Aussonderung, Anbietung, Übernahme und Vernichtung von Unterlagen im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz
Mit Zustimmung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst wird bestimmt:
I. Allgemeines
1. Geltungsbereich
1.1
Diese Bekanntmachung gilt für die Aussonderung von Unterlagen und deren weitere Behandlung bei den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, bei den Staatsanwaltschaften und bei den Justizvollzugsbehörden.
1.2
Die Aussonderung, Anbietung und Übernahme von STRENG GEHEIM, GEHEIM und VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlusssachen sowie von Unterlagen, die bei der Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen entstanden sind, richtet sich nach der Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über Richtlinien für die Aussonderung, Anbietung und Übernahme von Verschlusssachen (Aussonderungsbekanntmachung - VS) vom 19. November 1991 (StAnz Nr. 48, JMBl 1992 S. 11).
2. Begriffsbestimmungen
2.1
Unterlagen im Sinn dieser Bekanntmachung sind vor allem Akten, Urkunden und andere Einzelschriftstücke, Karten, Pläne, Bild-, Film- und Tonmaterial und sonstige Datenträger sowie Dateien einschließlich der zu ihrer Auswertung erforderlichen Programme (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayArchivG). Hierzu zählen auch Blattsammlungen, Aktenregister, öffentliche Register, Grundbücher, Namensverzeichnisse, Karteien, Daten aus elektronischen Fachverfahren sowie elektronisch geführte Akten und Teilakten.
2.2
Aussonderung im Sinn dieser Bekanntmachung bedeutet die Herausnahme der abschließend bearbeiteten und zur Erfüllung der Aufgaben der aufbewahrenden Stelle nicht mehr benötigten Unterlagen aus den Ablagen mit dem Ziel der Übergabe an das Archiv oder der Vernichtung.
2.3
Archivwürdig sind Unterlagen, die für die wissenschaftliche Forschung, zur Sicherung berechtigter Belange Betroffener oder Dritter oder für Zwecke der Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Verwaltung von bleibendem Wert sind (Art. 2 Abs. 2 BayArchivG).
2.4
Archivgut im Sinn dieser Bekanntmachung sind alle archivwürdigen Unterlagen einschließlich der Hilfsmittel zu ihrer Nutzung, die bei den in Nr. 1.1 genannten Behörden erwachsen sind (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayArchivG).
3. Zuständigkeit
3.1
Für das Bayerische Oberste Landesgericht und die Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht ist das Bayerische Hauptstaatsarchiv, Schönfeldstraße 5, 80539 München, zuständig.
3.2
Für die übrigen in Nr. 1.1 genannten Behörden bestimmt sich die Zuständigkeit des Staatsarchivs nach deren Sitz. Zuständig ist für Behörden in
Oberbayern
Staatsarchiv München, Schönfeldstraße 3, 80539 München
Niederbayern
Staatsarchiv Landshut, Burg Trausnitz, 84036 Landshut
Oberpfalz
Staatsarchiv Amberg, Archivstraße 3, 92224 Amberg
Oberfranken
(ohne Landkreis und kreisfreie Stadt Coburg)
Staatsarchiv Bamberg, Hainstraße 39, 96047 Bamberg
Landkreis und kreisfreie Stadt Coburg
Staatsarchiv Coburg, Herrngasse 11 (Zeughaus), 96450 Coburg
Mittelfranken
Staatsarchiv Nürnberg, Archivstraße 17, 90408 Nürnberg
Unterfranken
Staatsarchiv Würzburg, Residenz, 97070 Würzburg
Schwaben
Staatsarchiv Augsburg, Salomon-Idler-Straße 2, 86159 Augsburg.
4. Organisatorische Hilfsmittel
Dem Archiv sind die Organisations- und Geschäftsverteilungspläne zu übergeben, soweit Gründe des Geheimnisschutzes nicht entgegenstehen.
II. Aussonderung, Anbietung und Übernahme
5. Aktenbehandlung vor der Aussonderung
5.1
Wegzulegende Unterlagen sind für Verfahrensakten nach der Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden (Aufbewahrungsverordnung - AufbewV) und für Justizverwaltungsakten nach den Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen für das Schriftgut in Justizverwaltungssachen (AufbewahrungsbestimmungenJV - AufbewBestJV) aufzubewahren.
