BayBGG
DE - Landesrecht Bayern

BayBGG: Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG) Vom 9. Juli 2003 (GVBl. S. 419) BayRS 805-9-A (Art. 1–20)

Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Aufgaben und Ziele

(1) Aus der Bejahung des Lebens jedes Menschen erwächst die Aufgabe, geborenes und ungeborenes Leben umfassend zu schützen.
(2) Gleichberechtigung sowie volle und wirksame Teilhabe in allen Lebensbereichen von Menschen mit Behinderung sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
(3) ¹Ziel dieses Gesetzes ist es, das Leben und die Würde von Menschen mit Behinderung zu schützen, ihre Benachteiligung zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten, ihre Inklusion zu fördern und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. ²Dabei gilt der Grundsatz der ganzheitlichen Betreuung und Förderung. ³Den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung wird Rechnung getragen. ⁴Das gilt auch, soweit deren Behinderung, wie im Fall von Menschen mit seelischer Behinderung, nicht offenkundig ist.

Art. 2 Behinderung

¹Menschen mit Behinderung im Sinn dieses Gesetzes sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit von außen wirkenden Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. ²Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert.

Art. 3 Frauen mit Behinderung

¹Um die Benachteiligung von Frauen mit Behinderung wegen mehrerer Gründe zu vermeiden, sind deren besondere Belange zu berücksichtigen, bestehende Benachteiligungen zu beseitigen und künftige Benachteiligungen zu verhindern. ²Dabei sind besondere Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderung und zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen zulässig.

Art. 4 Barrierefreiheit

¹Barrierefrei ist, was für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar ist. ²An der Barrierefreiheit fehlt es, wenn Menschen mit Behinderung die Mitnahme oder der Einsatz benötigter Hilfsmittel unmöglich ist, verweigert oder erschwert wird.

Art. 5 Benachteiligung

¹Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderung ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch Menschen mit Behinderung in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden. ²Die Versagung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung ist eine Benachteiligung im Sinn dieses Gesetzes.

Art. 6 Kommunikation von Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung

(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.
(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.
(3) ¹Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung haben nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze das Recht, die Deutsche Gebärdensprache, lautsprachbegleitende Gebärden oder andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden. ²Aufwendungen der in Satz 1 genannten Personen für die Verwendung der Gebärdensprache oder anderer geeigneter Kommunikationshilfen werden nur nach Maßgabe des Art. 11 erstattet.

Art. 7 Sicherung der Teilhabe

¹Die zuständigen Staatsministerien entwickeln Fachprogramme zur Sicherstellung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft. ²Dabei soll insbesondere Menschen mit geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderung, Menschen mit schweren Verhaltensstörungen und Menschen mit psychischer Erkrankung, die großen Hilfebedarf haben, eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werden.

Art. 8 Selbsthilfe-Organisationen

Die Selbsthilfe-Organisationen von Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit und von deren Angehörigen nehmen für die Sicherung der Teilhabe wichtige Aufgaben im Bereich der Behindertenhilfe wahr.

Abschnitt 2 Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit

Art. 9 Benachteiligungsverbot

(1) ¹Die Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaates Bayern mit Ausnahme der Staatsanwaltschaften, die Gemeinden, Gemeindeverbände und die sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit Ausnahme des Bayerischen Rundfunks und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (Träger öffentlicher Gewalt) fördern im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs die in Art. 1 genannten Ziele und beachten diese bei der Planung von Maßnahmen. ²Ferner ist darauf hinzuwirken, dass auch Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen, deren Anteile sich unmittelbar oder mittelbar ganz oder überwiegend in öffentlicher Hand befinden, diese Ziele berücksichtigen. ³In Bereichen bestehender Benachteiligungen von Menschen mit Behinderung gegenüber Menschen ohne Behinderung sind besondere Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung dieser Benachteiligungen zulässig. ⁴Bei der Anwendung von Gesetzen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist den besonderen Belangen von Frauen mit Behinderung Rechnung zu tragen.
(2) Ein Träger öffentlicher Gewalt im Sinn des Abs. 1 Satz 1 darf Menschen mit Behinderung nicht benachteiligen.
(3) Besondere Benachteiligungsverbote zu Gunsten von Menschen mit Behinderung in anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

