Bekanntmachung des Bayerischen Ministerpräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts Vom 20. September 1973 (BayRS IV S. 545) BayRS 313-2-S (§§ 1–7)
§ 1 Umfang des Begnadigungsrechts
(1) Im Freistaat Bayern steht das Begnadigungsrecht dem Ministerpräsidenten zu (Art. 47 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung
(2) Dem Begnadigungsrecht unterliegen insbesondere
die strafrechtlichen Haupt- und Nebenfolgen einer rechtskräftigen, in Ausübung der Gerichtsbarkeit des Freistaates Bayern ergangenen strafgerichtlichen Entscheidung,
die von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde des Freistaates Bayern, einer der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts oder sonst in Ausübung hoheitlicher Gewalt des Freistaates Bayern rechtskräftig wegen Ordnungswidrigkeiten verhängten Geldbußen und Nebenfolgen und rechtskräftig verhängten Ordnungsmittel,
die von einem gemeinsamen Gericht oder einer gemeinsamen gerichtlichen Behörde der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland und der Französischen Republik oder von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde einer dieser drei Mächte in Deutschland verhängten Strafen, soweit das Begnadigungsrecht nach den internationalen Vereinbarungen und den zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland getroffenen Vereinbarungen Bayern zusteht,
die Folgen von Entscheidungen, die auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus
rechtskräftig verhängte Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte oder Ruhestandsbeamte im Sinn der Bayerischen Disziplinarordnung
die beamten- oder versorgungsrechtlichen Wirkungen, die sich nach bayerischem Beamten- oder Richterrecht aus gerichtlichen Entscheidungen ergeben,
die Wirkungen gerichtlicher Entscheidungen nach § 9 oder § 10 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen
die gegen einen Notar oder Notarassessor von der Aufsichtsbehörde oder dem Disziplinargericht des Freistaates Bayern verhängten Disziplinarmaßnahmen und die für Notare, Notarassessoren und deren Hinterbliebene aus gerichtlichen Entscheidungen sich ergebenden notar- und versorgungsrechtlichen Wirkungen,
die Folgen einer rechtskräftigen Entscheidung eines Ehrengerichts (Berufsgerichts) des Freistaates Bayern.
(3) Ist es zweifelhaft, ob ein Gnadenerweis zulässig ist, so entscheidet darüber der Ministerpräsident.
§ 2 Vorbehaltene Gnadensachen
Der Ministerpräsident behält sich die alleinige Ausübung des Begnadigungsrechts vor, wenn durch die Gnadenentschließung
eine lebenslange Freiheitsstrafe erlassen, umgewandelt oder ihre Vollstreckung ganz oder teilweise ausgesetzt werden soll,
ein Beamten- oder Richterverhältnis wiederhergestellt werden soll, das durch gerichtliche Entscheidung oder infolge einer solchen Entscheidung beendet worden ist,
einem früheren Beamten oder Richter, der infolge einer gerichtlichen Entscheidung aus dem Beamten- oder Richterverhältnis ausgeschieden ist oder seine Versorgungsrechte verloren hat, ein Unterhaltsbeitrag bewilligt werden soll, der 50 v. H. der im Zeitpunkt der Beendigung des Beamten- oder Richterverhältnisses erdienten Versorgungsbezüge übersteigt, oder ein bewilligter Unterhaltszuschuß auf mehr als 50 v. H. erhöht werden soll,
einer unter Kapitel II des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes
einem Hinterbliebenen eines früheren Beamten oder Richters, der infolge gerichtlicher Entscheidung Versorgungsrechte verloren hat, die Versorgungsrechte zuerkannt werden sollen oder ein Unterhaltsbeitrag bewilligt werden soll, der 50 v. H. der Hinterbliebenenbezüge übersteigt, die den Hinterbliebenen des früheren Beamten oder Richters aus dessen im Zeitpunkt der Beendigung des Beamten- oder Richterverhältnisses erdienten Versorgungsbezügen zustehen würden,
das infolge einer ehrengerichtlichen Entscheidung auf Dauer verlorene Recht der Berufsausübung wiederhergestellt werden soll.
§ 3 Befugnisse des Staatsministeriums der Justiz in vorbehaltenen Gnadensachen
In den Fällen des § 2 Nr. 1 ist das Staatsministerium der Justiz mit dem Recht der Weitergabe der Ermächtigung befugt,
die Unterbrechung einer lebenslangen Freiheitsstrafe in unaufschiebbaren Eilfällen auszusprechen,
den Gnadenerweis des Ministerpräsidenten, durch den Strafaussetzung zur Bewährung oder Strafunterbrechung bewilligt worden ist, zu widerrufen, wenn sich der Begnadigte durch sein Verhalten nach dem Gnadenerweis dessen unwürdig gezeigt hat; die Grundsätze des Strafgesetzbuchs
§ 4 Sonstige Gnadensachen
Im übrigen sind zur Entscheidung von Gnadensachen mit dem Recht der Weitergabe der Ermächtigung befugt:
in den Angelegenheiten des § 1 Abs. 2 Nrn. 5, 6 und 7 die oberste Dienstbehörde, wenn die Gnadenentscheidung ein Dienst- oder Versorgungsverhältnis zum Freistaat Bayern betrifft, sonst die oberste Rechtsaufsichtsbehörde,
in den übrigen Angelegenheiten das Staatsministerium der Justiz, wenn der Gnadenerweis für Folgen begehrt wird, die sich aus der Entscheidung eines ordentlichen Gerichts, eines Ehrengerichts oder des Verfassungsgerichtshofs ergeben, sonst das nach dem Gegenstand zuständige Staatsministerium.
§ 5 Gnadengesuche
(1) ¹Gnadengesuche können eingereicht werden
bei dem Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, oder
bei der Verwaltungsbehörde, die die Entscheidung erlassen hat, auf deren Folgen sich das Gnadengesuch bezieht.
²Hat ein ordentliches Gericht oder ein Ehrengericht erkannt, so kann das Gnadengesuch auch bei der für das Gericht der ersten Instanz zuständigen Staatsanwaltschaft eingereicht werden, wenn die Staatsanwaltschaft am Verfahren beteiligt war.
(2) Gnadengesuche können auch unmittelbar an die zur Entscheidung ermächtigte Stelle oder an den Ministerpräsidenten gerichtet werden.
§ 6 Vorbehandlung
(1) ¹Die Vorbehandlung der dem Ministerpräsidenten vorbehaltenen Gnadensachen obliegt in den Fällen des § 2 Nr. 1 dem Staatsministerium der Justiz, in den Fällen des § 2 Nrn. 2 bis 5 der obersten Dienstbehörde und in den übrigen Fällen dem nach dem Gegenstand zuständigen Staatsministerium. ²Über die Staatskanzlei sind dem Ministerpräsidenten die Verfahrensunterlagen (z.B. Strafakten, Disziplinarakten) und ein begründeter Vorschlag für die Entscheidung vorzulegen.
(2) Bezieht sich das Gnadengesuch auf die Folgen einer nicht in § 1 Abs. 2 genannten Entscheidung, so ist von seiner Vorlage an die Staatskanzlei abzusehen, wenn ein Gnadenerweis offensichtlich unzulässig oder seine Zulässigkeit bereits durch Entscheidung des Ministerpräsidenten in anderer Sache verneint worden ist.
§ 7 Inkrafttreten
¹Diese Bekanntmachung tritt am 1. Oktober 1973 in Kraft
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