5.2
Die Dauer der Aufbewahrung ist durch Vermerk auf dem Aktendeckel - bei Blattsammlungen auf dem ersten Schriftstück - bei der Weglegung anzuordnen. Gelten für Teile von Unterlagen (Urteile, Beschlüsse usw.) längere Aufbewahrungsfristen als für die Unterlagen im Übrigen, so ist das der kürzesten Aufbewahrungsfrist entsprechende Jahr auf dem Aktendeckel oder auf dem ersten Schriftstück der Blattsammlung zu vermerken. In diesen Fällen sind die Schriftstücke, für die eine längere Aufbewahrungsfrist bzw. dauernde Aufbewahrung vorgeschrieben ist, deutlich zu kennzeichnen und auf dem Aktendeckel oder auf dem ersten Schriftstück der Blattsammlung zu vermerken.
5.3
Nach Ablauf der kürzesten Aufbewahrungsfrist kann eine Teilaussonderung und Vernichtung erfolgen, so dass nur die Unterlagen mit längeren Aufbewahrungsfristen weiter zu verwahren sind. Unterlagen, die dem Archiv anzubieten sind oder nach Nr. 9 entsprechend gekennzeichnet wurden, dürfen ohne Zustimmung des Archivs einer Teilaussonderung nicht unterworfen werden.
6. Allgemeine Grundsätze der Aussonderung
6.1
Nach Ablauf der in der Aufbewahrungsverordnung sowie den AufbewahrungsbestimmungenJV festgesetzten Fristen sind die Unterlagen dem Archiv anzubieten und gegebenenfalls zu übergeben. Lehnt das Archiv die Archivierung ab, sind sie zu vernichten.
6.2
Unterlagen, die nach der Aufbewahrungsverordnung und den AufbewahrungsbestimmungenJV dauernd oder länger als 50 Jahre aufzubewahren sind, sind nach Ablauf einer Aufbewahrungsdauer von 50 Jahren auszusondern, dem Archiv anzubieten und gegebenenfalls zu übergeben. Lehnt das Archiv die Übernahme der Unterlagen ab, sind sie weiterhin aufzubewahren.
6.3
Die Unterlagen werden durch die hierfür bestimmten Bediensteten ausgesondert. Der Behördenleiter oder ein Archivpfleger überzeugt sich durch Stichproben davon, dass die Unterlagen vorschriftsmäßig ausgesondert werden und die Aussonderung in den Registern vermerkt wird und trifft in Zweifelsfällen nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen die notwendigen Entscheidungen.
6.4
Dem Archiv ist die Aussonderung vorab unter Angabe der Registerzeichen, der allgemeinen Bezeichnung der auszusondernden Unterlagen und der Jahrgänge anzuzeigen.
7. Archivpfleger
7.1
Bei jedem Gericht, jeder Staatsanwaltschaft und für jede Justizvollzugsbehörde bestellt der Leiter der Behörde einen oder mehrere Archivpfleger und teilt deren Namen dem Archiv mit.
7.2
Der Archivpfleger berät die Geschäftsstellenverwalter und Sachbearbeiter bei der Festlegung der anzubietenden Unterlagen und überprüft die Aussonderungsverzeichnisse. Er hält regelmäßigen Kontakt zum Archiv.
8.
aufgehoben
9. Kennzeichnung anzubietender Unterlagen
Auf den Unterlagen ist an geeigneter Stelle, in der Regel auf dem Aktenumschlag, unterschriftlich zu vermerken, inwieweit sie dem Archiv anzubieten sind (s.
9.1
Die Kennzeichnung erfolgt
9.1.1
bei Anlage der Akten, wenn die Anbietepflicht von vornherein feststeht (s. Nrn. 10.1 und 10.2),
9.1.2
im laufenden Geschäftsbetrieb, wenn die Anbietepflicht offenkundig wird,
9.1.3
spätestens bei Beendigung des Verfahrens.
