Vollzug des Waldgesetzes für Bayern (BayWaldG): Ausarbeitung der Schutzwaldverzeichnisse
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Vollzug des Waldgesetzes für Bayern (BayWaldG): Ausarbeitung der Schutzwaldverzeichnisse

Gemäß § 3 der

I.

Bei der Ausarbeitung der Schutzwaldverzeichnisse ist Nachstehendes zu beachten:

1. Ausarbeitung der Verzeichnisse

1.1

Durchführung
– im Flachland durch die Forstämter, Einarbeitung, Planung des Arbeitsfortschrittes, Koordination und Überprüfung erfolgt durch die
– im Hochgebirge durch eigene Sektionen, mit ähnlicher Personalausstattung wie bei der Waldfunktionsplanung. Die

1.2

Kartenmaterial
Für die Abgrenzung und als Unterlage für die Anlage der Karteiblätter eignen sich am ehesten Höhenflurkarten (im Maßstab 1 : 5000). Wenn möglich, sollten diese auf den Maßstab 1 : 10 000 verkleinert verwendet werden. Die Übertragung auf die Übersichtskarte (

1.3

Arbeitsfortschritt
Innerhalb eines Forstamtes ist gemeindeweise vorzugehen. Zuerst sind die Gemeinden zu bearbeiten, in denen die Anlage besonders dringend oder wichtig ist, z.B. dort, wo größere Planungsvorhaben anstehen oder in den Alpen zunächst in der Zone A des Teilabschnittes „Erholungslandschaft Alpen“ des Landesentwicklungsprogrammes.

1.4

Beteiligung der Wasserwirtschaftsämter
Die jeweils zu bearbeitenden Teile der Verzeichnisse werden an das zuständige Wasserwirtschaftsamt zur Stellungnahme übersandt. Soweit Fragen der wasserwirtschaftlichen Bedeutung der Wälder und der Erosionsgefährdung von Belang sind – insbesondere im Alpenbereich –, werden die Wasserwirtschaftsämter bereits während der Bearbeitung der Verzeichnisse eingeschaltet.

2. Übersichtsblätter

2.1

Große zusammenhängende Schutzwaldkomplexe sind, falls aus Gründen der Übersichtlichkeit nötig, zu unterteilen (z.B. in einzelne Bergseiten, wie Hirschberg W-Hang).

2.2

Als Art des Schutzwaldes ist anzugeben, ob es sich um Schutzwald nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 handelt; bei Schutzwald nach Art. 10 Abs.1 Nr. 3 ggf. außerdem, ob der Wald dem Schutz vor Lawinen etc. dient.

2.3

Eine Zustandsbeschreibung ist vor allem dann nötig, wenn der Wald in seiner Funktionserfüllung schwer gestört ist, z.B. wenn er
– nicht standortsgemäße Bestockung aufweist
– stark geschädigt ist (z.B. Schälschäden)
– überaltert ist
– sehr verlichtet (BG 0,4-0,5) ist oder
– größere bzw. zahlreiche Erosionsschäden (Blaiken etc.) aufweist.

3. Karteiblätter

3.1

Fläche: liegt nicht die gesamte Flurstücksnummer im Schutzwald, wird die Schutzwaldfläche geschätzt (notfalls unter Verwendung eines Punktrepräsentationssystems).

3.2

Grenzen: Beim Ausweisen des Schutzwaldes sind die Grenzen, soweit vertretbar, möglichst so zu legen, dass sie leicht aufzufinden und zu beschreiben sind (an Flurstücksgrenzen, an Grenzsteinen angehängt usw.).
Die notwendigen Beschaffungen der Karten sind aus den zugewiesenen Haushaltsmitteln zu bestreiten. Die Übersichts- und Karteiblätter werden vom Staatsministerium zur Verfügung gestellt.

II.

