BayFEV
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BayFEV: Verordnung zur Erprobung elektronischer Fernprüfungen an den Hochschulen in Bayern (Bayerische Fernprüfungserprobungsverordnung – BayFEV) Vom 16. September 2020 (GVBl. S. 570) BayRS 2210-1-1-15-WK (§§ 1–12)

Auf Grund des Art. 61 Abs. 10 Satz 1 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245, BayRS 2210-1-1-K), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 24. Juli 2020 (GVBl. S. 382) geändert worden ist, verordnet das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst:

§ 1 Anwendungsbereich

(1) ¹Diese Verordnung gilt für elektronische Fernprüfungen an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen in Bayern. ²Dies sind Prüfungen, die ihrer Natur nach dafür geeignet sind, in elektronischer Form und ohne die Verpflichtung, persönlich in einem vorgegebenen Prüfungsraum anwesend sein zu müssen, durchgeführt werden.
(2) ¹Die elektronische Fernprüfung soll als zeitgemäße Prüfungsform erprobt werden. ²Sie kann auch als Alternative zu einer Präsenzprüfung angeboten werden, wenn und soweit diese als Folge von Einschränkungen und Hindernissen aufgrund einer Pandemie, Epidemie oder eines anderen erheblichen Infektionsgeschehens nicht oder nicht für alle Studierenden durchgeführt werden kann.

§ 2 Prüfungsformen

(1) Elektronische Fernprüfungen können in Form schriftlicher Aufsichtsarbeiten (Fernklausur) oder als mündliche oder praktische Fernprüfung angeboten werden.
(2) Fernklausuren werden in einem vorgegebenen Zeitfenster unter Verwendung elektronischer Kommunikationseinrichtungen mit Videoaufsicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 angefertigt.
(3) Mündliche und praktische Fernprüfungen werden als Videokonferenz nach § 7 Abs. 1 durchgeführt.

§ 3 Prüfungsmodalitäten

(1) ¹Wird eine elektronische Fernprüfung angeboten, ist dies grundsätzlich zu Veranstaltungsbeginn festzulegen. ²Falls dies nicht möglich ist, erfolgt die Festlegung in einem angemessenen Zeitraum vor der Prüfung.
(2) Gleichzeitig werden die Studierenden informiert über
die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten nach § 4,
die technischen Anforderungen an die einzusetzenden Kommunikationseinrichtungen, die für eine ordnungsgemäße Durchführung der Prüfung erfüllt sein müssen, insbesondere das Bestehen einer geeigneten Bild- und Tonübertragung zur Videoaufsicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 oder Videokonferenz nach § 7 sowie eine qualitativ ausreichende Internetverbindung und
die organisatorischen Bedingungen an eine ordnungsgemäße Prüfung.
(3) Es soll für die Studierenden die Möglichkeit bestehen, die Prüfungssituation in Bezug auf die Technik, die Ausstattung und die räumliche Umgebung im Vorfeld der Prüfung zu erproben.

§ 4 Datenverarbeitung

(1) ¹Im Rahmen elektronischer Fernprüfungen dürfen personenbezogene Daten verarbeitet werden, soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung zwingend erforderlich ist. ²Dies gilt insbesondere für Zwecke der Authentifizierung nach § 5 und der Videoaufsicht nach § 6.
(2) ¹Die Hochschulen stellen sicher, dass die bei der Durchführung einer elektronischen Fernprüfung anfallenden personenbezogenen Daten im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO), verarbeitet werden. ²Soll eine Übertragung personenbezogener Daten in ein Land außerhalb der Europäischen Union erfolgen, sind insbesondere die weiteren Anforderungen der Art. 44 bis 50 DSGVO zu beachten.
(3) ¹Die Studierenden sind in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form insbesondere darüber zu informieren, zu welchem Zweck personenbezogene Daten verarbeitet werden und wann diese wieder gelöscht werden. ²Auf die Betrofffenenrechte nach den Art. 12 bis 21 DSGVO ist ausdrücklich hinzuweisen.
(4) Bei elektronischen Fernprüfungen sind Lernmanagementsysteme, Prüfungsplattformen, Videokonferenzsysteme und andere technische Hilfsmittel so zu verwenden, dass notwendige Installationen auf den elektronischen Kommunikationseinrichtungen der Studierenden nur unter den folgenden Voraussetzungen erfolgen:
Die Funktionsfähigkeit der elektronischen Kommunikationseinrichtung wird außerhalb der Prüfung nicht und währenddessen nur in dem zur Sicherstellung der Authentifizierung sowie der Unterbindung von Täuschungshandlungen notwendigen Maße beeinträchtigt,
die Informationssicherheit der elektronischen Kommunikationseinrichtung wird zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt,
die Vertraulichkeit der auf der elektronischen Kommunikationseinrichtung befindlichen Informationen wird zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt und
eine vollständige Deinstallation ist nach der Fernprüfung möglich.