9.2
Die Kennzeichnung obliegt - unbeschadet der Entscheidungsbefugnis des Sachbearbeiters - der Geschäftsstelle. In Zweifelsfällen legt sie die Unterlagen vor der Weglegung dem Sachbearbeiter zur Entscheidung vor. Die anzubietenden Unterlagen sind grundsätzlich gleichzeitig, spätestens bei der Aussonderung, in Aussonderungsverzeichnissen nach
10. Anzubietende Unterlagen
10.1
Regelmäßig anzubieten sind
10.1.1
die nach der Anlage Teil 1 der Aufbewahrungsverordnung sowie nach Abschnitt II der AufbewahrungsbestimmungenJV dauernd oder länger als 50 Jahre aufzubewahrenden Unterlagen sowie
10.1.2
aus dem Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts
Akten über
vor dem 1. Juli 1970 in Entscheidungen rechtskräftig festgestellte Ansprüche nichtehelicher Kinder gegen ihren Vater,
Anerkennungen der Vaterschaft in öffentlichen Urkunden oder Verpflichtungen in vollstreckbaren Schuldtiteln gemäß Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBI I S. 1243),
Anfechtungen der Vaterschaft nach § 1600l BGB und Art. 12 § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBI I S. 1243),
Verfahren nach § 640 Abs. 2 ZPO bzw. § 169 FamFG (ab 1. September 2009 als Abstammungssachen bezeichnet);
- Registerzeichen C, F -
Akten über Ansprüche aus Erbrechten, aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag,
Akten betreffend Streitigkeiten über eine durch Ehe oder Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, Eigentum an Grundstücken oder an in das Schiffsregister eingetragenen Schiffen, Berechtigungen, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten, nachbarrechtliche Beschränkungen des Eigentums an Grundstücken (Überbaue, Notwege usw.), Grenzen, Grunddienstbarkeiten oder andere mit dem Eigentum an einem Grundstück verbundene Rechte;
Akten über Aufgebotsverfahren von Grundstückseigentümern;
- Registerzeichen C, ab 1. September 2009 Registerzeichen UR II -
Sammelakten mit den Beschlüssen über die Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungsverfahren und mit den dazugehörigen Protokollen, einschließlich der Pläne über die Verteilung des Versteigerungserlöses;
- Registerzeichen K -
Akten über Verfahren nach der Insolvenz-, Konkurs- und Vergleichsordnung, soweit die Summe der Verbindlichkeiten eine Million DM bzw. 500 000 Euro übersteigt;
- Registerzeichen N, VN, IN, IK, IE -
Handelsregisterakten von Kapitalgesellschaften und sonstigen bedeutenden Unternehmen, einschließlich der Akten über abgelehnte oder zurückgenommene Anträge;
- Registerzeichen HR (A, B) -
Vereinsregisterakten, einschließlich der Akten über abgelehnte oder zurückgenommene Anträge;
- Registerzeichen VR -
Genossenschaftsregisterakten;
- Registerzeichen GnR -
Binnenschiffsregister
mit zugehörigen Akten;
- Registerzeichen BSR -
Schiffsbauregister;
- Registerzeichen PSR bzw. SBR -
Register über Pfandrechte an Luftfahrzeugen;
- Registerzeichen LR -
Pachtkreditregister;
- Registerzeichen Kb bzw. PK –
Akten über Todeserklärung, Aufhebung einer Todeserklärung oder Feststellung der Todeszeit;
- Registerzeichen II -
Akten über Vermittlung von Auseinandersetzungen unter Miterben oder Teilnehmern an einer Gütergemeinschaft;
- Registerzeichen VI -
Nachlassakten;
- Registerzeichen VI -
Akten des Vormundschaftsgerichts bzw. ab dem 1. September 2009 des Familiengerichts über die Anerkennung der Vaterschaft;
- Registerzeichen VII, VIII, IX, ab 1. September 2009 Registerzeichen F -
Akten über Adoptionen;
- Registerzeichen XVI, ab 1. September 2009 Registerzeichen F -