Im Gegensatz zum früheren Recht kann der Besitzer eines Schutzwaldes i. S. des Art. 10 Abs. 1 BayWaldG in der Waldbewirtschaftung starken Beschränkungen unterworfen werden (vgl. Art. 14 Abs.2 BayWaldG). Mit Rücksicht auf die mögliche Einschränkung der Handlungsfreiheit des Waldbesitzers muss bei der Aufnahme von Wald in das Schutzwaldverzeichnis (
Als Anhalt für die Aufnahme von Wald i. S. des Art. 2 BayWaldG in das Schutzwaldverzeichnis gelten die nachfolgenden Abgrenzungskriterien:

1. Schutzwald gem. Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 BayWaldG

Hier handelt es sich um sog. unbedingte Schutzwälder; ihnen kommt Schutzwaldeigenschaft schon allein deshalb zu, weil sie aufgrund ihrer orographischen und geographischen Lage auf Extremstandorten stocken, auf denen das Waldwachstum und vor allem die Waldregeneration stark beeinträchtigt und gefährdet sind. Eine besondere Wirkung auf die Umgebung muss im Einzelfall nicht nachgewiesen werden. Sie ist, wenn auch nicht überall konkret greifbar, doch allgemein gegeben (s. a. ZERLE/HEIN, Forstrecht in Bayern, EinfBayWaldG).

1.1

In den Alpen (Hoch- und Vorgebirge, Wuchsgebiete 17 und 18):

1.1.1

Als Wald in den Hochlagen ist der oberste Waldgürtel (Baum- sowie Latschen- und Grünerlenbestände) in Lagen über 1500 bzw. über 1600 m ü. NN je nach Exposition zu verstehen.

1.1.2

Kammlagen sind stark windexponierte Bergkämme in über 1300 bzw. über 1400 m ü. NN. Die Bäume zeigen häufig starken Drehwuchs, zerzauste, einseitig ausgebildete Kronen und geringe Wuchsleistung. Der Schutzwaldgürtel soll i. a. rund 100 Höhenmeter der bewaldeten Kammlagen umfassen.

1.2

In den Mittelgebirgen ist Schutzwald auszuweisen auf rauen, ungeschützten Hochflächen und Bergkämmen mit extremen klimatischen Verhältnissen wie:
– lange Schneebedeckung
– starke Bewindung
– große Nebelhäufigkeit
– starke Raufrost- oder Raureifgefahr (Wipfelbrüche)
– kurze Vegetationszeit
Beispiele:
– Hochlagen des Inneren Bayerischen Waldes in über 1100-1200 m ü. NN
– raue Hochlagen in über 800 m ü. NN und raue Kammlagen in über 750 m ü. NN im Fichtelgebirge
– raue Hanglagen im Frankenwald in über 650 m ü. NN
– raue Hochlagen in der Rhön in über 750 m ü. NN
Darüber hinaus ist die Ausweisung von Schutzwald in rauen Hoch- und Kammlagen in begründeten Einzelfällen möglich (z.B. stark windexponierte hohe Lagen im Vorderen Bayerischen Wald, im Oberpfälzer Grenzgebirge, im Steinwald, in den südbayerischen Jungmoränen- und Molassevorbergen).

2. Schutzwald gem. Art. 10 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BayWaldG

Art. 10 Abs. 1 fasst unter Nummer 2 die Schutzwaldlagen zusammen, in denen der Wald im Wesentlichen nur seinen eigenen Standort schützt. Unter Nummer 3 sind dagegen hauptsächlich die Schutzwälder genannt, die darüber hinaus auch dazu dienen, andere Grundstücke vor Schäden zu bewahren.
Eine wichtige Grundlage für die Ausscheidung von Schutzwald gem. Art. 10 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 sind die Waldfunktionspläne, soweit er dort als Boden-, Lawinenschutzwald, als Wasserschutzwald zur Verhütung schädlichen Abfließens von Niederschlagswasser oder als Wald in Überschwemmungsgebieten erfasst ist. Zu beachten ist jedoch, dass im Rahmen der Waldfunktionsplanung auch Schutzwald ausgewiesen worden ist, der nicht Schutzwald i. S. des Art. 10 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 ist und dass es sich bei den Waldfunktionsplänen um Rahmenpläne handelt, denen eine unmittelbar bindende Wirkung im Verhältnis zum Waldbesitzer nicht zukommt. Dies hat zur Folge, dass zum einen die vorgenannten Schutzwaldkategorien auf den Waldfunktionskarten i. d. R. großflächiger ausgewiesen sind und zum anderen besonders kleinflächige Schutzwälder von der Waldfunktionsplanung nicht erfasst werden konnten. Auf vielen Standorten treffen mehrere unter Art. 10 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BayWaldG genannte Punkte für die Schutzwaldausweisung zusammen.
Grundsätzlich Schutzwald gem. Art. 10 Abs.1 Nrn. 2 und 3 ist:

2.1

Wald auf Steilhängen und größeren Steilstufen mit einer mittleren Neigung ab 35°. Hier herrscht stets starke Erosionsgefahr, im Hochgebirge – besonders in Lagen über 1000-1200 m ü. NN – zusätzlich Lawinen- und Schneebrettgefahr.

2.2

Wald in sehr exponierten Lagen (soweit er nicht schon als Schutzwald nach Art. 10 Abs.1 Nr. 1 BayWaldG erfasst ist), auf schmalen Graten, Rücken, Bergnasen, Hangkanten. Hier reduziert der Wald die Erosionsgefahr, die Gefahr des Humusschwundes bzw. der Verkarstung, evtl. auch die Gefahr der Bodenverwehung oder von Felsstürzen. Im Hochgebirge, in Lagen über 1000-1200 m ü. NN mindert er zusätzlich die Lawinengefahr, weil er starker Schneeverwehung und Wächtenbildung vorbeugen kann.
Darüber hinaus, ist Schutzwald – überwiegend gem. Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 BayWaldG – auch bei Neigungen unter 35° und in nicht sehr exponierten Lagen auszuweisen auf Standorten, die zur Verkarstung oder zum Humusschwund neigen sowie auf stark erosionsgefährdeten Standorten:

2.3

Standorte, die zur Verkarstung oder zum Humusschwund neigen

2.3.1

Unter Verkarstung wird der Bodenverlust auf Hartkalken (z.B. Schrattenkalk, Jurakalke, Rhätkalke, Plattenkalk, Dachsteinkalk) verstanden. Als deutlicher Hinweis für die Verkarstungsgefahr gilt, wenn an vielen Stellen zwischen dem Boden das Gestein zu Tage tritt. Hier sind die Böden bei Freilage – unabhängig von Hangneigung und Exposition – stark gefährdet. Ohne den schützenden Wald verlieren sie leicht die Verbindung mit dem Muttergestein und können durch Regengüsse abgespült werden.

2.3.2

Eine ähnliche Gefahr wie die Verkarstung stellt der Humusschwund oder die Aushagerung dar. Sie ist dann gegeben, wenn der biologische Abbau der organischen Bodensubstanz gegenüber deren Aufbau überwiegt. Besonders gefährdet sind humusreiche, tonarme Böden. Schutzwald ist auszuweisen, wenn bei Freilage mit so starkem Humusabbau zu rechnen ist, dass eine Wiederbewaldung stark erschwert oder unmöglich wird. Das ist vor allem auf flachgründigen, sonnseitig exponierten Kalksteinböden bei Hangneigungen über 25° der Fall (Bodenmächtigkeit < 20 cm, Exposition SO, S, SW), außerdem auf Fels- oder Blockhumusböden sowie auf kaum humosen Rohböden unabhängig von Hangneigung und Exposition. Zu den beiden letztgenannten Gruppen zählen Böden auf Blockfeldern, Bergsturzgelände, Schutthalden oder auf Alluvialschottern an Flussläufen.

2.4

Stark erosionsgefährdete Standorte
Hierzu gehören alle Flächen, die aufgrund labiler geologischer oder besonderer orographischer Verhältnisse, labiler Böden oder Hangzuschusswasser durch beschleunigten Hangabtrag bedroht sind.