Art. 10 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

(1) ¹ Neu-, Um- und Erweiterungsbauten der Behörden, Gerichte und sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaates Bayern sowie entsprechende Bauten der Gemeinden, Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. ²Gleiches gilt für Tageseinrichtungen für Kinder, die von einem Träger öffentlicher Gewalt getragen werden; dies gilt auch für die Staatsanwaltschaften, den Bayerischen Rundfunk und die Bayerische Landeszentrale für neue Medien. ³Von den Anforderungen nach den Sätzen 1 und 2 kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden. ⁴Die Regelungen der Bayerischen Bauordnung bleiben unberührt.
(2) Die in Abs. 1 Satz 1 und 2 genannten Stellen sollen anlässlich der Durchführung von investiven Baumaßnahmen nach Abs. 1 bauliche Barrieren in den nicht von diesen Baumaßnahmen unmittelbar betroffenen Gebäudeteilen, soweit sie dem Publikumsverkehr dienen, feststellen und unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abbauen, sofern die Feststellung und der Abbau nicht einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen.
(3) ¹Die in Abs. 1 Satz 1 und 2 genannten Stellen sind verpflichtet, die Barrierefreiheit bei Anmietungen der von ihnen genutzten Bauten zu berücksichtigen. ²Künftig sollen möglichst nur barrierefreie Bauten angemietet werden, soweit die Anmietung nicht eine unangemessene wirtschaftliche Belastung zur Folge hätte.
(4) Sonstige bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personennahverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten.

Art. 11 Recht auf Verwendung von Gebärdensprache oder anderen Kommunikationshilfen, Verordnungsermächtigung

(1) ¹Zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren können Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Abs. 2 mit Trägern öffentlicher Gewalt in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen kommunizieren. ²Die Träger öffentlicher Gewalt haben dafür auf Antrag der Berechtigten nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Abs. 2, die notwendigen Aufwendungen zu erstatten. ³Hör- oder sprachbehinderten Eltern nicht hör- oder sprachbehinderter Kinder werden nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Abs. 2 auf Antrag die notwendigen Aufwendungen für die Kommunikation mit der Kindertageseinrichtung, Tagespflegestelle oder Schule in deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen erstattet. ⁴Die Sätze 1 und 2 gelten auch für die Staatsanwaltschaften.
(2) Die Staatsregierung bestimmt durch Rechtsverordnung,
Voraussetzung und Umfang des Anspruchs nach Abs. 1 Satz 1, wobei eine Regelung dahingehend getroffen werden kann, dass ein Anspruch nur dann besteht, wenn der hör- oder sprachbehinderte Mensch einen Gebärdensprachdolmetscher, einen Gebärdensprachdozenten, der hörend und der Lautsprache mächtig ist, oder eine sonstige gemäß Nr. 4 anerkannte Kommunikationshilfe selbst zur Verfügung stellt,
Voraussetzungen und Umfang der Ansprüche nach Abs. 1 Sätze 2 und 3,
Grundsätze für eine angemessene Vergütung oder eine Erstattung von notwendigen Aufwendungen für die Dolmetscherdienste oder den Einsatz anderer geeigneter Kommunikationshilfen und
Kommunikationsformen, die als andere geeignete Kommunikationshilfen im Sinn des Abs. 1 anzusehen sind.
(3) Für die Anerkennung von Prüfungen für Gebärdensprachdozenten erlässt das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (Staatsministerium) eine Rechtsverordnung, in der zu regeln ist:
die Prüfungsart,
das Prüfungsverfahren,
die Übertragbarkeit der Zuständigkeit zur Abhaltung der Prüfung auf geeignete Institute und die Regelung der Vergütung in diesen Fällen und
die Voraussetzungen der Anerkennung von bereits tätigen Gebärdensprachdozenten ohne Ablegung der Prüfung.

Art. 12 Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken, Verordnungsermächtigung

(1) ¹Träger öffentlicher Gewalt haben bei der Gestaltung von schriftlichen Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken eine Behinderung von Menschen zu berücksichtigen; dies gilt auch für die Staatsanwaltschaften, den Bayerischen Rundfunk und die Landeszentrale für neue Medien. ²Zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren können blinde und sehbehinderte Menschen nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Abs. 2 insbesondere verlangen, dass ihnen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. ³Vorschriften über Form, Bekanntmachung und Zustellung von Verwaltungsakten bleiben unberührt.
(2) Die Staatsregierung bestimmt durch Rechtsverordnung, unter Berücksichtigung der technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Art und Weise die in Abs. 1 genannten Dokumente blinden und sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden.

Art. 13 Verständlichkeit

(1) ¹Träger öffentlicher Gewalt sollen sich gegenüber Menschen mit Behinderung in dem nach ihrem jeweiligen Bedarf notwendigen Umfang einfach und verständlich ausdrücken. ²Wenn das nötig ist, sollen sie ihnen auf Verlangen insbesondere Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke in einfachen und verständlichen Worten erläutern.
(2) ¹Reicht das nicht aus, sollen sie auf Verlangen bei der Erläuterung in dem nach dem jeweiligen Bedarf notwendigen Umfang besonders leicht verständliche Sprache benutzen. ²Sprache ist besonders leicht verständlich, wenn sie sich an dafür eingeführte Standards hält.
(3) Mehrkosten dürfen den Betroffenen daraus nicht entstehen.
(4) Träger öffentlicher Gewalt sollen Informationen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit in besonders leicht verständlicher Sprache im Sinn des Abs. 2 Satz 2 bereitstellen.