Akten des Vormundschaftsgericht bzw. ab dem 1. September 2009 des Familiengerichts über die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes oder die Feststellung der Vaterschaft bei einem nichtehelichen Kind;
- Registerzeichen VIII, X, ab 1. September 2009 Registerzeichen F -
Akten über Stiftungen;
Zuweisungsverfahren in Landwirtschaftssachen;
- Registerzeichen LwZ bzw. Lw (XV) -
Hoffolgezeugnisse;
- Registerzeichen LwH bzw. Lw (XV) -
Akten des Betreuungsgerichts über Betreuungssachen;
- Registerzeichen XVII -
10.1.3
aus dem Zuständigkeitsbereich des Landgerichts
Akten betreffend Streitigkeiten über Namensrechte, Erbrechte, Familienstiftungen und Fideikommisse, Eigentum an Grundstücken oder an in das Schiffsregister eingetragenen Schiffen, Berechtigungen, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten, nachbarrechtliche Beschränkungen des Eigentums an Grundstücken (Überbaue, Notwege usw.), Grenzen, Grunddienstbarkeiten oder andere mit dem Eigentum an einem Grundstück verbundene Rechte, Privilegien, innere Angelegenheiten von Vereinen und Körperschaften, Stiftungen oder Anstalten des öffentlichen Rechts, sowie Akten über Arreste, einstweilige Verfügungen und Baulandsachen;
- Registerzeichen O -
Akten über Patent- und Urheberrechtsstreitigkeiten;
Akten über Stiftungen;
Akten über Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach dem Aktiengesetz;
- Registerzeichen AktE bzw. O, OH (AktG) -
Verfahrensakten über Aufopferungs- und Amtshaftungsansprüche;
Akten über Verfahren der Dienstgerichte;
Akten über Wiedergutmachungssachen (Rückerstattung und Entschädigung);
Akten über berufsgerichtliche Verfahren;
10.1.4
aus dem Zuständigkeitsbereich des Oberlandesgerichts
Akten über Fideikommisse;
- Registerzeichen FS I -
Akten über Schutzforsten, Waldgüter, Deichgüter usw.;
- Registerzeichen FS II -
Akten über Stiftungen;
Akten über Erbhofsachen;
- Registerzeichen We -
Akten über Wiedergutmachungssachen (Rückerstattung und Entschädigung);
Akten über Verwaltungsbeschwerden und Bußgeldsachen nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB);
- Registerzeichen KartV, KartB, Kart -
Akten über Verfahren der Dienstgerichte und über berufsgerichtliche Verfahren;
Generalakten und Sammelakten mit einer Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren;
Personalakten (ohne etwaige Anlagehefte mit Prüfungsarbeiten) der Richter, Beamten, Angestellten, Arbeiter, Rechtsanwälte und Notare, jeweils nach den Richtlinien der Archivverwaltung;
10.1.5
aus dem Zuständigkeitsbereich des aufgehobenen Bayerischen Obersten Landesgerichts
Generalakten;
Personalakten (ohne etwaige Anlagehefte mit Prüfungsarbeiten) der Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter, jeweils nach den Richtlinien der Archivverwaltung;
10.1.6
aus dem Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Akten (auch bei Verfahrenseinstellungen) über
Verfahren, in denen auf lebenslange Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder auf Untersagung der Erteilung der Fahrerlaubnis für immer erkannt wurde;
sonstige Schwurgerichtssachen;
- Registerzeichen Js (Ks) -
sonstige Sachen der großen Strafkammer (Jugendkammer)
- Registerzeichen Js (KLs), früher: KLs, KMs -
bedeutsame Leichen- und Brandsachen;
- Registerzeichen Js, UJs -
die Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten;
die Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der ehemaligen DDR;
die Verfolgung erkennbar politisch motivierter Straftaten, vor allem bei Verstößen gegen das Versammlungs- und Presserecht, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Landfriedensbruch, Schmieraktionen;
bedeutsame Verfahren zeittypischer Kriminalität, z.B.