§ 5 Authentifizierung

(1) ¹Vor Beginn einer elektronischen Fernprüfung erfolgt die Authentifizierung mit Hilfe eines gültigen Lichtbildausweises, der nach Aufforderung vorzuzeigen ist. ²Die Hochschulen können weitere, gleich geeignete Authentifizierungsverfahren durch Satzung festlegen, die sie neben der Authentifizierung nach Satz 1 zusätzlich anbieten.
(2) ¹Eine Speicherung der im Zusammenhang mit der Authentifizierung verarbeiteten Daten über eine technisch notwendige Zwischenspeicherung hinaus ist unzulässig. ²Personenbezogene Daten aus der Zwischenspeicherung sind unverzüglich zu löschen.

§ 6 Videoaufsicht bei Fernklausuren

(1) ¹Zur Unterbindung von Täuschungshandlungen während einer Fernklausur sind die Studierenden verpflichtet, die Kamera- und Mikrofonfunktion der zur Prüfung eingesetzten Kommunikationseinrichtungen zu aktivieren (Videoaufsicht). ²Eine darüberhinausgehende Raumüberwachung findet nicht statt. ³Die Videoaufsicht ist im Übrigen so einzurichten, dass der Persönlichkeitsschutz und die Privatsphäre der Betroffenen nicht mehr als zu den berechtigten Kontrollzwecken erforderlich eingeschränkt werden.
(2) ¹Die Videoaufsicht erfolgt durch Aufsichtspersonal der Hochschulen. ²Eine automatisierte Auswertung von Bild- oder Tondaten der Videoaufsicht ist unzulässig.
(3) ¹Eine Aufzeichnung der Prüfung oder anderweitige Speicherung der Bild- oder Tondaten ist nicht zulässig. ² § 5 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) ¹Abweichend von den Abs. 2 und 3 kann die Videoaufsicht auch automatisiert erfolgen, wenn die elektronische Fernprüfung als Alternative zu einer Präsenzprüfung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 angeboten werden soll, kein ausreichendes Aufsichtspersonal für die Durchführung der Videoaufsicht nach Abs. 2 Satz 1 zur Verfügung steht (Kapazitätsüberlastung) und die Studierenden ihre ausdrückliche Einwilligung erklärt haben. ²Die Studierenden sind vor Erteilung der Einwilligung nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO über die Wirkungsweise einer automatisierten Videoaufsicht und die bestehenden Möglichkeiten zur Ablegung einer Präsenzprüfung zu unterrichten. ³Die Kapazitätsüberlastung ist zu dokumentieren. ⁴Personenbezogene Daten, die bei einer automatisierten Videoaufsicht verarbeitet werden, dürfen nicht länger gespeichert werden, als dies zu Kontrollzwecken unbedingt erforderlich ist. ⁵Die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen ist unzulässig.

§ 7 Mündliche und praktische Fernprüfungen

(1) Für die zur Durchführung der mündlichen oder praktischen Fernprüfung notwendige Übertragung von Bild und Ton (Videokonferenz) über die Kommunikationseinrichtung der Studierenden gilt § 6 Abs. 1 und 2 entsprechend.
(2) ¹Eine Aufzeichnung der Prüfung oder anderweitige Speicherung der Bild- oder Tondaten ist nicht zulässig. ² § 5 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. ³Die wesentlichen Inhalte der mündlichen Fernprüfung werden von einem Prüfer oder Beisitzer protokolliert.

