BaySchlG
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BaySchlG: Bayerisches Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen (Bayerisches Schlichtungsgesetz – BaySchlG) Vom 25. April 2000 (GVBl. S. 268) BayRS 300-1-5-J (Art. 1–22)

Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit bekannt gemacht wird:

Abschnitt I Obligatorische Schlichtung als Prozessvoraussetzung

Art. 1 Sachlicher Umfang der obligatorischen Schlichtung

Vor den Amtsgerichten kann in folgenden bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten mit Ausnahme der in § 15a Abs. 2 EGZPO genannten Streitigkeiten eine Klage erst erhoben werden, wenn die Parteien einen Versuch unternommen haben, die Streitigkeit vor einer in Art. 3 genannten Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen:
in Streitigkeiten über Ansprüche wegen
der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
Überwuchses nach § 910 BGB,
Hinüberfalls nach § 911 BGB,
eines Grenzbaums nach § 923 BGB,
der in den Art. 43 bis 54 AGBGB geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist,
in Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Art. 2 Örtlicher Umfang der obligatorischen Schlichtung

¹Ein Schlichtungsversuch nach Art. 1 vor Erhebung der Klage ist nur erforderlich, wenn die Parteien ihren Wohnsitz, ihren Sitz oder ihre Niederlassung im selben Landgerichtsbezirk haben. ²Die Bezirke der Landgerichte München I und München II gelten insoweit als ein Landgerichtsbezirk.

Art. 3 Schlichtungsstellen

(1) ¹Die Parteien können sich für einen Schlichtungsversuch einvernehmlich an jeden Rechtsanwalt, der nicht Parteivertreter ist, an jeden Notar oder an dauerhaft eingerichtete Schlichtungsstellen der Kammern, Innungen, Berufsverbände oder ähnliche Institutionen im Sinn von § 15a Abs. 3 EGZPO wenden. ²Das Einvernehmen nach Satz 1 wird unwiderleglich vermutet, wenn der Verbraucher eine branchengebundene Schlichtungsstelle, eine Schlichtungsstelle der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder der Innung angerufen hat. ³Fehlt es am Einvernehmen nach den Sätzen 1 und 2, ist der Schlichtungsversuch vor einem örtlich zuständigen Schlichter der Gütestellen nach Art. 5 durchzuführen.
(2) Ein Schlichter ist von der Schlichtung ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 41 ZPO vorliegen.

Art. 4 Bescheinigung über erfolglosen Schlichtungsversuch

(1) ¹Bleibt der Schlichtungsversuch erfolglos, so ist dem Antragsteller darüber ein Zeugnis auszustellen, das dem Gericht bei Klageerhebung vorzulegen ist. ²Das Zeugnis wird auf Antrag auch erteilt, wenn binnen einer Frist von drei Monaten das beantragte Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden ist. ³Die Frist beginnt nicht vor Einzahlung des Vorschusses gemäß Art. 14.
(2) Das Zeugnis ist außerdem auszustellen, wenn der Schlichter den sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 1 oder, soweit dies zwischen den Parteien strittig ist, den örtlichen Anwendungsbereich nach Art. 2 für nicht eröffnet oder die Angelegenheit für eine Schlichtung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen von vorneherein für ungeeignet erachtet.
(3) ¹Das Zeugnis hat auch die Namen und die Anschriften des Antragstellers und des Antragsgegners, eine kurze Darstellung des Streitgegenstands, Angaben zum Streitwert sowie den Zeitpunkt, zu dem das Verfahren beendet ist, zu enthalten. ²Wird das Zeugnis ausgestellt, weil der Schlichter die Angelegenheit für eine Schlichtung für ungeeignet erachtet, sind die Gründe dafür im Zeugnis anzugeben.

Abschnitt II Gütestellen nach § 15a Abs. 1 EGZPO

Art. 5 Einrichtung der Gütestellen

(1) Jeder Notar ist als Träger eines öffentlichen Amtes Gütestelle.
(2) ¹Jeder Rechtsanwalt, der sich gegenüber der Rechtsanwaltskammer dazu verpflichtet hat, Schlichtung als dauerhafte Aufgabe zu betreiben, ist durch die Rechtsanwaltskammer als Gütestelle zuzulassen. ²Die Zulassung kann widerrufen werden, wenn die Pflichten nach Art. 8 gröblich vernachlässigt werden.
(3) ¹Die Gütestellen nach den Absätzen 1 und 2 sind landesrechtlich anerkannte Gütestellen nach § 15a Abs. 6 EGZPO. ² Der Präsident des Oberlandesgerichts München kann weitere Gütestellen nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unter den Voraussetzungen des Art. 22 AGGVG einrichten und anerkennen.

Art. 6 Auswahl unter den Gütestellen

¹Unter mehreren Gütestellen des Landgerichtsbezirks hat die antragstellende Partei die Auswahl. ²Bestehen in dem Amtsgerichtsbezirk, in dem der Antragsgegner seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder seine Niederlassung hat, Gütestellen, so kann die antragstellende Partei nur unter diesen auswählen. ³Die zuerst angerufene Gütestelle ist auch für einen Gegenantrag zuständig.