– terroristische Gewalttaten und sonstige Straftaten aus dem zugehörigen Umfeld,
– Drogen- und Waffenschmuggel,
– Herstellung und Verbreitung von Falschgeld,
– gewerbsmäßige Fälschung von Ausweispapieren,
– erpresserischer Menschenraub,
– gewalttätige Ausschreitungen (z.B. bei Volksfesten, Sportveranstaltungen, Großkonzerten),
– gewaltsame Auseinandersetzungen mit Beteiligung von Sondergruppen (Angehörigen der Besatzungsmächte, „Displaced Persons" in der frühen Nachkriegszeit, Ausländergruppen, Asylbewerbern, Umsiedlern, Landfahrern usw.),
– Vergehen gegen das Aufenthaltsrecht durch Ausländer bei organisiertem Tatzusammenhang,
– Fälle von Betäubungsmittelmissbrauch (nur markante Fallbeispiele),
– organisierte Kriminalität einschließlich der Bandenkriminalität von Kindern und Jugendlichen,
– Schwarzhandelsdelikte bei mehreren Beschuldigten oder bei überregionalen Tatzusammenhängen,
– Betrügereien unter Ausnutzung der Nachkriegsverhältnisse oder der Ost-West-Teilung (z.B. Annahme falscher Identitäten, Doppelehen),
– Fälle erschwerter Kuppelei, Förderung der Prostitution und Menschenhandel,
– gewerbsmäßige Abtreibung (Fallbeispiele),
– Verbreitung pornographischer Schriften und Darstellungen,
– Computerkriminalität,
– Umweltkriminalität;
Vergehen im Amt durch Angehörige des öffentlichen Dienstes;
alle Verfahren, für die im Fall der Anklageerhebung die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben gewesen wäre;
- Registerzeichen Js/UJs; Js (Ls), früher: Ls, Ms; Js (Ds), früher: DLs, Ds, Es -
10.1.7
aus dem Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft
Akten über erstinstanzliche Strafsachen, in denen auf lebenslange Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder auf Untersagung der Erteilung der Fahrerlaubnis für immer erkannt ist, im übrigen bei den unter 10.1.6.5 genannten Tatbeständen;
- Registerzeichen OJs -
Akten über Auslieferungssachen;
- Registerzeichen Ausl. -
Akten über Verfahren nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. Mai 1953 (BGBl I S. 161);
Akten über Kartellbußgeldsachen;
Akten über ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanwälte;
Akten über berufsgerichtliche Verfahren, in denen auf Ausschließung aus dem Beruf erkannt oder ein Beweissicherungsverfahren angeordnet worden ist;
Generalakten und Sammelakten mit einer Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren;
Personalakten (ohne etwaige Anlagehefte mit Prüfungsarbeiten) der Beamten, Angestellten und Arbeiter, jeweils nach den Richtlinien der Archivverwaltung;
10.1.8
aus dem Zuständigkeitsbereich der aufgehobenen Staatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht alle Akten über erstinstanzliche Verfahren;
- Registerzeichen ObJs -
10.1.9
aus dem Zuständigkeitsbereich der Justizvollzugsbehörden,
Gefangenenbücher, Gefangenenkarteien, Transportbücher;
Akten über kriminologische Untersuchungen.
10.2
Darüber hinaus sind von allen Gerichten und Staatsanwaltschaften aufgrund Prüfung des Einzelfalls anzubieten sonstige, ersichtlich bedeutsame Unterlagen, z.B.:
10.2.1
Urteile und Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts, soweit sie nicht in die amtliche Sammlung übernommen wurden, des Dienstgerichtshofes für Richter sowie der Landesberufsgerichte für Heilberufe, Architekten und Beratende Ingenieure;
10.2.2
Akten über Verfahren, an denen bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (Politiker, Wissenschaftler, Künstler usw.), bedeutende Familien, Stiftungen, Firmen oder sonstige Unternehmen beteiligt waren;
10.2.3
Akten über Verfahren, in denen Landesrecht aus der Zeit vor 1900 angewendet wurde;
10.2.4
Akten über Verfahren mit wertvollen Hinweisen auf Volkssitte und Brauchtum, auch wenn es sich um Bagatellfälle handelte;
10.2.5
Akten über zeittypische Zivilrechtsstreitigkeiten (Mietstreitigkeiten, Reisevertragssachen, Sachmängelprozesse usw.);
10.2.6
ein bis drei Bewährungshelferakten der Landgerichte je Bewährungshelfer und Jahr.
