BayLobbyRG: Bayerisches Lobbyregistergesetz (BayLobbyRG) Vom 6. Juli 2021 (GVBl. S. 386) BayRS 1100-7-I (Art. 1–9)
Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit bekannt gemacht wird:
Art. 1 Registerpflicht
(1) ¹Wer Interessenvertretung gegenüber dem Landtag oder der Staatsregierung betreiben will, muss dies durch Eintragung in ein bei der Landtagspräsidentin oder dem Landtagspräsidenten geführtes öffentliches Register (Lobbyregister) angeben, sobald
die Interessenvertretung
regelmäßig betrieben wird,
auf Dauer angelegt ist oder
für Dritte erfolgt oder
innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 20 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte erfolgten.
²Die Registerpflicht besteht unabhängig von der Frage der Rechtsfähigkeit und ohne Rücksicht darauf, ob die Interessenvertreterin oder der Interessenvertreter eine natürliche oder juristische Person, Personengesellschaft, organisierte Personenmehrheit, ein Netzwerk oder eine Plattform ist oder auf andere Weise organisiert ist. ³Die Eintragung hat unverzüglich zu erfolgen, sobald eine der in Satz 1 genannten Voraussetzungen vorliegt.
(2) ¹Interessenvertretung ist jede Tätigkeit zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf die parlamentarische oder regierungsseitige Ausarbeitung oder Beratung politischer oder gesetzgeberischer Vorhaben oder in sonstiger Weise auf den Willensbildungsprozess des Landtags oder der Staatsregierung. ²Dazu gehören insbesondere
die zweckentsprechende Kontaktaufnahme,
die Vorbereitung, Verbreitung und Übermittlung von Informationsmaterial, Stellungnahmen, Gutachten, Diskussions- und Positionspapieren,
Einladungen zu Veranstaltungen, Treffen, Werbemaßnahmen und Konferenzen,
freiwillige Beiträge zu Anhörungen oder in der Beratung befindlichen Gesetzgebungsverfahren.
(3) ¹Zum Landtag im Sinne der Abs. 1 und 2 Satz 1 gehören
der Landtag,
seine Organe und Gremien,
die Fraktionen und
die Mitglieder des Landtags.
²Zur Staatsregierung im Sinne der Abs. 1 und 2 Satz 1 gehören ihre Mitglieder.
(4) Das Lobbyregister wird auf der Internetseite des Landtags maschinenlesbar und durchsuchbar veröffentlicht.
Art. 2 Ausnahmen von der Registerpflicht
¹Die Interessenvertretung unterliegt keiner Registerpflicht
bei Eingaben oder Anfragen von natürlichen Personen, die ausschließlich persönliche Interessen formulieren, unabhängig davon, ob es sich um unternehmerische oder sonstige Interessen handelt;
bei ausschließlich lokalem Charakter, soweit nicht mehr als zwei Stimmkreise unmittelbar betroffen sind;
im Rahmen
von Petitionen nach Art. 115 der Verfassung,
der Mitwirkung an öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse des Landtags,
der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes oder Mandates,
der anwaltlichen Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten gemäß § 3 Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung,
der Erstattung wissenschaftlicher Gutachten oder an die Allgemeinheit gerichteter Darstellungen und Erörterungen von Rechtsfragen,
von Expertisen, die direkt oder individuell zur Erlangung von Sachinformationen, Daten oder Fachwissen angefordert wurden,
der nach Art. 110, 111 und 111a der Verfassung geschützten Tätigkeiten der Medien;
im Rahmen der Tätigkeit
der Kirchen, sonstiger Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften, soweit religionsspezifische oder weltanschauliche Belange betroffen sind,
der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen, soweit sie ihre Funktion als Tarifpartner wahrnehmen,
der Spitzenorganisationen nach Art. 16 des Bayerischen Beamtengesetzes,
des diplomatischen und konsularischen Verkehrs,
der kommunalen Spitzenverbände,
der politischen Parteien nach dem Parteiengesetz,
der politischen Stiftungen, denen aus dem Bundes- oder Landeshaushalt Globalzuschüsse zur Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben gewährt werden;
bei Einrichtungen, die über keine dauerhafte Vertretung in Deutschland verfügen und sich für Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, humanitäre Belange oder Fragen von Nachhaltigkeit einsetzen und deren Wirken primär auf andere Länder oder Weltregionen ausgerichtet ist.
²Eine freiwillige Eintragung in das Lobbyregister bleibt unberührt.
Art. 3 Registerinhalt
(1) Im Register werden folgende Daten der Interessenvertreterin oder des Interessenvertreters eingetragen:
Name, Vorname, Anschrift, Hauptsitz,
Anschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adresse und Internetseite einer Geschäftsstelle am Sitz des Landtags,
Interessen- oder Vorhabenbereich und Beschreibung der Tätigkeit,
Zusammensetzung von Vorstand und Geschäftsführung bei juristischen Personen,
Mitgliederzahl bei Verbänden und Vereinen in Hundert Mitgliedern,
Namen der Vertreterinnen und Vertreter bei Verbänden und Vereinen,
Angaben zu Auftraggebern, für die Interessenvertretung betrieben wird, wenn diese Fremdinteressen betrifft,
Anzahl der Beschäftigten in Vollzeitäquivalenten und in Stufen von jeweils zehn Beschäftigten, die mit der Interessenvertretung unmittelbar beauftragt sind,
jährliche finanzielle Aufwendungen mit Personalkosten im Bereich der Interessenvertretung in Stufen von jeweils 10 000 €,
empfangene Zuwendungen, Zuschüsse oder Spenden in Stufen von jeweils 10 000 €, sobald in einem Kalenderjahr jeweils ein Betrag von 20 000 € überschritten wird,
Name, Vorname und Anschrift einzelner Zuwendungs- oder Zuschussgeber oder Spender, sobald innerhalb eines Kalenderjahres jeweils ein Betrag von 20 000 € überschritten wird,
Jahresabschlüsse oder Rechenschaftsberichte von juristischen Personen, falls keine handelsrechtlichen Offenlegungspflichten bestehen.