Art. 7 Aufnahme des Schlichtungsantrags durch die Gütestelle

¹Die Gütestelle nimmt den schriftlichen Schlichtungsantrag während der üblichen Geschäftszeiten entgegen und registriert ihn. ²Der Schlichtungsantrag kann auch zu Protokoll der Gütestelle erklärt werden.

Art. 8 Schlichter, Pflichten aus dem Schlichteramt

(1) ¹Schlichter der Gütestellen nach Art. 5 Abs. 1 und 2 sind Personen, die den Beruf des Notars oder des Rechtsanwalts ausüben. ²Sie beachten bei Ausübung des Schlichteramts ihre allgemeinen Berufspflichten. ³Sie üben ihr Amt unparteiisch und unabhängig aus. ⁴Sie tragen für eine zügige Erledigung der Schlichtungsverfahren Sorge.
(2) ¹Den Schlichtern steht hinsichtlich der Tatsachen, die Gegenstand des Schlichtungsverfahrens sind, ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. ²Wer als Schlichter tätig war, kann in derselben Sache keine der Parteien im gerichtlichen Verfahren vertreten.
(3) ¹Die Aufsicht über die Notare als Schlichter führt die Landesnotarkammer, die Aufsicht über die Rechtsanwälte als Schlichter die jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer. ²Die Aufsichtsbehörde kann die hierfür erforderlichen Verwaltungsanordnungen treffen. ³Sie hat darauf zu achten, dass die Schlichter den ihnen nach diesem Gesetz obliegenden Verpflichtungen nachkommen. ⁴Sie kann jederzeit Auskunft über alle die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten verlangen.

Abschnitt III Durchführung des Schlichtungsverfahrens vor dem Schlichter der Gütestelle nach Abschnitt II

Art. 9 Verfahrenseinleitung

¹Das Schlichtungsverfahren wird auf Antrag eingeleitet. ²Der Antrag muss Namen und ladungsfähige Anschrift der Parteien, eine kurze Darstellung der Streitsache und den Gegenstand des Begehrens enthalten. ³Ihm sollen die für die förmliche Mitteilung erforderlichen Abschriften beigefügt werden.

Art. 10 Gang des Schlichtungsverfahrens

(1) ¹Sobald dem Schlichter der Antrag vorliegt und der Vorschuss (Art. 14) eingezahlt worden ist, bestimmt er einen Schlichtungstermin, zu dem er die Parteien persönlich lädt. ²Er erörtert mit den Parteien mündlich die Streitsache und die Konfliktlösungsvorschläge der Parteien. ³Zur Aufklärung der Interessenlage kann er mit den Parteien in deren Einvernehmen auch Einzelgespräche führen. ⁴Auf der Grundlage der Schlichtungsverhandlung kann er den Parteien einen Vorschlag zur Konfliktbeilegung unterbreiten. ⁵In geeigneten Fällen sieht der Schlichter von einem Termin ab und verfährt schriftlich.
(2) Die Schlichtungsverhandlung ist nicht öffentlich.
(3) ¹Der Schlichter lädt keine Zeugen und Sachverständigen. ²Zeugen und Sachverständige, die von den Parteien auf deren Kosten herbeigeschafft werden, können angehört, und ein Augenschein kann eingenommen werden, wenn dadurch der Abschluss des Schlichtungsverfahrens nicht unverhältnismäßig verzögert wird.
(4) Im Übrigen bestimmt der Schlichter das zur zügigen Erledigung der Streitsache zweckmäßige Verfahren nach seinem Ermessen.

Art. 11 Persönliches Erscheinen der Parteien

(1) Die Parteien haben im Schlichtungstermin persönlich zu erscheinen.
(2) Dies gilt nicht, wenn eine Partei zu dem Termin eine Vertretung entsendet, die zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage und zu einem unbedingten Vergleichsabschluss schriftlich ermächtigt ist, und der Schlichter dem Fernbleiben der Partei zustimmt.
(3) Jede Partei kann sich im Termin eines Beistands oder eines Rechtsanwalts bedienen.
(4) ¹Erscheint der Antragsteller unentschuldigt nicht zum Schlichtungstermin, gilt der Antrag als zurückgenommen; bei hinreichender Entschuldigung binnen 14 Tagen ist vom Schlichter ein neuer Schlichtungstermin zu bestimmen. ²Der Antrag gilt auch als zurückgenommen, wenn der Vorschuss nach Art. 14 nicht in der vom Schlichter gesetzten Frist einbezahlt wurde. ³Fehlt die Gegenpartei unentschuldigt, so ist dem Antragsteller frühestens nach 14 Tagen ein Zeugnis nach Art. 4 auszustellen. ⁴In der Ladung sind die Parteien auf die Folgen ihres Ausbleibens hinzuweisen.