10.3
Nach Absprache zwischen dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns können die Archive in bestimmten Zeitabständen die Anbietung sonstiger Unterlagen zum Zwecke von Repräsentativauswahlen nach archivischen bzw. statistischen Auswahlmethoden (Stichproben, Querschnitte, Listen) verlangen.
11. Anbietung
11.1
Die anbietende Stelle listet die nach den vorstehenden Regelungen anzubietenden Unterlagen einzeln in einem Aussonderungsverzeichnis nach
11.2
Anzubieten sind auch Unterlagen, die personenbezogene Daten einschließlich datenschutzrechtlich gesperrter Daten enthalten, die unter einem besonderen gesetzlichen Geheimnisschutz stehen oder die sonstigen Geheimhaltungsvorschriften unterliegen (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayArchivG).
11.3
Rechtsvorschriften, nach denen die anbietende Stelle zur Vernichtung von Unterlagen verpflichtet ist, bleiben unberührt.
11.4
Nach einer Ersatzverfilmung sind die Originalunterlagen dem Archiv anzubieten, auch wenn Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind.
11.5
Bei maschinenlesbar gespeicherten Informationen ist die Auswahl der anzubietenden Unterlagen einschließlich der Form der Datenübermittlung festzulegen (Art. 6 Abs. 2 Nr. 3 BayArchivG). Außer der Übergabe auf maschinenlesbaren Datenträgern kann insbesondere der Ausdruck auf Papier oder Mikrofilm vereinbart werden.
11.6
Den Bediensteten der Archive ist Einsicht in die angebotenen Unterlagen und in die Findmittel der Registraturen zu gewähren (Art. 6 Abs. 3 BayArchivG). Auf Verlangen sollen dem Archiv ausgewählte Unterlagen zur Prüfung der Archivwürdigkeit übersandt werden.
11.7
Die für die Aktenaussonderung erforderlichen, in Gerichtsverwaltungs-/Dokumentenmanagementsystemen gespeicherten Personen- und Verfahrensdaten sind bis zur Abgabe der Unterlagen an die Archive vorzuhalten. Die für die Anbietung und Abgabe erforderlichen Personen- und Verfahrensdaten werden zwischen der abgebenden Stelle oder dem Staatsministerium der Justiz und der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns festgelegt. Das gilt auch für die Art der Übergabe elektronischer Akten sowie für das Format der elektronischen Dokumente.
12. Übernahme
12.1
Vor der Entscheidung des Archivs darf über die angebotenen Unterlagen nicht verfügt werden. Entscheidet das Archiv nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des Aussonderungsverzeichnisses über die Übernahme, so übersendet die abgebende Stelle dem Archiv die von ihr im Aussonderungsverzeichnis aufgelisteten Unterlagen, für deren weitere Aufbewahrung oder Vernichtung das Archiv verantwortlich ist. Zur weiteren Aufbewahrung der sonstigen Unterlagen ist die abgebende Stelle nicht verpflichtet.
12.2
Im Einvernehmen mit dem Archiv übersendet die abgebende Stelle die archivwürdigen Unterlagen unter Beigabe des Abgabeverzeichnisses (berichtigte Fassung des Aussonderungsverzeichnisses), von dem die abgebende Stelle eine Ausfertigung als Empfangsbestätigung zurückerhält.
12.3
Die anbietende Stelle ordnet die zur Abgabe bestimmten Unterlagen in der Reihenfolge des Abgabeverzeichnisses. Die Unterlagen sind nach Möglichkeit in metallfreie Behälter umzulegen und von allen Metallteilen, z.B. Büro- oder Heftklammern, zu befreien. An den Unterlagen dürfen keine (wertmindernden) Veränderungen vorgenommen sowie Siegel, Wertmarken, Originalumschläge oder Originaldeckblätter usw. nicht entfernt werden.