Art. 14 Barrierefreies Internet und Intranet, Verordnungsermächtigung

(1) ¹Träger öffentlicher Gewalt gestalten ihre Internet- und Intranetauftritte und -angebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, unter Berücksichtigung der nach Satz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung schrittweise technisch so, dass sie von Menschen mit Behinderung grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können; dies gilt entsprechend für die Staatsanwaltschaften und Gerichte. ²Die Staatsregierung bestimmt durch Rechtsverordnung, nach Maßgabe der technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten:
die anzustrebenden technischen Standards sowie den Zeitpunkt ihrer verbindlichen Anwendung,
die zu gestaltenden Bereiche und Arten amtlicher Informationen,
Übergangsfristen zur Anpassung bereits bestehender Angebote,
Informationspflichten bei Internetauftritten und -angeboten, die zur Barrierefreiheit veröffentlicht werden sollen,
Verfahren zur Überwachung nach den Vorgaben des Art. 8 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie (EU) 2016/2102 sowie Verfahren zur Berichterstattung, um die Vorgaben des Art. 8 Abs. 4 bis 6 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu erfüllen,
Verfahren um die Einhaltung der Anforderungen der Art. 4, 5 und 7 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu gewährleisten.
(2) Für Websites und mobile Anwendungen im Sinn des Art. 1 der Richtlinie (EU) 2016/2102 öffentlicher Stellen im Sinn des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2016/2102 gilt Abs. 1 entsprechend.

Art. 15 Barrierefreie Medien

¹Der Bayerische Rundfunk und die Bayerische Landeszentrale für neue Medien sollen ferner die Ziele aus Art. 1 bei ihren Planungen und Maßnahmen beachten. ²Hierzu sollen insbesondere Fernsehprogramme untertitelt oder mit Gebärdensprache begleitet und mit Bildbeschreibungen versehen werden. ³Diejenigen Träger öffentlicher Gewalt, denen kommunikationspolitische Angelegenheiten übertragen sind, sollen darauf hinwirken, dass auch der von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 nicht erfasste öffentlich-rechtliche Rundfunk im Rahmen der technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten die in Art. 1 genannten Ziele aktiv fördert und bei der Planung von Maßnahmen beachtet.

Abschnitt 3 Rechtsbehelfe

Art. 16 Rechtsschutz durch Verbände

¹Werden Menschen mit Behinderung in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 oder Art. 14 Satz 1 verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis die nach § 15 Abs. 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) anerkannten Verbände sowie deren bayerische Landesverbände, die nicht selbst am Verfahren beteiligt sind, Rechtsschutz beantragen. ²Gleiches gilt bei Verstößen gegen Vorschriften des Landesrechts, die einen Anspruch auf Herstellung von Barrierefreiheit im Sinn des Art. 4 oder auf Verwendung von Gebärdensprache oder anderen Kommunikationshilfen im Sinn des Art. 6 Abs. 3 vorsehen. ³In all diesen Fällen müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderung selbst vorliegen.

Art. 17 Verbandsklagerecht

(1) ¹Ein nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannter Verband oder dessen bayerischer Landesverband kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Klage nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) oder des Sozialgerichtsgesetzes erheben auf Feststellung eines Verstoßes durch Träger der öffentlichen Gewalt gegen
das Benachteiligungsverbot des Art. 9 Abs. 2 und die Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit in Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 14 Satz 1,
die Vorschriften zur Herstellung der Barrierefreiheit in Art. 9 Abs. 1 Satz 5 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG), Art. 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern.
²Satz 1 gilt nicht, wenn eine Maßnahme auf Grund einer Entscheidung in einem verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist.
(2) ¹Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird. ²Soweit ein Mensch mit Behinderung selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, kann die Klage nach Abs. 1 nur erhoben werden, wenn der Verband geltend macht, dass es sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. ³Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorliegt. ⁴Vor Erhebung der Klage nach Abs. 1 Satz 1 fordert der Verband die betroffene Behörde auf, zu der von ihm behaupteten Rechtsverletzung Stellung zu nehmen. ⁵ § 72 VwGO gilt entsprechend.