2.4.1

Mit Massenabtrag durch furchen- oder grabenbildendes Einschneiden von Oberflächenwasser (Tiefenerosion) ist hauptsächlich auf tiefgründigen Lockermassen sowie auf steinarmen Feinsand- oder schluffreichen Böden bei Hangneigungen über 20° zu rechnen. In den Alpen handelt es sich häufig um eiszeitliche Stausedimente und Moränen, außerhalb der Alpen vielfach um feinsandige, glimmerreiche Lockergesteine des Tertiärs oder um Lößböden. Eine Einstufung als Schutzwald erfolgt nur, wenn auf vergleichbaren Freilandflächen oder auch im Wald deutliche Erosionsspuren (Rinnen, Auskolkungen) festgestellt werden.

2.4.2

Bodenabtrag durch Gleitschneedecken und Bodenlawinen (Schneeschurf) tritt in schneereichen, über 30° geneigten Lagen der Alpen auf. Besonders gefährdet sind lange, glatte Hänge in Höhen über 1200 m ü. NN.

2.4.3

Erdabrutschungen sind in schluff- und tonreichem Material sowie in Zweischichtenböden (Lehme auf undurchlässigem, schmierigem Untergrund) zu erwarten, hauptsächlich bei Hangneigungen über 20°. Diese Böden sind insbesondere im Flyschgebiet zu finden. Auch hier wird Schutzwald nur ausgeschieden, wenn deutliche Hinweise auf die Rutschgefahr gegeben sind, wie z.B. unruhige kleinmuldige Geländeformen (Hangnischen), Geländeanrisse, Blaiken, austretende Sickerwässer, schrägstehende Bäume, Kniewuchs der Bäume.
Als Schutzwald gem. Art. 10 Abs.1 Nr. 3 BayWaldG ist über die unter Punkt 2.1 (Steilhänge), 2.2 (sehr exponierte Lage), 2.4.2 (Gleitschnee- und Bodenlawinenhänge) sowie 2.4.3 (Rutschhänge) behandelten Standorte hinaus zu erfassen:

2.5

Als Lawinenschutzwald der Wald im Umgriff von Lawinengassen, und zwar bis 100 m seitlich sowie bis 300 m ober- und unterhalb der Gasse.

2.6

Ein bis zu 200 m breiter Waldgürtel am Fuß von Felswänden und aktiven Schutthalden zum Schutz gegen Steinschlag und Blockschutt.

2.7

Wald im Wassereinzugsgebiet oberhalb von Rutschhängen, wenn er durch Minderung des Oberflächenabflusses die Rutschgefahr auf tiefergelegene Hangteile vermindert. Dafür kommen insbesondere Standorte mit hoher Wasserkapazität (tiefgründige, schwere Böden oder Waldmoore) in Betracht.

2.8

Wald im Einzugsgebiet von häufig ausufernden Wildbächen und oft Hochwasser führenden Flüssen, der Hochwassern, Überflutungen und Vermurungen vorbeugen kann. Für die Ausweisung solcher gefährdeten Gebiete kommt es wesentlich auf die Stellungnahme der Wasserwirtschaftsämter an (vgl.

2.9

Wald zum Schutz gegen Bodenverwehungen auf und im Umgriff von Wanderdünen (verblasener Feinsand). Solche Standorte sind an ihrem gewellten Relief und der oft krüppelhaften Waldbestockung erkennbar.

2.10

Uferbegleitender Wald an Fließgewässern in einer Breite von 10-50 m, soweit er der Erhaltung der Flussufer dient. Die Ausweisung von Schutzwald ist vor allem an den Prallufern raschfließender Gewässer, insbesondere bei großer Stofffracht notwendig.

2.11

Abschließend ist auf die Schutzwaldungen nach Art. 28 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes i. d. F. vom 2. Juli 1974 (GVBl S. 333) und nach § 10 des Bundesfernstraßengesetzes i. d. F. vom 1. Oktober 1974 (BGBl I S. 2413) hinzuweisen. Diese Schutzwälder sind nur insoweit in das Schutzwaldverzeichnis aufzunehmen, als sie auch nach Art. 10 Abs. 1 BayWaldG Schutzwald sind (vgl. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 BayWaldG.)
I. A.
Wagemann
Ministerialdirigent
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