Art. 12 Protokollierung der Konfliktbeilegung

¹Wird vor dem Schlichter eine Vereinbarung zur Konfliktbeilegung geschlossen, so ist diese unter Angabe des Tages ihres Zustandekommens schriftlich niederzulegen und von den Parteien zu unterschreiben. ²Der Schlichter bestätigt den Abschluss der Vereinbarung mit seiner Unterschrift. ³Die Konfliktregelung muss auch eine Einigung der Parteien über die Kosten des Schlichtungsverfahrens enthalten. ⁴Die Kosten des Schlichtungsverfahrens sind der Höhe nach auszuweisen. ⁵Die Parteien erhalten vom Schlichter auf Antrag eine Abschrift der Vereinbarung.

Abschnitt IV Vergütung für das Güteverfahren der Gütestellen nach Abschnitt II und deren Vollstreckung

Art. 13 Vergütung

(1) ¹Die Schlichter nach Art. 5 Abs. 1 und 2 erheben für ihre Tätigkeit eine Vergütung (Gebühren und Auslagen) nur nach diesem Gesetz. ²Sie erhalten Ersatz der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer, sofern diese nicht nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes unerhoben bleibt.
(2) Die Gebühr für das Schlichtungsverfahren beträgt
50 Euro, wenn das Verfahren ohne Schlichtungsgespräch endet,
100 Euro, wenn ein Schlichtungsgespräch durchgeführt wurde.
(3) Werden Schlichter im Rahmen des Vollzugs der Vereinbarung zur Konfliktbewältigung im Auftrag beider Parteien tätig, entsteht eine weitere Gebühr in Höhe von 50 Euro.
(4) ¹Mit der Gebühr werden die allgemeinen Geschäftsunkosten der Schlichter abgegolten. ²Für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie Schreibauslagen können die Schlichter einen Pauschsatz von 20 Euro fordern.

Art. 14 Vorschuss für die Vergütung

(1) Der Schlichter fordert vom Antragsteller vor Durchführung des Schlichtungsverfahrens einen Vorschuss in Höhe der Gebühr nach Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 zuzüglich der Auslagen nach Art. 13 Abs. 4.
(2) Nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens rechnet der Schlichter gegenüber dem Antragsteller über den Vorschuss ab.

Art. 15 Vergütungsfreiheit

(1) Eine Partei, die die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe nach den Vorschriften des Beratungshilfegesetzes erfüllt, ist von der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung befreit.
(2) § 4 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 bis 3, §§ 5 und 6 des Beratungshilfegesetzes finden entsprechende Anwendung.
(3) ¹Ist die Partei nach Absatz 1 von der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung befreit, erstattet die Staatskasse dem Schlichter die ihm zustehende Vergütung. ²Die Erstattung der Schlichtervergütung durch die Staatskasse ist in der Bescheinigung nach Art. 4 zu vermerken.

Art. 16 Beitreibung der Vergütung durch die Staatskasse

(1) Ist dem Schlichter die Vergütung nach Art. 15 Abs. 3 erstattet worden, so geht der Anspruch auf Kostenerstattung, der sich aus der Verurteilung des Gegners in die Prozesskosten im nachfolgenden Gerichtsverfahren ergibt, insoweit auf die Staatskasse über.
(2) ¹Der Vergütungsanspruch nach Absatz 1 ist von der Staatskasse nach den Vorschriften über die Einziehung der Kosten des gerichtlichen Verfahrens geltend zu machen. ²Die Ansprüche werden bei dem Amtsgericht angesetzt, bei dem der nachfolgende Rechtsstreit geführt wurde. ³Für die Entscheidung über eine gegen den Ansatz gerichtete Erinnerung und über die Beschwerde gilt § 5 Gerichtskostengesetz entsprechend.

Art. 17 Aufwendungen der Beteiligten

¹Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten. ²Kosten werden, vorbehaltlich einer anderen Regelung in der Vereinbarung zur Konfliktbeilegung, nicht erstattet.

Abschnitt V Vollstreckung aus dem Vergleich der Gütestellen und Klauselerteilung

Art. 18 Vollstreckung aus einem Vergleich

Aus einem vor dem Schlichter der Gütestelle geschlossenen Vergleich findet die Zwangsvollstreckung nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statt.

Art. 19 Erteilung der Vollstreckungsklausel

(1) Die Vollstreckungsklausel auf einem Vergleich einer Gütestelle nach Art. 5 Abs. 1 erteilt der Notar.
(2) Die Vollstreckungsklausel auf einem Vergleich einer Gütestelle nach Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 erteilt der Rechtspfleger des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Gütestelle eingerichtet ist.

Abschnitt VI Änderung des AGGVG, In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten und Übergangsvorschriften

Art. 20

Art. 21 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten

Dieses Gesetz tritt am 1. Mai 2000 in Kraft.

Art. 22

München, den 25. April 2000
Der Bayerische Ministerpräsident
In Vertretung
Barbara Stamm
Stellvertreterin des Ministerpräsidenten und
Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung
Familie, Frauen und Gesundheit
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