12.4
Das Archiv kann archivwürdige Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind, bereits vor Ablauf der Aufbewahrungsfristen endgültig übernehmen. Die Aufbewahrungsfristen werden in diesem Fall durch die Aufbewahrung im Archiv gewahrt (vgl. Art. 7 Abs. 3 BayArchivG).
12.5
Die anbietende Stelle hat Unterlagen, die nicht übernommen oder nach der Übernahme als nicht archivwürdig bestimmt worden sind, weiterhin aufzubewahren, soweit ihre Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind.
13. Auftragsarchivierung
13.1
Das Archiv kann auch Unterlagen übernehmen, deren Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind und bei denen das Verfügungsrecht den abgebenden Stellen vorbehalten bleibt (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayArchivG).
13.2
Über die Übernahme von Unterlagen zur Auftragsarchivierung entscheidet die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns unter Berücksichtigung der Interessen der anbietenden Stelle und des Archivs. Die Auftragsarchivierung soll wegen der räumlichen, organisatorischen und personellen Konsequenzen für die Archive auf besonders dringliche Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Sie kommt in Betracht, wenn die Unterlagen nur noch selten benötigt werden und wenn es sich beim überwiegenden Teil voraussichtlich um archivwürdige Unterlagen handelt, deren frühzeitige Übergabe eine rationellere Erfassung bei der späteren Archivierung erwarten lässt.
13.3
Nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen ist das Verfahren entsprechend Nrn. 6 ff. durchzuführen.
14.
aufgehoben
15. Dokumentationsmaterial
15.1
Die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden bieten auch das vorhandene Dokumentationsmaterial in vereinfachter Form zur Übernahme an. Dokumentationsmaterial in diesem Sinn sind z.B. Plakate, Flugblätter und Flugschriften, Presseausschnitte, Zeitungen, Firmen-, Verbands- und Vereinsschriften, Bilder, Filme und Tonaufzeichnungen, die nicht zu bestimmten Akten gehören.
15.2
Das Archiv entscheidet innerhalb von zwei Monaten, welches Dokumentationsmaterial übernommen wird.
16. Aussonderung von Büchern
Die Aussonderung von Büchern richtet sich nach Nr. 12 der Aussonderungsbekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 19. November 1991 (JMBl 1992 S. 5).
17. Kosten
Die Kosten der Anbietung und Übergabe trägt die abgebende Stelle. Die dem Archiv dabei entstehenden Aufwendungen sind jedoch nicht zu erstatten.
III. Vernichtung
18. Vernichtung
18.1
Unterlagen, die nicht nach Nr. 10 anzubieten sind oder deren Archivwürdigkeit vom Archiv verneint worden ist und die nicht nach Nr. 12.5 weiterhin aufzubewahren sind, sollen von der anbietenden Stelle daten-schutzgerecht vernichtet werden (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayArchivG). Es ist sicherzustellen, dass Unbefugte keinen Einblick in die Unterlagen erhalten und Papier der Rohstoffverwertung zugeführt wird.
18.2
Soweit die Vernichtung einem Privatunternehmen übertragen wird, muss die unverzügliche und datenschutzgerechte Vernichtung vertraglich nach dem Muster der
IV. Ergänzende Bestimmungen
19.
Soweit diese Bekanntmachung keine besonderen Regelungen enthält, gelten die Vorschriften der Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über Aussonderung, Anbietung, Übernahme und Vernichtung von Unterlagen (Aussonderungsbekanntmachung vom 19. November 1991, StAnz Nr. 48, JMBl 1992 S. 5).
V. Schlussbestimmungen
20. Inkrafttreten, Außerkrafttreten
20.1
Diese Bekanntmachung tritt am 1. Juni 1994 in Kraft.
20.2
Gleichzeitig tritt die Bekanntmachung über die Abgabe von Archivgut an die Staatsarchive und Aussonderung des übrigen Schriftguts (Archivsachenbekanntmachung) vom 18. Dezember 1978 (JMB 1979 S. 7) außer Kraft.
Anlagen
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