(2) Zu den Daten nach Abs. 1 Nr. 4, 6 und 8 ist jeweils auch eine etwaige längstens fünf Jahre zurückliegende Tätigkeit der genannten Personen als Mitglied des Landtags oder der Staatsregierung anzugeben.
(3) ¹Die Angabe der Daten gemäß Abs. 1 Nr. 9 bis 12 kann verweigert werden, sofern ein schutzwürdiges überwiegendes Interesse glaubhaft dargelegt wird. ²Schutzwürdige Interessen liegen insbesondere vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Veröffentlichung der Daten die betreffenden Personen der Gefahr aussetzen würde, Opfer eines Verbrechens oder eines Vergehens nach den §§ 123, 187, 223, 224, 240 oder 241 des Strafgesetzbuches zu werden. ³Über die Schutzwürdigkeit entscheidet das Landtagsamt. ⁴Die Tatsache eines schutzwürdigen überwiegenden Interesses ist im Register einzutragen.
(4) ¹Die Daten sind jeweils spätestens am Ende eines Kalenderjahrs zu aktualisieren. ²Die nötigen Angaben sind über die Internetseite des Landtags elektronisch in der vom Landtagsamt näher bestimmten Form zu übermitteln.
(5) ¹Im Register wird eine gesonderte Liste geführt, in der alle früheren Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter im zuletzt aktualisierten Datenumfang angegeben werden, die dem Landtagsamt angezeigt haben, dass sie keine Interessenvertretung mehr gegenüber dem Landtag und der Staatsregierung betreiben. ²Diese Daten bleiben jeweils für die Dauer von 18 Monaten nach dieser Anzeige veröffentlicht und werden danach unverzüglich gelöscht.
Art. 4 Veröffentlichung von Stellungnahmen (exekutiver und legislativer Fußabdruck)
(1) ¹Das federführende Staatsministerium übersendet nach Einbringung eines Gesetzesvorhabens der Staatsregierung in den Landtag binnen einer Woche dem Landtagsamt alle schriftlichen Stellungnahmen, Gutachten, Diskussions- und Positionspapiere, die im Rahmen der Verbändeanhörung oder sonst von nach diesem Gesetz registrierten Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern zu den Gesetzesvorhaben eingegangen sind. ²Darin enthaltene Geschäftsgeheimnisse oder andere im Einzelfall ähnlich schutzwürdige persönliche Informationen können geschwärzt werden.
(2) Abs. 1 gilt bei Gesetzesvorhaben aus der Mitte des Landtags entsprechend mit der Maßgabe, dass die Übersendung durch die Initiatorinnen und Initiatoren erfolgt.
(3) Der Landtag veröffentlicht die nach den Abs. 1 und 2 übermittelten Stellungnahmen, Gutachten, Diskussions- und Positionspapiere zusammen mit den Gesetzesvorhaben auf seiner Internetseite.
Art. 5 Grundsätze integrer Interessenvertretung
(1) ¹Registerpflichtige Interessenvertretung darf nur auf Grundlage eines vom Landtag und der Staatsregierung beschlossenen Verhaltenskodex erfolgen, in dem die Grundsätze integrer Interessenvertretung festgelegt werden. ²Registerpflichtige Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter müssen diesen Verhaltenskodex vor ihrer Eintragung als für sie verbindlich anerkennen.
(2) ¹Registerpflichtige Interessenvertretung muss transparent erfolgen. ²Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter müssen ihre Identität und die Anliegen ihres Auftraggebers offenlegen und über sich und ihren Auftrag bei der Interessenvertretung zutreffende Angaben machen.
(3) Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter verpflichten sich, die vom Landtag oder der Staatsregierung festgelegten Regeln zu achten und zu befolgen.
(4) Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Erfolg der Interessenvertretung abhängig gemacht wird, sind unzulässig.
Art. 6 Sanktionen, Ordnungswidrigkeiten
(1) Bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes kann die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident die Erteilung von Zugangsberechtigungen zum Landtag verweigern oder bereits erteilte Zugangsberechtigungen entziehen.
(2) Registerpflichtige dürfen an öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse des Landtags nicht mitwirken, solange Angaben nach Art. 3 Abs. 3 verweigert werden.
(3) ¹Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
entgegen Art. 1 Abs. 1, Art. 3 eine Angabe nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig eintragen oder aktualisieren lässt oder
entgegen Art. 5 registerpflichtige Interessenvertretung betreibt, die gegen den als verbindlich anerkannten Verhaltenskodex verstößt.
²Die Ordnungswidrigkeit kann mit Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. ³Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist das Landtagsamt.
Art. 7 Bericht und Evaluation
(1) Der Landtag veröffentlicht alle zwei Jahre einen Bericht über die Anwendung des Lobbyregisters, erstmalig zum 30. September 2023 für die vergangenen zwei Kalenderjahre.
(2) Der Landtag überprüft die Auswirkungen dieses Gesetzes erstmalig fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes und veröffentlicht die Ergebnisse der Überprüfung.
Art. 8 Einschränkung von Grundrechten
Durch Art. 4 werden das Grundrecht des Briefgeheimnisses sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 des Grundgesetzes und Art. 112 der Verfassung) eingeschränkt.
Art. 9 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2022 in Kraft.
München, den 6. Juli 2021
Dr. Markus Söder
Feedback