung über- und zwischenstaatlicher Regeln und Institutionen.
So wie es in den vergangenen Jahrzehnten im Verhältnis zu unseren westlichen Nachbarn geschah und weiter geschehen wird, müssen auch verstärkt Kontakte mit den östlichen Nachbarn hergestellt und gepflegt werden, um ein von nachbarschaftlichem Geist geprägtes Europa zu gestalten. Dazu sind Kenntnisse der geographischen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten in unseren östlichen Nachbarländern sowie ihrer Geschichte nötig. Gleichermaßen gehört es zu einem ausgewogenen Geschichtsbewusstsein, Rolle und Schicksal der Deutschen in den früheren deutschen Staatsgebieten und weiteren Siedlungsräumen im Unterricht zu berücksichtigen. Ihre Geschichte und Kultur gehören zum Erbe aller Deutschen.
Darstellung Deutschlands im Unterricht, Bekanntmachung vom 17. November 1995 (KWMBl I 1997 S. 342)
Förderung der Kenntnisse über Ostmittel- und Osteuropa (Ostkunde), Bekanntmachung vom 6. Mai 1997 (KWMBl I S. 118)
I.A. Erhard
Ministerialdirigent
Feedback