§ 8 Wahlrecht

(1) ¹Die Teilnahme an elektronischen Fernprüfungen erfolgt auf freiwilliger Basis. ²Die Freiwilligkeit der Teilnahme ist grundsätzlich auch dadurch sicherzustellen, dass eine termingleiche Präsenzprüfung als Alternative angeboten wird. ³Termingleich sind Prüfungen, die innerhalb desselben Prüfungszeitraums unter strenger Beachtung der Grundsätze der Chancengleichheit stattfinden.
(2) ¹Soll die elektronische Fernprüfung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 angeboten werden, stellen die Hochschulen fest, ob und für wie viele Studierende eine Präsenzprüfung unter Beachtung der jeweils geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben und Empfehlungen angeboten werden kann. ²Kann eine Präsenzprüfung nicht durchgeführt werden oder melden sich zu viele Studierende für die Alternative der Präsenzprüfung an, können die Hochschulen Studierende auf den voraussichtlich nächstmöglichen Präsenzprüfungstermin verweisen. ³Prüfungsrechtliche Nachteile dürfen dadurch nicht entstehen. ⁴Hierzu legen die Hochschulen Kriterien fest, wobei die Auswahl vorrangig nach dem Studienfortschritt erfolgen soll. ⁵Den betroffenen Studierenden muss ein Wechsel zur elektronischen Fernprüfung ermöglicht werden.

§ 9 Technische Störungen

(1) ¹Ist die Übermittlung der Prüfungsaufgabe, die Bearbeitung der Prüfungsaufgabe, die Übermittlung der Prüfungsleistung oder die Videoaufsicht zum Zeitpunkt der Prüfung bei einer Fernklausur technisch nicht durchführbar, wird die Prüfung im jeweiligen Stadium beendet und die Prüfungsleistung nicht gewertet. ²Der Prüfungsversuch gilt als nicht vorgenommen. ³Dies gilt nicht, wenn den Studierenden nachgewiesen werden kann, dass sie die Störung zu verantworten haben. ⁴Das Wahlrecht nach § 8 bleibt unberührt.
(2) ¹Ist die Bild- oder Tonübertragung bei einer mündlichen Fernprüfung vorübergehend gestört, wird die Prüfung nach Behebung der Störung fortgesetzt. ²Dauert die technische Störung an, so dass die mündliche Prüfung nicht ordnungsmäßig fortgeführt werden kann, wird die Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt. ³Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. ⁴Tritt die technische Störung auf, nachdem bereits ein wesentlicher Teil der Prüfungsleistung erbracht wurde, kann die Prüfung fernmündlich ohne Verwendung eines Videokonferenzsystems fortgesetzt und beendet werden. ⁵Bei praktischen Prüfungen gelten die Sätze 1 bis 4 entsprechend.

§ 10 Übungsklausuren

¹Die Hochschulen können Verfahren der Videoaufsicht durch automatisierte Auswertung von Bild- oder Tondaten erproben, wenn diese auf Übungsklausuren beschränkt bleiben. ² § 8 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. ³Die Studierenden müssen auf der Grundlage von Informationen nach § 3 Abs. 2 ausdrücklich in die mit dieser Prüfungsform verbundene Datenverarbeitung eingewilligt haben.

§ 11 Hochschulen

(1) Das Satzungsrecht der Hochschulen nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 61 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) bleibt im Übrigen unberührt.
(2) Hochschulen, die elektronische Fernprüfungen durchführen, sind verpflichtet, an der Evaluierung nach Art. 61 Abs. 10 Satz 4 BayHSchG mitzuwirken.

§ 12 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt mit Wirkung vom 20. April 2020 in Kraft.
(2) Diese Verordnung tritt am 30. September 2024 außer Kraft.
München, den 16. September 2020
Bernd Sibler, Staatsminister
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