Abschnitt 4 Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung; Landesbehindertenrat

Art. 18 Der oder die Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung

(1) ¹Die Staatsregierung beruft für die Dauer einer Legislaturperiode zu ihrer Beratung und Unterstützung in Fragen der Behindertenpolitik einen Beauftragten oder eine Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung. ²Der oder die Beauftragte wird vom Ministerpräsidenten namens der Staatsregierung berufen. ³Wiederberufung ist zulässig.
(2) ¹Der oder die Beauftragte
ist unabhängig und weisungsungebunden,
kann aus dem Amt vor Ablauf der Legislaturperiode nur abberufen werden, wenn eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Amtsenthebung von Richtern auf Lebenszeit dies rechtfertigt,
ist öffentliche Stelle im Sinne des Bayerischen Datenschutzgesetzes und als Amtsträger zur Verschwiegenheit verpflichtet und
hat berufliche oder gewerbliche Tätigkeiten, die neben dem Amt wahrgenommen werden, offen zu legen.
²Er oder sie ist dem Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales zugewiesen, bei dem eine finanziell und personell angemessene und mit dem Notwendigen ausgestattete Geschäftsstelle angesiedelt ist. ³ Art. 55 der Verfassung bleibt unberührt.
(3) Der oder die Beauftragte
ist ressortübergreifend tätig und
arbeitet zur Erfüllung der Amtsaufgaben mit allen Geschäftsbereichen zusammen,
regt Maßnahmen zur verbesserten Teilhabe von Menschen mit Behinderung an,
bearbeitet unbeschadet des Petitionsrechts und der Entscheidungsverantwortung der vollziehenden Stellen die an ihn oder sie gerichteten Anregungen von einzelnen Betroffenen, Verbänden, Selbsthilfegruppen, kommunalen Beauftragten und anderen Organisationen im thematisch einschlägigen Bereich,
wird zu allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben der Staatsregierung frühzeitig angehört, soweit sie im Schwerpunkt thematisch einschlägige Fragen behandeln oder berühren,
unterrichtet den Ministerrat in der Regel alle zwei Jahre, spätestens aber sechs Monate vor dem Ende einer Wahlperiode des Landtags, über die Ergebnisse seiner Tätigkeit; der Ministerrat leitet den Bericht dem Landtag zu.

Art. 19 Beauftragte auf kommunalen Ebenen für die Belange von Menschen mit Behinderung

¹Zur Verwirklichung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung sollen die Bezirke, die Landkreise und die kreisfreien Gemeinden eine Persönlichkeit zur Beratung in Fragen der Behindertenpolitik bestellen. ²Die Beauftragten auf kommunaler Ebene sind in der Erfüllung ihrer Aufgaben weisungsfrei, soweit nicht durch Satzung etwas anderes bestimmt wird. ³Näheres, insbesondere die Beteiligung bei behindertenspezifischen Belangen, wird durch Satzung oder anderweitige Regelung bestimmt.

Art. 20 Landesbehindertenrat, Verordnungsermächtigung

(1) ¹Um die Umsetzung dieses Gesetzes und die Verwirklichung der in Art. 1 Abs. 3 genannten Ziele zu fördern, wird ein Landesbehindertenrat gegründet. ²Er wird von der Staatsregierung in geeigneter Weise zu Fragen der Fortentwicklung und Umsetzung der Behindertenpolitik in Bayern einbezogen.
(2) ¹Der Landesbehindertenrat muss durch seine Mitglieder die Menschen mit Behinderung in ihrer Gesamtheit auf Landesebene repräsentieren. ²Dabei ist auf ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern zu achten. ³Dem Landesbehindertenrat gehören neben dem Vorsitzenden und dem oder der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung 15 weitere Mitglieder an. ⁴Den Vorsitz führt der Staatsminister für Familie, Arbeit und Soziales. ⁵Die Amtsperiode des Landesbehindertenrats beträgt fünf Jahre. ⁶Die Geschäftsführung obliegt dem Staatsministerium.
(3) ¹Die 15 weiteren Mitglieder des Landesbehindertenrats setzen sich aus Vertretern der Selbsthilfeorganisationen, der Freien und Öffentlichen Wohlfahrtspflege sowie der kommunalen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung zusammen. ²Für jedes dieser Mitglieder ist ein Stellvertreter zu benennen. ³Die Mitglieder und ihre Vertreter werden auf Vorschlag der Verbände für die Dauer der Amtsperiode des Landesbehindertenrats vom Vorsitzenden berufen. ⁴Erneute Berufung ist zulässig. ⁵Die Mitglieder und ihre Stellvertreter üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. ⁶Sie können ihr Amt jederzeit niederlegen. ⁷Aus wichtigem Grund können sie von ihrem Amt abberufen werden.
(4) Das Nähere insbesondere zu Auswahl, Berufung und Abberufung der Mitglieder bzw. Stellvertreter nach Abs. 3 wird durch Rechtsverordnung des Staatsministeriums geregelt.
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